BT-Drucksache 18/7607

Geplante Aufhebung des absoluten Verbots bienengiftiger Pestizidwirkstoffe (Neonikotinoide) bei der Saatgutbehandlung von Wintergetreide und Folgen aus neueren Kenntnissen zu ökologischen Risiken solcher Wirkstoffe

Vom 17. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7607
18. Wahlperiode 17.02.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Ebner, Steffi Lemke, Friedrich Ostendorff,
Nicole Maisch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Geplante Aufhebung des absoluten Verbots bienengiftiger Pestizidwirkstoffe
(Neonikotinoide) bei der Saatgutbehandlung von Wintergetreide und Folgen aus
neueren Kenntnissen zu ökologischen Risiken solcher Wirkstoffe

Neonikotinoide sind eine Gruppe hochtoxischer Insektizidwirkstoffe. Eine wei-
terhin wachsende Zahl wissenschaftlicher Studien und Stellungnahmen hochran-
giger wissenschaftlicher Institutionen (Europäische Behörde für Lebensmittelsi-
cherheit – EFSA –, European Academies Science Advisory Council – EASAC –,
Task Force on Systemic Pesticides –TFSP) belegen, dass Neonicotinoide und
weitere systemische Pestizidwirkstoffe gravierende und vielfältige ökologische
Risiken beinhalten. Die Nervengifte wirken sich auch in sehr geringen, nicht akut
zum Tod führenden (subletalen) Mengen negativ auf Bienen, Wildbienen und an-
dere Nichtzielorganismen aus.
Für drei Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonikotinoide (Clothianidin,
Imidacloprid, Thiamethoxam) sowie für das ebenfalls systemisch wirkende
Fipronil gelten seit Dezember 2013 Anwendungsbeschränkungen bei bienenat-
traktiven Kulturen. Die EFSA überprüft bis zum Jahr 2017 anhand des aktuellen
wissenschaftlichen Erkenntnisstands, inwieweit diese Teilverbote in der EU auch
weiterhin gerechtfertigt sind. Neuere Daten zeigen, dass trotz dieser Regulie-
rungsmaßnahmen sowohl in Deutschland als auch in Frankreich bislang keine
Reduktion der Gesamteinsatzmenge dieser Wirkstoffgruppe (einschließlich
Fipronil) erreicht wurde (vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache
18/2531) und damit eine Gefährdung der Umwelt weiterbesteht.
Die Bundesregierung hat am 1. Dezember 2015 an mehrere Verbände einen Ver-
ordnungsentwurf über das Inverkehrbringen und die Aussaat von mit bestimmten
Pflanzenschutzmitteln behandeltem Saatgut (PflSchSaatgAnwendV) für Mais
und Wintergetreide zur Stellungnahme gesandt. Der Verordnungsentwurf sieht
Ausnahmen vom bislang geltenden Verbot der Saatgutbehandlung mit den bie-
nengiftigen Wirkstoffen Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam und Methio-
carb (bzw. vom Verbot des Inverkehrbringens und Verwendens solchen Saatguts)
unter bestimmten Voraussetzungen vor (u. a. Einhaltung von Obergrenzen beim
Staubabrieb). Damit wird das erst seit Juli 2015 geltende absolute Verbot für Im-
port und Inverkehrbringung von entsprechend behandeltem Saatgut bei Winter-
getreide und Mais faktisch wieder aufgehoben. Der Deutsche Berufs- und Er-
werbsimkerbund DBIB e. V. hat in seiner Stellungnahme vom 13. Januar 2016
dazu eine ablehnende Position bezogen. Aus diesen und weiteren Punkten erge-
ben sich aktuelle Fragen hinsichtlich der Regulierung von Neonikotinoiden und
anderen bienengefährlichen Pestiziden sowie der Förderung von Alternativen im
Pflanzenschutz.

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Wir fragen daher die Bundesregierung:
1. Welche konkreten Schlussfolgerungen für ihr regulatorisches Handeln im

Bereich Pestizide zieht die Bundesregierung aus den Aussagen und Empfeh-
lungen der Sachverständigen in der Anhörung „Ursachen und Auswirkungen
des Biodiversitätsverlustes bei Insekten“ des Ausschusses für Umwelt, Na-
turschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 13. Januar 2016, wonach
a) laut Untersuchungen in Nordrhein-Westfalen sowohl die Artenvielfalt als

auch die Bestände von Insekten in dramatischer Weise seit circa 15 Jahren
zurückgehen, zeitlich korrespondierend mit dem wachsenden Einsatz der
Insektizidwirkstoffe aus der Gruppe der Neonikotinoide, und selbst Na-
turschutzgebiete von dieser Entwicklung betroffen sind, wo keine Land-
nutzungsänderungen stattgefunden haben,

b) besonders starke Bestandsrückgänge bei Wildbienen und Schwebfliegen
zu verzeichnen sind, die auch eine wesentliche Rolle bei der Bestäubung
auch von Kulturpflanzen spielen,

c) alle Sachverständigen den Insektizidwirkstoffen der Neonikotinoide eine
wichtige bis zentrale Rolle bei dem Bestandsrückgang beimessen und in
diesem Bereich dringenden Handlungsbedarf auch auf nationaler Ebene
bei Regulierung und weiterer Forschung festgestellt haben,

d) die meisten Sachverständigen sich für eine deutliche Reduktion des Pes-
tizideinsatzes ausgesprochen haben und in diesem Zusammenhang den
ökologischen Landbau als Vorbild für die gesamte Landwirtschaft sehen?

2. Welche Schlussfolgerungen und welchen konkreten Handlungsbedarf leitet
die Bundesregierung aus der Tatsache ab, dass trotz der seit Dezember 2013
in der EU geltenden Einsatzbeschränkungen für drei Neonikotinoid-Wirk-
stoffe sowie für Fipronil in Deutschland und Frankreich insgesamt keine Re-
duktion der Gesamteinsatzmenge von Neonikotinoiden und Fipronil erreicht
wurde (vgl. Bundestagsdrucksache 18/6490, S. 2, 3 und 6) und damit eine
Gefährdung der Umwelt weiter fortbesteht?

3. Welche Gründe haben die Bundesregierung veranlasst, über eine Änderung
der PflSchSaatgAnwendV für Mais und Wintergetreide eine Lockerung des
bislang uneingeschränkten Verbots der Saatgutbehandlung mit den Wirk-
stoffen Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam sowie Methiocarb anzu-
streben, so dass nun Ausnahmen für behandeltes Saatgut mit begrenzten Ab-
riebwerten zulässig sein sollen?

4. Wie begründet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
(BMEL) die mit dem Verordnungsentwurf verbundene Aufhebung des erst
seit Juli 2015 geltenden absoluten Importverbots für Wintergetreide, das mit
Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam behandelt wurde, und warum
riskiert Bundesminister Christian Schmidt mit diesem Vorgehen den „milli-
onenfachen Bienentod“ durch insektizidhaltigen Staub, was laut Bundesmi-
nisterbegründung mit der Eilverordnung für das genannte Importverbot ja
explizit verhindert werden sollte (vgl. Zitat von Bundesminister Christian
Schmidt unter www.agrarheute.com/news/neonicotinoide-beize-ab-heute-gilt-
eilverordnung)?

5. Wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung, dass mit der geplanten
Verordnungsnovelle Risiken durch die Aussaat von gebeiztem Saatgut ge-
mindert werden (vgl. Punkt A des Vorblatts des Verordnungsentwurfs),
wenn die Verwendung dieses Saatguts durch neue Ausnahmeregelungen erst
ermöglicht wird und damit bislang nicht bestehende Expositionsrisiken ver-
bunden sind?

6. Warum stellt die Beibehaltung der jetzigen Rechtslage aus Sicht der Bundes-
regierung keine Alternative zur geplanten Änderung der Verordnung dar?

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7. Mit welcher Begründung greift die Bundesregierung mit der geplanten Ver-
ordnungsänderung dem Abschluss des Überprüfungs- bzw. Bewertungspro-
zesses für Neonikotinoide (voraussichtlich im Jahr 2017) durch die EU-Ri-
sikobewertungsbehörde EFSA vor, der auch eine aktuelle Risikobewertung
hinsichtlich der Anwendung der Wirkstoffe bei der Saatgutbehandlung bein-
halten wird?

8. Inwieweit wurden die Bundesländer vorab konsultiert, um deren Position zu
den wesentlichen Punkten des Verordnungsentwurfs vorab einzuholen und
um den zusätzlichen Kontroll- und Kostenaufwand für die Länderbehörden
genauer einschätzen zu können, der sich aus den Ausnahmeregelungen und
den damit verknüpften technischen Vorgaben bzw. Voraussetzungen hin-
sichtlich der Inverkehrbringung und Ausbringung ergibt?

9. Warum wurde Verbänden wie dem DBIB seitens des BMEL nur eine Frist
von drei Wochen (ab dem 1. Dezember 2015) zur Stellungnahme gegenüber
dem Verordnungsentwurf eingeräumt, obwohl insbesondere die Imkereiver-
treter in der Adventszeit aufgrund betriebswirtschaftlicher Gründe (v. a. Ver-
kaufsaktivitäten auf Weihnachtsmärkten) generell kaum Zeitressourcen zur
intensiven Auseinandersetzung mit dem Verordnungsentwurf haben?
Inwieweit werden später eingehende Stellungnahme im weiteren Verfahren
der Verordnungsausgestaltung inhaltlich noch berücksichtigt?

10. Wie sieht der Zeitplan für die weiteren Bearbeitungsschritte zum Entwurf der
PflSchSaatgAnwendV bis zu deren Verabschiedung aus?

11. Wurde die EFSA vorab oder im Zuge der Ausarbeitung des genannten Ver-
ordnungsentwurfs fachlich konsultiert, und wenn nein, warum nicht?

12. Welche Gespräche haben zwischen Bundesregierung und Bundesbehörden
einerseits und Vertretern der Pflanzenschutzmittelbranche (einschließlich
entsprechender Verbände wie des Industrieverbands Agrar e. V.) anderer-
seits seit 2014 stattgefunden, in denen die Schaffung von Ausnahmemöglich-
keiten für das absolute Verbot der Saatgutbehandlung thematisiert wurde?

13. In welcher Höhe sind Bundesmittel direkt oder mittelbar (Kostenanteil bzw.
Ressourcenbeiträge des Julius Kühn-Instituts – Bundesforschungsinstitut für
Kulturpflanzen, JKI) in das Verbundprojekt zur Zertifizierung von Saatgut-
beizanlagen unter Beteiligung von Dr. Udo Heimbach (JKI) geflossen (vgl.
www.jki.bund.de/download-FatPdf.php?file=2015_0099.pdf), und wann
wurde über die Beteiligung des JKI an diesem Projekt entschieden?

14. Haben nach Kenntnis der Bundesregierung andere EU-Staaten Ausnahmere-
gelungen von den EU-weit geltenden Saatgutbehandlungsbeschränkungen
erlassen, und wenn ja, welcher Art?

15. Welche Auswirkungen hätte die Umsetzung des Verordnungsentwurfs auf
die Entwicklung der Wirkstoffgesamtmenge, die über gebeiztes Saatgut in
die deutsche Umwelt gelangt?

16. Welche Untersuchungen bzw. Monitoringaktivitäten aus der landwirtschaft-
lichen Praxis sind der Bundesregierung bekannt zur durchschnittlichen Höhe
der Verluste von gebeiztem Saatgut im Zusammenhang mit der Aussaat, d. h.
zum Anteil des Saatguts, der nicht in den Boden eingebracht wird, sondern
an der Oberfläche verbleibt?
Plant die Bundesregierung, entsprechende Untersuchungen in Auftrag zu ge-
ben, und wenn nein, warum nicht?

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17. Wie berücksichtigt die Verordnung die Gefährdung von Bestäubern durch
andere Expositionswege als Abriebstaub wie Guttation, Honigtau sowie sys-
temische Wirkstoffabgabe über Pollen und Nektar auch über Folgekulturen
sowie Beikräuter in Ackerrandstreifen und aus diesen Expositionswegen po-
tentiell entstehende subletale Belastungen?

18. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Feststellung
der EU-Risikobewertungsbehörde EFSA aus dem Jahr 2013, dass für den
Bereich Staubabrieb keine ausreichenden Daten für eine abschließende Ri-
sikobewertung vorliegen (vgl. http://smallbluemarble.org.uk/wp-content/
uploads/2013/06/EFSA-Conclusion-on-Neonicitinoids-2013.pdf) und damit
offensichtlich frühere Annahmen zur Sicherheit dieses Anwendungsberei-
ches von Neonikotinoiden nicht länger dem aktuellen Stand der Wissenschaft
entsprechen?

19. Hat sich aus Sicht der Bundesregierung bzw. der zuständigen Bundesbehör-
den inzwischen ein neuer wissenschaftlicher Sachstand gegenüber der Ein-
schätzung der EFSA ergeben, bzw. verfügen die Bundesregierung bzw. Bun-
desbehörden über aktuelle und ausreichende wissenschaftliche Erkenntnisse,
welche die von der EFSA im Jahr 2013 festgestellten Datenlücken bei der
Risikobewertung von Neonikotinoiden für den Bereich Saatgutbeizung/
Staubabrieb vollständig schließen können?
Wenn ja, auf welche wissenschaftlichen Quellen stützt die Bundesregierung
sich bei ihrer Einschätzung (bitte Quellen bzw. Studien bibliographisch auf-
listen)?

20. Inwieweit orientieren sich Bundeseinrichtungen bei der Risikobewertung für
Beizmittel auf Neonikotinoid-Basis, die dem Verordnungsentwurf zugrunde
liegt, an den Vorgaben der EFSA-Leitlinien für die Bewertung potenzieller
Risiken für Honigbienen, Hummeln und Solitärbienen durch den Einsatz von
Pestiziden (aus dem Jahr 2013), und wenn nein, welche Systematik und
Schutzziele wurden dann dem Verordnungsentwurf zugrunde gelegt?
Auf welche wissenschaftliche Grundlage hinsichtlich der Bienenungefähr-
lichkeit von gebeiztem Wintergetreidesaatgut mit beschränktem Abrieb
stützt sich die Bundesregierung hinsichtlich ihres Plans, die Nutzung von
Saatgut in Deutschland zu erlauben, welches mit bienengiftigen Neoniko-
tinoiden behandelt wurde, deren Einsatz bei der Saatgutbehandlung auf EU-
Ebene verboten wurde?

21. Welche konkreten Nachweise und Belege muss der Inverkehrbringer von Saat-
gut, das mit Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam im Sinne des § 2
Absatz 2 des Verordnungsentwurfs gebeizt wurde, im Sinne des Verordnungs-
entwurfs erbringen, dass der Abrieb maximal 10 Milligramm je 220 Kilo-
gramm beträgt?
Inwieweit sind gesonderte Kontrollen, Eigenmessungen oder Stichproben
zur Überprüfung der Richtigkeit der Angaben vorgesehen?

22. Inwieweit ist für Saatgutbeizanlagen bzw. Inverkehrbringer von gebeiztem
Saatgut (entsprechend § 2 Absatz 2 des Verordnungsentwurfs) ein Zertifizie-
rungssystem für Beizanlagen vorgesehen, und welche genauen Anforderun-
gen werden daran gestellt?
Inwieweit sind in diesem Zusammenhang Vorgaben wie eine verpflichtende
Zugabe von Klebern und ein Verzicht auf Beigabe von Mikronährstoffen ge-
plant?

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23. Durch welche Maßnahmen will die Bundesregierung in der landwirtschaftli-
chen Praxis konkret sicherstellen, dass ein sorgsamer Umgang mit behandel-
tem Saatgut stattfindet sowohl bei der Lagerung als auch unter Vermeidung
von jeglichem mechanischem Stress beim Transport und in der Sämaschine,
um zu gewährleisten, dass keine erhöhten Abriebwerte, als von der geplanten
Verordnung vorgegeben, letztlich auf Feldebene auftreten (vgl. www.jki.
bund.de/download-FatPdf.php?file=2015_0099.pdf)?

24. Welche Auswirkungen hat die geplante Verordnungsnovelle auf die Weiter-
entwicklung des sogenannten Nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen An-
wendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) und des Fortschritts hinsichtlich
der Verpflichtung Deutschlands durch die sogenannte EU-Pestizidrichtlinie
(Richtlinie 2009/128/EG), die Abhängigkeit der Landwirtschaft von Pestizi-
den zu vermindern und den integrierten Pflanzenschutz zu stärken?

25. Welche Position nimmt die Bundesregierung zu den Inhalten der Stellung-
nahme des DBIB vom 13. Januar 2016 ein, wonach
a) es trotz verbesserter Beizauflagen nach wie vor zu hohen Wirkstoffrück-

ständen im Pollen kommt und damit eine Expositionsgefahr für Bestäuber
besteht, die nach aktuellem Stand der Wissenschaft auch durch subletale
Dosierungen von Neonikotinoiden gefährdet sind,

b) es beim Umgang mit behandeltem Saatgut zu verbreiteten Verstößen ge-
gen die Gute Fachliche Praxis wie die Hinterlassung von herumliegendem
Saatgut kommt und damit Risiken für Bienen und Umwelt, etwa durch
Auswaschung der Wirkstoffe in Pfützen, auch durch behandeltes Saatgut
entstehen können, welches nur geringe Abriebwerte aufweist,

c) bestimmte technische Maßnahmen, die Staubabrieb vermeiden sollen, nur
zu einer Verfeinerung des Staubabriebs führen und damit keine Verringe-
rung der Exposition erreicht wird,

d) Indizien wie die Rotfärbung von Saatgutbehältern (bei Beizung mit
Mesurol) trotz technischer Verbesserungen seit dem Jahr 2008 auf einen
nach wie vor großen Abrieb sowohl bei Mais als auch bei Raps und Wei-
zen hindeuten und damit der Ansatz des Verordnungsentwurfs fachlich in
Frage gestellt ist, die Einhaltung eines geringen Abriebwerts bei Saatgut-
behandlung in besonderen Anlagen gesetzlich pauschal anzunehmen bzw.
lediglich zu vermuten,

e) insgesamt die „geplante Verordnung unangemessen, unzureichend und in
der Praxis nicht zielführend ist“?

26. Welche Untersuchungen sind der Bundesregierung bekannt zu ökologischen
Risiken durch mögliche Kontaminationen von Oberflächenwasser und Tau
durch den auf den Boden geblasenen abgesaugten Beizstaub aus Sämaschi-
nen?

27. Auf welche wissenschaftlichen Daten und Quellen stützt sich die Bundesre-
gierung bei ihrer Aussage, dass durch die Saatgutbehandlung nur „verhält-
nismäßig geringe Pflanzenschutzmittelmengen verwendet werden“ (vgl.
Punkt A des Vorblatts des Verordnungsentwurfs), und inwieweit kann die
Bundesregierung diese Behauptung auch hinsichtlich eines Vergleichs zum
integrierten Pflanzenschutz belegen, wo Pestizide nicht prophylaktisch wie
bei der Beizung, sondern nur in Abhängigkeit von Befalls- und Schadens-
schwellen angewendet werden?

28. Verfügt die Bundesregierung über konkrete Belege bzw. statistische Daten
darüber, dass Ertragseinbußen bei Wintergetreide und Mais in Deutschland
ursächlich auf den Wegfall der chemischen Saatgutbehandlung zurückzufüh-
ren sind?

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29. Welche Schlussfolgerungen hinsichtlich der Notwendigkeit einer chemi-
schen Beizung von Wintergetreide zieht die Bundesregierung aus den Ergeb-
nissen von vergleichenden Langzeitversuchen mit Winterweizen ohne Saat-
gutbehandlung, mit chemischer Saatgutbehandlung und mit Saatgutbehand-
lung mittels Elektronenbehandlung, wonach keine wesentlichen Ertragsun-
terschiede festgestellt wurden (vgl. www.ensser.org/fileadmin/user_upload/
NN_S%C3%B6ffing_ppt.pdf, S. 10)?

30. Welche Schlussfolgerungen hinsichtlich der Verzichtbarkeit der chemischen
Saatgutbehandlung bei Mais zieht die Bundesregierung aus vergleichenden
Studien in Italien, wonach die Ertragsunterschiede zwischen behandel-
tem und unbehandeltem Saatgut gering waren (vgl. www.reterurale.it/
downloads/APENET_2010_Report_EN%206_11.pdf)?

31. Hat die Bundesregierung mit der Prüfung der Erfahrungen begonnen, die in
Norditalien mit Ertragsversicherungsmodellen in Verbindung mit Schulun-
gen zum integrierten Pflanzenschutz gemacht wurden (vgl. www.ensser.org/
fileadmin/user_upload/NN_Furlan_ppt.pdf)?
Wenn nein, warum nicht?

32. Hat die Prüfung der Ertragsversicherungsmodelle konkrete Hinweise er-
bracht, welche die Annahme der Bundesregierung bestätigen würden, wo-
nach die möglichen Ertragsausfälle solcher Modelle so erheblich wären, dass
sie die Versorgungssicherung der EU gefährden (vgl. Antwort der Bundes-
regierung zu Frage 19e der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 18/6490)?

33. Hat sich das BMEL beim Deutschen Bauernverband e. V. für einen konkreten
Zeitplan bzw. für eine verbindliche Selbstverpflichtung der Landwirtschaft zur
Umstellung auf bienenschonende Ausbringungsmethoden bei Pestiziden wie
sogenannte Dropleg-Düsen (Einsatz unterhalb der Blütenebene) v. a. im
Rapsanbau eingesetzt vor dem Hintergrund, dass Bundesminister Christian
Schmidt solche Ansätze als Beispiel für „rücksichtsvollen Einsatz von Pflan-
zenschutzmitteln“ bereits im Jahr 2014 genannt hat (www.general-anzeiger-
bonn.de/region/vorgebirge-voreifel/meckenheim/Landwirtschaftsminister-
startet-in-Meckenheim-bundesweite-Aktion-article1328269.html)?
Wenn nein, warum gab es bislang keine Initiative des BMEL zur beschleu-
nigten Einführung solcher Systeme?

34. Welche Forschungs- und Erprobungsprojekte zu Dropleg-Düsen und ande-
ren Ansätzen zur Reduktion der Exposition von Bestäubern werden durch
Bundesinstitutionen zurzeit durchgeführt bzw. durch den Bund aktuell ge-
fördert?
Wann ist mit Ergebnissen dieser Projekte zu rechnen?

35. Setzt sich die Bundesregierung für Anwendungsbeschränkungen bzw.
Grenzwertabsenkungen für Thiacloprid ein vor dem Hintergrund, dass die
Europäische Chemikalienagentur ECHA diesen Wirkstoff bereits im März
2015 als reproduktionstoxisch (Kategorie 1B) eingestuft hat (vgl. http://
echa.europa.eu/documents/10162/13626/clh_odd_thiacloprid_en.pdf, S. 23)
und damit eine Wiederzulassung nach den Ausschlusskriterien für Pestizid-
wirkstoffe (cut off criteria) ausgeschlossen ist, und wenn nein, warum will
die Bundesregierung in diesem Fall nicht aktiv werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/7607
 

36. Welche Anträge auf Zulassung von Pflanzenschutzmittelpräparaten mit dem
Wirkstoff Sulfoxaflor liegen dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Le-
bensmittelsicherheit aktuell vor (bitte unter Angabe der Antragsteller und
Einsatzbereiche auflisten)?

37. Wie bewerten die Bundesregierung und das Umweltbundesamt den Wirk-
stoff Sulfoxaflor aus ökotoxikologischer Sicht?

Berlin, den 16. Februar 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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