BT-Drucksache 18/6994

zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Drucksache 18/6549 - Bevölkerungsstatistiken verbessern - Zivile Registrierungssysteme stärken

Vom 10. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6994
18. Wahlperiode 10.12.2015

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksache 18/6549 –

Bevölkerungsstatistiken verbessern – Zivile Registrierungssysteme stärken

A. Problem

Erst durch die amtliche Registrierung der Geburt in einem zivilen Registrierungs-
system erlangt ein Kind seine rechtliche Identität und wird offiziell zum Bürger
seines Staates, und nur so kommen ihm weitere bürgerliche, politische, soziale,
wirtschaftliche und kulturelle Rechte zu.

Ohne Eintrag in ein Geburtenregister erhält man keinen Pass, besitzt keine Wahl-
rechte, kann kein Grundeigentum erwerben oder erben, bekommt keinen Zugang
zu Bildungsangeboten und Gesundheitsleistungen und wird bei Naturkatstrophen
nur schwer ausfindig zu machen sein.

Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass man häufiger Opfer von Menschenhandel,
Verschleppung, sexuellem Missbrauch, Rekrutierung und Zwangsverheiratung
wird. Darüber hinaus muss damit gerechnet werden, dass die Justiz im Zweifels-
fall nach dem Erwachsenenstrafrecht handelt. Besonders großen Problemen sind
nichtregistrierte Flüchtlingskinder ausgesetzt.

Weltweit werden jährlich 230 Millionen Neugeborene nicht offiziell registriert;
davon leben 85 Millionen Kinder in Afrika südlich der Sahara und 125 Millionen
in Südostasien.

Klassische Hürden der Registrierung in Entwicklungsländern sind vor allem feh-
lende oder separat agierende Registrierungssysteme, beispielsweise getrennt ar-
beitende Gesundheitsstationen und Kommunalverwaltungen, schwer zu überwin-
dende räumliche Distanzen zu den städtischen Meldestellen und die mit der Re-
gistrierung verbundenen Kosten.

Die Geburtenregistrierung ist nicht nur ein zentrales Thema der Entwicklungspo-
litik bei der Sicherstellung von individuellen Menschenrechten, sondern auch zur
Generierung von Statistiken als Datenquelle für eine nachhaltige staatliche Pla-
nung des öffentlichen Sektors zur Daseinsvorsorge.

Drucksache 18/6994 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Dem haben die Vereinten Nationen mit dem Unterziel der nachhaltigen Entwick-
lungsziele (Sustainable Development Goals, SDG) zur universellen Geburtenre-
gistrierung bis zum Jahr 2030 Rechnung getragen. Deutschland ist herausgefor-
dert, an der Umsetzung dieses Ziels mitzuwirken.

B. Lösung

Einstimmige Annahme des Antrags.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6994
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/6549 anzunehmen.

Berlin, den 2. Dezember 2015

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar G. Wöhrl
Vorsitzende

Dr. Georg Kippels
Berichterstatter

Michaela Engelmeier
Berichterstatterin

Niema Movassat
Berichterstatter

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

Drucksache 18/6994 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Dr. Georg Kippels, Michaela Engelmeier, Niema Movassat
und Uwe Kekeritz

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache 18/6549 in seiner 133. Sitzung am 05.11.2015 beraten
und an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur federführenden Beratung und
an den Haushaltsausschuss, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Ge-
sundheit und den Ausschuss für Kultur und Medien zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Bundesregierung wird von den Antragstellern aufgefordert, sich im Rahmen von Regierungsverhandlungen
mit Partnerländern der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) für das Recht jedes Kindes auf eine rechtliche Iden-
tität, insbesondere durch eine Geburtenregistrierung, einzusetzen und auf deren Bedeutung für eine evidenzba-
sierte Entwicklungsplanung und das Monitoring nationaler und globaler Ziele hinzuweisen.

Bei der Umsetzung, etwa beim Aufbau von Registrierungssystemen, sollen die Regierungen unterstützt werden.
Das beinhaltet nicht nur die Organisations- und Prozessreformen in Bürgerämtern auf lokaler Ebene, sondern
auch die technische Ausstattung sowie die Weiterbildung der damit betrauten Mitarbeiter.

Darüber hinaus soll im Rahmen der EZ durch Aufklärungs- und Informationskampagnen das Bewusstsein in
der Bevölkerung der Partnerländer über die Bedeutung von Geburtenregistrierung und den Nutzen einer recht-
lichen Identität geschärft werden.

Die Antragsteller fordern weiterhin die Bundesregierung auf, in ihren bilateralen EZ-Programmen das Thema
Geburtenregistrierung mit anderen Sektoren wie gute Regierungsführung oder Ländliche Entwicklung zu ver-
zahnen. Insbesondere soll das bei allen Aktivitäten der Global Alliance for Vaccines an Immunisation Initiative
(GAVI) erfolgen, damit zeitgleich zur Immunisierung Kinder und Eltern registriert werden.

Flankierend dazu sollen Maßnahmen gefördert werden, die die Barrieren, wie beispielsweise räumliche Distan-
zen oder indirekte Kosten, beim Zugang zur Geburtenregistrierung abbauen helfen. Ziel muss es sein, dass jedes
Kind eine gebührenfreie Registrierung sowie eine kostenlose offizielle Geburtsurkunde erhält.

Von der Bundesregierung soll ein Forschungsauftrag vergeben werden, der herausarbeiten soll, welche Systeme
der Geburtenregistrierung sich besonders bewährt haben. Dabei sollen auch Aspekte der Nutzung innovativer
Technologien zum Aufbau von Registrierungssystemen (digitale Geburtenregistrierung) berücksichtigt werden.

Schließlich soll in Kooperation mit Mobilfunkunternehmen nach neuen Methoden und Ansätzen gesucht wer-
den, die Geburtenregistrierung per Short Message Service (SMS) voranzubringen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Haushaltsausschuss hat die Vorlage 18/6549 in seiner 64. Sitzung am 02.12.2015 beraten und empfiehlt
einstimmig die Annahme des Antrages.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat die Vorlage 18/6549 in seiner 48. Sitzung am
02.12.2015 beraten und empfiehlt einstimmig die Annahme des Antrages.

Der Ausschuss für Gesundheit hat die Vorlage 18/6549 in seiner 60. Sitzung am 02.12.2015 beraten und emp-
fiehlt einstimmig die Annahme des Antrages.

Der Ausschuss für Kultur und Medien hat die Vorlage 18/6549 in seiner 46. Sitzung am 02.12.2015 beraten
und empfiehlt einstimmig die Annahme des Antrages.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6994

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat die Vorlage in seiner 46. Sitzung
am 02.12.2015 beraten und empfiehlt einstimmig die Annahme des Antrages.

Die Fraktion der CDU/CSU unterstreicht die Bedeutung der Registrierung als Rechtsakt der Individualisie-
rung eines Menschen. Es gehe dabei sowohl um ein grundsätzliches Menschenrecht für ein Individuum als auch
um eine Voraussetzung für ein funktionierendes Staatswesen. Dazu gehörten Fragen zum Lebensalter, zur
Schulpflicht, zur Geschäftsfähigkeit, zur strafrechtlichen Verantwortung, zur Wehrpflicht und zur Teilhabe an
der Gesundheitsversorgung. Diese Notwendigkeiten würden ganz aktuell in der Flüchtlingsdebatte noch einmal
vor Augen geführt, wo es um die Frage gehe, aus welchem Herkunftsland jemand komme und wie alt er sei.
Inzwischen stünden zahlreiche technische Unterstützungsleistungen zur Verfügung, die in Afrika bereits große
Verbreitung erfahren hätten. Insbesondere müsse man dafür Sorge tragen, dass die Registrierung „barrierefrei“,
also ohne Zusatznachweise, und kostenfrei erfolgen könne.

Die Fraktion der SPD schließt sich der Einschätzung der Fraktion der CDU/CSU an. Mit dem Antrag wolle
man sich speziell für die Umsetzung von Artikel 7 der VN-Kinderrechtskonvention einsetzen, einer Konvention,
der die meisten Staaten beigetreten seien. Welche existentielle Bedeutung das habe, werde am Beispiel der 231
von Boko Haram entführten Mädchen in Nigeria sehr anschaulich. 80 Prozent der Mädchen seien bei ihrer
Geburt nicht registriert worden und würden damit faktisch überhaupt nicht existieren. Das mache die Suche
nach ihnen natürlich sehr schwer. Man plädiere vor dem Hintergrund des gemeinsamen entwicklungs- und
menschenrechtspolitischen Anliegens an die Opposition, diesem Antrag zuzustimmen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärt, den Zusammenhang mit Boko Haram sehe man zwar
nicht, da die Terroristen nicht nach der Geburtsurkunde fragen würden, sehe aber durchaus die gute Absicht der
Antragsteller, die man teile. Man hätte es besser gefunden, wenn darüber hinaus eine Analyse vorgenommen
worden wäre, worin die Schwierigkeiten für solche Registrierungen bestehen würden. In Uganda beispielsweise
sei der Wille zur Registrierung sehr wohl vorhanden, und trotzdem gelinge es nicht, sie landesweit durchzufüh-
ren. Sehr oft hänge das mit fundamentalen strukturellen Hindernissen zusammen. Auf diese Fragen gehe der
Antrag jedoch nicht ein. Zudem sage der Antrag nichts darüber aus, wer die Kosten für solche Registrierungs-
systeme übernehmen solle. Da insgesamt gesehen nichts Falsches in dem Antrag stehe, werde man dennoch
zustimmen.

Die Fraktion DIE LINKE. schließt sich der Argumentation der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an. Im
Übrigen sei dieses Anliegen ein Unterpunkt bei den neuen SDGs. Man unterstütze die Forderung der Antrag-
steller, einen Forschungsauftrag zu diesem Thema zu vergeben, denn dann hätte man die notwendigen Infor-
mationen, welche Systeme der Geburtenregistrierung sich bewährt hätten. Darum werde man dem Antrag eben-
falls zustimmen.

Berlin, den 2. Dezember 2015

Dr. Georg Kippels
Berichterstatter

Michaela Engelmeier
Berichterstatterin

Niema Movassat
Berichterstatter

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

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