BT-Drucksache 18/7156

Mögliche Einrichtung eines zentralen Museums zur Erinnerung an die faschistische Vergangenheit Deutschlands

Vom 18. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7156
18. Wahlperiode 18.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Halina Wawzyniak,

Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Mögliche Einrichtung eines zentralen Museums zur Erinnerung an die
faschistische Vergangenheit Deutschlands

Die Zeitschrift „Ossietzky“ hat einen Aufruf zur Einrichtung eines „zentralen
Museums, das einen Überblick über die Nazi-Vergangenheit gibt“, lanciert (Nr.
15/2015). Es gebe zwar in Berlin eine Vielzahl von Gedenkstätten, „die an den
faschistischen Terror, an den Widerstand, an die Opfer, hier und da auch an die
Täter erinnern“, aber keinen zentralen Lernort.

Erinnerung an und Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit findet in
Berlin an vielen Orten statt, zu den größten gehören die Topographie des Terrors,
der Ort der Information der Stiftung Denkmal, die Gedenkstätte Deutscher Wi-
derstand und das Deutsch-Russische Museum. Sie alle, wie auch eine Vielzahl
weiterer Einrichtungen und Museen, leisten eine wichtige und verdienstvolle Ar-
beit auf diesem Gebiet. Sie sind aber auch alle in gewissem Maße spezialisiert auf
bestimmte Aspekte der Nazi-Herrschaft: Die Besucherinnen und Besucher lernen
entweder etwas über den Holocaust, oder über den Widerstand, oder über die
Rolle der Gestapo oder den Vernichtungskrieg in Osteuropa. Es gibt aber keinen
Ort, der einen Überblick über den ganzen Komplex der Nazi-Tyrannei in allen
gesellschaftlichen Bereichen und allen besetzten Gebieten verschafft.

Für Berlinerinnen und Berliner bietet sich unkompliziert die Möglichkeit, sämt-
liche vorhandenen Gedenk- und Lernorte zu besuchen, für sie ist die vorhandene
spezialisierte Vielfalt eher ein Vorteil. Auswärtige Besucherinnen und Besucher
mögen aber in der Hauptstadt des damaligen Deutschen Reiches einen zentralen
Überblicksort über sämtliche relevanten Aspekte der NS-Herrschaft erwarten.
Als dessen zentrale Leitfrage schlägt der „Ossietzky“-Aufruf vor: „Wie konnte es
dazu kommen, dass ein hochentwickeltes Land der faschistischen Barbarei ver-
fiel?“ Das vorgeschlagene Museum solle und könne hierauf zwar keine allge-
meingültige Antwort geben, „aber gesicherte Information als Grundlage für ei-
gene Suche nach Antwort“. Teil einer dortigen Ausstellung könne auch die Aus-
stellung über die Verbrechen der Wehrmacht sein. Als geeigneten Standort für
ein solches Museum schlägt der Aufruf das Berliner Stadtschloss-Humboldtfo-
rum vor. Auch dies wäre, im Sinne der Gedenkstättenkonzeption, ein „authenti-
scher Ort“, weil von diesem Sitz der monarchistischen Herrschaft aus wichtige
Maßnahmen ergriffen und Traditionslinien begründet wurden, die letztlich zur
Etablierung der faschistischen Herrschaft in Deutschland beigetragen haben.

Drucksache 18/7156 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragesteller, wonach es in
Berlin wie in ganz Deutschland zwar eine Vielzahl von Erinnerungs- und
Lernorten zur NS-Herrschaft gibt, diese aber alle mehr oder weniger auf ein-
zelne Aspekte spezialisiert sind, und es keinen zentralen Lernort gibt, der
eine Übersicht präsentiert?

a) Wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie gegebenenfalls aus dieser
Erkenntnis?

b) Wenn nein, welchen zentralen, eine Übersicht über die verschiedenen his-
torischen, sozialen und politischen Aspekte der NS-Herrschaft und des
Widerstandes gegen den Nationalsozialismus vermittelnden Lernort
kennt die Bundesregierung?

2. Welche Überlegungen sprechen nach Kenntnis der Bundesregierung aus po-
litischer und pädagogisch-didaktischer Sicht für bzw. gegen einen zentralen
Ort, und inwieweit sieht die Bundesregierung selbst das Erfordernis eines
solchen zentralen Lern- und Überblicksortes?

3. Inwiefern und von welcher Seite wurden der Bundesregierung in der Ver-
gangenheit entsprechende Wünsche oder Vorschläge zugetragen, und wie
hat sie darauf reagiert?

4. Inwieweit hält es die Bundesregierung für wünschenswert, dass es einen
zentralen Lernort gibt, der nach gesellschaftlichen Bereichen gegliedert ist,
wie Bildung, Wissenschaft, Medizin, Wirtschaft, Staatsverwaltung, Polizei,
Justiz, Militär, Propaganda, Medien, Kunst usw. und jeweils dargestellt wird,

a) wie die Nazis in diesen Bereichen Fuß fassten

b) ob bzw. inwiefern die jeweiligen gesellschaftlichen Akteure den Nazis
Widerstand entgegenbrachten bzw. bereits zuvor antidemokratische
Überzeugungen in diesen Bereichen dominierten

(bitte begründen)?

5. Inwieweit hält es die Bundesregierung für wünschenswert, dass es einen Ort
gibt, der einen Überblick über die Raub- und Vernichtungspolitik von Wehr-
macht, SS, Polizei und Zivilverwaltung des sogenannten Dritten Reiches in
den zwischen 1938 und 1945 besetzten Ländern gibt (bitte begründen)?

6. Inwiefern wäre es nach Kenntnis der Bundesregierung möglich, nach derzei-
tigem Planungsstand entsprechende Räumlichkeiten im Stadtschloss-Hum-
boldtforum zu nutzen?

7. Will die Bundesregierung Initiativen zur Einrichtung eines solchen Museums
im Stadtschloss-Humboldtforum oder woanders ergreifen oder entspre-
chende Initiativen aus der Zivilgesellschaft unterstützen, und wenn ja, inwie-
fern, und wenn nein, warum nicht?

8. Über welche Liegenschaften bzw. derzeit und/oder auf absehbare Zeit unge-
nutzten Immobilien verfügt der Bund im Berliner Zentrum?

Berlin, den 7. Dezember 2015

Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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