BT-Drucksache 18/747

Inhaltefilterung bei Arbeitsplatzrechnern in Bundeseinrichtungen

Vom 10. März 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/747
18. Wahlperiode 10.03.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak, Herbert Behrens, Jan Korte,
Martina Renner, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Inhaltefilterung bei Arbeitsplatzrechnern in Bundeseinrichtungen

Am 2. Februar 2014 wurde auf dem Videoportal „YouTube“ ein Mitschnitt eines
Telefonates zwischen der US-amerikanischen Assistant Secretary of State
Victoria Nuland und dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, ver-
öffentlicht, in dessen Verlauf die Äußerung „and, you know, Fuck the EU“ fiel.
Die Veröffentlichung des Mitschnitts inklusive „Fuck the EU“ zog eine Welle
medialer Berichterstattung nach sich.
Nach einer Vorabmeldung des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ (Aus-
gabe 7/2014) wird der Zugang zu diesen Nachrichtentexten an Arbeitsplatz-
rechnern in Bundeseinrichtungen gesperrt, weil sie das Wort „Fuck“ enthielten
und als pornografischer Text eingestuft würden.
Das englische Wort „fuck“ zeichnet sich – auch in der Schriftsprache – durch
eine außerordentliche Flexibilität aus. Es kann sowohl als Verb, Substantiv,
Adverb oder Interjektion verwendet werden, nur ein gewisser Teil seiner
Anwendungsmöglichkeiten fällt in den Bereich sexueller Betätigung. Je nach
Bedeutungszusammenhang drückt es Frustration („Fuck!“), Gleichgültigkeit
(„I don’t give a fuck.“), Konsternierung („Now I’m really fucked“) aus. Seine
Verwendung als Verstärkung oder Bestätigung („absofuckinlutely“, „Fuck
Yeah!“) ist korpuslinguistisch abgesichert. Trotz seines vielfältigen und weit-
verbreiteten Gebrauchs gehört „fuck“ weiterhin zu den vulgären bis obszönen
Begriffen, seine Zugehörigkeit zu den Four-Letter-Words der Federal Commu-
nications Commission (FCC) führt zu einer Reihe von Umgehungsstrategien,
deren häufigste die Referenzierung von „fuck“ als „F-word“. Darüber hinaus
existiert eine Reihe von Komposita mit dem Wortbestandteil „fuck“, bis hin zur
in den 90er-Jahren entwickelten Programmiersprache Brainfuck.
Bereits im Januar 2014 wurde bekannt, dass die in vielen Schulen des Freistaates
Sachsen eingesetzte Filtersoftware „Schulfilter Plus“ der Firma „Time for kids
Informationstechnologien GmbH“, die auch die Filtersoftware für bayerische
Schulen zur Verfügung stellt, die Parteihomepage www.dielinke-sachsen.de
standardmäßig ausgeschlossen hat. Laut Geschäftsführer von „Time for kids“
erfolgte diese Sperrung automatisiert und wurde mittlerweile manuell auf-
gehoben (www.dielinke-sachsen.de, Pressemitteilung vom 17. Januar 2014).
Die Spannbreite in der Bedeutung des Wortes „Fuck“, der konkrete Fall
„Nuland“ sowie die Filterung von Inhalten von in Landtagen und im Deutschen
Bundestag vertretenen Parteien auf Schulrechnern zeigen, dass die Filterung von
Webinhalten dysfunktional wirken kann.

Drucksache 18/747 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Treffen die Vorabmeldung und der Bericht des Nachrichtenmagazins „DER

SPIEGEL“ zu, nach denen der Zugang zu journalistischen Texten über die
Causa „Fuck the EU“ von Dienstrechnern in Bundeseinrichtungen er-
schwert oder verhindert wurde?
Wenn ja, welche Einrichtungen betraf dies, und was war die genaue tech-
nische Ursache?

2. Welche Behörden und sonstigen Einrichtungen des Bundes setzen Soft- und
Hardware ein, die den Zugang zu – die das Wort „Fuck“ oder andere
Begriffe enthaltende – Texten an Arbeitsplatzrechnern in Bundeseinrichtun-
gen verhindert oder erschwert?
Welche Soft- und Hardware kommt dabei jeweils wo genau zum Einsatz?

3. Welche Systeme zur Inhaltefilterung, wie zum Beispiel statische oder dyna-
mische Filterlisten (Begriffe wie „Fuck“ o. Ä., URLs mit „fuck“ als Wort-
bestandteil in Domain- oder Dateinamen), werden dabei eingesetzt?

4. Welche Begriffe inklusive „Fuck“ auf welchen Filterlisten an welchen
Dienststellen werden derzeit für die Sperrung des Zuganges zu Inhalten im
Internet eingesetzt?

5. Wem obliegt jeweils die Pflege dieser Filterlisten?
6. Gibt es eine Eingrenzung oder Fokussierung auf Begriffe bestimmter

Sprachen oder bestimmter Themengebiete?
7. Welche dieser Systeme setzen ein Whitelisting-Verfahren ein, oder gibt es

Bereichsausnahmen für Dienststellen, die aus inhaltlichen Gründen öfters
mit einschlägigen Begriffen konfrontiert werden (z. B. Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung oder das Auswärtige Amt)?

8. Wie gehen diese Filtersysteme mit Deklinationen und Konjugationen
(fucks, fucked, fucking) oder absichtlichen wie unabsichtlichen Fehlschrei-
bungen (phucked, fuk) um?

9. Auf welche Internetdienste, IP-Ports, IP-Ranges, Protokolle erstrecken sich
diese und alle anderen im Einsatz befindlichen Filtersysteme?

10. Findet eine solche Filterung auch bei (z. B. via https) verschlüsselten Inhal-
ten statt, und wenn ja, wie genau?

11. Finden neben Filtersystemen für Texte auch Filterungen mittels Bild-
analyseverfahren statt?

12. Hat die Bundesregierung die Forschung im Bereich Internet-Filtersysteme
finanziell gefördert?

13. Ist der Bundesregierung ein Versagen solcher Filteransätze bekannt, ins-
besondere bei agglutinierenden Sprachen oder solchen, die beliebige ver-
kettete Substantive erlauben, die zwar als komplettes Wort jeder Anstößig-
keit unverdächtig sind, aber einzelne Zeichenfolgen von teilweise anstößi-
gen Begriffen enthalten können (beispielsweise „Nachttischlampe“ oder
„Staatsexamen“)?

14. Welche arbeitsrechtlichen Grundlagen, Betriebsvereinbarungen oder
dienstlichen Weisungen existieren für Angestellte und Beamte des Bundes
beim Umgang mit Internetinhalten, die einen der vielen Bedeutungen von
„fuck“ zum Thema haben?

15. Welche Fälle sind der Bundesregierung bekannt, bei denen Arbeitsabläufe
in Dienststellen gestört wurden, weil bei dem Zugang auf dienstlich be-
nötigte Seiteninhalte Filtersysteme angeschlagen haben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/747
16. Findet eine Protokollierung von Zugriffen auf nach den Regeln dieser Filter-
systeme gesperrten Seiten statt?
Wenn ja, in welchem Umfang?

17. Welche arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegen Mitarbeiter gab es seit dem
Jahr 2004, die das dienstliche oder private Aufrufen von Internetinhalten
zum Gegenstand hatten, und welche Rolle spielte dabei jeweils die Existenz
oder der Einsatz von Filtersystemen?

18. Welche Kategorien und Beweggründe von (z. B. religiösen, sozialen,
politischen, kulturellen, sexuellen) Inhalten gibt es bei der Erstellung und
dem Einsatz von Filterregeln oder Filtersystemen auf Dienstrechnern des
Bundes?

19. Findet das BPjM-Modul (BPjM = Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Medien) direkt oder indirekt Verwendung bei der Sperrung des Zuganges zu
bestimmten Inhalten?

20. Welche Möglichkeiten stehen von Filtersystemen Betroffenen (Informa-
tionsanbietern und Rezipienten) offen, eine Filterentscheidung revidieren
zu lassen?

21. Werden Anbieter von Inhalten, die durch Filtersysteme gesperrt sind, über
die Sperrung und die Sperrungsgründe informiert?
Wenn ja, wie?
Wenn nein, warum nicht?

22. Gibt es Pläne für die deutschlandweite generelle Einführung oder direkte/
indirekte Förderung der Einführung von Opt-in- oder Opt-out-Filter-
systemen für Internetinhalte durch Internet Service Provider nach dem Vor-
bild des Vereinigten Königreiches?

23. Hat die Bundesregierung Kenntnis, welche Behörden und sonstigen Ein-
richtungen der Länder Soft- und Hardware einsetzen, die den Zugang zu
– die das Wort „Fuck“ oder andere Begriffe enthaltende – Texten an Arbeits-
platzrechnern in Landeseinrichtungen verhindern oder erschweren?
Wenn ja, hat die Bundesregierung Kenntnis, welche Soft- und Hardware
dabei jeweils wo genau zum Einsatz kommt?

24. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Systeme zur Inhaltefilterung, wie
zum Beispiel statische oder dynamische Filterlisten (Begriffe wie „Fuck“
o. Ä., URLs mit „fuck“ als Wortbestandteil in Domain- oder Dateinamen),
in den Ländern dabei eingesetzt werden?
Wenn ja, welche?

Berlin, den 10. März 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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