BT-Drucksache 18/7296

Biologische Vielfalt an der Elbe

Vom 13. Januar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7296
18. Wahlperiode 13.01.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Steffi Lemke, Peter Meiwald, Dr. Valerie Wilms,
Stephan Kühn (Dresden), Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl,
Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Dr. Julia Verlinden und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Biologische Vielfalt an der Elbe

Die Elbe ist einer der letzten noch relativ naturnahen Flüsse mit ausgeprägten
Auenlandschaften in Europa. Damit ist die Elbe von internationaler Bedeutung
für die Biodiversität. Zudem bildet die fließende Elbe mit ihren Auen einen be-
deutenden Teil der nationalen Biotopverbundstruktur und sichert damit zugleich
die europäische Achse der grünen Infrastruktur.
Die Mittlere und Obere Elbe ist der letzte auf 600 Kilometer freifließende, unge-
staute Strom in Deutschland mit den ausgedehntesten Hartholzauwäldern Mittel-
europas. Neben den Auwäldern gibt es zahlreiche seltene flusstypische Lebens-
räume, wie Altwasser, einzelne Talsandflächen und Dünen sowie Sand- und
Schlammbänke im Flussuferbereich. In dieser vielfältigen und strukturreichen
Landschaft sind über tausend verschiedene Pflanzenarten zu finden. Auch viele
tausend Tierarten sind allein an der Mittleren Elbe heimisch. So wurden 310 Vo-
gelarten nachgewiesen, darunter Rotmilan, Schwarzstorch, Fisch- und Seeadler.
Viele der gefährdeten Arten und Lebensräume sind anderswo bereits ausgestor-
ben oder verschwunden, aber an der Elbe noch erhalten. Damit sind die Elbe und
ihre Auen als „Hot Spots“ der Biodiversität von nationaler wie auch von interna-
tionaler Bedeutung. Diese Flusslandschaft ist einzigartig und daher auch vielfach
geschützt: Fast der gesamte Lauf der deutschen Elbe ist europäisches Schutzge-
biet (Flora-Fauna-Habitat/Natura 2000); auf 400 Kilometern Länge erstreckt sich
das UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe, das größte terrestrische
Schutzgebiet in Deutschland. Die Elbe ist zudem auf 43 Kilometern Flusslänge
Teil des UNESCO-Welterbes Dessau-Wörlitzer Gartenreich, ein Erbe der
Menschheit.
Doch verschiedene Faktoren gefährden die biologische Vielfalt an der Elbe: So
wird die Elbe seit Anfang der 90er-Jahre mit dem Ziel ausgebaut, eine nahezu
ganzjährige Fahrtiefe von 1,60 m zwischen Geesthacht und Dresden herzustellen,
um eine planbare Güterschifffahrt zu ermöglichen. Doch dieses Ziel wurde trotz
großer baulicher Anstrengungen verfehlt. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen
erscheint angesichts geringer Transportmengen, niedriger Wasserstände und auch
einer zu befürchtenden Gefährdung der lokalen Biodiversität als fragwürdig.
Parallel dazu verschärft sich die Sohlerosion an der Elbe – u. a. eine Folge der
künstlichen Einengung und Vertiefung – kontinuierlich. Diese Eintiefung ist ein
inzwischen sich selbst beschleunigender Prozess, der bislang nicht verlangsamt
oder aufgehalten werden konnte. Somit entfernt sich der Wasserspiegel des Flus-
ses stetig von der Aue, wodurch in der Konsequenz der Feuchtlebensraum Aue

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immer weiter trocken zu fallen droht. Doch für den Erhalt der einzigartigen bio-
logischen Vielfalt an der Elbe ist vornehmlich der Erhalt auch dieses Lebensrau-
mes ausschlaggebend. Die sich hier abzeichnende Entkopplung von Fluss und
Aue infolge der Sohlerosion gefährdet die Schutzgebiete und damit auch die Ar-
tenvielfalt.
Außerdem herrschten im Jahr 2015 über viele Monate hinweg extreme Niedrig-
wasserstände: Allein dadurch waren Feuchtlebensräume wie Altwässer schon
teilweise bereits im Frühjahr ausgetrocknet. Die stattfindende Sohlerosion und
Sohlvertiefung verstärken die negativen Auswirkungen der Trockenphasen auf
die Auenlebensräume dabei noch zusätzlich.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Ziele der NBS (Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt) hat

die Bundesregierung für die Flusslandschaft der Elbe vorgesehen?
Werden diese bis 2020 erreicht?

2. Welche Maßnahmen führt die Bundesregierung an der Elbe durch, oder an
welchen Maßnahmen ist die Bundesregierung beteiligt, um die Ziele der
NBS bis 2020 zu erreichen?
Von welchen Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele hat die Bundesregie-
rung Kenntnis?
Über welche Flächen (Größe in Hektarangabe) erstrecken sich diese Maß-
nahmen, und wie hoch ist deren Anteil an der Elbe und ihren Auenlandschaf-
ten?

3. Welchen Beitrag leisten diese Maßnahmen an der Erreichung der Ziele der
Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt?

4. Wie viele und welche der Arten, die in der Flusslandschaft Elbe vorkommen,
stehen nach Wissen der Bundesregierung auf der Roten Liste oder sind vom
Aussterben bedroht (bitte Angaben in absoluten Zahlen und in Prozent)?
Wie bewertet die Bundesregierung diesen Zustand?

5. Wie viele Lebensraumtypen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung an
der deutschen Elbe und ihren Auen, und wie viele davon sind bundesweit
gefährdet (bitte Angaben in absoluten Zahlen und in Prozent)?
Wie bewertet die Bundesregierung diesen Zustand?

6. Wie viele und welche dieser Lebensraumtypen sind von Grundwasser oder
Wasser abhängig, und wie viele davon sind bundesweit selten und gefährdet
(bitte Angaben in absoluten Zahlen und in Prozent)?
Wie bewertet die Bundesregierung diesen Zustand?

7. Welche Ökosystemleistungen erbringt die Flusslandschaft der Elbe nach
Kenntnis der Bundesregierung, und wie bewertet die Bundesregierung diese?
Welche Maßnahmen werden ergriffen, um diese zu erhalten oder wiederher-
zustellen?

8. Welche der Ökosystemdienstleistungen sieht die Bundesregierung durch die
voranschreitende Eintiefung der Elb-Sohle gefährdet?

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9. Auf welchen Flussabschnitten hat sich die Sohle der Elbe nach Kenntnis der
Bundesregierung seit Beginn der Messungen eingetieft, bzw. wo gibt es ein
Geschiebedefizit?
Wie hoch sind die Eintiefungsraten (Angaben in cm), und wie hoch ist das
jährliche Geschiebedefizit (bitte die Elbe-Kilometer sowie Orte angeben)?
Wie beurteilt die Bundesregierung diese Situation?

10. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung zur Eindämmung der Sohl-
erosion bisher unternommen, und welche sind geplant?
Wie viel haben diese Maßnahmen bislang gekostet?

11. Wird der Handlungsspielraum für die wirksame Bekämpfung der Sohlero-
sion nach Kenntnis der Bundesregierung aufgrund der Unterhaltungsziele für
die Wasserstraße Elbe (beispielsweise durch die Auswahl von Maßnahmen)
eingeschränkt, und wenn ja, inwiefern?

12. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über das Planfeststellungs-
verfahren für die Pilotmaßnahme „Sohlstabilisierung bei Klöden“ vor?
Ist das Planfeststellungsverfahren für die Pilotmaßnahme „Sohlstabilisierung
bei Klöden“ (Bundestagsdrucksache 18/3689) eröffnet worden?
Wenn nicht, warum nicht?
Was sind die nächsten Planungsschritte, und wann wird das Planfeststel-
lungsverfahren eröffnet werden?

13. Wie viele Jahre wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Umsetzung der
Pilotmaßnahme „Sohlstabilisierung bei Klöden“ in Anspruch nehmen?
Wie sieht der Zeitplan aus?

14. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Kosten für dieses Pi-
lotprojekt, und wer trägt diese Kosten?

15. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung weitere Projekte zur Eindämmung
der Erosion der Sohle geplant, und wenn ja, wo (bitte die Elbe-Kilometer
sowie Orte angeben)?
Wie sind bei diesen Projekten der Planungsstand und der zeitliche Ablauf?
Welche Kosten sind je Projekt zu erwarten?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkung der Sohlerosion
a) auf den Lebensraum der Elbe-Aue,
b) auf das UNESCO-Biosphärenreservat,
c) auf FFH-Gebiete entlang der Elbe sowie
d) auf den Landschaftspark UNESCO-Welterbe Dessau-Wörlitzer Garten-

reich?
17. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, welche FFH-Lebensraumtypen

an der Elbe zum dauerhaften Erhalt von prioritären Arten beitragen?
Wie ist der Erhaltungszustand dieser Lebensraumtypen?

18. Geht die Bundesregierung davon aus, dass die Sohlerosion der Elbe negative
Auswirkungen auf FFH-Arten und -Lebensraumtypen hat?

19. Ist der Bundesregierung bekannt, ob für die FFH-Lebensraumtypen entlang
der Elbe und ihren Auen Managementpläne vorliegen und ob die Manage-
ment-Ziele für diese Lebensraumtypen erreicht wurden?
Wenn nicht, ist der Bundesregierung bekannt, wann die Ziele erreicht wer-
den?

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20. Wurden die Ziele des Managements bei der Umsetzung der Wasserrahmen-
richtlinie beachtet und in die Bewirtschaftungspläne eingearbeitet?

21. Wie verhält sich nach Kenntnis der Bundesregierung das Grundwasserre-
gime in den rezenten (noch überfluteten) Auen und in den Altauen?
Gibt es Untersuchungen, welche Pflanzen- und Tierarten sowie welche Le-
bensraumtypen (Biotoptypen) durch die fortlaufende Sohlerosion bedroht
bzw. in ihrem Bestand rückläufig sind?
Wenn ja, welche sind das, und was ist das Ergebnis?
Sind darunter auch seltene und gefährdete Lebensraumtypen, und wenn ja,
in welchen Anteilen?

22. Welche weiteren Nutzungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung von
der Erosion der Sohle betroffen?

23. Welche Bedeutung hat nach Auffassung der Bundesregierung der Elbe-Bio-
topverbundkorridor für die grüne Infrastruktur in Deutschland, und welchen
nationalen Beitrag liefert sie zur europäischen grünen Infrastruktur?

24. Wird dieser Biotopverbundkorridor durch die Erosion der Sohle beeinträch-
tigt oder gestört, und wenn ja, in welcher Weise?

25. Sind Maßnahmen notwendig, um diese grüne Infrastruktur entlang der Elbe
zu stärken, und wenn ja, welche?
Welche Maßnahmen sollen dazu umgesetzt werden?

26. Sind der Bundesregierung die Schlussfolgerungen des Rates der Europäi-
schen Union zur Halbzeitbewertung der EU-Biodiversitätsstrategie bis 2020
vom 16. Dezember 2015 bekannt?
Welche Konsequenzen haben diese konkret für die Elbe, und wie sollen diese
umgesetzt werden?

Berlin, den 13. Januar 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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