BT-Drucksache 18/7438

Neue Erkenntnisse und Pläne der Bundesregierung zum Einsatz der Fracking-Technik in Deutschland

Vom 27. Januar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7438
18. Wahlperiode 27.01.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Peter Meiwald, Annalena Baerbock,
Oliver Krischer, Maria Klein-Schmeink, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl,
Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Neue Erkenntnisse und Pläne der Bundesregierung zum Einsatz
der Fracking-Technik in Deutschland

Am 12. Dezember 2015 haben 195 Staaten auf der UN-Klimakonferenz in Paris
beschlossen, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen.
Darüber hinaus verständigte man sich darauf, in der zweiten Hälfte des Jahrhun-
derts treibhausgasneutral zu werden. Konsequenterweise folgerte die Bundesmi-
nisterin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Dr. Barbara
Hendricks daraus, dass das den „Abschied von fossilen Energien, also Dekarbo-
nisierung“ bedeute und, dass das „Abkommen aber darüber hinaus[gehe], weil es
alle Treibhausgase [beträfe]“ (www.bmub.bund.de/presse/pressemitteilungen/
pm/artikel/klimaschuetzer-schreiben-geschichte/?tx_ttnews%5BbackPid%5D=
103&cHash=35e7cd5101777d74c6ee3b10dd30644b). Das bedeutet eine konse-
quente Abkehr von der Förderung und Verbrennung fossiler Rohstoffe wie Kohle,
Erdöl und Erdgas, die klimaschädliche Gase wie CO2 oder Methan verursachen.
Verstärkte Investitionen in die Erdgasförderung, wie den Einsatz der Fracking-
Technik in Deutschland, würden diese Vorsätze torpedieren.
Gleichzeitig mehren sich weiterhin Berichte über Gesundheitsgefahren, wie er-
höhte Frühgeburtsrisiken oder Herzprobleme, über Bodenabsenkungen und Erd-
beben sowie über Methanemissionen unter anderem in den USA und den Nieder-
landen, aber auch in Niedersachsen in Gebieten, in denen Erdgasförderung – auch
mittels Fracking – bereits stattfindet oder stattgefunden hat. So wurde etwa durch
das Deutsche Kinderkrebsregister in Mainz kürzlich eine signifikant erhöhte Leu-
kämierate bei Kindern in den niedersächsischen Erdgasfördergebieten Rodewald
und Steimbke in den Jahren 2004 bis 2007 bestätigt.
Vor dem Hintergrund des Pariser Abkommens und der neuen Erkenntnisse
zu Risiken der Fracking-Technik für Gesundheit und Umwelt muss in Frage ge-
stellt werden, inwiefern die Bundesregierung an ihrem Gesetzespaket, das
Fracking in Deutschland erlauben würde (siehe Bundestagsdrucksache 18/4713
und 18/4714), festhält.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hält die Bundesregierung vor dem Hintergrund der bei der UN-Klimakonfe-

renz in Paris beschlossenen Treibhausgasneutralität weiterhin an ihrem Ge-
setzespaket zur Fracking-Regulierung fest (Bundestagsdrucksache 18/4713
und 18/4714)?

Drucksache 18/7438 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

2. Falls die Bundesregierung an ihrem Vorhaben festhält:
a) Bis wann rechnet die Bundesregierung mit einem Inkrafttreten des Geset-

zes zur Fracking-Regulierung?
b) Wie rechtfertigt die Bundesregierung das Festhalten im Kontext des Pari-

ser Abkommens?
3. Wann erscheint der Bericht der Bundesregierung zum Bergbau über den Be-

richtszeitraum 2014, in dem eine Auflistung von Erlaubnisfeldern zur Ge-
winnung von Kohlenwasserstoffen enthalten ist?

4. Welche Erlaubnisfelder für Kohlenwasserstoffe werden im aktuellen Berg-
baubericht über den Berichtszeitraum 2014 genannt (bitte jeweils auflisten
nach Genehmigungszeitpunkt und Dauer der Genehmigung, geografische
Lage sowie Größe nennen)?

5. Welche neuen Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über mögliche
Gesundheitsgefahren, wie z. B. statistisch auffällige Zahlen an Leukämiera-
ten bei Kindern (etwa durch das Deutsche Kinderkrebsregister in Mainz, vgl.
www.genuk-ev.de/files/Artikel/Fracking/2015_12_17%20GENUK%20
PM%20Signifikante%20Raten%20kindlicher%20Leukämie%20in%20
Rodewald.pdf), sowie weitere Erkrankungen der Bevölkerung in der Nähe
von Erdöl- und Erdgasfördergebieten vor, und welche Schlüsse zieht die
Bundesregierung daraus?

6. Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung, um
a) dem vermuteten Zusammenhang zwischen Krebshäufungen und Emissi-

onen giftigen Benzols in Erdöl- und Erdgasfördergebieten nachzugehen;
b) möglichen Zusammenhängen zwischen der kontrollierten oder unkontrol-

lierten Freisetzung gesundheitsgefährdender Stoffe durch Fracking und
weiteren Erkrankungen nachzugehen?

7. Liegen der Bundesregierung neue Erkenntnisse über die kontrollierte oder
unkontrollierte Freisetzung von umwelt- und/oder gesundheitsgefährdenden
Stoffen im Kontext mit Fracking (oberflächlich und/oder unter Tage) vor,
und wenn ja, wo (bitte trennen nach absichtlichem Einsatz toxischer Stoffe
und unbeabsichtigter Freisetzung durch Unfälle)?

8. Wie bewertet die Bundesregierung neue Erkenntnisse über die kontrollierte
oder unkontrollierte Freisetzung klimaschädlicher Gase wie Methan
im Kontext mit Fracking (vgl. www.biokraftstoffverband.de/index.php/
stellungnahmen.html?file=tl_files/download/Stellungnahmen_und_Studien/
2016-01-08%20Flaring%20und%20Venting%20von%20Erdoelbegleitgas%
20-%20era%20Pieprzyk.pdf), und welche Schlüsse zieht sie daraus in Bezug
auf die geplante Fracking-Regulierung?

9. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die rohstofffördernden Un-
ternehmen ausreichend Rückstellungen aufbauen, um die Beseitigung mög-
licher Schäden, die durch ihren Bohrlochbergbau, der Nutzung von Kaver-
nen und der Entsorgung giftiger Abwässer und Bohrschlämmen entstehen
können, auszugleichen?

10. Welche Auswirkungen in Form von Bodenabsenkungen in der Nähe von
Erdgas- und Erdölfördergebieten sind der Bundesregierung bekannt (bitte
auflisten sowie Messdatum, geografische Lage und Ausmaß der Absenkung
nennen)?

11. Sieht die Bundesregierung gegebenenfalls neben der Beweislastumkehr wei-
teren Änderungsbedarf bei den bestehenden gesetzlichen Vorschriften zum
Schutz von Umwelt und Gesundheit bei der Förderung von Erdöl und Erd-
gas, und wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7438
 

12. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung Bodensenkungen in Erdgasför-
derregionen wissenschaftlich begleitet?

13. Wie positioniert sich die Bundesregierung abschließend zu der Frage,
ob – auch angesichts des verzögerten Gesetzgebungsprozesses zur Fracking-
Regulierung – das sogenannte Moratorium mit Probebohrungen unter Ein-
satz der Fracking-Technik in Schiefer- und Kohleflözgaslagerstätten 2021
automatisch auslaufen wird und somit die kommerzielle Förderung ab die-
sem Zeitpunkt erlaubt wäre oder dies nur geschieht, wenn ein entsprechender
Beschluss im Deutschen Bundestag bzw. Bundesrat gefasst wird, und wie
begründet sie diese Position?

14. Haben Erdöl- und Erdgasförderunternehmen nach aktueller Rechtslage einen
Genehmigungsanspruch für die Durchführung von Fracking-Maßnahmen?

15. Wie bewertet die Bundesregierung das Potenzial von Schiefergas-Fracking
in Deutschland, um die deutsche Abhängigkeit von ausländischen Erdgasim-
porten zu reduzieren vor dem Hintergrund, dass die Bundesanstalt für Geo-
wissenschaften und Rohstoffe (BGR) in ihrer neuen Studie „Schieferöl und
Schiefergas in Deutschland – Potenziale und Umweltaspekte“ das abge-
schätzte Potenzial an Schiefergas im Vergleich zu ihren Berechnungen von
2012 deutlich nach unten korrigieren musste (siehe www.bgr.bund.de/DE/
Themen/Energie/Downloads/Abschlussbericht_13MB_Schieferoelgaspotenzial
_Deutschland_2016.pdf?__blob=publicationFile&v=5)?

16. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die BGR in ihrer neu
erschienenen Studie „Schieferöl und Schiefergas in Deutschland – Potenzi-
ale und Umweltaspekte“
a) erstmals auch Lagerstätten in geringer Tiefe von 500 bis 1 000 Meter bei

ihren Potenzialberechnungen in Betracht zieht – obwohl das Landesamt
für Bergbau, Energie und Geologie Niedersachsen (LBEG) von einem
Abbau in diesen Tiefen abrät;

b) in ihren Berechnungen den Faktor für die Gewinnbarkeit der vermuteten
Vorkommen gegenüber ihren Berechnungen im Jahr 2012 von 10 Prozent
auf variierende 12-15 Prozent hochsetzt?

17. Wie bewertet die Bundesregierung „das drohende Platzen der Fracking-
Blase“ (SPIEGEL ONLINE Artikel vom 21. Januar 2016, www.spiegel.de/
wirtschaft/soziales/oelpreis-absturz-erschuettert-die-weltwirtschaft-in-ihren-
grundfesten-a-1072944.html) auf internationaler Ebene für die Potenziale
des Einsatzes der Fracking-Technik in Deutschland?

18. Wie bewertet die Bundesregierung das Energieeinsparpotenzial, das durch
eine konsequente energetische Sanierung von Gebäuden in Deutschland
existiert (Dämmung der Gebäudehülle, effizientere Heizungs- und Gebäude-
technik, Umstieg auf erneuerbare Energien), und wie viel Erdgas ließe sich
dadurch einsparen?

Berlin, den 26. Januar 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.