BT-Drucksache 18/7484

Ausbau vernetzter EU-Datenbanken von Justiz und Polizei

Vom 5. Februar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7484
18. Wahlperiode 05.02.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Annette Groth, Dr. André Hahn,
Niema Movassat, Dr. Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE.

Ausbau vernetzter EU-Datenbanken von Justiz und Polizei

Die Europäische Kommission will den Austausch von Einträgen in Strafregistern
der Mitgliedstaaten der Europäischen Union erweitern. Einen entsprechenden
Vorschlag (COM(2016) 7 final) für den Ausbau des Europäischen Strafregister-
informationssystems (European Criminal Records Information System – ECRIS)
sowie mehrere begleitende Dokumente hat die Kommissarin für Justiz, Verbrau-
cher und Gleichstellung, Věra Jourová, am 19. Januar 2016 in einer Pressemittei-
lung veröffentlicht (Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 19. Ja-
nuar 2016). Zur „Verbesserung der Bekämpfung von grenzüberschreitenden
Straftaten und Terrorismus“ sollen auch Daten über Nicht-EU-Staatsangehörige
gespeichert und übermittelt werden dürfen.
Über das ECRIS können für Strafverfahren oder andere behördliche Auskunfts-
zwecke in anderen Mitgliedstaaten vorhandene Informationen über Vorstrafen
der Betroffenen abgefragt werden. Bislang dürfen nur Daten über EU-Staatsan-
gehörige angefordert werden. Sämtliche Vorstrafen auch in anderen Ländern
werden im „Heimatmitgliedstaat“ gespeichert und bei Bedarf an anfragende Be-
hörden weitergegeben. Laut der Europäischen Kommission wurden über das
ECRIS im vergangenen Jahr 288 000 Anfragen gestellt. Sowohl die Abfragen als
auch Benachrichtigungen nahmen in den letzten Jahren stetig zu. Nun soll das
ECRIS auch technisch erweitert werden. Als „Suboption“ wird vorgeschlagen,
dass auch Fingerabdrücke abgefragt werden können. Die Europäische Kommis-
sion verspricht sich dadurch eine bessere Identifizierung von Beschuldigten
aus Drittstaaten und die Erkennung gefälschter Ausweisdokumente. Die Bundes-
regierung befürwortet den Ausbau des ECRIS grundsätzlich (Bundestagsdruck-
sache 18/6699).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Behörden der Bundesregierung nehmen derzeit Abfragen über das

ECRIS vor, und für welche Zwecke werden die Daten verarbeitet?
2. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, ob das ECRIS zu-

künftig auch (vermehrt) zur Kontrolle unerwünschter Migration genutzt wer-
den sollte?

3. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Europäischen
Kommission, dass die Erweiterung des Austauschs von Strafregistereinträ-
gen auf Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger zu einer Ermutigung von Behör-
den der EU-Mitgliedstaaten zu noch mehr Anfragen im ECRIS führen
könnte?

Drucksache 18/7484 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

4. Wie viele Anfragen haben Bundesbehörden in den einzelnen Jahren 2011,
2012, 2013, 2014 und 2015 über das ECRIS gestellt?

5. Wie viele Benachrichtigungen haben Bundesbehörden in den einzelnen Jah-
ren 2011, 2012, 2013, 2014 und 2015 über das ECRIS erhalten?

6. Wie viele Abfragen der Daten zu Vorstrafen von Drittstaatenangehörigen ha-
ben Bundesbehörden in den einzelnen Jahren 2011, 2012, 2013, 2014 und
2015 nicht über das ECRIS, sondern jeweils in den 27 übrigen EU-Mitglied-
staaten einzeln gestellt?

7. Welche Kosten sind dabei entstanden?
8. Sofern die Bundesregierung diese Kosten nicht beziffern kann, inwiefern

teilt sie die Einschätzung der Europäischen Kommission, wonach diese Ab-
fragen in der gesamten Europäischen Union allein 78 Millionen Euro gekos-
tet hätten?

9. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Europäischen
Kommission, wonach kleinere Mitgliedstaaten durch die gegenwärtige Pra-
xis benachteiligt seien, da diese oft über wenig Angestellte zur Bearbeitung
der Anfragen verfügen?

10. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, auf welche Weise
das ECRIS auch technisch erweitert werden könnte?

11. Welche Defizite könnten aus Sicht der Bundesregierung durch die Umset-
zung einer „Suboption“ zur Verarbeitung von Fingerabdrücken ausgeräumt
werden?

12. Welche Infrastrukturen zur Verarbeitung von Fingerabdrücken innerhalb des
ECRIS sind bei Bundesbehörden bereits vorhanden, und welche müssten ein-
gerichtet werden?

13. Welche Kosten für die Anschaffung oder den Betrieb würden hierfür mög-
licherweise entstehen?

14. Inwiefern wäre es aus Sicht der Bundesregierung machbar oder sinnlos, wie
von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, die gerade bei der Poli-
zeibehörde Europol eingeführte Anwendung „Ma3tch“ auch innerhalb des
ECRIS zu nutzen?

15. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern beim „Anti-Daesh
summit“ in Rom auch die Themen „(Automatisierte) Überwachung Sozialer
Medien“ und „Gegennarrative in Sozialen Medien“ behandelt, wer dazu vor-
trug, und welche Maßnahmen verabredet wurden (https://twitter.com/
DutchMFA/status/694462718758223872)?

16. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Weise die Einfüh-
rung des Automatic Fingerprint Identification System (AFIS) von der Euro-
päischen Union finanziert wird?

17. Was ist der Bundesregierung über Ergebnisse von Diskussionen zur zukünf-
tigen Ausrichtung „Cross-Border Surveillance Working Group“ bekannt,
und welche Haltung vertritt sie hierzu (Bundestagsdrucksache 18/7466)?

18. Welche „weitere[n] Dienststellen“ aus EU-Mitgliedstaaten sollen nach
Kenntnis der Bundesregierung für die internationale technische Zusammen-
arbeit im Rahmen des International Specialist Law Enforcement (ISLE)
sowie mit der Europol Platform for Experts gewonnen werden (Bundestags-
drucksache 18/7466)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7484
 

19. Was ist der Bundesregierung über die Gesamtausschreibungszahlen von Per-
sonen und Sachen nach Artikel 36 des SIS-II-Ratsbeschlusses zum Zweck
der verdeckten oder gezielten Kontrolle bekannt (Stichtage 1. Juli 2015 und
1. Januar 2016)?
a) In welchem Zeitraum sollen oder müssen die ausschreibenden Stellen im

Falle von Treffern sofortige Berichte erhalten?
b) Wann soll es nach Kenntnis der Bundesregierung umgesetzt sein, dass die

Fingerabdruck-Funktionalität des SIS II auch für die Fahndung genutzt
werden kann?

c) Nach welcher Maßgabe entscheiden die Behörden des Bundesministeri-
ums des Innern darüber, ob entsprechende Berichte auch an Europol wei-
tergegeben werden?

d) Was ist der Bundesregierung (etwa aus Berichten oder Vorträgen der
Europäischen Kommission) darüber bekannt, wie viele der Ausschreibun-
gen durch Geheimdienste vorgenommen wurden (bitte als absolute Zahl
und in Prozent angeben)?

20. Aus welchen Erwägungen unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag
der Europäischen Kommission zur Einführung zentraler Bankkontenregister
auf EU-Ebene (Bundestagsdrucksache 18/7246)?

21. Wo sollten solche Register aus Sicht der Bundesregierung angesiedelt sein,
und welche Behörden sollten darauf zugreifen dürfen?

22. Inwiefern, und mit welchem Ergebnis ist die Prüfung der „rechtlichen und
technischen Aspekte“ eines Europäischen Kriminalaktennachweises nach
2015 mittlerweile abgeschlossen (Bundestagsdrucksache 18/1832)?

23. Auf welche Weise wird nach Kenntnis der Bundesregierung das Vorhaben
eines Europäischen Kriminalaktennachweises (European Police Record In-
dex System – EPRIS) zur Vernetzung der bei Polizeibehörden in den EU-
Mitgliedstaaten geführten Kriminalakten weiterverfolgt?

24. Auf welche Weise wurde der von der Bundesregierung festgestellte „grund-
sätzliche polizeifachliche Bedarf für einen EU-weiten Fundstellennachweis
bestimmter polizeilicher Daten“ inzwischen erfüllt, und welche Defizite blei-
ben diesbezüglich offen (Bundestagsdrucksache 18/1832)?

25. Inwiefern könnte die von der Bundesregierung postulierte „funktionale
Lücke in den bestehenden polizeilichen Systemen“ durch den Ausbau des
SIENA-Netzwerks oder den Kanal der Police Working Group on Terrorism
(PWGT) nun geschlossen werden (Bundestagsdrucksache 18/7246)?

Berlin, den 5. Februar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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