BT-Drucksache 18/7716

Straf- und Ermittlungsverfahren nach den §§ 129, 129a und 129b des Strafgesetzbuchs im Jahr 2015

Vom 23. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7716
18. Wahlperiode 23.02.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Petra Pau, Halina Wawzyniak und
der Fraktion DIE LINKE.

Straf- und Ermittlungsverfahren nach den §§ 129, 129a und 129b des
Strafgesetzbuchs im Jahr 2015

Der seit August 1976 bestehende § 129a des Strafgesetzbuchs (StGB) (Mitglied-
schaft, Werbung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung) ist ebenso
wie der § 129 StGB (kriminelle Vereinigung) und § 129b StGB (terroristische
Vereinigung im Ausland) schon lange umstritten. Strafverteidigervereinigungen,
Menschen- und Bürgerrechtsgruppen fordern seit Jahren die ersatzlose Abschaf-
fung dieses Strafparagrafen.

Wir fragen die Bundesregierung:
I. Zum Komplex Strafverfahren wegen „linksterroristischer“ und hiermit in

unmittelbarem Zusammenhang stehender Straftaten (inkl. Unterstützung
und Werbung) im Jahr 2015 (bitte nach Jahren aufschlüsseln)

1. a) Wie viele Ermittlungsverfahren gegen wie viele Beschuldigte wurden
wegen derartiger Taten entweder vom Generalbundesanwalt eingeleitet
oder von den einleitenden Länderstaatsanwaltschaften an diesen abge-
geben?

b) In wie vielen Fällen wurde gegen wie viele Beschuldigte (nur bzw.
auch) nach § 129a StGB ermittelt?

c) In wie vielen Verfahren wurde gegen wie viele Beschuldigte (nur bzw.
auch) nach § 129a StGB ermittelt?

d) In wie vielen Fällen hiervon lautete der Vorwurf jeweils „Unterstüt-
zung“ einer terroristischen Vereinigung bzw. „Werbung“ für eine terro-
ristische Vereinigung?

e) Wie viele der von der Bundesanwaltschaft eingeleiteten Verfahren wur-
den später wieder an die Länderstaatsanwaltschaften abgegeben?

f) Wie viele der in den Fragen I.1a bis I.1d Beschuldigten waren
aa) jünger als 20 Jahre,
bb) zwischen 20 und 30 Jahren alt,
cc) zwischen 30 und 40 Jahren alt bzw.
dd) älter als 40 Jahre?

Drucksache 18/7716 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
g) In wie vielen dieser Fälle erfolgten
aa) ein Versuch der Anwerbung bzw. des Einsatzes von V-Leuten,
bb) ein Versuch zur Gewinnung von Kronzeugen gegen die Beschul-

digten und
cc) die Überwachung der Telekommunikation oder Post der Beschul-

digten und ihr Umfeld?
h) Wie viele Personen, Telekommunikationsanschlüsse bzw. (elektroni-

sche) Postadressen waren von den in der Frage I.1g Doppelbuchstrabe
cc genannten Maßnahmen betroffen (bitte aufschlüsseln)?

i) Wie viele Hausdurchsuchungen fanden im Rahmen dieser Ermittlungs-
verfahren statt, wie viele Haushalte bzw. Personen waren davon betrof-
fen, und was wurde beschlagnahmt?

2. In wie vielen Fällen wurde gegen wie viele Personen insgesamt Untersu-
chungshaft verhängt,
a) davon mit Haftgrund (§ 112 Absatz 2 der Strafprozessordnung – StPO),
b) mit Haftgrund nach § 112 Absatz 3 der StPO?
c) Wie lange dauerte jeweils die Untersuchungshaft (Monate bzw. über ein

Jahr)?
d) Wie viele der Betroffenen wurden später freigesprochen, zu Geldstrafe,

zu Freiheitsstrafe auf Bewährung und zu Freiheitsstrafe ohne Bewäh-
rung (Jahre bzw. Monate) verurteilt,

e) Wie viele der Betroffenen in den Fragen I.2a bis I.2d
aa) waren jünger als 20 Jahre alt,
bb) 20 bis 30 Jahre alt,
cc) 30 bis 40 Jahre alt bzw.
dd) über 40 Jahre alt?

3. a) In wie vielen Fällen kam es zur Einstellung der Ermittlungsverfahren
durch die Staatsanwaltschaft insgesamt?

b) In wie vielen Fällen davon waren jeweils ausschließlich bzw. auch nach
§ 129a StGB geführte Verfahren betroffen?

c) Wie viele dieser Verfahren fußten jeweils auf dem Vorwurf der Mit-
gliedschaft, Unterstützung oder Werbung (bitte nach den Fragen I.1 und
I.2 aufschlüsseln)?

4. a) In wie vielen Fällen erfolgte insgesamt Anklage?
b) Gegen wie viele Angeklagte wurde Anklage erhoben?
c) In wie vielen Fällen gegen wie viele Angeklagte wurde jeweils

aa) nur nach § 129a StGB angeklagt,
bb) auch nach § 129a StGB angeklagt?

d) Wie viele Verfahren gegen wie viele Angeklagte jeweils betrafen in den
beiden letztgenannten Kategorien jeweils die Kategorie Mitgliedschaft,
Unterstützung, Werbung?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7716
5. a) In wie vielen Fällen wurden die Anklagen zugelassen und wurde das
Hauptverfahren eröffnet,

b) mit welchen Abweichungen, insbesondere bezüglich des Vorwurfs nach
§ 129a StGB?

c) In wie vielen Fällen kam es aus welchen Gründen zu gerichtlichen Ein-
stellungen?

6. a) Wie viele Urteile gegen wie viele Personen sind ergangen (unterschie-
den nach rechtskräftig bzw. nicht rechtskräftig)?

b) Wie viele Freisprüche gab es?
c) Wie viele Verurteilungen erfolgten insgesamt?

aa) Wie viele Verurteilungen erfolgten jeweils nur oder auch nach
§ 129a StGB?

bb) Wie viele der in Frage I.6c Doppelbuchstabe aa genannten Verur-
teilungen erfolgten jeweils wegen Mitgliedschaft, Unterstützung,
Werbung?

d) Bei wie vielen dieser Verurteilungen wurde Geldstrafe verhängt?
e) Wie häufig wurde eine Jugendstrafe wegen welcher Strafnormen ver-

hängt?
f) Wie viele Freiheitsstrafen wurden wegen welcher Strafnormen ver-

hängt?
aa) Wie hoch war die Strafdauer,
bb) in wie vielen Fällen davon mit Bewährung?

g) In wie vielen Fällen führte verminderte Schuldfähigkeit zu einer Straf-
milderung?

h) Wie verteilten sich die in den Urteilen festgestellten Deliktgruppen pro-
zentual entsprechend der Unterscheidung in Blath/Hobe: „Strafverfah-
ren gegen linksterroristische Straftäter und ihre Unterstützer (1971 bis
1979/80)“, Bonn 1984, S. 8 ff. (Anschläge, gruppenbezogene Handlun-
gen, Unterstützungshandlungen)?

7. a) In wie vielen Fällen wurden insgesamt Rechtsmittel eingelegt?
b) Welche?
c) Von wem (Staatsanwalt bzw. Verteidigung)?
d) Jeweils mit welchem Erfolg?

8. In wie vielen Fällen wurden Verteidiger von der Wahrnehmung der Vertei-
digung vom Gericht ausgeschlossen und mit welcher Begründung?

9. a) In wie vielen Fällen wurden gemäß Frage I.6 verurteilte Strafgefangene
mit welchem Strafmaß insgesamt vorzeitig aus der Haft entlassen,

b) nach welchen Vorschriften bzw. aufgrund welchen Akts,
c) nach Verbüßung welcher Strafzeit?

10. Welche materiellen Sachschäden, beruflichen Schäden sind Betroffenen
dieser Ermittlungsverfahren, gegen die im späteren Gang der Ermittlungen
das Verfahren entweder eingestellt wurde oder die freigesprochen wurden,
bei diesen Razzien, Observationen, Hausdurchsuchungen etc. entstanden?

11. Wie lange werden die Daten der in diesen Ermittlungsverfahren erfassten
Beschuldigten wo aufbewahrt?

Drucksache 18/7716 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

12. Wie ist der Umgang mit personenbezogenen Daten aus Dateien und Datei-

verbünden, die der Verdachtsgewinnung (im Rahmen der Gefahrenabwehr)
dienen, insbesondere freigesprochene Beschuldigte betreffend?

II. Wie lauten die entsprechenden Antworten zu den Fragen I.1 bis I.10, bezo-
gen auf den Komplex Strafverfahren wegen „rechtsterroristischer“ und
hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehender Straftaten im Jahr
2015 (bitte einzeln aufschlüsseln)?

III. Wie lauten die entsprechenden Antworten zu den Fragen I.1 bis I.12, bezo-
gen auf die an die Länder abgegebenen und dort fortgeführten Strafverfah-
ren (ausdrücklich in Kenntnis und unter Berücksichtigung der nur teilwei-
sen Rückmeldungen aus den Ländern)?

IV. Wie lauten die Antworten zu den Fragen des Komplexes I, bezogen auf
Verfahren gemäß § 129 StGB (kriminelle Vereinigung),

1. insgesamt,
2. politischen Inhalts, insoweit als in diesen durch die politischen Abteilungen

der Staatsanwaltschaften bzw. durch den Generalbundesanwalt ermittelt
und/oder vor einer Staatsschutzkammer verhandelt wurde?

V.
1. Wie lauten die Antworten zu den Fragen des Komplexes I, bezogen auf die

Verfahren gemäß § 129b StGB (kriminelle und terroristische Vereinigung
im Ausland), jeweils?

2. Gegen welche ausländischen Gruppierungen richteten sich die Ermittlun-
gen, Anklagen und Verurteilungen im Jahr 2015 nach § 129b StGB (bitte
aufschlüsseln)?

3. Welche der ausländischen Gruppierungen, gegen die im Jahr 2015 Verfah-
ren nach § 129b StGB eingeleitet oder weitergeführt wurden, werden von
der Europäischen Union auf der Liste terroristischer Organisationen aufge-
führt (bitte nach Jahren einzeln aufschlüsseln)?

4. Gegen welche der ausländischen Gruppierungen, gegen die im Jahr 2015
Verfahren nach § 129b StGB eingeleitet oder weitergeführt wurden, be-
steht in Deutschland ein Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz (bitte
nach Jahren einzeln aufschlüsseln)?

5. In wie vielen und welchen Fällen war die Einstufung einer ausländischen
bzw. im Ausland tätigen Organisation als terroristisch im Sinne des § 129b
StGB durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
im Jahr 2015 strittig (bitte nach Jahren einzeln aufschlüsseln)?

6. In wie vielen und welchen Fällen waren im Jahr 2015 ein Gesuch der Re-
gierung oder Justizbehörde eines anderen Landes ausschlaggebend für die
Einleitung eines Verfahrens nach § 129b StGB (bitte nach Jahren einzeln
aufschlüsseln)?

7. In wie vielen und welchen Fällen haben die deutschen Ermittlungsbehörden
bei Ermittlungsverfahren nach § 129b StGB im Jahr 2015 über den Weg
des polizeilichen Informationsaustausches Erkenntnisse ausländischer Si-
cherheitskräfte genutzt (bitte nach Jahren einzeln aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7716

VI. Wie beurteilt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund der zum Teil

erheblichen materiellen und immateriellen beruflichen und öffentlichen
Schäden bei den Betroffenen solcher Ermittlungsverfahren und dem hohen
Anteil der mit Freispruch oder Einstellung beendeten Ermittlungen die Fol-
gen dieser Strafparagrafen?

VII. Hält die Bundesregierung bei den Ermittlungen nach den §§ 129, 129a und
129b StGB den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für gewahrt?

Berlin, den 22. Februar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.