BT-Drucksache 18/7511

Ein- und Ausreisesperren von politischen Aktivisten und Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen in Ägypten

Vom 9. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7511
18. Wahlperiode 09.02.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Annette Groth, Niema Movassat und der Fraktion DIE LINKE.

Ein- und Ausreisesperren von politischen Aktivisten und Mitarbeitern von
Nichtregierungsorganisationen in Ägypten

Der deutsche Literaturwissenschaftler Atef Botros ist in Ägypten mehr als
24 Stunden am Flughafen in Kairo festgehalten worden (Wiener Zeitung vom
30. Januar 2016). Seine Einreise im Rahmen einer Forschungsreise wurde unter-
sagt. Seinem Bruder zufolge darf Atef Botros Ägypten nie mehr betreten. Atef
Botros ist Mitbegründer des Vereins „Mayadin al-Tahrir“ und forscht zu den Auf-
ständen des „arabischen Frühlings“ („A Genealogy of an Arabic Poetic of
Dissent“, www.uni-marburg.de/cnms/research/turning-points/projects/botros-
project). Der Verein will nach den Medienberichten die Chancen von marginali-
sierten Gruppen der ägyptischen Gesellschaft verbessern. Der ägyptischstämmige
Atef Botros besitzt einen deutschen, jedoch keinen ägyptischen Pass. Seit 2007
arbeitet Atef Botros an der Universität Marburg und wird unter anderem von der
Heinrich Böll Stiftung e. V. gefördert. Laut ägyptischen Medien stehe der Name
von Atef Botros auf einer „No fly“-Liste (All Africa vom 30. Januar 2016). Bei
seiner Einreise sei er darüber informiert worden. Die Repressalien gegenüber Atef
Botros wurden von ägyptischen Akademikern auch in Deutschland heftig kriti-
siert.
Laut einem Bericht von Human Rights Watch (HRW) habe die Menschenrechts-
organisation mindestens 32 ähnliche Fälle festgestellt, in denen ägyptisches Si-
cherheitspersonal die Papiere politischer Aktivisten und Angehöriger von Nicht-
regierungsorganisationen konfiszierte (HRW vom 1. November 2015). Ägypten
behindere auch unrechtmäßig und ohne Vorliegen richterlicher Beschlüsse die
Ausreise von Aktivisten. Dies sei nach Artikel 62 der ägyptischen Verfassung
aber rechtswidrig. Betroffen seien Akademiker, Studenten, Politiker und sogar
Richter. Die Reisesperren würden so ausgiebig verhängt, dass selbst Anhänger
des Präsidenten davon betroffen seien. Ein weiterer Fall betrifft eine Gruppe von
Frauen, die einer Organisation angehören die gegen sexuelle Gewalt gegenüber
Frauen kämpft und am Flughafen verhört und schließlich an der Ausreise zu einer
entsprechenden Konferenz in Deutschland gehindert wurde.

Drucksache 18/7511 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was ist der Bundesregierung über den Fortgang zweier regionaler Projekte

der Europäischen Union bekannt, die sich einer „Strafrechtsreform im Be-
reich der Antiterror-Gesetzgebung“ und der „Luftverkehrssicherheit“ wid-
men (Bundestagsdrucksache 18/3054)?
a) Wer führt die Projekte durch, und wer nimmt daran teil?
b) Welche weiteren Details sind der Bundesregierung zu den Inhalten der

einzelnen Maßnahmen bekannt, und wo finden diese statt?
2. Inwiefern umfassten die Unterstützungsmaßnahmen des Bundesamtes für

Verfassungsschutz, des Bundesnachrichtendienstes, der Bundespolizei oder
des Bundeskriminalamtes zugunsten ägyptischer Polizei- und Geheimdienst-
behörden auch die Flughafensicherheit oder die Kontrolle von Einreisen nach
Ägypten (Bundestagsdrucksache 18/3054, Schriftliche Fragen 9 und 10 auf
Bundestagsdrucksache 18/7181 und Schriftliche Frage 14 auf Bundestags-
drucksache 18/7274)?

3. Welche deutschen Luftsicherheitsbehörden haben sich an einer „Experten-
delegation“ zur Flughafensicherheit und „Evaluierung des Luftsicherheits-
standards“ in Ägypten beteiligt (Bundestagsdrucksache 18/7274)?

4. Inwiefern ist die „bundespolizeiliche Maßnahmenplanung der Ausbildungs-
und Ausstattungshilfe“ für die Jahre 2016 und 2017 inzwischen abgestimmt,
und welche Maßnahmen im Bereich Grenzkontrolle, Dokumenten- und Ur-
kundensicherheit, ggf. auch im Bereich der Luftsicherheit werden geplant
oder wurden verworfen (Bundestagsdrucksache 18/7274)?

5. Worin besteht die von der Bundesregierung in Ägypten vorgenommene
„fortlaufende Prüfung, ob vermitteltes Wissen oder im Rahmen der Ausstat-
tungshilfe zur Verfügung gestellte Technik im Empfängerland bestimmungs-
gerecht und rechtsstaatlichen Maßstäben entsprechend eingesetzt wird“
(Bundestagsdrucksache 18/3054)?
a) Wer nimmt diese Prüfung vor, und welchem Verfahren folgt diese?
b) In welchen Fällen wurde bei dieser Überprüfung in den Jahren 2015 oder

2016 die „Kenntnis eines Missbrauchs des vermittelten Wissens oder der
zur Verfügung gestellten Ausstattung“ festgestellt?

c) Inwiefern und mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung deshalb in
den Jahren 2015 oder 2016 eine „Neubewertung hinsichtlich der zukünf-
tigen Unterstützungsleistungen vorgenommen“?

d) Inwiefern führte diese „Neubewertung“ zur „Aussetzung bestimmter
Maßnahmen“?

6. Welche über die in der Vorbemerkung hinausgehenden Details sind der Bun-
desregierung zur Festsetzung des Literaturwissenschaftlers Atef Botros bei
seiner Einreise nach Ägypten und seiner erzwungenen Umkehr bekannt?

7. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, ob Atef Botros am Flughafen
Kairo von jenem Staatssicherheitsdienst (NSS) verhört wurde, der auch von
der Bundesregierung unterstützt und ausgebildet wird (http://allafrica.com/
stories/201601300254.html, Bundestagsdrucksachen 18/3054, 18/7274)?

8. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Festsetzung des Literaturwissenschaftlers Atef Botros bei seiner Ein-
reise nach Ägypten und seiner erzwungenen Umkehr hinsichtlich ihrer Un-
terstützung des ägyptischen Regimes bei der Reorganisation des Sicherheits-
apparates?

9. Auf welche Weise war und ist die Bundesregierung mit dem Fall befasst?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7511
 

10. Auf welche Weise hat die Bundesregierung sich diesbezüglich gegenüber
welchen ägyptischen Regierungsstellen geäußert?

11. Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung zum Grund der Ein-
reisesperre gegenüber Atef Botros?

12. Inwiefern kann die Bundesregierung die Berichte von HRW über eine hohe
Zahl von Einreisesperren politischer Aktivisten und Angehöriger von Nicht-
regierungsorganisationen bestätigen, und welche Schlussfolgerungen zieht
sie daraus für ihre Haltung gegenüber dem Regime Ägyptens (HRW vom
1. November 2015)?

13. Was ist der Bundesregierung über eine offizielle oder inoffizielle ägyptische
Datei bekannt, in der Personen geführt werden die nicht einreisen dürfen, und
nach welchen Kriterien werden die dort gespeicherten Personen in die Da-
tensammlung aufgenommen (All Africa vom 30. Januar 2016)?
a) Wie viele deutsche Staatsangehörige befinden sich nach Kenntnis der

Bundesregierung auf einer solchen „No fly“-Liste bzw. sind von Einrei-
severboten betroffen (bitte wenigstens eine Größenordnung angeben)?

b) Mit welchen Fällen war die Bundesregierung hierzu im Jahr 2015 befasst?
c) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern auch für deut-

sche Medienhäuser arbeitende Journalisten in den Jahren 2015 und 2016
von Einreiseverboten oder anderen Repressalien an ägyptischen Flughä-
fen betroffen waren?

14. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern in Ägypten für
Nichtregierungsorganisationen oder in emanzipatorischen, alternativen oder
staatskritischen Projekten arbeitende deutsche Staatsangehörige in den Jah-
ren 2015 oder 2016 vermehrt von ägyptischen Polizei- oder Geheimdienst-
behörden ausgespäht werden oder sonstigen Repressalien unterliegen?

15. Sofern die Repressalien gegen deutsche Staatsangehörige nicht zugenommen
haben, sondern sich auf einem gewöhnlichen Niveau bewegen, welche Phä-
nomene sind der deutschen Botschaft in Kairo hierzu bekannt?

16. Was ist der Bundesregierung über die Zahl von Ausreiseuntersagungen von
politischen Aktivisten und Angehörigen von ägyptischen Nichtregierungsor-
ganisationen bekannt, die von Ägypten nach Deutschland reisen wollten?

17. Mit welchen Fällen war die Bundesregierung hierzu im Jahr 2015 befasst?
18. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern auch Aktivisten der

Kampagne zur Abschaffung der Militärgerichtsbarkeit für zivile Verfahren
(„Military trials for civilians“) von Ausreisesperren nach Deutschland oder
in andere EU-Mitgliedstaaten betroffen waren?

19. Welche Details kann die Bundesregierung zu dem von HRW geschilderten
Fall ergänzen, wonach der von der Bundesregierung unterstützte und ausge-
bildete Geheimdienst NSS (All Africa vom 30. Januar 2016, Bundestags-
drucksachen 18/3054, 18/7274) eine Gruppe von Frauen verhörte und
schließlich an der Ausreise hinderte, die einer Organisation angehören die
gegen sexuelle Gewalt gegenüber Frauen kämpft und an der Ausreise zu ei-
ner entsprechenden Konferenz in Deutschland gehindert wurden?

20. Auf welche Weise hat die Bundesregierung diesen Fall gegenüber der ägyp-
tischen Regierung angesprochen?

Drucksache 18/7511 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

21. Auf welche Weise hat sich die Bundesregierung weiterhin für den in der
ägyptischen Hauptstadt Kairo zu zwei Jahren Haft verurteilten Dr. Ahmed
Said eingesetzt (Schriftliche Frage 16 auf Bundestagsdrucksache 18/7181)?
a) Mit welchen anderen EU-Mitgliedstaaten hat die Bundesregierung den

„mit Sorge“ betrachteten Fall besprochen, und wie haben diese darauf re-
agiert?

b) Welche gemeinsamen Maßnahmen wurden mit anderen EU-Mitgliedstaa-
ten verabredet?

c) Welche Bemühungen unternimmt die Bundesregierung, die Situation des
mittlerweile ins Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ auf-
genommenen Dr. Ahmed Said zu verbessern?

22. Inwiefern war die Initiative der Bundesregierung „im EU-Rahmen“ erfolg-
reich oder erfolglos, „sämtliche Fälle von inhaftierten Menschenrechtsakti-
visten gegenüber Ägypten koordiniert zur Sprache zu bringen“ (Schriftliche
Frage 16 auf Bundestagsdrucksache 18/7181)?
a) Welche Fälle wurden oder werden in diesem Zusammenhang vorgetra-

gen?
b) Wem gegenüber wurden oder werden die Fälle zur Sprache gebracht?

23. Inwiefern nimmt die Bundesregierung die von HRW dokumentierten Fälle,
die Verhaftung von Atef Botros am Flughafen Kairo und die Verurteilung
von Dr. Ahmed Said zum Anlass, die geplante Fortsetzung ihrer Ausbil-
dungsmaßnahmen im Bereich Grenzkontrolle, Dokumenten- und Urkunden-
sicherheit, ggf. auch im Bereich der Luftsicherheit zu überdenken (Bundes-
tagsdrucksachen 18/3054, 18/7274)?

24. Wie hat die ägyptische Regierung darauf reagiert, dass die Bundesregierung
die allein im Jahr 2015 dokumentierten 625 Fälle von Folter, die 32 inhaf-
tierten Journalisten sowie die Verhaftungen ohne Haftbefehle durch die
ägyptische Polizei und den Geheimdienst Amn El-Watani thematisiert und
„Verbesserungen gefordert“ hat (Schriftliche Fragen auf Bundestagsdruck-
sache 18/7181)?

25. Wie hat sich die Bundesregierung zum diesjährigen Vorsitz Ägyptens im
UN-Anti-Terrorismus-Komitee positioniert, und wie hat sie schließlich bei
dessen Wahl gestimmt (www.un.org/en/sc/ctc)?

26. Aus welchen Erwägungen hält sie Ägypten für den Vorsitz des Komitees,
das unter anderem Reisesperren für „Extremisten“ durchsetzen und interna-
tional standardisieren soll, für geeignet oder ungeeignet?

27. Wann soll das bilaterale Rahmenabkommen zur verbesserten Polizeizusam-
menarbeit Deutschlands und Ägyptens nach gegenwärtigem Stand unter-
zeichnet werden?

Berlin, den 8. Februar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.