BT-Drucksache 18/7718

Europäische Klima- und Energiepolitik nach dem VN-Klimaabkommen von Paris

Vom 24. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7718
18. Wahlperiode 24.02.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl,
Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke, Peter Meiwald,
Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Europäische Klima- und Energiepolitik nach dem VN-Klimaabkommen
von Paris

Auf dem Europäischen Rat im Oktober 2014 haben die europäischen Staats- und
Regierungschefs ihre Schlussfolgerung für die europäische Energie- und
Klimapolitik bis 2030 verabschiedet. Darin fordern sie eine Reform des Emissi-
onshandels und vereinbarten eine Reduktion der Treibhausgase von EU-intern
mindestens 40 Prozent. Zusätzlich verabredete man ein EU-verbindliches Aus-
bauziel für erneuerbare Energien von mindestens 27 Prozent und ein Ziel für
Energieeinsparung von ebenfalls mindestens 27 Prozent.
Die Schlussfolgerungen des Rates gelten seither als Grundlage europäischer
Klimapolitik und das Klimaziel von EU-intern mindestens 40 Prozent wurde als
Beitrag (Intended Nationally Determined Contribution – INDC) der Europäi-
schen Union für die Verhandlungen der Vereinten Nationen über ein neues Kli-
maabkommen eingereicht. Die Weltgemeinschaft hat sich auf der Klimakonfe-
renz in Paris (COP 21) auf ein neues völkerrechtlich verbindliches globales Kli-
maschutzabkommen verständigt und darin festgelegt, die Erderwärmung auf
deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen und sogar eine Begrenzung auf
1,5 Grad Celsius anzustreben. Die dafür eingereichten Klimaschutzbeiträge über-
schreiten dieses Limit jedoch deutlich. Bisher droht noch immer eine Erderwär-
mung von 2,7 bis 3,4 Grad Celsius. Alle Staaten sind aufgefordert, das Ambiti-
onsniveau ihrer eingereichten Klimaschutzbeiträge nun zu erhöhen, um das in Pa-
ris beschlossene Ziel zu erreichen.
Ein Bericht der Europäischen Kommission kommt außerdem zu dem Ergebnis,
dass die Treibhausgasemissionen der EU-28 im Bereich des Klima- und Energie-
paketes im Jahr 2014 bereits um insgesamt 23 Prozent unter dem Niveau von
1990 lagen sowie weiter sinken werden und das europäische Klimaziel von minus
20 Prozent bis 2020 damit schon heute übererfüllt ist (vgl. KOM(2015) 576
endg.; Ratsdok. 14381/15).
Der Deutsche Bundestag hat zudem die Bundesregierung in seinem Beschluss
vom 12. November 2015 (Bundestagsdrucksache 18/6642) dazu aufgefordert,
sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass die europäischen Klimaziele
„entsprechend an die Beschlüsse des neuen Abkommens von Paris an den inter-
nationalen Rahmen angepasst“ werden, und zu prüfen, ob diese Ziele erhöht wer-
den müssen.

Drucksache 18/7718 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wird sich die Bundesregierung – angesichts dessen, dass das europäische

INDC (2030-Ziel von minus 40 Prozent) nicht im Einklang mit dem Paris-
Ziel, „deutlich unter 2 Grad und sogar 1,5 Grad anzustreben“, steht – auf dem
Rat der EU-Umweltminister (4. März 2016) und dem Europäischen Rat
(17./18. März 2016) dafür einsetzen, dass die Europäische Union als Mit-
glied der „Coalition of High Ambition“ ihr Treibhausgas- und Energieziel
für 2030 bzw. ggf. 2025 an die im VN-Klimaabkommen von Paris verein-
barte Obergrenze von deutlich unter 2 Grad Celsius globaler Erwärmung und
mit der Option der Begrenzung auf 1,5 Grad Celsius anpasst?
a) Sollte die EU nach Ansicht der Bundesregierung ihr Ziel erhöhen?
b) Soll Deutschland nach Ansicht der Bundesregierung einen Beitrag zur

Zielerhöhung leisten, und wenn ja, welchen, oder bis wann wird die Bun-
desregierung ggf. darüber entscheiden?

c) In welchem Zeitrahmen sollte der politische Prozess der Anpassung des
europäischen Klimaziels geschehen, welche Treibhausgasreduktion strebt
die Bundesregierung an, und welcher Teil davon soll nach Vorstellungen
der Bundesregierung innerhalb der EU (domestic) und welcher Teil ggf.
über Emissionsgutschriften aus Drittstaaten (Kooperationsmechanismen
nach Artikel 6) erreicht werden?

d) Wird sich die Bundesregierung darum bemühen, über eine verstärkte Zu-
sammenarbeit einer Koalition von Vorreitermitgliedsstaaten voranzuge-
hen und zusammen mit diesen Ländern ihre Klimazielambition für 2030
anzuheben, um damit die gesamte EU zu höheren Zielen zu bewegen?

2. Unterstützt die Bundesregierung eine Neuausrichtung der EU-Klimaziele auf
ein 2050-Treibhausgasreduktionsziel von 90 bis 95 Prozent anstelle der ak-
tuellen Spanne von 80 bis 95 Prozent (bitte begründen), wobei sich die bis-
herige EU-Gesetzgebung faktisch an der Obergrenze von 80 Prozent orien-
tiert?

3. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die EU ihr 2020-Treib-
hausgasreduktionsziel von 20 Prozent unter dem Niveau von 1990, wie von
der EU im Fall eines umfassenden internationalen Abkommens mit ver-
gleichbaren Emissionsreduktionen von anderen Industriestaaten und ange-
messenen Beiträgen zum Klimaschutz von Schwellenländern angekündigt,
jetzt auf 30 Prozent anhebt, insbesondere da schon jetzt eine Minderung von
23 Prozent erreicht ist, und wenn nein, warum nicht?

4. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass be-
reits neun EU-Staaten ihr Erneuerbaren-Ziel 2020 erreicht haben im Gegen-
satz zu Deutschland (siehe http://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/
7155582/8-10022016-AP-DE.pdf/490d6574-fbed-433c-a9c2-ac444277d5a5),
und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung diesbezüglich in den ver-
bleibenden drei Jahren unternehmen?

5. Wie ist die Position der Bundesregierung zur Forderung des EU-Parlaments,
das EU-Energieeffizienzziel verbindlich zu machen und auf 40 Prozent bis
2030 zu heben?

6. Wird die Bundesregierung Klimakommissar Miguel Arias Cañete dabei un-
terstützen, das Energieeffizienzziel auf „mehr als 30 Prozent“ anzuheben
(Aussage von Miguel Arias Cañete vom 4. Februar 2016 gegenüber dem Ma-
gazin Politico), und wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7718
 

7. Wie soll aus Sicht der Bundesregierung sichergestellt werden, dass die No-
vellen zum Emissionshandel, zum Effort-Sharing, zur Erneuerbare-Ener-
gien-Richtlinie und zur Energieeffizienzrichtlinie so ausgestaltet werden,
dass eine regelmäßige Ambitionssteigerung möglich ist, wie vom UNFCCC-
Review-Cycle vorgesehen?

8. Hat die Bundesregierung mittlerweile final geprüft, wie aus ihrer Sicht der
Sektor „Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft“
(LULUCF) im Rahmen der Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis
2030 einbezogen wird, hat sie sich dafür eingesetzt, oder wird sie sich dafür
einsetzen, dass Emissionsgutschriften aus LULUCF explizit nicht auf das
Reduktionsziel von mindestens 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 an-
gerechnet werden können, sondern zusätzlich erbracht werden müssen, und
wenn nein, warum nicht?

9. Wie stark kann theoretisch die Einsparung von Treibhausgasemissionen in
klassischen Nichtemissionshandelssektoren ausfallen, wenn LULUCF-Gut-
schriften zugelassen werden?

10. Wie ist die Position der Bundesregierung zum Einsatz von LULUCF-Gut-
schriften, die im zu Grunde liegenden Impact Assessment nicht berücksich-
tigt werden?

11. Wie soll nach Ansicht der Bundesregierung sichergestellt werden, dass – an-
gesichts der Europawahl 2019 – die EU nach dem Stocktaking während des
Klimagipfels 2018 schnell handlungsfähig ist, um ihre Treibhausgasziele zü-
gig anheben zu können, und damit ihre von anderen Staaten erwartete Vor-
reiterrolle ausfüllen kann?

Berlin, den 22. Februar 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.