BT-Drucksache 18/7356

Islamfeindlichkeit und antimuslimische Straftaten im vierten Quartal 2015

Vom 25. Januar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7356
18. Wahlperiode 25.01.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Sevim Dağdelen, Kerstin Kassner,
Jan Korte, Martina Renner, Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak und der
Fraktion DIE LINKE.

Islamfeindlichkeit und antimuslimische Straftaten im vierten Quartal 2015

Laut einer Anfang Januar 2015 veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung
empfinden 57 Prozent der nichtmuslimischen Bürgerinnen und Bürger „den
Islam als Bedrohung“. 61 Prozent der Befragten gaben an, der Islam passe nicht
in die westliche Welt, 40 Prozent fühlten sich durch Muslime als Fremde im
eigenen Land, jeder vierte will Muslimen die Zuwanderung nach Deutschland
verbieten (www.tagesschau.de/inland/islam-101.html). Auch andere Studien
über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, wie die im Zweijahresrhythmus
durchgeführte Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, verweisen auf eine
tiefsitzende Islam- bzw. Muslimfeindlichkeit in beträchtlichen Teilen der Bevölke-
rung (www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/141120presse-handout.pdf).
Auf islamfeindlichen Internetportalen, wie dem nach eigenen Angaben von teil-
weise über 100 000 Besucherinnen und Besuchern am Tag gelesenen Blog
„Politically Incorrect“ (PI), werden insbesondere in den Leserkommentaren
Muslime und Muslimas in fremdenfeindlicher, beleidigender, hasserfüllter und
zum Teil gewaltbefürwortender Weise pauschal erniedrigt und beschimpft. Für
die Pro-Bewegung (PRO NRW, pro Deutschland) und die NPD dient islamfeind-
liche Agitation, etwa gegen Moscheeneubauten, als ein Mittel, um die so ge-
nannte Mitte der Gesellschaft mit ihrer rechtsextremen Programmatik zu errei-
chen.
Im Herbst 2014 entstand in Dresden die Pegida-Bewegung, die sich von ihrem
Namen her explizit gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ richtet. An wö-
chentlichen Demonstrationen beteiligten sich in Dresden vorübergehend bis zu
25 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den islam- und fremdenfeindlichen
Aufmärschen.
Die in Teilen der Bevölkerung verankerte Islam- und Muslimfeindlichkeit äußert
sich auch in Übergriffen und Anschlägen auf Moscheen in Deutschland, die von
Schändungen mit Schlachtabfällen oder Fäkalien bis hin zu Brandanschlägen rei-
chen (Bundestagsdrucksache 18/1627). Das ganze Ausmaß islam- bzw. muslim-
feindlich motivierter Straftaten bleibt allerdings im Dunkeln, da sich Bundes- und
Landesbehörden bislang weigern, den Themenfeldkatalog beim Begriff der
„Hasskriminalität“ um ein Unterthema „islamfeindlich“ bzw. „muslimfeindlich“
zu erweitern, wie es insbesondere von muslimischen Verbänden und Kriminolo-
gen gefordert wird und im Falle des Unterthemas „Antisemitismus“ seit längerem
geschehen ist (Bundestagsdrucksachen 17/13686 und 18/1627).

Drucksache 18/7356 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Überlegungen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit bei
Polizei- und Innenbehörden von Bund und Ländern, den Themenfeldkatalog
beim Begriff der „Hasskriminalität“ um ein Unterthema „islamfeindlich“
bzw. „muslimfeindlich“ zu erweitern, wie es im Falle des Unterthemas „An-
tisemitismus“ seit längerem geschehen ist?

2. Welche islam- bzw. muslimfeindlichen Websites und Gruppierungen werden
nach Kenntnis der Bundesregierung in welchen Bundesländern als verfas-
sungsfeindlich (auch Verdachtsfälle) eingestuft bzw. von Landesämtern für
Verfassungsschutz überwacht?

3. Welche und wie viele islam- bzw. muslimfeindliche Aufmärsche einschließ-
lich Proteste gegen eine angeblich drohende Islamisierung Europas oder den
Bau von Moscheen in Deutschland fanden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung im vierten Quartal 2015 statt (bitte Datum, Ort, Teilnehmerzahl, Anlass
bzw. Thema und Veranstalter angeben)?

4. Wie viele Anschläge auf Moscheen, Moscheevereine und sonstige islami-
sche Einrichtungen in Deutschland gab es nach Kenntnis der Bundesregie-
rung im vierten Quartal 2015 (bitte einzeln nach Ort, Datum, Name der
Moschee und ihrer möglichen Dachorganisation, Art des Anschlags und
Schadenshöhe, Phänomenbereich, Ober- und Unterthema und Anzahl der
Tatverdächtigen auflisten)?
a) Wie viele Schändungen von Moscheen, Moscheevereinen und sonstigen

islamischen Einrichtungen durch Farbschmierereien, Fäkalien, Schlacht-
abfälle etc. sind der Bundesregierung für das vierte Quartal 2015 bekannt
geworden (bitte einzeln nach Ort, Datum, Name der Moschee und ihrer
möglichen Dachorganisation, Art der Schändung und Schadenshöhe,
Phänomenbereich, Ober- und Unterthema und Anzahl der Tatverdächti-
gen auflisten)?

b) Wie viele Bombendrohungen gegen Moscheen, Moscheevereine und
sonstige islamische Einrichtungen sind der Bundesregierung im vierten
Quartal 2015 bekannt geworden (bitte einzeln nach Ort, Datum, Name der
Moschee und ihrer möglichen Dachorganisation, Phänomenbereich,
Ober- und Unterthema und Anzahl der Tatverdächtigen auflisten)?

5. Wie viele mutmaßlich antimuslimisch oder islamfeindlich motivierte Straf-
taten außer Übergriffen auf Moscheen, Moscheevereine und sonstige islami-
sche Einrichtungen wurden im vierten Quartal 2015 nach Kenntnis der Bun-
desregierung bundesweit verübt (bitte nach Anzahl, Art und Motivation der
Straftat und Bundesländern aufschlüsseln)?

6. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im vierten
Quartal 2015 bei Überfällen mit mutmaßlich antimuslimischer oder islam-
feindlicher Motivation oder mit vermuteter antimuslimischer oder islam-
feindlicher Motivation
a) leicht verletzt,
b) schwer verletzt bzw.
c) getötet
(bitte nach Bundesländern und Motivation der Straftat aufschlüsseln)?

7. Welcher materielle Schaden entstand nach Kenntnis der Bundesregierung bei
mutmaßlich antimuslimischen und islamfeindlichen Straftaten im vierten
Quartal 2015 (bitte nach Schadenshöhe, Art und Motivation der Straftaten
und Bundesländern aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7356
8. Wie viele Tatverdächtige wurden nach Kenntnis der Bundesregierung wegen
mutmaßlich antimuslimischer und islamfeindlicher Straftaten im vierten
Quartal 2015 festgenommen (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation
der Straftaten aufschlüsseln)?

9. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden nach Kenntnis der Bundesregierung
wegen mutmaßlich antimuslimischer und islamfeindlicher Straftaten im vier-
ten Quartal 2015 eingeleitet (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation
der Straftaten aufschlüsseln)?

10. In wie vielen Fällen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die Ermitt-
lungen wegen mutmaßlich antimuslimischer und islamfeindlicher Straftaten
im vierten Quartal 2015 eingestellt (bitte nach Bundesländern, Art und Mo-
tivation der Straftaten aufschlüsseln)?

11. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung wegen anti-
muslimischer und islamfeindlicher Straftaten im vierten Quartal 2015 zu
welchen Strafen verurteilt (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation der
Straftaten aufschlüsseln)?

12. Welche gezielten bundesweiten Operationen der Polizei hat es wegen über-
regionaler antimuslimischer und islamfeindlicher Straftaten mit welchem Er-
gebnis gegeben?

13. Welche Nachmeldungen zu den Fragen 3 bis 12 auf Bundestagsdruck-
sache 18/6762 gibt es bezüglich des dritten Quartals 2015?

Berlin, den 25. Januar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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