BT-Drucksache 18/7062

Neue Zusammenarbeitsformen des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der Europäischen Kommission mit militärischen Gendarmerien

Vom 14. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7062
18. Wahlperiode 14.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,

Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke, Jan Korte, Niema Movassat,

Dr. Alexander S. Neu, Dr. Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE.

Neue Zusammenarbeitsformen des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der
Europäischen Kommission mit militärischen Gendarmerien

In gemeinsamen Trainings europäischer Polizeien wird unter anderem die Zu-
sammenarbeit mit der Europäischen Gendarmerietruppe (EUROGENDFOR) ge-
übt. Gendarmerien sind Polizeieinheiten mit militärischer Grundausbildung. Ge-
wöhnlich unterstehen sie dem Verteidigungsministerium und werden unter dem
Befehl der Innenministerien im Bereich der öffentlichen Sicherheit eingesetzt.
Als „robuste Polizeikräfte“ dürfen sie auch in Bürgerkriegsszenarien oder am
Rande militärischer Konflikte verwendet werden. Laut den EUROGENDFOR-
Statuten können die Gendarmen an die NATO und die OSZE (Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) ausgeliehen werden. Im Rahmen von
EU-Missionen in Drittstaaten ist ihr Einsatz im Artikel 42 des EU-Vertrages
(EUV) festgelegt. Demnach kann die Truppe bei Missionen außerhalb der Euro-
päischen Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung, Stärkung der interna-
tionalen Sicherheit und Bekämpfung des Terrorismus angefordert werden. Hierzu
gehören auch humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze sowie die militärische
Beratung und Unterstützung, aber auch Kampfeinsätze.

Zuletzt hatte die an der EUROGENDFOR teilnehmende rumänische Gendarme-
rie im September 2015 die Übung „RoGendIntEx 2015“ organisiert, die laut Me-
dienberichten nach „EU-Standards“ abgehalten wurde (tinyurl.com/ovy48ej). Zu
den Anwesenden gehörten 21 Länder und Organisationen, darunter außer den
Mitgliedern der EUROGENDFOR auch Deutschland, die Tschechische Repub-
lik, Moldawien, die Ukraine, China und die Türkei. Erstmals seien „Vertreter aus
Marokko, Tunesien und Serbien“ eingeladen gewesen. Die Berichte unterschei-
den nicht zwischen einer Teilnahme und einer Beobachtung. Ukrainische Berkut-
Einheiten hatten beispielsweise an einem ähnlichen Training bei Potsdam teilge-
nommen, während China und die Türkei bislang nur Beobachter schickten. Sei-
tens der EU waren mehrere Experten des Europäischen Auswärtigen Dienstes
(EAD) als Beobachter und Berater anwesend.

Unter dem Namen „European Union Police Services Training“ (EUPST) plant
die EU mittlerweile eine weitere Staffel internationaler Übungen von Polizei- und
Gendarmerietruppen (Plenarprotokoll 18/132). Während diese Veranstaltungen
früher unter der Verantwortung der Europäischen Kommission standen, war zu-
letzt der Europäische Auswärtige Dienst zuständig. Neben der Europäischen
Kommission sind auch die Landespolizei Nordrhein-Westfalens und Baden-
Württembergs sowie die Bundespolizei an der Vorbereitung der EUPST beteiligt.
Dabei geht es um die Unterstützung zukünftiger „Missionsteilnehmer“; im Fokus
steht die Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten. Die Trainings sind bereits

Drucksache 18/7062 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

fertig geplant, mit ihrer Umsetzung unter Beteiligung der deutschen Polizeikräfte
soll im ersten Halbjahr 2016 begonnen werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was ist der Bundesregierung über die Beteiligten an der Planung und Durch-
führung der Übung „RoGendIntEx 2015“ in Rumänien bekannt, die nach
Medienberichten nach „EU-Standards“ abgehalten worden sein soll?

2. Was ist der Bundesregierung (etwa durch ihre eigene Teilnahme oder die des
im Bundesministerium des Innern angesiedelten Beauftragten der Bereit-
schaftspolizeien der Länder) darüber bekannt, welche Rolle deutsche Poli-
zeibehörden bei der „RoGendIntEx 2015“ übernahmen?

3. Welche Länder und Organisationen waren nach Kenntnis der Bundesregie-
rung als Beobachtende und welche Länder waren als Teilnehmende beteiligt?

4. Vertreter welcher Behörden aus Marokko, Tunesien und Serbien waren nach
Kenntnis der Bundesregierung eingeladen, und welche zukünftige Zusam-
menarbeit ist mit diesen Ländern beabsichtigt?

5. In welchen Trainings haben Polizeien des Bundes oder der Länder nach
Kenntnis der Bundesregierung in den letzten fünf Jahren mit ukrainischen
Berkut-Einheiten die Reaktion auf mitunter militante Proteste geübt?

6. Wann genau sollen die Übungen der EUPST II beginnen, bzw., sofern dies
weiterhin noch nicht bekannt ist, wann und von wem sollen Zeitpläne der
neuen EUPST bekanntgemacht werden?

7. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche dem Verteidigungs-
ministerium unterstehenden Gendarmerien welcher Länder an den EUPST II
als Durchführende teilnehmen wollen?

8. Inwiefern ist auch die EUROGENDFOR mittelbar oder unmittelbar an den
EUPST II beteiligt?

9. Welche Länder und Regionen werden von den EUPST II nach Kenntnis der
Bundesregierung als Teilnehmende adressiert?

10. Auf welche Weise sollen die von der Bundesregierung benannten Schwer-
punkte von „klassischen“ zivilpolizeilichen Tätigkeiten in internationalen
Polizeimissionen (Mentoring, Monitoring, Advising und Training) umge-
setzt werden?

11. Auf welche Weise sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Landespoli-
zeien Nordrhein-Westfalens und Baden-Württembergs sowie die Bundespo-
lizei an der Vorbereitung einer neuen Staffel von EUPST beteiligt?

12. In welchen Übungen oder Trainings haben welche deutschen Behörden nach
Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2015 mit Gendarmerieeinheiten zu-
sammengearbeitet und dabei die Reaktion auf mitunter militante Proteste ge-
übt (bitte auch die jeweiligen Behörden der Entsendeländer benennen)?

13. Auf welche Weise haben in diesen Übungen auch Strukturen der
EUROGENDFOR mitgearbeitet?

14. Was ist der Bundesregierung über Inhalte eines Kooperationsabkommens
des EAD mit der EUROGENDFOR bekannt?

15. Wann wurde das Abkommen beschlossen, und welche Akteure haben dieses
unterzeichnet?

16. Welche Position hatte die Bundesregierung im Rat hinsichtlich der Notwen-
digkeit eines solchen Abkommens vertreten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7062

 

17. Welche Defizite in der Sicherheitszusammenarbeit könnten aus Sicht der
Bundesregierung mit einem solchen Abkommen überbrückt werden?

18. Inwiefern ist auch die Bundesregierung der Ansicht, die EUROGENDFOR
könne die EU beim „Management von Krisen“ stärken, und um welche ge-
genwärtigen oder womöglich zukünftigen Krisen handelt es sich dabei?

19. Was ist der Bundesregierung über Pläne und Verhandlungen über ein neuer-
liches Abkommen des EAD mit der EUROGENDFOR zum Austausch klas-
sifizierter Informationen bekannt?

20. Aus welchen Gründen ist ein solches Abkommen aus Sicht der Bundesregie-
rung überhaupt notwendig?

21. Was ist der Bundesregierung über Inhalte eines vorläufigen Abkommens
zum Austausch klassifizierter Informationen zwischen der EUROGENDFOR
und EU-Agenturen bekannt, das der EAD mit dem italienischen Geheim-
dienstkoordinator geschlossen hat?

22. Welche EU-Dokumente welcher Herkunft und Einstufungen können nach
Kenntnis der Bundesregierung über dieses Abkommen an die
EUROGENDFOR weitergegeben werden?

23. Was ist der Bundesregierung über Pläne zur stärkeren Einbindung der
EUROGENDFOR in die EU-Lagezentren zur Krisenreaktion und den Mili-
tärstab der Europäischen Union bekannt?

24. Inwiefern haben nach Kenntnis der Bundesregierung auch Behörden des
Bundes oder Länder an entsprechenden Sitzungen zur Diskussion entspre-
chender Pläne zur stärkeren Einbindung der EUROGENDFOR in die
EU-Außen- und -Sicherheitspolitik teilgenommen, und welche Ergebnisse
sind ihr hierzu bekannt?

25. Was ist der Bundesregierung über Pläne zur Beteiligung der
EUROGENDFOR an der EU-Kontrollmission „EUBAM Rafah“ an der
ägyptischen Grenze des Gazastreifens bekannt, und welche Aufgabe würde
die Truppe dort übernehmen?

26. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, in welche Länder die
EUROGENDFOR Verbindungsbeamte entsandt hat, und unter welchem EU-
oder UN-Mandat stehen diese jeweils?

27. In welchen EU-Missionen ist die EUROGENDFOR nach Kenntnis der Bun-
desregierung derzeit eingesetzt, und welche konkreten Aufgaben werden
dort übernommen?

28. In welchen Regionen ist die EUROGENDFOR dort aktiv?

29. An welchen Polizeiauslandseinsätzen der EU sind bzw. waren seit 2006 so-
wohl deutsche als auch EUROGENDFOR-Einheiten oder andere Gendarme-
rien beteiligt?

Drucksache 18/7062 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

30. An welchen Polizeiausbildungsmissionen der EU sind bzw. waren nach
Kenntnis der Bundesregierung sowohl deutsche als auch EUROGENDFOR-
Polizeieinheiten oder andere Gendarmerien seit 2006 beteiligt?

a) Aus welchen Einheiten und in welchen Personalstärken waren bzw. sind
diese jeweils im Einzelnen zusammengesetzt?

b) Was war bzw. ist der jeweilige Ausbildungsauftrag, und gehörte bzw. ge-
hört dazu auch Aufstandsbekämpfung?

c) Welche Waffen wurden bzw. werden im Rahmen der Ausbildungsmissi-
onen eingesetzt bzw. von deren Anwendung trainiert, und wie waren bzw.
sind deutsche Polizeieinheiten an diesen Trainings beteiligt?

31. Inwiefern arbeiten Angehörige deutscher Behörden in Mali mit
EUROGENDFOR-Kräften zusammen?

32. Inwiefern und unter welchen Einschränkungen hält die Bundesregierung den
Einsatz der EUROGENDFOR unter den gegenwärtigen Bedingungen (Ver-
trag der EUROGENDFOR mit dem EAD, Artikel 42 EUV) auch innerhalb
der EU-Mitgliedstaaten oder auch ihrer Botschaften, auf Offshore-Anlagen
oder Schiffen für rechtlich möglich?

33. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern Regierungen der
EU-Mitgliedstaaten oder auch EU-Strukturen nach den jüngsten Anschlägen
von Paris oder neuen Migrationsbewegungen die Aktivierung der Solidari-
tätsklausel nach Artikel 222 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europä-
ischen Union erwogen haben?

Berlin, den 14. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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