BT-Drucksache 18/7701

Keine NATO-Unterstützung für türkische Syrien-Politik - Bundeswehrangehörige aus AWACS-Einsatz zurückziehen

Vom 24. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7701
18. Wahlperiode 24.02.2016
Antrag
der Abgeordneten Christine Buchholz, Dr. Alexander S. Neu, Katrin Kunert,
Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel, Jan van Aken, Sevim Dağdelen,
Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Stefan Liebich,
Niema Movassat, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Keine NATO-Unterstützung für türkische Syrien-Politik ‒
Bundeswehrangehörige aus AWACS-Einsatz zurückziehen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Verlegung von AWACS-Flugzeugen der NATO in die Türkei ist ein weiterer
Schritt in Richtung Eskalation des Krieges in Syrien auch durch die NATO selbst.
Die Aufklärungsfähigkeiten der AWACS reichen weit in den syrischen Luftraum
hinein, auch wenn der AWACS-Einsatz physisch ausschließlich im NATO-Luft-
raum stattfindet und formal die NATO nicht Bestandteil der Anti-IS-Operationen ist.
Wenn die Ergebnisse der Aufklärungsflüge der NATO bzw. den Alliierten im Rah-
men der integrierten Luftverteidigung zur Verfügung gestellt werden, bedeutet dies
faktisch eine Vermischung dieser NATO-Operation mit der von den USA geführten
Anti-IS-Operation. Dass diese Informationen von den an den Anti-IS-Operationen
beteiligten Staaten nicht genutzt werden sollen, ist völlig unwahrscheinlich. Die
Aufgabe der Bundesregierung angesichts dieser Situation darf nicht die Eskalation,
sondern muss die aktive Bemühung um eine friedliche Lösung des Konflikts in Sy-
rien sein. Der Abzug der AWACS-Maschinen ist, so wie der Abzug aller internatio-
nalen militärischen und paramilitärischen Kräfte, die Voraussetzung für die Deeska-
lation des Konflikts.
Die türkische Regierung hat selbst maßgeblich zur Entstehung der „instabilen Lage
entlang der südöstlichen Grenze der Allianz“ beigetragen, mit der die Bundesregie-
rung in ihrem Schreiben vom 18.12.2015 an die Bundestagsfraktionen die Verlegung
der AWACS-Flugzeuge zu rechtfertigen versucht. Die türkische Regierung führt ei-
nen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung im eigenen Land und verfolgt im inner-
syrischen Konflikt das Ziel, den eigenen Einfluss auszuweiten – sei es durch das
Passierenlassen dschihadistischer Kämpfer oder durch verdeckte Waffenlieferungen
über die türkisch-syrische Grenze. Der Abschuss eines russischen Kampfjets über
syrischem Territorium durch die Türkei zeigt überdies, dass die türkische Regierung
sogar bereit ist, das Szenario einer militärischen Auseinandersetzung zwischen
NATO und Russland an ihren Grenzen in Kauf zu nehmen, um ihren Anspruch auf
Einfluss in der Region durchzusetzen. Durch die Verlegung der AWACS-Flugzeuge
ermutigt die Bundesregierung die türkische Regierung, diese Politik der Repression
und des militärischen Vabanquespiels fortzusetzen.

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Drucksache 18/7701 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Bundesregierung hat bei der eigenmächtigen Entscheidung, die AWACS-Flug-
zeuge zu entsenden, erneut die Rechte des Bundestages missachtet. Der Einsatz muss
durch das Parlament mandatiert werden, da die Verwicklung der AWACS-Flugzeu-
ge in bewaffnete Handlungen sehr wohl zu erwarten ist. Das Bundesverfassungsge-
richt urteilte am 21. Januar 2008 in einem ähnlich gelagerten Fall, dass die Entschei-
dung über die Entsendung von AWACS-Aufklärungsflugzeugen in die Türkei im
Frühjahr 2003, gerade angesichts von Zweifeln hinsichtlich der Erwartbarkeit mili-
tärischer Auseinandersetzungen, dem Bundestag zur Entscheidung hätte vorgelegt
werden müssen. Das Bundesverfassungsgericht bestimmte 2008 unmissverständ-
lich, dass der Parlamentsvorbehalt im Zweifel parlaments-freundlich auszulegen ist.
Die jetzige abermalige Missachtung des Parlamentsvorbehalts und des Bundesver-
fassungsgerichts weist der Bundestag in aller Schärfe zurück.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Soldaten der Bundeswehr, die im Rahmen der AWACS-Flüge eingesetzt
werden, zurückzurufen. Ihre Beteiligung an AWACS-Überflügen in der Tür-
kei ist auszuschließen;

2. im NATO-Rat zu erreichen, dass jegliche Maßnahmen der militärischen Un-
terstützung für die Türkei im Rahmen der sogenannten „Maßnahmen der
Rückversicherung“ unterbleiben;

3. sich stärker als bisher im Rahmen von Wien II und der allgemeinen diplomati-
schen Bemühungen für eine ausschließlich friedliche Lösung des Syrien-Kon-
flikts einzusetzen.

Berlin, den 24. Februar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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