BT-Drucksache 18/7230

Interventionsfälle im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Vom 18. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7230
18. Wahlperiode 18.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Dr. André Hahn, Halina Wawzyniak und der

Fraktion DIE LINKE.

Interventionsfälle im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Im 1. Untersuchungsausschuss („NSA“) der 18. Legislaturperiode des Deutschen
Bundestages wird auch die Tätigkeit der Tarnorganisation des Bundesnachrich-
tendienstes (BND), die Hauptstelle Befragungswesen (HBW), untersucht. Diese
hat von 1958 bis 2013 Flüchtlinge ohne deren Wissen und in Kooperation mit
dem militärischen US-Geheimdienst DIA (Defence Intelligence Agency) befragt,
wie eine Befragung der ehemaligen Leiterin des Sicherheitsreferates im Bundes-
amt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) am 26. November 2015 vor dem Un-
tersuchungsausschuss ergab. Diese führte ferner aus, dass in so genannten Inter-
ventionsfällen, also z. B. wenn Flüchtlinge in den Befragungen nichtöffentliches
Wissen preisgaben, der Geheimdienst seine Identität eröffnete oder Flüchtlinge
als nachrichtendienstliche Quelle angeworben wurden. Das BAMF hat auf ent-
sprechende Intervention des BND oder des Bundesamtes für Verfassungsschutz
(BfV) hieraus entstehende Nachfluchtgründe geprüft. Diese Interventionsfälle
wurden schriftlich mitgeteilt und führten in der Regel zur Anerkennung der be-
troffenen Personen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Seit wann existiert die Praxis der „Interventionsfälle“ im BAMF bzw. in der
Vorgängerbehörde?

2. Auf welcher Grundlage wird diese Praxis durchgeführt?

3. Inwieweit war das Bundesministerium des Innern bzw. das Bundeskanzler-
amt über diese Praxis informiert (bitte unter Angabe seit wann, durch wen,
und wer war genau in Kenntnis)?

4. Wie viele Interventionsfälle wurden in den Jahren 2000 bis 2013 jeweils vom
BfV bzw. BND an das BAMF bzw. an die Vorgängerbehörde herangetragen
(bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

5. In wie vielen Fällen wurde in diesen Interventionsfällen ein Schutzstatus ge-
währt (bitte nach Jahren, Anzahl von Interventionen des BfV oder BND, Art
des Schutzstatus und Aufenthaltstitels auflisten)?

6. Aus welchen Herkunftsländern stammten die jeweiligen Asylsuchenden in
Antwort zu den Fragen 4 und 5 (bitte nach Jahren und Anzahl von Interven-
tionen des BfV oder BND auflisten)?

7. In welchen Fällen aus der Antwort zu Frage 4 lehnte das BAMF bzw. die
Vorgängerbehörde die Anerkennung eines Nachfluchtgrundes mit welcher
Begründung ab (bitte nach Jahren und Herkunftsland auflisten, sowie ange-
ben, ob Intervention durch das BfV oder den BND erfolgten)?

Drucksache 18/7230 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

8. Sind der Bundesregierung Fälle in den Jahren von 2000 bis 2013 bekannt, in
denen im Zuge von Interventionsfällen anerkannte Flüchtlinge mit Straftaten
aus dem Bereich der Voraussetzungsnormen in § 3 des G 10-Gesetzes ver-
urteilt wurden?

Wenn ja, bitte auflisten unter Angabe von Jahr der Verurteilung und Art der
Straftat, Herkunftsland des Flüchtlings, Anerkennungsjahr durch das BAMF
und angeben, ob ein Interventionsfall des BfV oder BND vorliegt?

9. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder bzw. Anhänger
jihadistischer Organisationen, die in ihren Herkunftsländern an schwersten
Straftaten gegen die Menschlichkeit beteiligt waren, im Wege der Interven-
tionsfälle des BfV und BND einen Aufenthaltstitel erhielten (bitte ausfüh-
ren)?

10. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder bzw. Anhänger
jihadistischer Organisationen, die in der Bundesrepublik Deutschland oder
in Europa schwerste Straftaten begangen haben, im Wege der Interventions-
fälle einen Aufenthaltstitel durch das BAMF erhielten (bitte ausführen)?

11. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Möglichkeit,
dass Mitglieder jihadistischer Organisationen, die in ihrem Herkunftsland an
schwersten Straftaten beteiligt waren, in der Bundesrepublik Deutschland im
Wege der Interventionsfälle des BfV und BND einen Schutzstatus erhielten?

12. In wie vielen Fällen, wann und warum wurden Aufenthaltstitel, die zuvor
nach Interventionen des BND oder des BfV erteilt worden waren, später wie-
der entzogen oder widerrufen, einschließlich alle Fälle von Entziehung oder
Widerruf, die gerichtlich keinen Bestand hatten?

13. Führen die Sicherheitsbehörden des Bundes seit 2014 in den Erstaufnahme-
einrichtungen verdeckte Befragungen von Geflüchteten durch?

14. Wenn ja, wie viele solcher verdeckten Befragungen wurden in den Jahren
2014 und 2015 jeweils durchgeführt, aus welchen Herkunftsländern stamm-
ten die Befragten, und welche Sicherheitsbehörden haben die Befragungen
durchgeführt?

15. In wie vielen Fällen wurde im Zeitraum zwischen 2014 und 2015 seitens der
Sicherheitsbehörden beim BAMF hinsichtlich der Erteilung eines Aufent-
haltsstatus interveniert (bitte nach Jahren und Herkunftsland auflisten, sowie
angeben, ob Interventionen durch das BfV oder den BND erfolgten)?

Berlin, den 17. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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