BT-Drucksache 18/7326

Die Tests des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit der Software XKeyscore

Vom 20. Januar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7326
18. Wahlperiode 20.01.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Frank Tempel, Dr. André Hahn, Katrin Kunert,
Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Die Tests des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit der Software XKeyscore

Im August 2013 ließ die Bundesregierung, nachdem das Programm bzw. die Soft-
ware XKeyscore durch die Snowden-Dokumente an die Öffentlichkeit geraten
war, in der Antwort auf eine Kleine Anfrage dazu verlauten, dass „[gemäß]
den geltenden Regelungen des Artikel 10-Gesetzes […] das Bundesamt für
Verfassungsschutz (BfV) im Rahmen der Kommunikationsüberwachung nur
Individualüberwachungsmaßnahmen durch[führt]. Dies bedeutet, dass grundsätz-
lich nur die Telekommunikation einzelner bestimmter Kennungen (wie bspw.
Rufnummern) überwacht werden darf. Voraussetzung hierfür ist, dass tatsächli-
che Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Person, der diese Kennungen zuge-
ordnet werden kann, in Verdacht steht, eine schwere Straftat (sogenannte Kata-
logstraftat) zu planen, zu begehen oder begangen zu haben. Die aus einer solchen
Individualüberwachungsmaßnahme gewonnenen Kommunikationsdaten, werden
zur weiteren Verdachtsaufklärung technisch aufbereitet, analysiert und ausgewer-
tet. Zur verbesserten Aufbereitung, Analyse und Auswertung dieser aus einer
Individualüberwachungsmaßnahme nach Artikel 10-Gesetz gewonnenen Daten
testet das BfV gegenwärtig eine Variante der Software XKeyscore.“ (Bundestags-
drucksache 17/14560). Über den Erhalt von XKeyscores hat das BfV der Bun-
desregierung am 22. Juli 2013 berichtet, über „erste Sondierungen“ wurde die
Bundesregierung schon Anfang 2012, ein Jahr vorher also, unterrichtet. Seit dem
19. Juni 2013 „steht die Software zu Testzwecken zur Verfügung“ (ebd.)
Inzwischen wurden zwar weitere Einzelheiten bekannt, die allerdings den ge-
nauen Umgang, die Funktion und die, auch rechtliche, Bedeutung der Software
in der Anwendung des BfV nicht klarer machten.
„DER SPIEGEL“ definiert das Programm folgendermaßen: „XKEYSCORE –
Software, mit der Analysten Spähmöglichkeiten ausleuchten können, bevor das
Ziel formal festgelegt wurde. Kann alle Kommunikationsinhalte abgreifen (full
take) und sehr schnell Usernamen und Passwörter ausspionieren. XKeyscore
kann alle Suchen automatisch nach drei Stunden wiederholen, was dem Analys-
ten Spionage nahezu in Echtzeit ermögliche“ (SPIEGEL ONLINE vom 18. Juni
2014). Diese Funktionsbeschreibung erklärt die oben zitierte gewundene Darstel-
lung der Bundesregierung, wirft mehr als rechtliche Fragen an den realen Einsatz
des Programms beim BfV auf und klärt nicht das besondere Interesse der US-
amerikanischen NSA und des Bundesnachrichtendienstes (BND) an der Über-
nahme von XKeyscore durch das BfV. Denn genau ein solches besonderes und
dringendes Interesse wird aus Veröffentlichungen wie „ZEIT ONLINE“ vom
26. August 2015 deutlich, in denen von regelrechten Deals zwischen NSA und
BND mit Vertretern bis zur obersten Ebene des BfV die Rede ist, und zwar gemäß
dem Motto „Software gegen Daten“. Im April 2013 sollen diese Verhandlungen

Drucksache 18/7326 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

mit einer Übereinkunft zwischen den drei beteiligten Diensten zur Überlassung
des Programms an das BfV abgeschlossen worden sein.
Damit ist aber der Stand der Verwendung des Programms durch das BfV keines-
wegs geklärt, denn am 29. Oktober 2015 antwortete die Bundesregierung auf eine
Schriftliche Frage der Abgeordneten Martina Renner der Fraktion DIE LINKE.
offensichtlich mit dem Textbaustein der eingangs zitierten Antwort vom Au-
gust 2013: „Das Bundesamt für Verfassungsschutz testet gegenwärtig eine Vari-
ante der Software XKeyscore, um ihren Mehrwert für einen möglichen späteren
generellen und dauerhaften Einsatz bewerten zu können“ (Bundestagsdruck-
sache 18/6521).
Seit zweieinhalb Jahren testet das BfV also eine Software, über deren Verwen-
dung nach langen Verhandlungen eine Übereinkunft getroffen wurde, ohne dass
die Bundesregierung den „Mehrwert“ derselben nennen kann oder will und bisher
auch über die konkreten Gründe für eine derart lange Testphase schweigt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Variante von XKeyscore wurde seit 2013 durch welche Abteilung

des BfV getestet, und von welchem Ausgangsprogramm – z. B. des BND
oder der NSA – ist die dem BfV zur Verfügung stehende Softwareversion
eine Variante, und worin unterscheidet sie sich genau von der Ausgangsver-
sion?

2. Wann genau haben die Tests im BfV begonnen, und welche Modifikationen
wurden im Laufe der Jahre an der dem BfV zur Verfügung stehenden Vari-
ante von XKeyscore durch wen (BfV, NSA oder BND) vorgenommen?

3. War ursprünglich eine so lange Testphase vorgesehen?
Wenn nein, welche Probleme haben die lange Dauer erzwungen?

4. Gab es unterschiedliche, abgrenzbare oder definierbare Testphasen, und
wenn ja, welche Ziele wurden in den jeweiligen Phasen konkret verfolgt, und
mit welchen Ergebnissen wurden diese jeweils abgeschlossen?

5. Wann und durch welche Testergebnisse unterstützt wurde von wem über die
grundsätzliche Verwendbarkeit von XKeyscore durch das BfV entschieden?

6. Welche technischen Entwicklungen im oder für das BfV wurden/werden
durch die Übernahme von XKeyscore hinfällig, worin genau besteht der
„Mehrwert“ von dem die Bundesregierung in den zitierten Antworten
spricht, und welche Rolle spielt das BfV-eigene neue System Perseus?

7. Was wird derzeit mit welchen Daten und welchen Ergebnissen genau getes-
tet, worin unterscheiden sich diese von denen im Jahr 2014, und worin un-
terscheidet sich die aktuelle Testphase von einem Regelbetrieb?

8. Worin besteht das besondere Interesse der NSA an einer Verwendung von
XKeyscore durch das BfV?

9. Worin besteht das besondere Interesse des BND an einer Verwendung von
XKeyscore durch das BfV?

10. Welche technischen, juristischen und politischen Probleme stehen der Über-
nahme in den Regelbetrieb im Weg?

11. Welche personellen, qualifikatorischen und organisatorischen Veränderun-
gen/Entwicklungen im BfV sind seit Beginn der Tests von XKeyscore not-
wendig geworden, welche davon sind umgesetzt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7326

12. Aus welchen Gründen, mit welchem Status, und welchen genauen Aufgaben

arbeitet ein Verbindungsmann des BND in welcher Abteilung des BfV,
wurde seine Stelle im BND neu besetzt, und gehörte er zu den militärischen
Mitarbeitern des BND?

13. Welche Rolle haben die Veröffentlichungen über die NSA und das Pro-
gramm XKeyscore für die interne Arbeit gespielt, und welche Auswirkungen
hatte die teilweise sehr scharfe öffentliche Kritik auf die interne Arbeit und
die Öffentlichkeitsarbeit?

14. Von wem ging die allererste Überlegung, das erste Angebot bzw. die erste
Nachfrage aus, das XKeyscore für das BfV zu verwenden?

15. Welche haushalterischen Folgen hat die Übernahme von XKeyscores durch
das BfV seit Beginn der Tests entfaltet (bitte nach Jahr, Personal und sonstige
Kosten aufführen)?

16. In welchen Titeln wurden im Jahr 2013 Kosten und/oder Projekte aufgeführt,
die mit der Übernahme und den Tests von XKeyscore verbunden waren (bitte
mit Titel und Höhe aufführen)?

17. Inwieweit ist die Überlassung von XKeyscore an das BfV im Laufe der Ver-
handlungen und Tests an die Bedingung der Weitergabe von Daten an BND
und NSA geknüpft, wie es die veröffentlichten Teile der „Terms of refe-
rence“ vom April 2013 (ZEIT ONLINE vom 26. August 2015) nahelegen?

18. Inwiefern eröffnet die Verwendung von XKeyscore durch das BfV weiter-
gehende Möglichkeiten der Datenweitergabe an BND und NSA als bisher,
und welche Änderungen der gesetzlichen Grundlagen sind dafür nötig bzw.
werden nötig werden?

19. Wann und durch wen wurden das Parlamentarische Kontrollgremium
(PKGr), das Vertrauensgremium des Haushaltsausschusses (VG) und die
G-10-Kommission über den Einsatz und die mit XKeyscore verbundenen
Tests und Entwicklungen informiert?

20. Welche anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union testen seit wann
XKeyscore, bzw. setzen das Programm seit wann im Regelbetrieb ein?

Berlin, den 18. Januar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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