BT-Drucksache 18/7110

zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/6589 - Für ein menschenwürdiges Existenz- und Teilhabeminimum

Vom 17. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7110
18. Wahlperiode 17.12.2015

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/6589 –

Für ein menschenwürdiges Existenz- und Teilhabeminimum

A. Problem

Der Ermittlung der Regelbedarfe nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch liegt
nach Einschätzung der antragstellenden Fraktion kein objektives Verfahren zu
Grunde. Durch haushaltspolitisch motivierte Eingriffe sei die Höhe der Regelleis-
tung kleingerechnet worden. Im Ergebnis werde die Existenz von Menschen im
Grundsicherungsbezug nicht ausreichend gesichert.

B. Lösung

Die Fraktion DIE LINKE. fordert eine gesetzliche Neuregelung der Ermittlung
des Existenz- und Teilhabeminimums, womit Verfahren und Kriterien vor der
konkreten Bedarfsermittlung festzulegen seien. Darüber hinaus sei das Bildungs-
und Teilhabepaket neu zu organisieren und eine Kommission zur künftigen Aus-
gestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Exis-
tenz- und Teilhabeminimums einzusetzen.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kostenberechnungen wurden nicht angestellt.

Drucksache 18/7110 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/6589 abzulehnen.

Berlin, den 16. Dezember 2015

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Kerstin Griese
Vorsitzende

Katja Kipping
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7110
Bericht der Abgeordneten Katja Kipping

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/6589 in seiner 136. Sitzung am 12. November 2015
beraten und an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung sowie an den Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend und den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die antragsstellende Fraktion begründet ihren Antrag mit dringendem Handlungsbedarf gegen die schlechte fi-
nanzielle und soziale Lage von ALG-II-Beziehern. Der durch das Bundesverfassungsgericht 2010 für verfas-
sungswidrig erklärte Regelbedarf sei mit der Auflage zur Neuermittlung belegt worden. Die Berechnungsverfah-
ren hätten sich aber dennoch nach der Haushaltsplanung gerichtet. Die Notlage vieler Grundleistungsbeziehenden
zeige sich darin, dass die Hälfte von ihnen Schulden habe und demnach weder auf Reserven zurückgreifen, noch
etwa für medizinische Zusatzleistungen aufkommen könne. Die Kosten für Haushaltsstrom seien zudem in den
letzten Jahren gestiegen, mit der Folge von Stromschulden und vermehrter Stromsperren. Menschen im Grundsi-
cherungsbezug könnten nicht in Würde leben, da ihre Existenz nicht ausreichend gesichert sei.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung haben den Antrag auf Drucksache 18/6589 in ihren Sitzungen am 16. Dezember
2015 beraten und dem Deutschen Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Antrag auf Drucksache 18/6589 in seiner 59. Sitzung am 16. De-
zember 2015 beraten und dem Deutschen Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung empfohlen.

Die Fraktion der CDU/CSU lehnte den Antrag ab. Der über viele Jahre für die Berechnung des Sozialhilfesatzes
verwendete Warenkorb sei damals wegen massiver wissenschaftlicher und öffentlicher Kritik abgeschafft worden.
Seither habe sich die Verwendung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) bewährt. Die Einführung
habe zudem in der Vergangenheit zu einer massiven Anhebung der Regelsätze geführt. Man appelliere, jetzt nicht
zu einer nicht bewährten Praxis zurückzukehren. Die EVS sei weithin als das bessere und sachgerechtere Verfah-
ren anerkannt. Im Übrigen habe es seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bereits Veränderungen bei der
Festlegung der Regelsätze gegeben, so etwa mit der Einführung der jährlichen Anpassung. Dies habe u. a. aber
auch dazu geführt, dass der Regelsatz stärker gestiegen sei als die Renten. Dies sei für Rentnerinnen und Rentner
oft schwer erträglich.

Die Fraktion der SPD betonte, dass die Entscheidung über den Regelsatz eine verantwortungsvolle Aufgabe für
das Parlament sei. Es gehe darum, den Menschen, die dies aus eigener Kraft nicht mehr könnten, die Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben zu sichern. Dabei stelle es kein grundsätzliches methodisches Problem dar, sowohl Ele-
mente des Statistikmodells auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, als auch des Warenkorbmo-
dells zu nutzen. Im Gegenteil, die Kombination beider Ansätze diene mitunter gerade dazu, etwaige Schwächen
bei der Erhebung auszugleichen, u. a. wenn es um die Berücksichtigung langfristiger Anschaffungen gehe. Für
die SPD sei es besonders wichtig, die Teilhabe von Kindern sicherzustellen. Dabei gehe es zwar auch um den

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Drucksache 18/7110 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Ausbau von Kitas, kostenlose Schulverpflegung u. a. m. Man werde aber auch im Rahmen des anstehenden Ge-
setzgebungsverfahrens zur Regelbedarfsermittlung zu klären haben, was Kinder brauchten, um im vollen Umfang
am Leben in der Gesellschaft chancengleich teilhaben zu können.

Die Fraktion DIE LINKE. kritisierte, dass die Höhe des Regelsatzes („Hartz-IV“) politisch bewusst kleinge-
rechnet worden sei. In der Folge deckten die Leistungen den Mindestbedarf nicht. Daher sei es wichtig, vor der
nächsten Festlegung des Regelsatzes die Kriterien der Bedarfsberechnung festzulegen und nicht die Leistungs-
höhe passend zum Haushaltsansatz zu errechnen. Schließlich gehe es bei der Wahrung des soziokulturellen Exis-
tenzminimums um ein Grundrecht. Das aktuell genutzte Statistikmodell leite von der Ausgaben armer Haushalte
auf einen notwendigen Bedarf. Für diesen Schluss gebe es keine sachliche Rechtfertigung. Daher sei ein Waren-
korb zur Überprüfung der tatsächlichen Bedarfsdeckung notwendig. Die an der Methode des Warenkorbes geäu-
ßerte Kritik gelte durchgängig auch für die EVS. Besonders kritikwürdig sei, dass bei der Festlegung willkürlich
bestimmte Bedarfe herausgerechnet worden seien. Auch die Einbeziehung verdeckt Armer in die Referenzgruppe
drücke den Regelsatz. Es müsse eine öffentliche Debatte über das soziokulturelle Existenzminimum geführt wer-
den. Eine Kommission solle künftig helfen, über die Grundlagen der Regelsatzfestlegung Transparenz zu schaf-
fen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN forderte, die Kritik an der Regelsatzfestlegung über den Warenkorb
auch auf die Anwendung der EVS anzuwenden. Die derzeit praktizierte Methodenvermischung von Warenkorb
und EVS sei zudem problematisch. Richtig am vorliegenden Antrag sei dessen Feststellung, dass das Parlament
für die Festlegung des Regelsatzes zuständig sei. Diese Auffassung habe das Bundesverfassungsgericht ausdrück-
lich bestärkt. Dem werde im laufenden Verfahren aber erneut nicht Rechnung getragen. Die Methode der Festle-
gung müsse nach dem Verfassungsgerichtsurteil geändert werden. Problematisch sei bisher z. B. die Bildung von
Zirkelschlüssen über die Einbeziehung verdeckt Armer in die Bedarfsermittlung. Dies drücke den Regelsatz nach
unten. Die Fraktion lehne aber die Wiedereinführung des Warenkorb-Modells bei der Ermittlung ab und werde
den Antrag daher ablehnen.

Berlin, den 16. Dezember 2015

Katja Kipping
Berichterstatterin

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