BT-Drucksache 18/7512

Ausweisungen im Jahr 2015

Vom 11. Februar 2016


 

Deutscher Bundestag Drucksache 18/7512
18. Wahlperiode 11.02.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Sevim Dağdelen, Kerstin Kassner,
Jan Korte, Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und der
Fraktion DIE LINKE.

Ausweisungen im Jahr 2015

In der Nacht vom 31. Dezember 2015 auf den 1. Januar 2016 kam es in Köln und
anderen deutschen Städten zu Übergriffen von Gruppen junger Männer auf
Frauen. In den Medien wurde in diesem Zusammenhang über mutmaßliche Täter
mit einem „nordafrikanischen“ bzw. „arabischen“ Erscheinungsbild berichtet. Da
Ermittlungen zu den Übergriffen noch andauern, können die Justizbehörden bis-
lang keine belastbaren Angaben zu den mutmaßlichen Tätern machen. Dennoch
wurden die Vorkommnisse in der Silvesternacht zum Anlass genommen, eine
Debatte um eine Verschärfung der Asyl-, Ausländer- bzw. Ausweisungsgesetze
zu beginnen. Ende Januar 2016 brachte das Bundeskabinett den Entwurf eines
Gesetzes „zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum
erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewer-
bern“ auf den Weg. Nach diesem Entwurf soll es zur Annahme eines berechtigten
Ausweisungsinteresses bereits ausreichen, wenn wegen bestimmter Delikte –
zum Beispiel Körperverletzung, Tötung oder Vergewaltigung – eine Verurteilung
zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ausgesprochen wurde, auch
wenn diese zur Bewährung ausgesetzt wird.
Ausweisungen dürfen nur nach einer Abwägung der staatlichen mit den individu-
ellen Interessen in jedem Einzelfall erfolgen. Dabei sind die maßgeblichen Vor-
gaben und Regelungen nach europäischem und internationalem Recht zu beach-
ten. Für Flüchtlinge etwa ergibt sich ein besonderer Ausweisungsschutz aus eu-
ropäischem Recht und aus der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Die Aus-
weisung eines Flüchtlings ist so zum Beispiel nach Artikel 32 GFK nur „aus
Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ zulässig. Für – aus Sicht der
Fragesteller – „faktische Inländer“ leitet sich der Ausweisungsschutz aus Arti-
kel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ab, für türkische
Staatsangehörige gelten vornehmlich die Regelungen des Assoziierungsabkom-
mens EWG-Türkei.
Auch vor dem Hintergrund dieses neuen Gesetzesvorhabens möchten die Frage-
steller Zahlen und Informationen zu den Ausweisungen im Jahr 2015 in Erfah-
rung bringen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember

2015) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungs-
verfügung ergangen ist (bitte Ausweisungen der Jahre 2015, 2014 und 2013
gesondert angeben)?

Drucksache 18/7512 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

 

2. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember
2015) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungs-
verfügung ergangen ist, differenziert nach Geschlecht?

3. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember
2015) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungs-
verfügung ergangen ist, differenziert nach Alter (in den Schritten 0 bis 13
Jahre, 14 bis 17 Jahre, 18 bis 21 Jahre, 22 bis 26 Jahre, 27 bis 35 Jahre, 36
bis 60 Jahre, 60 Jahre und älter)?

4. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember
2015) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungs-
verfügung ergangen ist, differenziert nach Bundesländern (bitte für Auswei-
sungen der Jahre 2014 und 2015 eine gesonderte Auflistung nach Bundes-
ländern machen)?

5. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember
2015) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungs-
verfügung ergangen ist, differenziert nach den 15 wichtigsten Herkunftsstaa-
ten (bitte für Ausweisungen der Jahre 2014 und 2015 eine gesonderte Auf-
listung machen)?

6. Über welchen Aufenthaltsstatus verfügten Ausländerinnen und Ausländer
laut Ausländerzentralregister (zum Stand 31. Dezember 2015), gegen die
eine noch nicht wirksame Ausweisungsverfügung ergangen ist (bei Duldun-
gen, bitte soweit möglich, nach der Rechtsgrundlage der Duldung differen-
zieren)?

7. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember
2015) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungs-
verfügung ergangen ist, differenziert nach befristet und unbefristet, und wie
viele dieser Ausweisungen erfolgten in den Jahren 2013, 2014 und 2015?

8. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer, gegen die eine Ausweisungsver-
fügung ergangen ist, sind (mit Stand 31.Dezember 2015) im Ausländerzent-
ralregister als „aufhältig“ bzw. „nicht aufhältig“ gespeichert (bitte bei den
noch aufhältigen Personen nach Bundesländern, den 15 häufigsten Her-
kunftsstaaten und dem Jahr der Ausweisung differenzieren)?
Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember
2015) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungs-
verfügung ergangen ist, differenziert nach „noch nicht vollziehbar“, „sofort
vollziehbar“ und „unanfechtbar“, und wie viele dieser Ausweisungen erfolg-
ten in den Jahren 2013, 2014 und 2015?

9. Wie viele der Ausländerinnen und Ausländer, gegen die eine Ausweisungs-
verfügung erging (bitte zum Stand 31. Dezember 2015 für Ausweisungen im
Jahr 2014 und 2015),
a) reisten nach Kenntnis der Bundesregierung freiwillig aus,
b) wurden nach Kenntnis der Bundesregierung abgeschoben,
c) konnten nach Kenntnis der Bundesregierung aus rechtlichen oder tatsäch-

lichen Gründen nicht abgeschoben werden (bitte Gründe so differenziert
wie möglich benennen)?

10. Welche Erkenntnisse oder Einschätzungen fachkundiger Bediensteter liegen
der Bundesregierung zu der Frage vor, gegen wie viele Ausländerinnen und
Ausländer auf der Grundlage von § 54 Absatz 5, 5a, 6 und 7 des Aufenthalts-
gesetzes (AufenthG) a.F. und der Nummer 9 bis 11 in § 55 Absatz 2 Satz 1
AufenthG a.F. seit Geltung der Regelungen eine Ausweisungsverfügung er-
gangen ist, und wie viele hiervon rechtskräftig wurden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7512
 

 

11. In wie vielen Fällen hat die Arbeitsgruppe „Statusrechtliche Begleitmaßnah-
men“ (AG Status) des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
im vergangenen Jahr eine Überwachungsanordnung nach § 54a AufenthG a.F.
empfohlen (bitte möglichst nach den Verpflichtungen gemäß § 56 Absatz 1
bis 4 differenzieren), in wie vielen Fällen wurde dieser Empfehlung nach
Kenntnis der Bundesregierung Folge geleistet, und wie viele Überwachungs-
anordnungen gab es insgesamt (bitte nach Jahren und Herkunftsstaat der Be-
troffenen aufschlüsseln)?

12. In wie vielen Fällen hat die AG Status im vergangenen Jahr eine Abschie-
bungsanordnung ohne vorherige Ausweisung nach § 58a AufenthG empfoh-
len, in wie vielen Fällen wurde dieser Empfehlung nach Kenntnis der Bun-
desregierung Folge geleistet, und wie viele Abschiebungsanordnungen gab
es insgesamt (bitte nach Jahren und Herkunftsstaat der Betroffenen auf-
schlüsseln)?

13. In wie vielen Fällen hat das BAMF im vergangenen Jahr auf Empfehlung der
„AG Status“ ein Widerrufs- bzw. Rücknahmeverfahren gegen eine Asyl-
oder Flüchtlingsanerkennung eingeleitet (bitte nach Jahren, Staatsangehörig-
keit der Betroffenen und Ausgang des Verfahrens aufschlüsseln)?

14. Wie weit sind Bemühungen von Bund und Ländern gediehen, für die knapp
eine halbe Million als unbefristet erlassenen Einreiseverbote ein „Bereini-
gungsverfahren“ (vgl. Bundestagsdrucksache 18/249, Frage 10) durchzufüh-
ren, bzw. inwiefern ist mittlerweile ein zweiter „Bereinigungsdurchgang“
(wie auf der Bundestagsdrucksache 18/4596 in der Antwort zu Frage 14 an-
gekündigt) mit welchen Ergebnissen erfolgt (bitte im Detail darlegen)?

15. Mit welcher Begründung (bitte detailliert ausführen) hält die Bundesregie-
rung die in dem Kabinettsentwurf eines Gesetzes „zur erleichterten Auswei-
sung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der
Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern“ enthaltenen Ver-
schärfungen in Bezug auf Flüchtlinge bzw. Asylsuchende für vereinbar mit
a) den entsprechenden völkerrechtlichen Schutzregelungen, insbesondere

Artikel 32, 33 GFK in Verbindung mit den Ausführungen des Handbuchs
des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR)
über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft
gemäß dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die
Rechtsstellung der Flüchtlinge (Neuauflage, Genf, Dezember 2011/deut-
sche Version 2013, S. 37, Nr. 155 - 157) als Ausdruck einer verfestigten
Staatenpraxis,

b) und dem absoluten Abschiebungsschutz nach Artikel 3 EMRK?
16. Inwiefern und aus welchen Gründen vermag eine zur Bewährung ausgesetzte

Strafe nach Ansicht der Bundesregierung die Ausnahmeregelung des Arti-
kels 33 Absatz 2 GFK zu erfüllen, wonach der Ausweisungsschutz nur dann
verwehrt wird, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine
Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet,
oder der Betroffene eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeu-
tet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Verge-
hens rechtskräftig verurteilt wurde (bitte insbesondere mit dem Argument
auseinandersetzen, dass eine Bewährungsstrafe ja regelmäßig nur bei guter
Sozialprognose und bei Nichtentgegenstehen der besonderen Schwere der
Tat erfolgt)?

17. Inwiefern ist die geplante Einbeziehung der „Rechtstreue“ bei der Abwägung
nach § 53 Absatz 2 AufenthG vereinbar mit der Auslegung von Artikel 32,
33 GFK sowie Artikel 3 EMRK und den Bestimmungen der EU-Qualifika-
tionsrichtlinie?

Drucksache 18/7512 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

 

18. Inwiefern begründen nach der Einschätzung der Bundesregierung Straftaten,
welche mit List begangen wurden, ein besonders schwerwiegendes Auswei-
sungsinteresse?

Berlin, den 10. Februar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.