BT-Drucksache 18/7640

Wertpapiergeschäfte der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und möglicher Handlungsbedarf der Bundesregierung

Vom 17. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7640
18. Wahlperiode 17.02.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Maria Klein-Schmeink,
Kordula Schulz-Asche, Elisabeth Scharfenberg und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wertpapiergeschäfte der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und möglicher
Handlungsbedarf der Bundesregierung

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) wird aus Mitteln finanziert, die
die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte bzw. letztlich die gesetzlich Versicherten
aufbringen müssen. Nach einem Prüfbericht des Bundesversicherungsamtes hat
die KBV Teile dieser Mittel für Wertpapierspekulationen genutzt und dabei Ver-
luste in Höhe von mindestens 1,1 Millionen Euro erlitten (OPG 02/2014). Auch
die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg hat durch entsprechende Wertpa-
piergeschäfte offenbar Geld verloren (OPG 29/2015). Zudem wirft die Kassen-
ärztliche Bundesvereinigung selbst ihrem früheren Leiter des Bereichs „Haushalt
und Finanzen“ im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens vor, unrechtmä-
ßig Termingelder angelegt und Wertpapiere gekauft zu haben (OPG 32/2013).
Klare Zuständigkeiten und ein strukturiertes Entscheidungsverfahren für solche
Geldanlagen fehlten in der Vergangenheit offensichtlich zumindest bei der Kas-
senärztlichen Bundesvereinigung (ebd.).
Bei der Verwaltung ihres Vermögens sind die Kassenärztliche Bundesvereini-
gung und die Kassenärztlichen Vereinigungen über § 78 Absatz 3 des Fünften
Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) an § 80 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch
(SGB IV) gebunden. Danach sind die Mittel „so anzulegen und zu verwalten, dass
ein Verlust ausgeschlossen erscheint, ein angemessener Ertrag erzielt wird und
eine ausreichende Liquidität gewährleistet ist“.
Die öffentlich-rechtliche Selbstverwaltung im Gesundheitswesen entscheidet
ganz maßgeblich über die wesentlichen Rahmenbedingungen der Gesundheits-
versorgung in Deutschland mit. Angesichts der großen Summen, die von den ge-
setzlich Versicherten sowie (über den Gesundheitsfonds) Steuerzahlerinnen und
Steuerzahlern dafür aufgebracht werden, hat die Öffentlichkeit ein Anrecht auf
größtmögliche Transparenz und wirksame staatliche Aufsicht bei der Verwaltung
dieser Gelder durch die Selbstverwaltung.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung in der Vergangenheit Wertpa-

piere erworben, die sie wertberichtigen musste?
Wenn ja, welche Papiere waren dies, über welches Kreditinstitut erfolgte
die Anlage, in welcher Höhe erfolgte die Anlage, und wie hoch war die
Wertberichtigung (bitte einzeln aufschlüsseln)?

Drucksache 18/7640 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

2. Hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung seit dem Jahr 2000 weitere
Geldanlagen getätigt, bei denen sie Verluste hinnehmen musste?
Wenn ja, welche waren dies, und wie hoch waren die Verluste (bitte einzeln
aufschlüsseln)?

3. Verstießen diese Geldanlagen (Frage 1 und 2) nach Ansicht der Bundesre-
gierung gegen § 80 Absatz 1 SGB IV?
Wenn nein, wieso nicht?

4. a) Inwieweit verstoßen diese Geldanlagen nach Ansicht der Bundesregie-
rung gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (bitte
Antwort begründen)?

b) Wenn ja, inwieweit handelt es sich dabei um eine grobe Verletzung die-
ser Grundsätze, die die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 134 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Folge hätte (bitte Antwort begründen)?

5. Welche Anlageformen erfüllen nach Ansicht der Bundesregierung die Vo-
raussetzungen des § 80 Absatz 1 SGB IV?

6. Welche Vorgaben macht die im Jahr 2012 erlassene Anlagerichtlinie der
KBV für Wertpapiergeschäfte (zulässige Anlageformen, Entscheidungs-
verfahren usw.)?

7. Sieht die Bundesregierung über die Vorgaben der Anlagerichtlinie hinaus
weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf?
Wenn ja, welchen?
Wenn nein, wieso nicht?

8. Sind Verstöße gegen diese Anlagerichtlinie sanktionsbewehrt?
Wenn ja, welche Sanktionen sind dies, und in welchen Fällen greifen sie?

9. a) Wer entschied vor Erlass der Anlagerichtlinie im Jahr 2012 lt. Satzung
oder Geschäftsordnung bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
über Vermögensanlagen und den Kauf von Wertpapieren, und wie war
das Entscheidungsverfahren?

b) Wurden diese Zuständigkeiten und das Verfahren in der Vergangenheit
stets eingehalten?
Wenn nein, wann und wieso nicht (bitte einzeln aufführen)?

10. War für die o. g. Geldanlagen (s. Frage 1 und 2) eine Genehmigung des
Bundesministeriums für Gesundheit als Aufsichtsbehörde notwendig?
Wenn ja, lag diese vor?

11. Wenn für derartige Geschäfte auch heute noch keine Genehmigung des Bun-
desministeriums für Gesundheit notwendig ist, sieht die Bundesregierung die
Notwendigkeit, eine entsprechende gesetzliche Regelung zu schaffen?
Wenn nein, wieso nicht?

12. a) Wie wurden diese Geldanlagen bei der Kassenärztlichen Bundesverei-
nigung intern dokumentiert (sowohl vor wie auch nach Erlass der Anla-
gerichtlinie)?

b) Sieht die Bundesregierung diese Dokumentation als ausreichend an,
oder sieht sie hier Handlungsbedarf?

13. Wenn aus diesen Wertpapiergeschäften, wie berichtet (OPG 02/2014),
Verluste entstanden sind, sind diese im entsprechenden Jahresabschluss der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung ausgewiesen?
Wenn nein, wieso nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7640
 

14. Sieht die Bundesregierung weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf
im Hinblick auf Vermögensanlagen und Wertpapiergeschäfte der Kassen-
ärztlichen Bundesvereinigung?
Wenn ja, welchen?

15. Hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung versucht, die an den Wertpa-
piergeschäften beteiligten Kreditinstitute (s. Frage 1) auf Rückzahlung der
Finanzmittel bzw. Ausgleich des erlittenen Schadens in Anspruch zu neh-
men?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, wieso nicht?

16. Wenn die Kassenärztliche Bundesvereinigung dies nicht versucht hat, in-
wieweit sollte sie dies nach Ansicht der Bundesregierung tun?

17. Haben Kassenärztliche Vereinigungen nach Kenntnis der Bundesregierung
in der Vergangenheit Wertpapiere erworben, die sie wertberichtigen muss-
ten?
Wenn ja, welche Papiere waren dies, über welches Kreditinstitut erfolgte
die Anlage, in welcher Höhe erfolgte die Anlage, und wie hoch war die
Wertberichtigung (bitte Angaben für jede Kassenärztliche Vereinigung ge-
sondert aufschlüsseln)?

18. Welche Zuständigkeits- und Verfahrensvorgaben existieren bei den Kas-
senärztlichen Vereinigungen für Vermögensanlagen und Wertpapierkäufe,
und gehen diese über die Vorgaben auf Bundesebene hinaus?
Wenn ja, inwieweit?

Berlin, den 16. Februar 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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