BT-Drucksache 18/78

Rauschmittelkonsum und -prävention bei Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr in Afghanistan und in Deutschland

Vom 21. November 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/78
18. Wahlperiode 21.11.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Tempel, Jan Korte, Andrej Hunko, Ulla Jelpke,
Katrin Kunert, Stefan Liebich, Niema Movassat, Petra Pau, Kersten Steinke,
Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Rauschmittelkonsum und -prävention bei Soldaten und Soldatinnen der
Bundeswehr in Afghanistan und in Deutschland

Medienberichten zufolge häuften sich in diesem Jahr Fälle von übermäßigem
Alkoholkonsum von Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten in Afghanistan
(siehe hierzu z. B. www.focus.de). Der Dienst an der Waffe wird durch den
Konsum von Rauschmitteln noch gefährlicher, da die Zurechnungsfähigkeit der
Soldatinnen und Soldaten eingeschränkt werden kann. Damit können die Solda-
tinnen und Soldaten eine Gefahr für sich und für andere werden. „Betrunkene
Soldaten lagen im Graben, Schüsse lösten sich ungewollt, es kam zu Unfällen“,
so „SPIEGEL ONLINE“ im Sommer 2013 zur Lagebeschreibung im Feldlager
Masar-i-Scharif (siehe www.spiegel.de). Daher ist es wichtig zu erfahren, wie die
Bundeswehr in Afghanistan mit dem Konsum von Alkohol und anderen Rausch-
mitteln durch ihre Soldatinnen und Soldaten umgeht und wie die Bundesregie-
rung diese Regelungen einschätzt. So gibt es etwa je nach Lager unterschiedli-
che Regelungen zum Alkoholkonsum, obwohl sich die Wirkung von Alkohol
nicht nach Standort unterscheidet. Es obliegt den Offizieren vor Ort, angemes-
sene Regelungen zu einem möglichen Alkoholverbot zu treffen. Dabei sehen ei-
nige in einem Verbot von Alkohol keine Lösung, da sie dadurch einen Anstieg
des illegalen Alkoholkonsums unter den Einsatzkräften befürchten.
Zugleich ist Afghanistan ein wichtiges Anbaugebiet für Cannabis und Schlaf-
mohn. Zu einer adäquaten Einschätzung des Rauschmittelkonsums von Solda-
tinnen und Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan gehört daher auch, das Aus-
maß des Konsums dieser Rauschmittel innerhalb der Bundeswehr zu ermitteln.
Darüber hinaus ist es wichtig zu erfahren, welche Gründe die Bundesregierung
für den Anstieg des Rauschmittelkonsums unter den deutschen Einsatzkräften in
Afghanistan vermutet, um das Problem des riskanten Konsumverhaltens unter
Soldatinnen und Soldaten nicht an den Symptomen, sondern an den Ursachen
anzugehen. In diesem Zusammenhang geht es um die Evaluierung der bei der
Bundeswehr eingesetzten Konzepte zur Rauschmittelprävention unter Soldatin-
nen und Soldaten im Allgemeinen und den Einsatzkräften in Afghanistan im
Speziellen sowie um die Frage, ob es Hinweise von psychischen Überforderun-
gen angesichts der Einsatzbedingungen gibt, die zu einem erhöhten Konsum von
legalen und illegalisierten Rauschmitteln führen. Da davon auszugehen ist, dass
der Konsum von legalen und illegalisierten Substanzen sowie die Herausbildung
von Sucht auch bei anderen in Afghanistan stationierten Armeen bekannt ist,
stellt sich zudem die Frage nach der Zusammenarbeit zur Entwicklung gemein-
samer Suchtpräventionsmaßnahmen.

Drucksache 18/78 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viel alkoholische Getränke wurden nach Kenntnis der Bundesregierung

im Jahr 2012 innerhalb der deutschen Feldlager verkauft (bitte nach Bier,
Wein, Branntwein und weiteren Alkoholika getrennt aufgliedern und in
Litern angeben)?
Über welche Vergleichszahlen verfügt die Bundesregierung für die Jahre
2010 und 2011 sowie 2013?
Wie viele Soldatinnen und Soldaten, Zivilbeschäftigte sowie weitere Per-
sonen haben sich in den jeweiligen Jahren durchschnittlich in diesen Feld-
lagern aufgehalten?

2. Wie viele Fälle übermäßigen Alkoholkonsums bei der Bundeswehr in
Afghanistan sind der Bundesregierung seit Beginn des Einsatzes bekannt
(bitte nach Jahren und nach Lager auflisten)?

3. Wie viele Fälle des Missbrauchs von Alkohol zur medizinischen Verwen-
dung bei der Bundeswehr in Afghanistan sind der Bundesregierung seit
Beginn des Einsatzes bekannt (bitte nach Jahren und nach Lager auflisten)?

4. Wie viele Soldatinnen und Soldaten sind aufgrund von schwerwiegenden
Verstößen im Zusammenhang mit Alkohol bei der Bundeswehr in Afghanis-
tan vorzeitig versetzt worden (bitte nach Jahren und nach Lager auflisten)?

5. Sind der Bundesregierung Indizien dafür bekannt, dass Soldatinnen und
Soldaten vorsätzlich Alkohol und andere Rauschmittel missbrauchen, um
vorzeitig nach Deutschland zurückgeschickt zu werden?

6. Zu wie vielen Unfällen und welchen Folgeschäden (materielle Schäden,
Verletzte, Tote) ist es seit Beginn des Afghanistaneinsatzes aufgrund von
alkoholisierten oder anderweitig berauschten Soldatinnen und Soldaten ge-
kommen?

7. Nach welchen Kriterien erfolgt die Regelung des Alkoholkonsums für
Soldatinnen und Soldaten sowie für Zivilbedienstete in Afghanistan?

8. Gibt es je nach Einsatzort in Afghanistan unterschiedliche Regelungen zum
Alkoholkonsum, und wenn ja, warum (bitte Begründung anfügen)?

9. Welche unterschiedlichen Regelungen zum Alkoholkonsum in Afghanistan
gibt es für Soldatinnen und Soldaten sowie für Zivilbedienstete der Bundes-
wehr (bitte vollständig für die einzelnen Standorte angeben), und wie wird
ihre Einhaltung überprüft?

10. Welche Regelungen gibt es bezüglich der Mitnahme alkoholischer Getränke
im Gepäck der Soldatinnen und Soldaten nach Afghanistan?

11. Gibt es Mechanismen, um den Verkauf von Alkohol in den deutschen
ISAF-Stützpunkten (ISAF = Internationale Sicherheitsunterstützungsgruppe
Afghanistan) zu reglementieren, um sicherzustellen, dass jede Soldatin und
jeder Soldat nur eine bestimmte Menge Alkohol kaufen kann, und wenn ja,
welche Mechanismen sind dies?

12. Hat die Bundesregierung die Regelung zum Alkoholkonsum mit anderen
Truppenstellern (z. B. mit anderen EU-Staaten, den USA, Australien) abge-
sprochen, insbesondere mit jenen, die gemeinsam mit der Bundeswehr Ein-
sätze durchführen?
Welche gemeinsamen Regelungen gibt es (bitte Begründung anfügen)?

13. Falls es keine gemeinsamen Regelungen gibt, warum gibt es diese nicht
(bitte Begründung anfügen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/78
14. Welche Regelungen aus anderen Armeen zur Regulierung des Alkoholkon-
sums sind der Bundesregierung bekannt (bitte nach Land und Art der Maß-
nahme auflisten)?

15. Folgt die Bundesregierung der Argumentation eines anonymen Ex-
Offiziers, dass ein Alkoholverbot lediglich heimliche Alkoholexzesse
hervorrufen würde (www.focus.de, bitte Begründung anfügen)?

16. Wie schätzt die Bundesregierung die Verbreitung des Cannabiskonsums und
den Konsum anderer illegalisierter Rauschmittel unter den Soldatinnen und
Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan ein, und über welches Zahlen-
material verfügt sie diesbezüglich?

17. Wie viele Fälle von Alkoholismus und anderen Formen von Drogenabhän-
gigkeit sind der Bundesregierung bei Afghanistan-Veteranen bekannt?

18. Welche Maßnahmen betreibt die Bundesregierung, um oben genannte Fälle
in Deutschland zu betreuen?

19. Welche Maßnahmen ergreift die Bundeswehr in Afghanistan zur Rausch-
mittelprävention vor Ort, und wie sind diese konzipiert?

20. Welche Programme sind in Afghanistan und Deutschland geplant, um zu-
künftig die Rauschmittelprävention in der Bundeswehr zu verbessern?

21. Werden mit anderen EU- oder NATO-Armeen gemeinsame Suchtpräven-
tionsprogramme für Soldatinnen und Soldaten durchgeführt, und wie sind
diese konzipiert?
Falls nein, warum nicht?

22. Welche zukünftigen gemeinsamen Suchtpräventionsprogramme mit ande-
ren EU- oder NATO-Armeen sind für Soldatinnen und Soldaten geplant,
und wie werden diese konzipiert?
Falls keine konzipiert werden, warum nicht?

23. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass im Rahmen des Truppenabzugs
aus Afghanistan keine illegalisierten Drogen in Militärgerät und Truppen-
ausrüstung nach Deutschland geschmuggelt werden?

24. Wie viele Disziplinarverfahren, Strafverfahren und vorzeitige Entlassungen
führte die Bundeswehr in den letzten fünf Jahren insgesamt – nicht nur auf
Afghanistan bezogen – aufgrund von Rauschmittelkonsum (inklusive Alko-
hol) gegen Soldatinnen und Soldaten (bitte nach Jahren und Art des Rausch-
mittels auflisten)?
Wie viele dieser Fälle bezogen sich auf Afghanistan?

25. Welche Hinweise hat die Bundesregierung, dass psychische Überforderun-
gen angesichts der Einsatzbedingungen den übermäßigen Genuss von Alko-
hol und anderen Rauschmitteln befördern, und welche Schlussfolgerungen
zieht sie daraus (bitte Begründung anfügen)?

26. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über einen Zusammenhang
zwischen posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) und dem Konsum
von Rauschmitteln bei Soldatinnen und Soldaten?

27. Wie viele Drogendelikte wurden in den letzten fünf Jahren insgesamt inner-
halb und wie viele außerhalb von Militäranlagen in Deutschland bei Solda-
tinnen und Soldaten registriert (bitte nach Jahren und Art des Rauschmittels
auflisten)?

Drucksache 18/78 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
28. Sind der Bundesregierung in der Bundeswehr Fälle bekannt, bei denen Dro-
gentests ohne Verdacht (z. B. ohne vorheriges Anamnesegespräch) durch-
geführt wurden?

29. Gibt es je nach Waffeneinheit unterschiedliche Regelungen zu (unangekün-
digten) Drogentests (bitte Begründung anführen)?

Berlin, den 20. November 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.