BT-Drucksache 18/7034

Austausch geheim eingestufter Informationen unter europäischen Geheimdiensten, Polizeien und Militärs

Vom 14. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7034
18. Wahlperiode 14.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Annette Groth, Dr. André Hahn,

Inge Höger, Ulla Jelpke, Martina Renner und der Fraktion DIE LINKE.

Austausch geheim eingestufter Informationen unter europäischen
Geheimdiensten, Polizeien und Militärs

Als „Netzanwendung für den sicheren Informationsaustausch“ betreibt die EU-
Polizeiagentur Europol seit dem 1. Juli 2009 eine „Secure Information Exchange
Network Application“ (SIENA, Europol-Jahresbericht 2011). Das Instrument
soll die „schnelle, sichere und nutzerfreundliche Kommunikation“ sowie den
Austausch operativer und strategischer kriminalpolizeilicher Informationen und
Erkenntnisse zwischen Europol, den Verbindungsbüros der Mitgliedstaaten und
Dritten, die über Kooperationsabkommen mit Europol verfügen, ermöglichen
(etwa Eurojust, INTERPOL, aber auch Australien, Kanada, Norwegen, die
Schweiz und die USA). Laut der Europol-Webseite sind im vergangenen Jahr
573 Behörden und 4 722 Nutzende aus 28 Mitgliedstaaten vernetzt gewesen.
Laut Europol seien 14 Dritte direkt und 19 weitere indirekt angeschlossen.
34 472 neue Fälle seien eröffnet worden, davon 4 Prozent von Dritten. Unter den
fünf größten Tatkomplexen finden sich „Drogen“ und „illegale Einwanderung“.

Auch deutsche Behörden führen ihre Zugriffe auf Europols Informationssysteme
mittels SIENA durch (Bundestagsdrucksache 16/9987). Hierzu zählen außer dem
Bundeskriminalamt die Bundespolizei, der Zollfahndungsdienst und Staatsan-
waltschaften.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wer hat das SIENA-Netzwerk nach Kenntnis der Bundesregierung einge-
richtet und zertifiziert?

2. Auf welche Weise und mit welchen Produkten werden in SIENA verteilte
Nachrichten soft- und hardwareseitig verschlüsselt (bitte Produkt- und Her-
stellername angeben)?

3. Welche über SIENA kommunizierenden polizeilichen oder geheimdienstli-
chen Arbeitsgruppen oder Netzwerke sind der Bundesregierung bekannt?

4. Welchen weiteren Dritten wird gestattet, ebenfalls an SIENA teilzunehmen
(bitte nach direkten und indirekten Anschlüssen darstellen)?

5. Inwiefern ist eine solche Teilnahme Dritter nur nach Abschluss eines Koope-
rationsabkommens mit Europol gestattet, und welche Regelungen müssen
darin enthalten sein?

6. Welche deutschen Behörden nehmen direkt oder indirekt an SIENA teil?

Drucksache 18/7034 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

7. Welche Staatsschutz- oder Terrorismusbehörden welcher EU-Mitgliedstaa-
ten verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung über einen SIENA-Zu-
gang?

8. Welche weiteren sicheren Informationsnetze existieren für Sicherheitsbehör-
den auf EU-Ebene, und auf welche Weise sind diese verschlüsselt?

9. Was ist der Bundesregierung über Planungen bekannt, ein eigenes SIENA-
Netzwerk zu Terrorismus bzw. Terrorismusabwehr einzurichten, und worum
handelt es sich dabei?

10. Inwiefern sollen an einem solchen Netzwerk auch Dritte teilnehmen, und
welche wurden hierzu nach Kenntnis der Bundesregierung angefragt?

11. Welche Dokumente welcher Einstufung können derzeit unter welchen Be-
dingungen über SIENA kommuniziert werden?

12. Welche Planung zum Austausch erweiterter Einstufungen existieren nach
Kenntnis der Bundesregierung, und wann sollen diese umgesetzt werden?

13. Inwiefern bzw. unter welcher Maßgabe wäre es aus Sicht der Bundesregie-
rung möglich, über SIENA auch als „geheim“ eingestufte Informationen zir-
kulieren zu lassen?

14. Inwiefern verfügt Europol außer SIENA über weitere Kommunikationssys-
teme zum Austausch von als „geheim” klassifizierten Informationen, bzw.
wann sollen diese eingerichtet sein?

15. Welche Pläne für technische oder bauliche Veränderungen bei den Agentu-
ren Europol und Frontex sind der Bundesregierung bekannt, um zukünftig
höher eingestufte Informationen und Dokumente verarbeiten zu können, und
wann sind diese abgeschlossen (worden)?

16. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern auch die nicht zur
EU gehörende „Police Working Group on Terrorism“ (PWGT) über ein ei-
genes, mit SIENA vergleichbares System verfügt, und auf welche Weise ist
dieses verschlüsselt?

17. Inwiefern ist beabsichtigt, dass die PWGT zukünftig ebenfalls an SIENA
teilnimmt?

18. Wie hat sich die Bundesregierung zu einem etwaigen entsprechenden Vor-
schlag verhalten?

19. Auf welche Weise werden nach Kenntnis der Bundesregierung EU-Ver-
schlusssachen (European Union classified information, EUCI) verschlüsselt,
und wer hat dieses Verfahren entwickelt?

20. Von welchen Agenturen, sonstigen Einrichtungen der EU sowie Dritten wird
EUCI nach Kenntnis der Bundesregierung genutzt?

21. Welche „Behörden“ hatten nach Kenntnis der Bundesregierung hinsicht-
lich des mutmaßlichen Attentäters Mehdi Nemmouche trotz laufender Er-
mittlungen ihre Informationen (etwa Ausschreibung zur verdeckten Kon-
trolle im Schengener Informationssystem der zweiten Generation – SIS II –
sowie zur Festnahme zwecks Auslieferung) „bereits öffentlich gemacht“,
sodass auch die Bundesregierung hierzu Stellung nahm (Bundestagsdruck-
sache 18/6223)?

a) Inwiefern haben „Behörden“ nach Kenntnis der Bundesregierung mittler-
weile auch Informationen zur Ausschreibung des mutmaßlichen Attentä-
ters Ayoub El K. zur verdeckten Kontrolle im SIS II oder in anderen
Polizeidatenbanken „bereits öffentlich gemacht“, und zu welchen weite-
ren Erläuterungen sieht sich die Bundesregierung nun bereit?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7034

 

b) Seit wann war Ayoub El K. nach Kenntnis der Bundesregierung zur ver-
deckten Kontrolle im SIS II ausgeschrieben?

c) Auf welche Weise werden „die Länder Frankreich, Schweiz, Belgien,
Deutschland und Italien“ nach Kenntnis der Bundesregierung „wo not-
wendig“ Passagier- und Gepäckkontrollen bei Zugreisenden intensivie-
ren?

d) Wann und wo sollen diese Kontrollen beginnen bzw. haben sie bereits
begonnen?

22. Welche Position vertritt die Bundesregierung hinsichtlich der Notwendigkeit
eines EU-Systems zur Nachverfolgung der Terrorismusfinanzierung (EU-
TFTP)?

a) Welche Informationen welcher Einstufungen können Polizeien, Zoll und
Geheimdienste der EU-Mitgliedstaaten derzeit mit den USA im Rahmen
des SWIFT-Abkommens (SWIFT – Abkommen zwischen der Europäi-
schen Union und den USA über die Verarbeitung von Zahlungsverkehrs-
daten und deren Übermittlung aus der Europäischen Union an die USA
für die Zwecke des Programms zum Aufspüren der Finanzierung des Ter-
rorismus) austauschen?

b) Wie hat sich die Zahl von Anfragen deutscher Behörden im Rahmen des
SWIFT-Abkommens sowie unaufgeforderter Meldungen (z. B. gefun-
dene Übereinstimmungen) seitens der US-Behörden seit Einrichtung des
Systems entwickelt?

c) Inwiefern werden nach Kenntnis der Bundesregierung auch nicht über
SWIFT abgewickelte SEPA-Überweisungen von US-Behörden verarbei-
tet?

d) Wie positioniert sich die Bundesregierung auf EU-Ebene zur Notwendig-
keit eines zentralen Bankkontenregisters?

23. Auf welchen Abkommen beruht der Austausch eingestufter Informationen
unter den Agenturen FRONTEX und Europol sowie dem Europäischen Aus-
wärtigen Dienst?

24. Über welche Kanäle tauschen nach Kenntnis der Bundesregierung die ge-
heimdienstlichen EU-Lagezentren INTCEN und EUMS-INT sowie das Sa-
tellitenzentrum SatCen eingestufte Informationen mit den Agenturen
FRONTEX und Europol sowie dem Europäischen Auswärtigen Dienst, und
auf welchen Abkommen beruht diese Praxis?

25. Welche Netzwerke werden von den Agenturen FRONTEX und Europol so-
wie dem Europäischen Auswärtigen Dienst genutzt, um nicht eingestufte In-
formationen auszutauschen, und auf welche Weise werden diese verschlüs-
selt?

26. Was ist der Bundesregierung über Pläne des Europäischen Auswärtigen
Dienstes bekannt, zukünftig auch eingestufte Informationen mit der Europä-
ischen Gendarmerietruppe EUROGENDFOR auszutauschen?

a) Um welche Einstufungen handelt es sich dabei, und über welche Kanäle
werden diese dann versandt?

b) Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung den Austausch eingestuf-
ter Informationen mit der Europäischen Gendarmerietruppe für notwen-
dig oder entbehrlich?

27. Über welche Netzwerke werden eingestufte oder nicht eingestufte Informa-
tionen der militärischen Missionen sowie der Krisenreaktionsstrukturen und
Lagezentren der EU gewöhnlich verteilt, und auf welche Weise werden diese
verschlüsselt?

Drucksache 18/7034 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

28. Auf welche Weise bzw. über welche Netzwerke tauschen die Angehörigen
der EU-Militärmission EUNAVFOR MED und der FRONTEX-Mission
nach Kenntnis der Bundesregierung eingestufte oder nicht eingestufte Infor-
mationen, und auf welche Weise werden diese verschlüsselt?

29. Welche der beschriebenen Kryptographieverfahren auf EU-Ebene wurden
von deutschen Behörden entwickelt oder umgesetzt, bzw. welche zukünfti-
gen Pläne existieren hierfür?

30. Inwiefern hält es die Bundesregierung für notwendig oder entbehrlich, den
Austausch eingestufter Informationen unter den Agenturen FRONTEX und
Europol sowie dem Europäischen Auswärtigen Dienst und weiteren Diensten
oder auch Dritten durch neue oder erweiterte Abkommen rechtlich zu regeln?

31. Welche Stellen der Europäischen Union sind derzeit mit der Ausarbeitung
neuer Abkommen oder entsprechender Studien beauftragt oder befasst?

32. Für wen sollten diese Abkommen gelten, und welche Einstufungen beträfen
diese?

Berlin, den 14. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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