BT-Drucksache 18/7157

Halbjährliches informelles Treffen einiger europäischer Innenminister und US-Behörden - London

Vom 18. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7157
18. Wahlperiode 18.12.2015

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Annette Groth, Dr. André Hahn,

Inge Höger, Ulla Jelpke, Jan Korte, Niema Movassat, Dr. Petra Sitte,

Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Halbjährliches informelles Treffen einiger europäischer Innenminister und US-
Behörden − London

Das jüngste halbjährliche Treffen der sogenannten Gruppe der Sechs (G6) fand
am 9. und 10. Dezember 2015 in London statt (Pressemitteilung des Bundesmi-
nisteriums des Innern [BMI] vom 10. Dezember 2015). Die G6 ist eine Zusam-
menarbeitsform der Innenminister der sechs einwohnerstärksten EU-Mitglied-
staaten (Deutschland, Spanien, Italien, Großbritannien, Frankreich, Polen). Das
informelle Treffen geht auf eine Initiative des früheren deutschen Bundesministers
des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, zurück (Bundestagsdrucksache 18/5599).
Dr. Wolfgang Schäuble war es auch, der dafür sorgte, dass die US-Regierung (ge-
wöhnlich vertreten durch Justiz- und Heimatschutzminister/innen) mittlerweile
regelmäßig an dem Treffen der sechs großen EU-Staaten teilnimmt. Das BMI
beschreibt diese seit 2007 existierende Kooperation als „traditionsgemäß“ und
nennt das Format deshalb „G6+1“.

Gegenstand der Gespräche zu „Terrorismus“ seien laut dem BMI „Terrorismus“
und „Migration“ gewesen. Bezüglich „Migration“ habe laut dem BMI die „Zu-
kunftsfähigkeit von Schengen im Zentrum der gemeinsamen Überlegungen“ ge-
standen. Offen bleibt, ob dabei auch die Wiedereinführung von Kontrollen der
Binnengrenzen nach Artikel 26 des Schengener Grenzkodex behandelt wurde.
Auf der Tagesordnung hätten auch die Förderung von Abschiebemaßnahmen und
eine „kohärente und verlässliche Umsetzung bestehender Rückübernahmeab-
kommen“ gestanden.

Zu den Themen bezüglich „Terrorismus“ gehörten die EU-Richtlinie zur Spei-
cherung von Fluggastdatensätzen (PNR), wozu „im Gesprächsformat der G6“
nun „weitere Aspekte zur Verbesserung und Gewährleistung von Standards im
Bereich der Luftsicherheit“ diskutiert sowie eine „Intensivierung der internatio-
nalen Zusammenarbeit“ verabredet worden seien. Unterredungen hätten sich
auch um einen „effektiven datenbankgestützten Informationsaustausch“ gedreht;
genannt werden die „konsequente und systematische Nutzung des Schengener In-
formationssystems“ sowie dessen Erweiterung. Im Rahmen der Prüm-Beschlüsse
müssten nationale polizeiliche Datenbanken europaweit vernetzt werden. Damit
„zahlreiche EU-Datensysteme künftig besser miteinander korrespondieren kön-
nen“, sei die „mittelfristige Perspektive der Herstellung der Interoperabilität von
Datensätzen“ diskutiert worden. Auf der Tagesordnung hätten auch „Bekämp-
fungsansätze von Radikalisierung und Extremismus“ sowie der „Umgang mit
Rückkehrern“ (die sogenannten ausländischen Kämpfer) gestanden. Gegen „För-
derer von Terrorismus und Radikalisierung“ solle ein „,Mehr‘ an Kooperation
und Informationsaustausch“ nicht nur innerhalb der EU, sondern auch mit den

Drucksache 18/7157 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

USA in Anschlag gebracht werden. Auch seien „verstärkte Anstrengungen beim
Kampf gegen Terrorismus- und Extremismuswerbung im Internet“ in den Blick
genommen worden. Seit dem 3. Dezember 2015 unterhalten die Europäische
Kommission und die Polizeiagentur Europol ein „Forum der Internetdienstleis-
ter“, in dem Firmen wie Google, Yahoo, Microsoft oder Facebook zu mehr Ko-
operation mit europäischen Sicherheitsbehörden angehalten werden sollen. Die
G6 will nun laut einer gemeinsamen Erklärung die Kommunikationsdienstleister
„ermutigen, weitere Schritte in Erwägung zu ziehen, um Inhalte aus dem Internet
zu entfernen“. Außerdem wollten die Teilnehmenden des Treffens die Zusam-
menarbeit und den Informationsaustausch zwischen ihren jeweiligen Strafverfol-
gungsbehörden „und anderen Stellen“ so weit wie möglich ausbauen und dabei
„auf europäische, US-amerikanische und internationale Verfahren zurückgrei-
fen“. Mit den USA sei auch die „Sicherheit der EU-Außengrenzen“ besprochen
worden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Stellen der Bundesregierung waren konkret in die Vorbereitung,
Durchführung oder Nachbereitung des Treffens in London eingebunden?

2. Welche weiteren Treffen am Rande des „G6+1“ haben nach Kenntnis der
Bundesregierung in zeitlicher Nähe stattgefunden, sofern diese im organisa-
torischen und/oder inhaltlichen Bezug zum Treffen in London standen?

3. Welche Tagesordnung hatte das „G6+1“-Treffen (bitte sofern zutreffend nur
jene Themen angeben, die noch nicht in der Pressemitteilung des BMI oder
der gemeinsamen Erklärung benannt wurden)?

4. Welche Angehörigen anderer Regierungen außer EU-Agenturen, „Wissen-
schaftler und Experten“ oder sonstige Institutionen und Personen nahmen
nach Kenntnis der Bundesregierung mit welchem Personal an dem „G6+1“-
Treffen bzw. den in zeitlicher Nähe stattfindenden Treffen teil (bitte auch
deren Zugehörigkeit zu Behörden bzw. anderen Einrichtungen angeben)?

a) Zu welchen einzelnen Themen oder Sitzungen waren diese anderen Teil-
nehmenden eingeladen, und welche Beiträge steuerten diese bei (sofern
dies mangels eines Protokolls nicht schriftlich fixiert ist, bitte aus der Er-
innerung der deutschen Teilnehmenden wiedergeben)?

b) Welche deutschen Behörden oder sonstigen Stellen nahmen mit welchen
Kräften teil, und welchen Abteilungen bzw. Referaten gehören diese an?

5. Nach welchem Verfahren sowie nach welchen Kriterien hat der britische
Vorsitz der „G6+1“ nach Kenntnis der Bundesregierung festgelegt, an wel-
chen Tagesordnungspunkten oder Arbeitsgruppen die Europäische Kommis-
sion, die teilnehmenden US-Behörden sowie die übrigen Regierungen anwe-
send sein dürfen und von welchen sie ausgeschlossen blieben?

6. An welchen einzelnen Tagesordnungspunkten oder Arbeitsgruppen haben
die USA sowie die Europäische Kommission oder andere EU-Einrichtungen
schließlich mit welchem Personal teilgenommen?

7. Welche eigenen Beiträge haben diese nach Kenntnis der Bundesregierung
hierzu verteilt oder gehalten (bitte nicht nur Titel und Untertitel nennen, son-
dern in groben Zügen skizzieren)?

8. Wie wurden die übrigen 22 EU-Mitgliedstaaten von der Bundesregierung im
Vorfeld des „G6+1“-Treffens über die dort behandelten Themen mit EU-Be-
zug unterrichtet?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7157

 

9. Welche Dokumente „zur Strukturierung und Eingrenzung der Diskussion“
oder „vorab mit Fragen versehene[n] Gesprächsunterlagen“ wurden verteilt
(bitte nicht nur ihren Zweck benennen, sondern den Inhalt soweit bekannt in
groben Zügen skizzieren)?

10. Auf welche Weise wurde das Thema „Zukunftsfähigkeit von Schengen“ auf
dem G6-Treffen behandelt, und welche Initiativen standen dabei im Fokus?

11. Inwiefern haben die Beteiligten auch über die Wiedereinführung von Kon-
trollen der Binnengrenzen nach Artikel 26 des Schengener Grenzkodex dis-
kutiert, und welche Schritte oder Maßnahmen wurden hierzu vorgestellt?

12. Welche bestehenden Rückübernahmeabkommen wurden auf dem Treffen
thematisiert, und welche Vorschläge zu deren „kohärenter und verlässlicher
Umsetzung“ wurden vorgetragen?

13. Auf welche Weise wurde die geplante EU-Richtlinie zur Speicherung von
Fluggastdatensätzen behandelt, und welche Vorschläge zu deren Ausgestal-
tung oder Umsetzung wurden vorgetragen?

14. Welche „weiteren Aspekte zur Verbesserung und Gewährleistung von Stan-
dards im Bereich der Luftsicherheit“ wurden auf dem Treffen diskutiert?

15. Welche Themen wurden unter der Anregung eines neuerlich erweiterten „ef-
fektiven datenbankgestützten Informationsaustauschs“ behandelt?

16. Welche Vorschläge oder Maßnahmen zur Erweiterung des Schengener In-
formationssystems wurden besprochen?

17. Hinsichtlich welcher Aspekte wurde auch die Ausweitung der EU-weiten
Ausschreibungen zur verdeckten Beobachtung oder Kontrolle von Personen
nach Artikel 36 des SIS-II-Ratsbeschlusses (SIS II − Schengener Informati-
onssystem der zweiten Generation) behandelt?

18. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern der Ver-
kauf von Prepaid-Telefonkarten nur nach Speicherung von Personendaten
der Nutzerinnen und Nutzer zukünftig EU-weit einheitlich gehandhabt wer-
den sollte, und welche Maßnahmen schlägt sie hierzu vor?

19. Bezüglich welcher konkreten Zusammenarbeitsformen wurden auch die
Prüm-Beschlüsse auf dem Treffen behandelt?

20. Welche (noch nicht vernetzten) nationalen polizeilichen Datenbanken sollen
aus Sicht der G6-Teilnehmenden besser miteinander verschränkt werden,
und welche Haltung vertritt die Bundesregierung hierzu?

21. Welche Initiativen der Teilnehmenden des Treffens zur „Herstellung der In-
teroperabilität von Datensätzen“ sind der Bundesregierung bekannt, und wel-
che Verabredungen wurden hierzu getroffen?

22. Auf welche bestehende „europäische, US-amerikanische und internationale
Verfahren“ könnte aus Sicht der Bundesregierung zurückgegriffen werden,
und inwiefern könnten diese ausgebaut werden?

23. Mit welchen neuen Maßnahmen könnte aus Sicht der Bundesregierung ein
„,Mehr‘ an Kooperation und Informationsaustausch“ nicht nur innerhalb der
EU, sondern auch mit den USA umgesetzt werden?

24. Auf welche Weise und mit welchen Maßnahmen könnte die US-Regierung
aus Sicht der Bundesregierung stärker in die „Sicherheit der EU-Außengren-
zen“ einbezogen werden?

25. Welche „anderen Stellen“ sind aus Sicht der Bundesregierung bezüglich der
Intensivierung des Informationsaustauschs mit den Strafverfolgungsbehör-
den gemeint?

Drucksache 18/7157 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

26. Welche „verstärkten Anstrengungen beim Kampf gegen Terrorismus- und
Extremismuswerbung im Internet“ sind auf dem Treffen behandelt worden?

27. Inwiefern wurde auch das „Forum der Internetdienstleister“, in dem Firmen
wie Google, Yahoo, Microsoft oder Facebook zu mehr Kooperation mit eu-
ropäischen Sicherheitsbehörden angehalten werden sollen, vorgestellt?

28. Inwiefern konnte nach Kenntnis der Bundesregierung „im Gespräch mit den
Unternehmen“ inzwischen geklärt werden, „welche Inhalte diese aus dem
Netz zu entfernen bereit sind“ (Bundestagsdrucksache 18/5599)?

29. Auf welche Weise könnten aus Sicht der Bundesregierung die Kommunika-
tionsdienstleister ermutigt werden, außer der Mitarbeit im „Forum der Inter-
netdienstleister“ noch „weitere Schritte in Erwägung zu ziehen, um Inhalte
aus dem Internet zu entfernen“?

30. Welche „weiteren Schritte“ wären aus Sicht der Bundesregierung hierzu ge-
eignet?

31. Inwiefern und auf welche Weise sollte aus Sicht der Bundesregierung nicht
nur die Entfernung rechtswidriger Inhalte, sondern auch von „Hassparolen“
EU-weit geregelt oder vereinfacht werden?

32. Nach welchem für alle Mitgliedstaaten einheitlichen Verfahren sollte dabei
zwischen rechtswidrigen und legalen Inhalten unterschieden werden?

33. Wie definiert die Bundesregierung eine „Hassparole“?

34. Auf welche Weise, mit welchem Inhalt und mit welchen Beiträgen wurde
das Thema „Radikalisierung durch das Internet“ auf Ebene der „G6+1“ be-
handelt (sofern die Bundesregierung lediglich auf einen „Gedanken- und Er-
fahrungsaustausch“ oder „Meinungsaustausch“ verweist, bitte dessen Inhalte
skizzieren)?

35. Was ist der Bundesregierung über Vorschläge für einen „Europäischen Ver-
haltenskodex“ bekannt, und welche Stellen arbeiten an einer solchen Initia-
tive?

36. Welche der vom EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung in dem
Ratsdokument 14734/15 aufgestellten Forderungen und Vorschläge wurden
auf dem Treffen der „G6+1“ behandelt?

37. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu dem Vorschlag, Google, Fa-
cebook oder Twitter dazu zu bewegen, Nutzerinnen und Nutzern die Gratis-
Nutzung von Werbung einzuräumen, um damit die Botschaften islamisti-
scher Gruppen zu kontern, und auf welche Weise wird diese Initiative nach
Kenntnis der Bundesregierung bereits auf EU-Ebene behandelt?

38. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern das beim vorletzten
G6-Treffen behandelte Thema „Predictive Policing“ inzwischen „auf Exper-
tenebene“ behandelt wird (Bundestagsdrucksache 18/5599)?

39. Welche Forschungsprojekte wurden hierzu inzwischen aufgelegt bzw. vor-
bereitet und wer nimmt daran teil?

40. Welche Rechtsauffassung hat die Bundesregierung zur „Strafverfolgung an-
gesichts des internationalen Charakters von Clouddiensten“, und welche
Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Behandlung der Ant-
worten eines von Großbritannien verteilten Fragebogens?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7157

 

41. Mit welchen der Teilnehmenden (auch US-Delegationen oder EU-Agenturen)
führte das BMI bzw. der Bundesminister des Innern Dr. Thomas de Maizière
am Rande des „G6+1“-Treffens in London weitere „bilaterale Gespräche“?

Berlin, den 18. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.