BT-Drucksache 18/7709

Umfassendes Informations- und Transparenzgesetz schaffen

Vom 25. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7709
18. Wahlperiode 25.02.2016
Antrag
der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Ulla Jelpke, Martina Renner, Kersten
Steinke und der Fraktion DIE LINKE.

Umfassendes Informations- und Transparenzgesetz schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Bundestag stellt fest:

Das im Jahr 2005 beschlossene Informationsfreiheitsgesetz (Gesetz zur Regelung
des Zugangs zu Informationen des Bundes – Informationsfreiheitsgesetz) war ein
Schritt in die richtige Richtung. Ausweislich der damals von den Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegebenen Begründung sollte durch das Gesetz
das Verwaltungshandeln des Bundes durch erleichterten Informationszugang trans-
parenter gestaltet und die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und
Bürger sollten durch Eröffnung eines allgemeinen und voraussetzungslosen Zugangs
zu amtlichen Informationen des Bundes unter Berücksichtigung des Daten- und Ge-
heimnisschutzes gewährleistet werden (vgl. Bundestagsdrucksache 15/4493). Das
Gesetz kehrte damit den bis dahin geltenden Grundsatz, nach dem Informationen
staatlicher Stellen nichtöffentlich und nur in Ausnahmen für die Öffentlichkeit zu-
gänglich sein sollen, um.
In den vergangenen Jahren hat sich aber herausgestellt, dass das Informationsfrei-
heitsgesetz an verschiedenen Stellen noch verbesserungswürdig ist. So basiert es auf
dem Prinzip, dass Informationen erst auf Ersuchen etwaiger Antragsteller/-innen zur
Verfügung gestellt werden müssen. Dies ist jedoch mit einem Aufwand sowohl für
die informationsfordernde als auch informationsgebende Seite verbunden. Informa-
tionsanfragen sind zudem häufig mit Gebühren verbunden, welche geeignet sind,
eine gelebte Informationsfreiheit in erheblichem Maße einzuschränken. Gerade für
kleine Nichtregierungsorganisationen, Privatpersonen, Netzaktivistinnen und -akti-
visten und auch freiberufliche Journalistinnen und Journalisten können solche Ge-
bühren ein erhebliches Hemmnis für die Informationsbeschaffung sein. Bereits im
Jahr 2006 zeigten sich die ersten Probleme, als das Auswärtige Amt für eine als ein-
fach eingestufte Antwort eine Gebühr von 107,20 Euro in Rechnung stellen wollte
(vgl. http://www.heise.de/newsticker/meldung/Informationsfreiheit-Auswaertiges-
Amt-schreckt-mit-saftigen-Gebuehren-171551.html).
Insbesondere die Berufung auf § 3 IFG, welcher einen absoluten Schutz besonderer
öffentlicher Belange enthält, und auf § 6 IFG, welcher einen absoluten Schutz von
Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen enthält, haben sich als Problem im Rahmen
einer begehrten Auskunft nach dem IFG erwiesen. § 3 IFG enthält einen Katalog
von Gründen, bei deren Vorliegen kein Anspruch auf Informationszugang besteht.
Die Gründe reichen von nachteiligen Auswirkungen bei Bekanntwerden der Infor-
mationen u. a. für internationale Beziehungen, Belange der inneren oder äußeren

http://www.heise.de/newsticker/meldung/Informationsfreiheit-Auswaertiges-Amt-schreckt-mit-saftigen-Gebuehren-171551.html
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Informationsfreiheit-Auswaertiges-Amt-schreckt-mit-saftigen-Gebuehren-171551.html
Drucksache 18/7709 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Sicherheit sowie für die Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbe-
werbs- und Regulierungsbehörden. Auch die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit
stellt einen Ausschlussgrund dar. § 6 IFG schließt einen Anspruch auf Informations-
zugang aus, soweit der Schutz des geistigen Eigentums dem entgegensteht, und sieht
vor, dass der Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden
darf, soweit der Betroffene einwilligt. Das Bundesverwaltungsgericht musste an ver-
schiedenen Stellen eine Auslegung der §§ 3 und 6 IFG vornehmen. Beispielsweise
hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 25.06.2015 (BVerwG 7 C 1.14.)
einen generellen Vorrang eines der Behörde zugewiesenen Urheberrechts aus § 6
Satz 1 IFG verneint. Im Urteil vom 27.11.2013 (BVerwG 7 C 12/13) hat sich das
Bundesverfassungsgericht umfassend mit dem Informationszugang zu Verkaufsak-
ten der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben befasst. Mit Beschluss vom
28.05.2009 (BVerwG 7 C 18.08) hat das Bundesverwaltungsgericht ein berechtigtes
Interesse eines Unternehmens an der Nichtweiterverbreitung von Informationen und
damit das Vorliegen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses verneint, „wenn die
Offenlegung der Information nicht geeignet ist, exklusives technisches oder kauf-
männisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wett-
bewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen“.
Um einen tatsächlich freien und dem digitalen Zeitalter angemessenen Zugang zu
Informationen staatlicher Stellen zu ermöglichen, braucht die Bundesrepublik
Deutschland ein umfassendes Informations- und Transparenzgesetz, welches sich
dem Grundsatz nach am Hamburger Transparenzgesetz (HmbTG) orientiert (vgl.
http://www.luewu.de/gvbl/2012/29.pdf). Der zentrale Punkt des Hamburger Trans-
parenzgesetzes besteht darin, das bisherige Prinzip, Informationen auf Anfrage auf-
zubereiten und zur Verfügung zu stellen, durch ein proaktives, transparenzorientier-
tes Handeln von Behörden und staatlichen Stellen zu ergänzen. Die auf Grund eines
umfassenden Informationsrechtes bei Behörden, natürlichen oder juristischen Perso-
nen des Privatrechts – soweit sie öffentliche Aufgaben, insbesondere solche der Da-
seinsvorsorge, wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen und dabei
staatlicher Kontrolle oder der Aufsicht juristischer Personen des öffentlichen Rechts
unterliegen – vorhandenen Informationen sollen der Allgemeinheit zugänglich ge-
macht und verbreitet werden. Dies fördert die demokratischen Meinungs- und Wil-
lensbildung und ermöglicht eine Kontrolle staatlichen Handelns.
Insbesondere der in § 3 HmbTG genannte Anwendungsbereich dient diesem Anlie-
gen, da er unter anderem auch Verträge der Daseinsvorsorge und Dienstanweisungen
umfasst. Informationen und Dokumente werden in einer öffentlich zugänglichen, di-
gitalen Datenbank zur Verfügung gestellt werden. Der Zugang zum Informationsre-
gister ist anonym möglich, gebührenfrei und maschinenlesbar (Open-Data-Prinzip).
Ein umfassendes Informations- und Transparenzgesetz soll darüber hinaus die pro-
aktive Informationspreisgabe mit dem individuellem Antragsrecht des bisherigen In-
formationsfreiheitsgesetzes sowie dem Umweltinformationsgesetz (UIG) und dem
Verbraucherinformationsgesetz (VIG) zusammenführen. Ausnahmetatbestände
müssen auf ein absolutes Minimum begrenzt werden und dürfen keine Möglichkei-
ten beliebiger Auslegung durch die Behörden in sich bergen. Insbesondere bedarf es
einer Abwägungsklausel im Hinblick auf den absoluten Schutz besonderer öffentli-
cher Belange und des absoluten Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

http://www.luewu.de/gvbl/2012/29.pdf
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7709

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Entwurf für ein umfassendes Informations- und Transparenzgesetz vorzule-
gen. Dieses soll
1. den anfrageorientieren Ansatz des bisherigen Informationsfreiheitsgesetzes um

eine proaktive Informationspolitik ergänzen;
2. geeignet sein, das bisherige Informationsfreiheitsgesetz mit dem Umweltinfor-

mationsgesetz und dem Verbraucherinformationsgesetz zu vereinen;
3. sich an den Open-Data-Prinzipien orientieren, also unter anderem der Gebüh-

renfreiheit, Weiterverbreitung und freien Weiterverwendung, Serviceorientie-
rung und Benutzer/-innenfreundlichkeit verpflichtet sein;

4. Ausnahmeregelungen auf das verfassungsrechtlich gebotene Maß beschränken.
Dies beinhaltet insbesondere die Ausnahmetatbestände der §§ 3 bis 6 IFG zu
reformieren und den absoluten Schutz öffentlicher Belange und von Betriebs-
und Geschäftsgeheimnissen durch eine Abwägungsklausel einzuschränken so-
wie

5. einen barrierefreien Zugang zu den Informationen gewährleisten.

Berlin, den 24. Februar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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Drucksache 18/7709 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Begründung

Die hier lebenden Menschen sind – auch wenn es so manche behördliche Praxis anders suggeriert – kein An-
hängsel des Staates und öffentlicher Verwaltungen. Vielmehr verhält es sich anders herum: Die öffentlichen
Verwaltungen und die Institutionen des Staates sollen Instrument von und für die Menschen sein. Dazu gehört,
dass Menschen einen möglichst einfachen und barrierefreien Zugang zu mit öffentlichen Mitteln erhobenen
Informationen und Behördenergebnissen bekommen. Informationen und Behördenergebnisse müssen frei zu-
gänglich und überprüfbar sein. Es bedarf im Zeitalter der Digitalisierung einer umfänglichen und modernen
Informationsfreiheit. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen reichen dafür nicht aus.
1. Die Bereitstellung von Informationen auf Anfrage allein ist nicht mehr ausreichend. Vielmehr soll durch eine
freie Verfügbarkeit von proaktiv zugänglich gemachten Informationen dem Informationsinteresse im Zeitalter
der Digitalisierung Rechnung getragen werden und zum anderen unter dem Vorzeichen einer weiter wachsen-
den Zahl an Informationsabrufen der Aufwand für die informationsnachfragende und informationsgebende
Seite deutlich reduziert werden. Dadurch verringert sich der Kommunikationsaufwand auf ein Minimum, die
Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter/-innen werden verbessert. Das muss drin sein.
2. Ein weiterer Vorteil einer proaktiven Informationspolitik besteht darin, dass durch die Bereitstellung von In-
formationen das demokratische Engagement von Menschen unterstützt wird. Menschen können sich sowohl in
stadtplanerische Aktivitäten einbringen als auch die für die politische Meinungsbildung unerlässlichen Infor-
mationen im Original erhalten. Mithin ist eine proaktive Informationspolitik von Behörden und Verwaltung
auch ein Beitrag zu mehr Demokratie. Die bisherige Existenz dreier verschiedener Gesetze macht es zum Teil
schwer zu entscheiden, welches Gesetz Grundlage für einen Informationsabruf ist. Dies stellt auch der Bundes-
beauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in seiner Unterrichtung über seine Tätigkeit in den
Jahren 2013 und 2014 fest (Bundestagsdrucksache 18/1200, S. 20). Die Unübersichtlichkeit der Anspruchs-
grundlage hindert Einwohnerinnen und Einwohner, von ihrem Recht auf Information und Auskunft Gebrauch
zu machen, und schränkt somit die Partizipation an gesellschaftlichen Prozessen ein. Ein umfassendes Informa-
tions- und Transparenzgesetz, welches alle Auskunftsansprüche und -pflichten bündelt, macht es Einwohnerin-
nen und Einwohnern einfacher, sich zu informieren und informiert zu werden.
3. Die Verfügbarmachung von Informationen, unabhängig ob auf Anfrage oder proaktiv, sollte grundsätzlich
gebührenfrei sein. Gebühren stellen häufig ein Eintrittshindernis dar. Soweit Anfragen auf Informationsheraus-
gabe tatsächlich in relevantem Umfang missbräuchlich gestellt werden oder sich der Anzahl nach als nicht hand-
habbar beweisen, kann der Gesetzgeber nachjustieren. In diesem Fall müssen die Gebühren der Höhe nach
jedoch auf ein Minimum begrenzt bleiben, um die formale Informationsfreiheit nicht monetär de facto stark
einzuschränken.
4. Bisherige Ausnahmetatbestände sind teils zu allgemein gefasst und ermöglichen Behörden, Informationser-
suchen auszuweichen. So ist beispielsweise der Ausnahmetatbestand auf Grund einer Beeinträchtigung der Be-
ratungen der Behörde in § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG ein zu allgemein gefasster Ausnahmetatbestand. Die
Rechtsprechung kann das Problem allein nicht lösen. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Infor-
mationsfreiheit empfiehlt, „Ausnahmeregelungen des IFG sollten auf das verfassungsrechtlich gebotene Maß
beschränkt werden“. Eine Abwägungsklausel könnte dies gewährleisten.
5. Menschen mit Behinderungen müssen nicht nur häufiger auf Informationen von Verwaltungen und Behörden
zurückgreifen, sie werden auch häufiger als andere bei der Suche nach Informationen behindert. Es ist deshalb
unerlässlich, dass die Informationen im Rahmen des umfassenden Transparenz- und Informationsgesetzes bar-
rierefrei zur Verfügung gestellt werden.

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