BT-Drucksache 18/7751

Förderung von Kohle-, Erdgas- und Atomprojekten mit Hermesbürgschaften

Vom 25. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7751
18. Wahlperiode 25.02.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Annalena Baerbock, Uwe Kekeritz, Katharina Dröge,
Peter Meiwald, Corinna Rüffer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Förderung von Kohle-, Erdgas- und Atomprojekten mit Hermesbürgschaften

Im Rahmen ihrer Außenwirtschaftsförderung unterstützt die Bundesregierung die
deutsche Wirtschaft durch die Übernahme von Hermesbürgschaften, Investitions-
garantien und Garantien für Ungebundene Finanzkreditgarantien (UFK-Garan-
tien). Dazu prüft sie zunächst die ökologischen und sozialen Auswirkungen der
einzelnen Projekte gemäß der Gemeinsamen Empfehlungen der Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – OECD – („Empfehlungen
des Rates zu gemeinsamen Herangehensweisen der eingehenden Umwelt- und
Sozialprüfung (Due Diligence) bei staatlich geförderten Exportkrediten“). Stellt
die Bundesregierung dabei ökologische oder soziale Risiken fest, kann sie Min-
derungsmaßnahmen zur Auflage machen und Vereinbarungen für ein Monitoring
der Auflagenumsetzung treffen. Insbesondere bei der Förderung von Projekten
im Kohlebereich sind neben ökologischen und sozialen Aspekten auch Fragen zur
Vereinbarkeit mit notwendigen Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung
von Relevanz. Am 17. November 2015 wurden im Rahmen der OECD-Richtli-
nien für die Übernahme von Exportkreditgarantien für Lieferungen zu Kohlepro-
jekten vereinbart, die am 1. Januar 2017 in Kraft treten sollen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Für welche Kohlekraftwerksprojekte oder Zulieferungen zu solchen wurden

seit 2013 Hermesbürgschaften übernommen (bitte nach Projekt, Land, Jahr
der Bürgschaftserteilung, Summe aufgliedern)?

2. Für welche Kohlekraftwerksprojekte oder Zulieferungen zu solchen werden
aktuell Anträge auf Übernahme von Hermesbürgschaften geprüft?

3. Für welche Kohlebergbauprojekte oder Zulieferungen zu solchen wurden
seit 2013 Hermesbürgschaften übernommen (bitte nach Projekt, Land, Jahr
der Bürgschaftserteilung, Summe aufgliedern)?

4. Für welche Kohlebergbauprojekte oder Zulieferungen zu solchen werden ak-
tuell Anträge auf Übernahme von Hermesbürgschaften geprüft?

5. Um welche konkreten Projekte handelt es sich bei den 15 Anträgen auf Über-
nahme einer staatlichen Exportkreditgarantie im Zusammenhang mit Kohle-
vorhaben, die in der Antwort auf die Schriftliche Frage 2 der Abgeordneten
Annalena Baerbock auf Bundestagsdrucksache 18/6707 vom Oktober 2015
genannt wurden?

Drucksache 18/7751 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

6. Für welche Atomkraftwerksprojekte oder Zulieferungen zu solchen – auch
zu Komponenten, die für den nichtnuklearen Bereich bestimmt sind – wur-
den seit 2013 Hermesbürgschaften übernommen (bitte nach Projekt, Land,
Jahr der Bürgschaftserteilung, Summe aufgliedern)?

7. Für welche Zulieferungen zu Atomkraftwerksprojekten – auch zu Kompo-
nenten, die für den nichtnuklearen Bereich bestimmt sind – werden aktuell
Anträge auf Übernahme von Hermesbürgschaften geprüft?

8. Für welche Uranbergbauprojekte oder Zulieferungen zu solchen wurden seit
2013 Hermesbürgschaften übernommen (bitte nach Projekt, Land, Jahr der
Bürgschaftserteilung, Summe aufgliedern)?

9. Für welche Uranbergbauprojekte oder Zulieferungen zu solchen werden ak-
tuell Anträge auf Übernahme von Hermesbürgschaften geprüft?

10. Handelt es sich bei den von der Bundesregierung im Jahr 2008 vergebenen
Hermesbürgschaften für die Lieferung von Kessel- und Nebenanlagen für
sechs steinkohlebefeuerte Kraftwerkseinheiten sowie für die Lieferung von
Kessel- und Nebenanlagen für vier bis sechs Kraftwerkseinheiten in Südaf-
rika um die von Eskom gebauten Kohlekraftwerke Medupi (damals „Alpha“
genannt) in Lephalale sowie Kusile (damals „Bravo“ genannt) in Witbank,
für die im Jahr 2007 entsprechende Anträge gestellt wurden, und wenn nein,
um welche Projekte handelt es sich stattdessen?
a) Haben weitere Unternehmen für Lieferungen und/oder Dienstleistungen

bezüglich der beiden oder eines der beiden Kohlekraftwerke Außenwirt-
schaftsförderung erhalten, und wenn ja, welche Unternehmen und für wel-
che Leistungen?

b) Hat die Bundesregierung vor Bewilligung ein unabhängiges Gutachten
zur Bewertung der von Eskom vorgelegten Umweltverträglichkeitsprü-
fung durchführen lassen und/oder andere Quellen zum Beispiel zivilge-
sellschaftlicher Organisationen berücksichtigt, und wenn ja, zu welchem
Ergebnis ist sie dabei gekommen, wenn nein, warum nicht?

c) Welche ökologischen, sozialen und menschenrechtlichen Risiken haben
die Bundesregierung und die Mandatare damals identifiziert, und welche
Ausgleichs- und Vorbeugemaßnahmen haben sie mit Hitachi Power Eu-
rope verabredet?

d) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Bericht
zum Kraftwerk Medupi, den das Inspection Panel der Weltbank im
Jahr 2011 vorgelegt hat, und welche Maßnahmen hat sie auf dieser
Grundlage ergriffen?

e) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Schluss-
folgerungen der Weltbank, dass die Grenzwerte für Schwefeldioxid der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) und auch Südafrikas durch das
Kraftwerk Medupi nicht einzuhalten seien, da sie schon durch zuvor be-
stehende Einrichtungen (Matimba und Grootegeluk Mine) überschritten
würden?

f) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Schluss-
folgerungen der Weltbank, dass der Betrieb von Medupi in den ersten Jah-
ren, wo noch keine Rauchgasentschwefelungsanlage vorgesehen ist, die
Gesundheit der umliegenden Bevölkerung ernsthaft gefährdet, insbeson-
dere angesichts der verbreiteten Armut, schlechten Gesundheitsvorsorge
und hohen HIV-Aids-Rate?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7751
 

g) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Schluss-
folgerungen des Inspection Panels, dass der Betrieb von Medupi und ins-
besondere der Einsatz einer der zum Gesundheitsschutz notwendigen
Rauchgasentschwefelungsanlage einen Wasserverbrauch erfordern, wel-
cher die Trinkwasserversorgung und landwirtschaftliche Bewässerung in
dieser ohnehin semiariden Region ernsthaft gefährdet?

h) Wie bewertet die Bundesregierung die Schlussfolgerung des Inspection
Panels, dass neue oder erweiterte Kohleminen, welche Medupi beliefern
werden, als angegliederte Einrichtungen zu betrachten sind und dass die
Weltbank vor der Finanzierung des Projektes auch die ökologischen und
sozialen Folgen dieser Kohleminen hätte untersuchen und berücksichti-
gen müssen?

i) Hat die Bundesregierung Informationen angefordert, welche Kohleminen
erweitert oder neu errichtet werden müssen, um den vollen Betrieb von
Medupi und Kusile zu ermöglichen und um eine Untersuchung der mög-
lichen sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Auswirkungen
dieser Minen gebeten?

j) Welche Maßnahmen haben die Bundesregierung und die Mandatare er-
griffen, um die Einhaltung der vereinbarten Vorbeuge- und Ausgleichs-
maßnahmen zu monitoren, wie viele Untersuchungen und Berichte haben
sie angefordert und erhalten, und inwieweit wurden die vereinbarten Maß-
nahmen durch Hitachi Power Europe und Eskom eingehalten?

11. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass die
Afrikanische Entwicklungsbank nach dreijähriger Prüfung eine Strafe für
Hitachi vorsieht im Zusammenhang mit dem Medupi-Kohlekraftwerk und
trifft es zu, dass das Unternehmen Hitachi Power Europe, das für zwölf Mo-
nate bei der Afrikanischen Entwicklungsbank gesperrt werden soll, für Lie-
ferungen für Medupi Hermesbürgschaften erhalten hat (www.bdlive.co.za/
business/energy/2015/12/02/african-development-bank-penalises-hitachi)?

12. Wurden in den Monitoringberichten für die Narrabri-Kohlemine in Austra-
lien Probleme bei der Umsetzung von Auflagen und Minderungsmaßnahmen
festgestellt, wenn ja, welche?
a) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um eine Behe-

bung der Probleme zu erwirken?
b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung zur zukünftigen

Vermeidung von Problemen in ähnlichen Fällen?
13. Gibt es Voranfragen, Anfragen oder Anträge für Hermesbürgschaften im Zu-

sammenhang mit dem Southern Gas Corridor, bestehend u. a. aus der Trans-
anatolischen Pipeline (TANAP) und der Transadriatischen Pipeline (TAP)
sowie Bohrlöchern im Shah Deniz Gasfeld und aserbaidschanischen Pipe-
lines?

14. Trifft es zu, dass der Bundesregierung ein Antrag auf Übernahme von Her-
mesdeckungen für die Entwicklung eines Gasfeldes auf der Jamal-Halbinsel
in Russland vorliegt?
Falls ja:
a) In welcher Form überprüft die Bundesregierung, ob bei dem Projekt die

Zustimmung der indigenen Bevölkerung auf freie vorherige und infor-
mierte Weise entsprechend den vom Sonderberichterstatter für die Rechte
indigener Völker festgestellten Mindestanforderungen (UN-Dokument
A/HRC/24/41) eingeholt wurde?

b) In welcher Form plant die Bundesregierung sicherzustellen, dass auch die
Rechte von Menschen ohne formalen Landtitel geschützt werden?

Drucksache 18/7751 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

c) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache,
dass der Bau von Häusern für die bisher von Rentierzucht lebende einhei-
mische Bevölkerung als Ausgleichsmaßnahme vorgesehen ist, da ihr no-
madischer Lebensstil aufgrund des Projekts nicht mehr möglich sein wird,
aber keine Maßnahmen erkennbar sind, um neue Einkommensmöglich-
keiten zu schaffen?

d) Ist der Regierung bekannt, dass die Aufgabe der nomadischen Lebens-
weise in der Regel zu großen psychosozialen Problemen (Verlust von Er-
werbsmöglichkeiten, Alkoholismus, Orientierungslosigkeit bis hin zur
Selbstaufgabe) führt und Umschulungsmaßnahmen meist nicht funktio-
nieren, und falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

e) In welcher Form überprüft die Bundesregierung die Angaben des Projekt-
betreibers, und über welche vom Projektbetreiber unabhängigen Informa-
tionsquellen verfügt die Bundesregierung?

f) Liegen der Bundesregierung Stellungnahmen von Nichtregierungsorgani-
sationen zu den ökologischen Auswirkungen des Projekts vor (bitte nach
Organisation und Inhalt aufschlüsseln)?

g) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Umstand,
dass das Projektgebiet für Auswärtige nicht zugänglich ist, es lokal keine
unabhängigen Organisationen gibt, eine massive Kontrolle durch Staats-
organe stattfindet und indigene sowie Umweltorganisationen schwerwie-
genden staatlichen Eingriffen und starken Repressionen ausgesetzt sind?

h) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Umstand,
dass in der Umweltverträglichkeitsprüfung keine Angaben zu den kumu-
lativen Auswirkungen im Zusammenhang mit bereits bestehenden
Gasprojekten bzw. Aktivitäten anderer Firmen in der Region gemacht
werden, und hat sie hierzu zusätzliche Studien eingefordert?

i) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Umstand,
dass die Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung bei der Alternativen-
prüfung keine Synergieeffekte bzgl. des Infrastrukturausbaus mit der Ent-
wicklung der Gasfelder Bovanenkovskoye und Novoportovskoye durch
Gazprom einbezieht und bei der Bewertung der nötigen Ausbaggerungen
den für den Sabetta-Hafen notwendigen Navigationskanal auslässt?

j) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Behand-
lung des Klimawandels in der Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprü-
fung?

k) Hält die Bundesregierung die Auswirkungen veränderter klimatischer Be-
dingungen, z. B. veränderte Untergrundstabilität oder veränderte Schiff-
barkeit der Seerouten, bei der Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung
für ausreichend berücksichtigt (bitte begründen)?

l) Hält die Bundesregierung die Analyse der Auswirkungen der Ausbagge-
rungen im Ob-Golf und die Notfallpläne für Transportunfälle auf dem
Meer mit Öl- und Petroleumprodukten in der Umwelt- und Sozialverträg-
lichkeitsprüfung für ausreichend?

m) Welche Rolle spielt für die Bundesregierung in ihrer Bewertung des Pro-
jekts die Tatsache, dass die US-Eximbank im März 2014 einen Finanzie-
rungsantrag für das Yamal-LNG-Projekt suspendiert hat, einer der Direk-
toren des Projektbetreibers Novatek, Gennady Timchenko, auf der US-
Sanktionsliste steht und Untersuchungen wegen Geldwäsche gegen ihn in
Gang sind?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7751
 

n) Wie viele weitere Exportkreditagenturen aus OECD- und Nicht-OECD-
Staaten sind nach Kenntnis der Bundesregierung für das Projekt angefragt
(bitte auflisten), und führt die Bundesregierung die Projektprüfung ge-
meinsam mit ihnen durch, oder steht sie mit ihnen im Austausch?

o) Welche Rolle spielt für die Bundesregierung in ihrer Bewertung des Pro-
jekts die Tatsache, dass die Europäische Union gegenüber Russland wirt-
schaftliche Sanktionen verhängt hat?

15. Warum setzt die Bundesregierung die von der OECD erarbeiteten Richtlinien
für die Übernahme von Exportkrediten mit den darin geforderten Klima-
schutzstrategien nicht unverzüglich um?

Berlin, den 23. Februar 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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