BT-Drucksache 18/7098

Stand Kohlereserve und dessen energie- und klimapolitischer Nutzen - Drucksache 18/6672 -

Vom 17. Dezember 2015


Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom

9. Dezember 2015 übermittelt.

Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.

Deutscher Bundestag Drucksache 18/7098
18. Wahlperiode 17.12.2015

Antwort
der Bundesregierung

auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Krischer, Annalena Baerbock,
Dr. Julia Verlinden, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/6672 –

Stand Kohlereserve und dessen energie- und klimapolitischer Nutzen

V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r

Anfang Juli 2015 haben die Parteivorsitzenden der Regierungsfraktionen von
CDU/CSU und SPD eine Reihe von Maßnahmen zur zukünftigen Ausgestaltung
des Strommarktes beschlossen. Wesentliche Fragen sollen in einem Strom-
marktgesetz beantwortet werden, welches nach Informationen der Fragesteller
im November 2015 im Bundeskabinett beschlossen und dann dem Deutschen
Bundestag zugeleitet werden soll. Besonders umstritten sind die geplanten Sub-
ventionen an Braunkohlekraftwerksbetreiber auf Kosten der Stromkunden.
Große Teile der Energiewirtschaft und die Umweltverbände sprechen sich ge-
gen diese Lösung aus (siehe dazu u. a. die Stellungnahmen zum Referentenent-
wurf des Strommarktgesetzes, www.bmwi.de/DE/Themen/Energie/Strommarkt
-der-Zukunft/Strommarkt-2-0/stellungnahmen-gesetzentwurf.html).

1. Welche Korrespondenz (Gespräche, Briefwechsel, E-Mail-Verkehr) zwi-
schen der Bundesregierung und den Energieunternehmen RWE, Vattenfall
und MIBRAG gab es im Hinblick auf die Einrichtung der Sicherheitsbereit-
schaft von Braunkohlekraftwerken (Kohlereserve; bitte Teilnehmerinnen
bzw. Teilnehmer, Datum und wesentlichen Inhalt angeben)?

Vorbemerkung der Bundesregierung

Mit Frage 1 der vorliegenden Kleinen Anfrage wird um Auskunft zur „Korres-
pondenz (Gespräche, Briefwechsel, Email-Verkehr) zwischen der Bundesregie-
rung und den Energieunternehmen RWE, Vattenfall und MIBRAG im Hinblick
auf die Einrichtung der „Sicherheitsbereitschaft von Braunkohlekraftwerken“ ge-
beten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat dazu eine
Ressortabfrage durchgeführt.

Aufgabenbedingt haben die Mitglieder der Bundesregierung Kontakte mit einer
Vielzahl von Akteuren, nicht nur bei bilateralen Terminen, sondern auch am
Rande von Veranstaltungen, Gremiensitzungen etc. Es können nicht sämtliche
dieser Kontakte erfasst werden und hierzu besteht auch keine Verpflichtung. Eine

Drucksache 18/7098 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

lückenlose Aufstellung der „Korrespondenz (Gespräche, Briefwechsel, Email-
Verkehr)“ nebst allen jeweiligen Teilnehmerinnen und Teilnehmern kann daher
nicht gewährleistet werden.

Bei der nachfolgenden Aufstellung handelt es sich um Termine, bei denen nicht
ausgeschlossen werden kann, dass auch über die Sicherheitsbereitschaft gespro-
chen wurde.

Die nachfolgenden Angaben erfolgen auf der Grundlage der vorliegenden Er-
kenntnisse sowie vorhandener Unterlagen und Aufzeichnungen.

Gespräche der Bundesregierung Datum Vertreter bzw. Vertreterinnen der

Unternehmen MIBRAG, RWE und Vat-

tenfall

Bundeskanzleramt

Chef BK, Gespräch 5. Oktober 2015 Peter Terium (VVS der RWE AG),

Dr. Peter Heinacher (Leiter Public Affa-

irs/Energiepolitik der RWE AG)

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

BM Gabriel, Offener Brief an die Kon-

zern- und Gesamtbetriebsräte der Ener-

giewirtschaft zum Thema Klimaschutz

im Stromsektor und die von der Energie-

wirtschaft befürchteten Folgen für die

betroffenen Regionen und Beschäftigten.

31. März 2015 Konzern- und Gesamtbetriebsräte der Ener-

giewirtschaft

BM Gabriel, Gespräch 20. April 2015 Dr. Joachim Geisler (VS der GF MIBRAG)

BM Gabriel, Rede/Einweihung Offs-

hore-Windpark Dan Tysk (Vattenfall)

30. April 2015 Magnus Hall (CEO Vattenfall)

Lars G. Nordström (Chairman of the Board

of Directors, Vattenfall)

Staatssekretär Baake, Gespräch 30. April 2015 Dr. Joachim Geisler (VS der GF MIBRAG)

Dr. Kai Steinbach (Kaufm. Direktor MI-

BRAG)

Christine Schumann (Leiterin Controlling

MIBRAG)

BM Gabriel, Antwortschreiben auf ein

Telefax von Tuomo J. Hatakka (VVS

Vattenfall Europe) vom 24. März 2015

zu den vermuteten Folgen des Klimabei-

trags auf die deutschen Braunkohlekraft-

werke.

8. Mai 2015 Tuomo J. Hatakka (VVS Vattenfall Europe)

BM Gabriel, Gespräch 8. Mai 2015 Tuomo J. Hatakka (VVS Vattenfall Europe)

BM Gabriel, Gespräch (unter Teilnahme

von Staatssekretär Rainer Baake)

19. Mai 2015 Peter Terium (VVS der RWE AG),

Matthias Hartung (CEO RWE Generation)

BM Gabriel, Gespräch 21. Mai 2015 Tuomo J. Hatakka (VVS Vattenfall Europe)

Dr. Hartmut Zeiß (VVS Vattenfall Europe

Mining & Generation)

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7098

BM Gabriel, Gespräch 21. Mai 2015 Dr. Joachim Geisler (VS der GF MIBRAG)

u. a.

BM Gabriel, Gespräch 16. Juni 2015 Arno Hahn (KBR-Vorsitz., RWE),

Rainer Kruppa (KBR-Vorsitz., Vattenfall),

Rüdiger Siebers (stv. Vorsitz. Vattenfall)

BM Gabriel, Gespräch 23. Juli 2015 Arno Hahn (KBR-Vorsitz., RWE),

Rainer Kruppa (KBR-Vorsitz., Vattenfall),

Rüdiger Siebers (stv. Vorsitz., Vattenfall)

BM Gabriel, Gespräch 11. Sept. 2015 Peter Terium (VVS der RWE AG)

2. Auf welcher Grundlage ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Ener-
gie „zuversichtlich“, dass die Kohlereserve „beihilferechtlich genehmi-
gungsfähig ist und in dem laufenden formellen Verfahren abschließend ge-
klärt werden kann“ (www.bmwi.de/DE/Presse/pressemitteilungen,did=
736020.html)?

Die Einschätzung der Bundesregierung ergibt sich aus den zur Sicherheitsbereit-
schaft geführten Gesprächen mit der Europäischen Kommission.

3. Welche Gespräche zwischen der Bundesregierung und der Europäischen
Kommission gab es zur Beihilfeproblematik (bitte Teilnehmerinnen bzw.
Teilnehmer, Datum und wesentlichen Inhalt angeben), und welche konkre-
ten Bedenken wurden diesbezüglich von Seiten der Europäischen Kommis-
sion geäußert?

Zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission gab und gibt
es regelmäßig Gespräche auch zum o. g. Thema, wie es dem üblichen Ablauf von
EU-Beihilfeverfahren entspricht. Um die Vertraulichkeit der laufenden Gesprä-
che zu wahren, kann die Bundesregierung zu den konkreten Inhalten der Gesprä-
che keine Stellung nehmen.

4. Was unternimmt die Bundesregierung, falls im laufenden Verfahren die
Europäische Kommission die Kohlereserve als nicht genehmigungsfähig er-
achtet (etwa wie im Fall der PKW-Maut geschehen), und wie will sie dann
die CO2-Reduktionsziele erreichen?

5. Von welchen Entschädigungsansprüchen gegenüber den Braunkohlekonzer-
nen geht die Bundesregierung aus, wenn die Braunkohlereserve aufgrund ih-
rer Nicht-EU-Konformität unzulässig ist?

Die Fragen 4 und 5 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beant-
wortet.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Sicherheitsbereitschaft beihilfe-
rechtlich genehmigungsfähig ist und dass das in dem laufenden Genehmigungs-
verfahren abschließend bestätigt werden wird.

Drucksache 18/7098 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

6. Nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl der Kraftwerksblöcke im Rah-
men der Kohlereserve bei den Gesprächen zwischen der Bundesregierung
und den Kraftwerksbetreibern?

Die Betreiber der Braunkohlekraftwerke haben die Kraftwerksblöcke ausgewählt.
Die Bundesregierung hat dabei sichergestellt, dass die Ziele der gesetzlichen Re-
gelung mit den von den Betreibern ausgewählten Kraftwerksblöcken auch er-
reicht werden. Bei der Auswahl der stillzulegenden Anlagen wurden verschie-
dene Kriterien berücksichtigt. Das wichtigste Kriterium war die Einsparung von
Kohlendioxid. Deshalb kamen nur Braunkohlekraftwerke in Betracht, da sie die
höchste Auslastung und die höchsten spezifischen Emissionen haben. Im Hin-
blick auf die Kohlendioxideinsparung wurden bei der Auswahl zwischen ver-
schiedenen Braunkohlekraftwerken grundsätzlich die älteren und ineffizienteren
Anlagen gewählt. Neben der Einsparung von Kohlendioxid wurden auch ver-
schiedene andere Kriterien berücksichtigt, unter anderem die Kosteneffizienz der
Gesamtmaßnahme, regionale Aspekte, die Beteiligung aller Betreiber von Braun-
kohlekraftwerken sowie Beschäftigungseffekte.

7. Rechnet die Bundesregierung damit, dass die Kraftwerksbetreiber von der
Möglichkeit der vorzeitigen endgültigen Stilllegung nach § 13g Absatz 6 des
Strommarktgesetzes Gebrauch machen, und wie begründet sie diese Mög-
lichkeit angesichts der angeblichen Notwendigkeit der Kohlereserve für die
Systemstabilität?

Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Betreiber der stillzulegenden
Kraftwerksblöcke von der Möglichkeit der vorzeitigen endgültigen Stilllegung
nach § 13g Absatz 6 EnWG (neu) keinen bzw. nur in einzelnen Ausnahmefällen
Gebrauch machen werden. Das ist durch die Ausgestaltung der Regelung ausrei-
chend sichergestellt. Dementsprechend steht der ganz überwiegende Teil der
Kraftwerke in der Sicherheitsbereitschaft zur Absicherung des Strommarktes zur
Verfügung.

8. Welche Stelle oder Institution soll nach Auffassung der Bundesregierung
operativ und unabhängig die Prüfung der Emissionsreduktion nach § 13g
Absatz 8 Satz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (neu; EnWG) übernehmen
und wird das Ergebnis dieser Prüfung zum 30. Juni 2018 öffentlich zugäng-
lich gemacht werden, und wenn ja, wo?

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie prüft im Einvernehmen mit
dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit bis
zum 30. Juni 2018, in welchem Umfang Kohlendioxidemissionen durch die Still-
legung der Kraftwerksblöcke im Jahr 2020 voraussichtlich zusätzlich eingespart
werden. Das Ergebnis dieser Überprüfung wird in geeigneter Form veröffentlicht.

9. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass neben den Gesamtkosten von
„230 Mio. Euro pro Jahr über sieben Jahre“ (www.bmwi.de/DE/ Presse/
pressemitteilungen,did=736020.html) keine weiteren Kosten anfallen, ge-
rade vor dem Hintergrund von vorherigen Zahlen bzgl. einer Einmalzahlung
an die Kohlekraftwerksbetreiber?

Die Bundesregierung rechnet nicht damit, dass neben den in § 13g Absatz 7
EnWG (neu) sowie in der Anlage und Begründung zu § 13g Absatz 7 EnWG
(neu) aufgeführten Kostenpositionen weitere Kosten anfallen werden.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7098

10. Erachtet die Bundesregierung die von RWE angegebene Zahl von bis zu
1 000 wegfallenden Arbeitsplätzen infolge der Kohlereserve (www.welt.de/
regionales/nrw/article148056944/Aus-fuer-Braunkohle-Revier-bangt-
um-3000-Jobs.html) als realistisch, während Vattenfall entsprechende
betriebsbedingte Kündigungen ausschließt (www.rbb-online.de/
wirtschaft/thema/ 2014/kohle/welzow/beitraege/zwei-bloecke-weniger-in-
jaenschwalde.html), und wenn nein, mit welchen Zahlen rechnet die Bun-
desregierung?

11. Wie ist es aus Sicht der Bundesregierung zu begründen, dass beim ersten
Vorschlag der Kohleabgabe sechsstellige Arbeitsplatzverluste angegeben
wurden (www.mdr.de/nachrichten/bsirske-protest-braunkohle-klimaabgabe
-gabriel100.html), während beim aktuellen Vorschlag mit bis zu 4 000 di-
rekten und indirekten Arbeitsplatzverlusten kalkuliert wird (www.focus.de/
finanzen/boerse/wirtschafts-news-ifo-konjunkturindex-truebt-sich-ein_id_
5038384.html)?

Die Fragen 10 und 11 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam be-
antwortet:

Die Bundesregierung kommentiert die Zahlen Dritter nicht.

12. Erachtet die Bundesregierung es als gerechtfertigt, dass die Wälzung der
Kohlereserve über die Netzentgelte stattfindet, vor dem Hintergrund, dass
dabei die Verbraucherinnen und Verbraucher stärker als die Industrie durch
die Befreiungen der Industrie in § 19 Absatz 2 der Stromnetzverordnung
(StromNEV) belastet werden (bitte begründen)?

13. Welcher Anteil der Gesamtkosten von über 1,6 Mrd. Euro für die Kohlere-
serve wird nach Kenntnis der Bundesregierung auf die von Ausnahmetatbe-
ständen entlastete Industrie entfallen, und wie hoch wäre dieser Anteil, gäbe
es die Ausnahmen nicht?

Die Fragen 12 und 13 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam be-
antwortet:

Es ist jährlich mit durchschnittlichen zusätzlichen Kosten von 230 Mio. Euro zu
rechnen, die sich erhöhend auf die Netzentgelte bzw. die Erlösobergrenzen der
Netzbetreiber auswirken. Erhöhungen der Netzentgelte bzw. Erlösobergrenzen
der Netzbetreiber wirken sich auch erhöhend auf die reduzierten Netzentgelte aus.
Das Ausmaß der Betroffenheit hängt stark von der individuellen Anschlusssitua-
tion und ggf. dem Reduzierungssatz der Netzentgelte (§ 19 Absatz 2 StromNEV)
ab. Daten dazu liegen der Bundesregierung nicht vor.

14. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass die Kosten
der Kohlereserve und der weiteren Instrumente mindestens das Doppelte des
ursprünglich geplanten Klimabeitrages betragen, und falls nein, von welcher
Mehrbelastung geht die Bundesregierung aus?

Die Instrumente „Klimabeitrag“ und „Sicherheitsbereitschaft“ sind strukturell
unterschiedliche Instrumente, so dass die Kosten nicht vergleichbar sind. Außer-
dem sind neben den Kosten stets auch alle anderen Auswirkungen eines Instru-
ments zu beachten.

Drucksache 18/7098 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

15. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass mit den
Braunkohlekraftwerken Frimmersdorf und Niederaußem (die laut Szenario-
rahmen des Netzentwicklungsplans in keinem der Szenarien 2025 mehr
Strom liefert und Niederaußem dort bereits 2019 stillgelegt werden soll)
Kraftwerksblöcke in die Reserve kommen, die infolge ihres Alters ohnehin
hätten abgeschaltet werden müssen (bitte begründen)?

Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Die genannten Kraftwerksblö-
cke sind bei der Bundesnetzagentur weder zur vorläufigen, noch zur endgültigen
Stilllegung angemeldet.

16. Hatte die Bundesregierung Kenntnis davon, dass RWE bereits mehrmals an-
gekündigt hat, Frimmersdorf bereits 2018 stillzulegen bzw. dass die Blöcke
in Niederaußem bereits zur Stilllegung angemeldet sind (Hintergrundpapier
der Klima Allianz zu Frimmersdorf „Abschaltung von Braunkohlekraftwer-
ken – Klima-Allianz warnt vor Trickserei und fordert weitere Stilllegungen)
bzw. Stilllegungsliste der BNetzA), und wenn ja, warum werden die Kraft-
werke dennoch in eine Reserve aufgenommen?

Den genannten Bericht hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
zur Kenntnis genommen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 15 verwie-
sen. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung die Be-
rechnungen Dritter nicht kommentiert.

17. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass mit dem Auslaufen des Ta-
gebaus Schöningen nach 2016 das Braunkohlekraftwerk Buschhaus
(MIBRAG) sowieso stillgelegt worden wäre, und wie rechtfertigt sie in die-
sem Zusammenhang die Subvention über die Kohlereserve?

Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Das Kraftwerk Buschhaus der
MIBRAG wird schon heute zum Teil mit Lieferungen aus dem Mitteldeutschen
Revier versorgt. Nach der vollständigen Auskohlung des Tagebaus Schöningen
soll die Brennstoffversorgung nach Unternehmensangaben vollständig aus dem
Mitteldeutschen Revier erfolgen und das Kraftwerk weiterbetrieben werden.

18. Ist nach Ansicht der Bundesregierung die in § 13i Absatz 5 EnWG (neu) be-
nannte „weitere Einsparung von bis zu 1,5 Millionen Tonnen CO2“ klima-
politisch in jedem Fall ausreichend zur Erreichung des durch die Reserve zu
erreichenden Reduktionszieles (von 12,5 Millionen Tonnen CO2) und wenn
ja, auf welche Berechnungen gründet sich diese Einschätzung?

19. Können im Rahmen der vorgesehenen Evaluation 2018 weitere Kraftwerks-
stillegungen bzw. Überführungen in eine Reserve in Erwägung gezogen wer-
den, und wenn ja, könnten nach Ansicht der Bundesregierung daraus zusätz-
lich erwachsende der Reduktionen über die in § 13i Absatz 5 EnWG (neu)
benannte „weitere Einsparung von bis zu 1,5 Millionen Tonnen CO2“ hin-
ausgehen?

Die Fragen 18 und 19 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam be-
antwortet.

Durch die Stilllegung der Erzeugungsanlagen und die zusätzlichen Maßnahmen
zur Einsparung von zusätzlich 1,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid müssen ins-
gesamt 12,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr 2020 eingespart werden.
Damit ist klargestellt, dass eine geringere zusätzliche Einsparung als zusätzlich
1,5 Millionen Tonnen durch die Betreiber der stillzulegenden Anlagen nur in Be-
tracht kommt, wenn dies genügt, um insgesamt 12,5 Millionen Tonnen zusätzlich

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/7098

im Jahr 2020 einzusparen. Die zusätzlichen Maßnahmen zur Einsparung von zu-
sätzlich 1,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid müssen ebenso wie die Stilllegung
von Erzeugungsanlagen zu einer dauerhaften Kohlendioxideinsparung führen.

20. Hält die Bundesregierung es für gerechtfertigt, dass der fossile Kraftwerks-
park, der für gut ein Drittel der derzeitigen rund 900 Millionen Tonnen CO2
verantwortlich ist, nun lediglich eine Emissionsminderung von 11 bis
12,5 Millionen Tonnen erbringen soll, obwohl im Aktionsprogramm Klima-
schutz das Doppelte vorgesehen war?

21. Welche zusätzlichen Maßnahmen im fossilen Kraftwerkspark wird die Bun-
desregierung unternehmen, um die 22 Millionen Tonnen CO2-Reduktion ge-
mäß des Aktionsprogramms Klimaschutz zu erreichen?

Die Fragen 20 und 21 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam be-
antwortet.

Im Aktionsprogramm Klimaschutz vom 3. Dezember 2014 wurde beschlossen,
dass weitere 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid unter besonderer Berücksichti-
gung des Stromsektors und des europäischen Zertifikatehandels erbracht werden
sollen. Die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD haben am 1. Juli 2015
vereinbart, dass der Minderungsbeitrag von 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid
durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen erbracht werden soll. Insge-
samt sollen durch die Stilllegung der Braunkohlekraftwerksblöcke 12,5 Millionen
Tonnen Kohlendioxid im Jahr 2020 zusätzlich eingespart werden. Durch die Re-
form der KWK-Förderung leistet die Kraft-Wärme-Kopplung einen zusätzlichen
Minderungsbeitrag von 4 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Die verbleibenden
5,5 Millionen Tonnen Kohlendioxideinsparung werden ab 2016 durch Effizienz-
maßnahmen im Gebäudebereich, in den Kommunen, in der Industrie sowie im
Schienenverkehr erbracht.

22. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Emissionsminderungs-
effekt der Kohlereserve (bitte nach einzelnen Kraftwerksblöcken aufschlüs-
seln)?

Insgesamt werden durch die Stilllegung der Anlagen 11 bis 12,5 Millionen Ton-
nen Kohlendioxid im Jahr 2020 zusätzlich eingespart. Dabei sind sogenannte
Rebound- bzw. Auffülleffekte berücksichtigt, die dadurch entstehen, dass inlän-
dische oder ausländische konventionelle Kraftwerke auf Grund der Stilllegung
der Anlagen mehr Strom erzeugen. Diese Effekte werden voraussichtlich gering
sein, da die anderen konventionellen Kraftwerke nicht in gleichem Umfang Strom
erzeugen werden wie die stillzulegenden Anlagen und da sie zudem deutlich ge-
ringere spezifische Kohlendioxidemissionen haben als die stillzulegenden Anla-
gen. Diese Angaben beruhen auf internen Abschätzungen.

23. Wie hoch sind die Kosten pro zusätzlicher eingesparter Tonne CO2 nach
Kraftwerksblöcken, und welche anderen Instrumente führen nach Berech-
nungen der Bundesregierung bzw. ihr bekannten Berechnungen zu geringe-
ren Kosten pro eingesparter Tonne CO2?

Es wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen.

Drucksache 18/7098 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

24. Wie will die Bundesregierung Planungssicherheit für die betroffenen Unter-
nehmen und Beschäftigten sicherstellen, wenn die Betreiber geeignete zu-
sätzliche Maßnahmen vorschlagen sollen, sofern sich bis 2018 die CO2-Re-
duktion nicht wie geplant entwickelt hat?

Betreiber der stillzulegenden Anlagen müssen bis zum 31. Dezember 2018 in
Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie einen Vor-
schlag vorlegen, mit welchen geeigneten Maßnahmen sie beginnend ab dem
Jahr 2019 jährlich bis zu 1,5 Millionen Tonnen Kohlendioxidemissionen zusätz-
lich einsparen werden, wenn bei der Überprüfung im Jahr 2018 absehbar ist, dass
die durch die Stilllegung der Erzeugungsanlagen angestrebte Kohlendioxidein-
sparung von zusätzlich 12,5 Millionen Tonnen im Jahr 2020 nicht erreicht wer-
den. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie tritt dazu mit jedem ein-
zelnen Betreiber in einen bilateralen Dialog. Dieses Verfahren stellt Planungssi-
cherheit für die Unternehmen und ihre Beschäftigten sicher.

25. Erachtet die Bundesregierung die Zeitspanne von zehn Tagen bis zur Be-
triebsbereitschaft bzw. elf Tagen bis zur Nettonennleistung von Kohlekraft-
werken in der Kohlereserve als angemessen angesichts des immer höher wer-
denden Anteils erneuerbarer Energien und der damit erforderlichen schnel-
len und flexiblen Fahrweise von Kraftwerken?

Die Vorlaufzeit ist gerechtfertigt, weil die Kraftwerksblöcke in der Sicherheits-
bereitschaft zusätzlich als letzte Absicherung der Stromversorgung, z. B. bei ext-
remen und längerfristig absehbaren Wettersituationen, eingesetzt werden sollen.

26. Wie lange braucht ein durchschnittliches fossiles Kraftwerk (bitte unter-
scheiden nach Brennstoffart) zum Erreichen der Betriebsbereitschaft, der
Mindestteilleistung und der Nettonennleistung, und wie lange brauchen nach
Kenntnis der Bundesregierung die in § 13g Absatz 1 EnWG (neu) aufgeführ-
ten Kraftwerksblöcke?

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und die Bundesnetzagentur
erheben diese Werte nicht.

27. Auf Grundlage welcher Berechnungen hat sich die Bundesregierung auf die
zehn bzw. elf Tage festgelegt, und welche weiteren Optionen standen im
Raum?

Die Fragen 27 und 32 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam be-
antwortet.

28. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass dies eine In-
flexibilität darstellt, die keinen wesentlichen Beitrag zur Versorgungssicher-
heit leistet (bitte begründen)?

Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Im Übrigen wird auf die Ant-
wort zu Frage 25 verwiesen.

29. Wie präzise ist in Bezug auf Zeit und Erzeugungsmenge die Prognose zur
Erzeugung von Wind und Solar heute?

Am Markt agieren eine Reihe hoch spezialisierter Dienstleister, die Anlagenbe-
treiber, Direktvermarkter oder Übertragungsnetzbetreiber dabei unterstützen, die
zu erwartende Einspeisung aus Wind- und Solarenergie am folgenden Tag mög-
lichst exakt vorherzusagen. Bezogen auf die erwartete eingespeiste Strommenge

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/7098

hat sich die Prognosegenauigkeit in letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Un-
abhängig von diesem allgemeinen Trend kann es aber zu extremen Wetterphäno-
menen kommen, die in den Prognosen nur unzureichend abbildbar sind.

30. Was geschieht mit dem Strom, welcher zum Anfahren der Kohlekraftwerke
auf Mindestlast unweigerlich produziert wird, und wo wird dieser Strom ver-
äußert bzw. genutzt, und welche Effekte ergeben sich daraus, und wird diese
Stromproduktion, welche ggf. veräußert wird, gegen die Subventionen an die
Kohlekraftwerksbetreiber gegengerechnet, falls nein, warum nicht?

Während der Sicherheitsbereitschaft darf in den stillzulegenden Anlagen Strom
nur im Fall eines Einsatzes nach § 13g Absatz 2 Satz 1 EnWG (neu) oder im Fall
eines mit dem zuständigen Betreiber eines Übertragungsnetzes abgestimmten
Probestarts erzeugt werden. Die Betreiber der Braunkohlekraftwerksblöcke dür-
fen den in diesen Fällen erzeugten Strom nicht vermarkten. Die Betreiber von
Übertragungsnetzen müssen die aus den stillzulegenden Anlagen eingespeisten
Strommengen in ihren Bilanzkreisen führen, dürfen die Strommengen aber nicht
auf den Strommärkten veräußern. Insofern ist eine Verrechnung mit der Vergü-
tung nicht erforderlich.

31. Kann die Bundesregierung definitiv ausschließen, dass Kohlekraftwerke
nach Ende der Kontrahierung in der Kohlereserve unter Erstattung der erhal-
tenen Zahlungen und gegebenenfalls einer Pönale an den Strommarkt zu-
rückkehren?

§ 13g Absatz 1 Satz 3 EnWG (neu) regelt, dass die stillzulegenden Anlagen nach
Ablauf des vierjährigen Verbots der endgültigen Stilllegung endgültig stillgelegt
werden müssen.

32. Weshalb soll die Betriebsbereitschaft im Rahmen der Kohlereserve bei über
zehn Tagen liegen und bei der Kapazitätsreserve nur acht Stunden, und wäre
nicht eine schnellere Betriebsbereitschaft bei der Kohlereserve angebracht?

Die Fragen 27 und 32 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam be-
antwortet.

Zur Vermeidung unnötiger Kohlendioxidemissionen und zusätzlicher Kosten
werden die Kraftwerksblöcke mit Überführung in die Sicherheitsbereitschaft in
einen „konservierten“ Zustand versetzt. Im Falle eines Abrufes erfordert die Ver-
setzung in den betriebsbereiten und startfähigen Zustand von Braunkohlekraft-
werksblöcken aus dem konservierten Zustand Vorlaufzeiten. Alternative techni-
sche Konzepte, wie z. B. die Teilkonservierung der Blöcke oder das „Warmhal-
ten“ hätte zu zusätzlichen laufenden Kosten sowie signifikanten Kohlendioxide-
missionen geführt. Eine schnellere Anfahrt der Blöcke ist auch gar nicht erforder-
lich, da die Kraftwerksblöcke in der Sicherheitsbereitschaft nur als „ultima ratio“
eingesetzt werden sollen.

Des Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 25 verwiesen.

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