BT-Drucksache 18/7112

Prüfung der Regelwerkskonformität des Atomkraftwerks Gundremmingen

Vom 16. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7112
18. Wahlperiode 16.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Matthias Gastel,
Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke,
Peter Meiwald, Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Prüfung der Regelwerkskonformität des Atomkraftwerks Gundremmingen

Seit etwa drei Jahren wird zwischen der Bundesatomaufsicht und der zuständigen
bayerischen Landesatomaufsichtsbehörde beraten, inwiefern das Atomkraftwerk
(AKW) Gundremmingen den deutschen AKW-Sicherheitsanforderungen genügt
oder nicht (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zu den Fra-
gen 5 und 6 auf Bundestagsdrucksache 17/14454 und Plenarprotokoll 18/114 An-
lage 21). Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat hierzu mehrere Kleine
Anfragen gestellt, unter anderem jene, die sich inklusive der dazugehörigen Ant-
worten der Bundesregierung auf den Bundestagsdrucksachen 17/11947,
17/14340, 17/14454, 17/14606, 18/741 und 18/3875 finden.

Mit Schreiben vom 16. Juni 2014 beauftragte das Bundesministerium für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), die Gesellschaft für An-
lagen- und Reaktorsicherheit (GRS) gGmbH und das Physikerbüro Bremen
(PhB) mit der Erarbeitung einer gutachterlichen Fachstellungnahme zur „Bewer-
tung des Zusätzlichen Nachwärmeabfuhr- und Einspeisesystems ZUNA des
Kernkraftwerkes Gundremmingen als Teil des Sicherheitssystems (Sicherheits-
einrichtung)“. Dieses BMUB-Schreiben und weitere in dieser Kleinen Anfrage
referenzierte Unterlagen wurden der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl auf ihr
Ersuchen hin vom BMUB mit Schreiben vom 8. Mai 2014 und 21. Mai 2015 zur
Verfügung gestellt.

Insbesondere Qualität und Funktionalität des „Zusätzlichen Nachwärmeabfuhr-
und Einspeisesystems (ZUNA)“ sind Gegenstand dieser Prüfung der Regelwerks-
konformität, vgl. hierzu die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
zu den Fragen 14 bis 16 auf Bundestagsdrucksache 17/14606 sowie das o. g.
BMUB-Schreiben vom 16. Juni 2014. Für einen Vergleich der ZUNA-Nachkühl-
kette mit den anderen Nachkühlketten und mit dem Stand von Wissenschaft und
Technik ist aus Sicht der Fragesteller eine übersichtliche Gegenüberstellung der
maßgeblichen Parameter jeder einzelnen Komponente erforderlich. Zu diesem
Zweck enthält die Kleine Anfrage die Fragen 9 bis 14.

Drucksache 18/7112 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Bei welchen Ereignissen nach Erdbeben − einschließlich solchen im Nicht-
leistungsbetrieb und Brennelemente-Lagerbecken − wird das ZUNA auf-
grund von Ausfällen in den Not- und Nachkühlredundanzen 1 bis 3 erforder-
lich (bitte vollständige Liste mit Ereignisname gemäß den deutschen Sicher-
heitsanforderungen an Atomkraftwerke vom 22. November 2012, veröffent-
licht im Bundesanzeiger am 24. Januar 2013, betroffenen Nachweiszielen
und -kriterien, betroffenen Schutzzielen und der jeweils ausgefallenen Re-
dundanzen angeben)?

2. Bei welchen dieser Ereignisse ist unklar, ob das ZUNA als gleichwertig zu
einer Sicherheitseinrichtung gewertet werden kann, und ggf. jeweils warum
ist es unklar?

Und ist das ZUNA bei diesen Ereignissen ganz oder teilweise unwirksam
(bitte differenzierte Angabe mit jeweiliger Begründung)?

3. Welche sind bei diesen Ereignissen die für das ZUNA festgelegten Auslöse-
grenzwerte und Verzögerungszeiten, welche die im Vergleich dazu analogen
Zeiten und Werte der Not- und Nachkühlredundanzen 1 bis 3?

4. Welche konkreten quantitativen Wirksamkeitsunterschiede bestehen im Ver-
gleich zwischen den Not- und Nachkühlredundanzen 1 bis 3 und dem ZUNA
hinsichtlich der Nachwärmeabfuhr bei für die Kondensationskammer einzu-
haltenden Temperaturgrenzwerten und der Wärmeübergangsleistung, insbe-
sondere die Unterschiede bezogen auf den ZUNA-Zwischenkühler und die
weitere ZUNA-Nachkühlkette (bitte tabellarische Übersicht mit Gegenüber-
stellung der jeweiligen Differenzen/Deltas zum einzuhaltenden Grenzwert,
d. h. Gegenüberstellung der Not- und Nachkühlredundanzen 1 bis 3 einer-
seits und ZUNA andererseits)?

5. Welche sind konkret die Funktionen, die ZUNA bei Ereignissen nach dem
Bemessungserdbeben ersetzen muss (zum Beispiel Stromversorgung wel-
cher Einrichtungen, Reaktorfüllstand halten, Nachwärmeabfuhr), und über
welchen Zeitraum muss dies jeweils erfolgen?

Welche sind konkret die Funktionen, die ZUNA bei Ereignissen nach einem
Erdbeben, das in seiner Stärke zwischen Auslegungs- und Bemessungserd-
beben liegt, und bei dem Ausfälle der nur gegen Auslegungserdbeben ausge-
legten Anlagenteile zu unterstellen sind, ersetzen muss?

6. Welche wesentlichen Daten haben das Auslegungs-, Bemessungs- und Si-
cherheitserdbeben konkret für das AKW Gundremmingen?

Auf welchen fachlichen Grundlagen, von wem und von wann basieren diese
Daten jeweils?

7. Entsprechen a) diese Daten aus der vorstehenden Frage 6 und b) ihre fachli-
chen Grundlagen erstens noch heutigen Anforderungen und zweitens dem
Stand von Wissenschaft und Technik, und jeweils warum?

8. Wie wird das ZUNA in das Sicherheitssystem integriert, wenn im Falle eines
Erdbebens sowohl der Reaktor gekühlt und abgefahren als auch das Abkling-
becken (wie beim Atomunfall von Fukushima) gekühlt werden muss?

9. Was bedeuten die Anforderungsstufen 1 bis 5, und wie sind diese einzelnen
Anforderungsstufen jeweils charakterisiert (bitte Beschreibung und vollstän-
dige Angabe aller ingenieurtechnischer Parameter wie zum Beispiel Zugfes-
tigkeit, Zähigkeit, Wandstärke etc. für jede einzelne Anforderungsstufe ein-
schließlich der Angabe der Wertebereiche der Parameter, die im Betrieb und
für Störfalllasten einschließlich Erdbeben einzuhalten sind)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7112
 

10. Welche sind die „ergänzenden Unterlagen“, in denen laut „Teilerrichtungs-
gutachten für die zweite Teilerrichtungsgenehmigung von 1977“ (vgl. An-
lage-Vermerk des BMUB zu dem in der Vorbemerkung genannten BMUB-
Auftragsschreiben vom 16. Juni 2014, Abschnitt Bewertungsaspekt „3. Qua-
lität und Zuverlässigkeit der ZUNA-Komponenten und Systemteile“,
Seite 5) Einzelheiten der Klassifizierung niedergelegt wurden?

Von wann genau und von wem stammen sie?

Liegen sie dem Bund und/oder seinen Gutachtern GRS und PhB vor (falls ja,
seit wann, und falls nein, warum nicht)?

11. Was bedeutet der „Vergleichsmaßstab Konvoi“ und wie ist er im Einzelnen
charakterisiert (bitte Beschreibung und vollständige Angabe aller ingenieur-
technischer Parameter, wie zum Beispiel Zugfestigkeit, Zähigkeit, Wand-
stärke etc. einschließlich der Angabe der Wertebereiche der Parameter, die
im Betrieb und für Störfalllasten einschließlich Erdbeben einzuhalten sind;
vgl. o. g. Anlage-Vermerk zum BMUB-Auftrag vom 16. Juni 2014)?

12. Wie sind diesem Vergleichsmaßstab Konvoi gegenüber die Not- und Nach-
kühlsysteme der Vorkonvoi-Anlagen (konkret Druckwasserreaktor-Bauli-
nie 3) im Einzelnen charakterisiert (bitte Beschreibung und vollständige An-
gabe aller ingenieurtechnischer Parameter wie zum Beispiel Zugfestigkeit,
Zähigkeit, Wandstärke etc. einschließlich der Angabe der Wertebereiche der
Parameter, die im Betrieb und für Störfalllasten einschließlich Erdbeben ein-
zuhalten sind)?

13. Welcher Zusammenhang zwischen den Anforderungsstufen 1 bis 5, dem
Vergleichsmaßstab Konvoi und dem nach dem Stand von Wissenschaft und
Technik anzulegenden Bewertungsmaßstab besteht ggf. zu den in den TÜV-
Folien zum AKW Gundremmingen, die zum Fachgespräch zwischen Bun-
des- und Landesaufsicht am 21. Juni 2013 vorgelegt wurden, aufgeführten
Komponentenklassen K1 bis K5 (falls es einen Zusammenhang gibt, diesen
bitte ausführlich erklären mit der Angabe der ingenieurstechnischen Parame-
ter wie oben für a) ZUNA und Not- und Nachkühlredundanzen 1 bis 3, b)
Nachkühlkreislauf TH, Zwischenkühlkreislauf TF und Nebenkühlkreislauf
VE und c) jeweils differenziert nach Rohrleitung, Pumpe, Zwischenkühler,
Ventile, Schieber etc.)?

14. Welche Eigenschaften hinsichtlich Qualität und Zuverlässigkeit wären nach
dem Stand von Wissenschaft und Technik von den ZUNA-Komponenten
bzw. den Komponenten der Nachkühlketten zu fordern (bitte jeweils Angabe
der ingenieurtechnischen Parameter wie zum Beispiel Zugfestigkeit, Zähig-
keit, Wandstärke etc. einschließlich der Angabe der Wertebereiche der Para-
meter, die im Betrieb und für Störfalllasten einschließlich Erdbeben einzu-
halten sind − aufgeschlüsselt für alle Komponenten wie Rohrleitung, Pumpe,
Zwischenkühler, Ventile, Schieber etc. und nach Nachkühlkreislauf TH,
Zwischenkühlkreislauf TF und Nebenkühlkreislauf VE)?

15. Welche Diskussionen fanden und/oder finden in der Reaktor-Sicherheits-
Kommission (RSK, inklusive Fachausschüsse) zu Klassifizierungen von
Nachkühleinrichtungen statt?

Welche Nachkühleinrichtungen welcher Anlagen werden dabei betrachtet
(bitte vollständige Angabe aller Anlagen und aller Einrichtungen)?

16. Welche Fragen hat die RSK (inklusive Fachausschüsse) dabei aufgeworfen?

Drucksache 18/7112 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

17. Liegt bereits eine Empfehlung oder Stellungnahme der RSK vor, und ist
diese verfügbar (ggf. bitte als Anlage an die Antwort anhängen)?

Falls nein, wie sieht der weitere Zeitplan für diese Diskussionen in der RSK
aus, und wie lauten der ursprüngliche Beratungsauftrag und die wesentlichen
Fragestellungen (soweit nicht bereits oben zu Frage 15 angegeben)?

18. Wird die RSK, die sowohl in der Errichtungsphase des AKW Gundremmin-
gen eine Stellungnahme abgegeben hat als vom BMU im Zuge des damals
noch anhängigen Antrags auf Leistungserhöhung des AKW Gundremmin-
gen einen Beratungsauftrag erhalten hat (vgl. Bundestagsdrucksachen
17/14340 sowie 18/115, Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche
Frage 50), eine Stellungnahme zur Frage der Regelwerkskonformität und
Erdbebenfestigkeit des AKW Gundremmingen abgeben (falls nein, bitte mit
Begründung, und falls ja, bitte Zeitplan)?

19. Inwieweit entsprechen Zwischenkühlkreisläufe (bzw. ihre Notwendigkeit)
dem Stand von Wissenschaft und Technik?

Ist die RSK auch heute noch der Meinung, dass Zwischenkühlkreisläufe er-
forderlich sind, beispielsweise für die Zuverlässigkeit der radiologischen
Barrierenwirkung (zur RSK-Meinung in den 1970er und 1980er Jahren vgl.
Bundestagsdrucksache 17/14340)?

20. Wie lange hat nach Projektplan der Auftragnehmer des in der Vorbemerkung
genannten BMUB-Auftrags vom 16. Juni 2014, GRS und PhB, welches Ar-
beitspaket für diese Stellungnahme gedauert, und wo lagen jeweils welche
Haltepunkte?

Berlin, den 16. Dezember 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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