BT-Drucksache 18/6982

Auswirkungen und Regulierung von hormonell wirksamen Substanzen

Vom 2. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6982
18. Wahlperiode 02.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Maisch, Harald Ebner, Peter Meiwald, Matthias Gastel,
Friedrich Ostendorff und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auswirkungen und Regulierung von hormonell wirksamen Substanzen

Hormonell wirksame Substanzen – sogenannte endokrine Disruptoren – kommen
in vielen Alltagsprodukten wie Spielzeug, Kleidung, Kosmetika oder Möbeln vor.
Es sind bis zu 800 Stoffe bekannt, für die eine endokrine Wirkung entweder nach-
gewiesen oder vermutet wurde (www.who.int/ceh/publications/endocrine/en/).
Dazu gehören Weichmacher in Kunststoffen wie Phthalate sowie Bisphenol A
(BPA) oder polychlorierte Bephenyle (PCB). Endokrine Disruptoren finden sich
ebenso in Pestiziden und Bioziden. Es gibt wissenschaftlich keinen Zweifel mehr,
dass hormonell wirksame Stoffe erhebliche gesundheitliche und ökologische
Schäden hervorrufen können (press.endocrine.org/doi/pdf/10.1210/er.2015-
1093). Die jährlichen Kosten, die sich daraus in der EU ergeben, werden auf
mindestens 157 Mrd. Euro beziffert (www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC
4399291/). Eine Studie der Health and Environment Alliance (HEAL) geht allein
für Deutschland von über 100 Mrd. Euro Kosten durch Gesundheitsschäden und
Krankheiten aus, die im Zusammenhang mit endokrinen Disruptoren stehen. Die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Umweltprogramm der Vereinten
Nationen (UNEP) sprechen von einer globalen Bedrohung (www.unep.org/
pdf/WHO_HSE_PHE_IHE_ 2013.1_eng.pdf).

Im europäischen Pestizid- und Biozidrecht wurde bereits in den Jahren 2009 und
2012 beschlossen, dass Wirkstoffe mit endokrin wirksamen Eigenschaften, die
schädliche Auswirkungen auf den Menschen bzw. schwerwiegende Auswirkun-
gen auf die Umwelt haben können, künftig nicht mehr verwendet werden dürfen.
Danach hatte die EU-Kommission bis Ende 2013 einen entsprechenden Kriteri-
enkatalog zur Identifizierung solcher hormonell wirksamer Chemikalien vorzule-
gen. Diese Frist wurde nicht eingehalten und ein entsprechender Katalog liegt bis
heute nicht vor. Stattdessen wurde ein Impact Assessment verschiedener Optio-
nen zur Identifizierung und zur Regulierung von endokrinschädlichen Pestiziden
und Bioziden initiiert. Aus dem Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2016
geht hervor, dass ein Abschluss dieses Verfahrens auch 2016 nicht zu erwarten
ist. Derzeit läuft wegen Nichteinhaltung der Frist der Biozid-Verordnung eine von
Schweden initiierte und von Ministerrat und EU-Parlament mitgetragene Klage
gegen die Europäische Kommission.

Des Weiteren ist es besorgniserregend, dass sich die Europäische Kommission in
ihrem Arbeitsplan nicht an der allgemein akzeptierten Definition zu endokrinen
Disruptoren gemäß WHO/IPCS (2002) orientiert, sondern eigenmächtig eine völ-
lig neue, nicht abgestimmte, rein humantoxikologische und risikobasierte Defini-
tion in dem offiziellen Dokument einführt: „Endocrine disruptors are chemicals
that, at certain doses, can interfere with the hormone system in mammals“
(ec.europa.eu/atwork/pdf/cwp_2016_en.pdf).

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Der EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Vytenis
Andriukaitis betonte in einer Plenardebatte des EU-Parlaments im März 2015,
dass Verzögerungen insofern akzeptabel seien, da die Interimskriterien den
Schutz von Mensch und Umwelt ausreichend sicherstellen würden. Ein aktueller
Bericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) belegt je-
doch im Falle derzeitiger Genehmigungsprüfungen von Pestizidwirkstoffen, dass
Antragsteller und berichterstattende Mitgliedsstaaten nicht ausreichend dafür
Sorge tragen, Datenlücken zu schließen, um eine Bewertung auf Basis der Inte-
rimskriterien vornehmen zu können. Informationen zu ökotoxikologischen Aus-
wirkungen wären aufgrund der begrenzten Datenlage überhaupt nicht ableitbar
(www.efsa.europa.eu/en/press/news/150923?utm_content=hl&utm).

In anderen Bereichen haben einzelne Nationalstaaten bereits gehandelt. In Frank-
reich beispielsweise wurde die Verwendung von BPA in Lebensmittelverpackun-
gen mit Verweis auf das Vorsorgeprinzip verboten. Ein ähnliches Verbot haben
die Verbraucherminister der Länder bei der Verbraucherministerkonferenz im
Mai 2015 auch für Deutschland gefordert. Außerdem haben die Länderminister
die Bundesregierung aufgefordert, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, den
Grenzwert für BPA an die Neubewertung der EFSA anzupassen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hält die Bundesregierung die Entwicklung von wissenschaftlichen Krite-
rien für die Bewertung von Substanzen mit endokrinschädigenden Eigen-
schaften für politisch prioritär, und wenn ja, mit welcher Begründung?

Wenn nein, warum nicht?

2. a) Haben die Bundesministerien auf der obersten Leitungsebene (Bundes-
ministerinnen und Bundesminister, Staatssekretärinnen und Staatssek-
retäre) in dieser Legislaturperiode Anstrengungen unternommen, um
die Europäische Kommission zur Beschleunigung der Entwicklung sol-
cher wissenschaftlichen Kriterien für die Umsetzung der Biozid- und
Pestizid-Verordnung zu bewegen?

b) Wenn ja, welche Bundesministerinnen und Bundesminister oder Staats-
sekretärinnen und Staatssekretäre (namentlich) waren hier involviert?

In welcher Form wurden diese Anstrengungen unternommen, mit wel-
chen konkreten Maßnahmen und welchen Ergebnissen?

c) Wenn keine Anstrengungen unternommen wurden, aus welchen Grün-
den?

3. Welche Behördenvertreterinnen und Behördenvertreter nehmen aktuell an
welchen Arbeitsgruppen bei der Kriterienentwicklung und den Impact As-
sessments auf EU- und nationaler Ebene teil und mit welchem Mandat?

4. Durch welche Maßnahmen stellt die Bundesregierung sicher, dass die ver-
einbarten Prinzipien für den Umweltschutz in der deutschen Position zu
endokrinen Disruptoren vom Juni 2013 in sämtlichen Gremien, Arbeits-
gruppen etc. auf nationaler und europäischer Ebene vertreten werden?

5. Wie begründet die Bundesregierung den Widerspruch zwischen der von ihr
verabschiedeten Pestizid- und Biozidgesetzgebung und der deutschen Po-
sition von 2013 zu endokrinen Disruptoren bezüglich des Gesundheits-
schutzes (Position des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR)), bei der
bestimmte Wirkstoffe trotz endokrinschädigender Eigenschaften von der
Regulierung nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung (EU)
Nr. 528/2012 bzw. nach Anhang II Nummer 3.6.5 zur Verordnung (EG)

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Nr. 1107/2009 ausgeklammert werden sollen (konkret die Etablierung ei-
ner Kategorie 2 für die humantoxikologische Bewertung in der deutschen
Position)?

Wie begründet die Bundesregierung den damit verbundenen schwächeren
Schutzstandard der deutschen Bevölkerung im Vergleich zum Umwelt-
schutz?

6. Setzt sich die Bundesregierung für die Ausweitung des Ausschlussverfah-
rens (Cut-off-Prinzip) für endokrine Disruptoren, krebserregende, erbgut-
verändernde und reproduktionstoxische Substanzen, sehr persistente und
sich in der Umwelt anreichernde Stoffe etc., wie es bei Pestiziden und
Bioziden gilt, auch auf alle anderen Chemikalien ein?

Wenn nein, warum nicht?

7. Gibt es Expertengruppen oder -ausschüsse, die als Beratergremien der
Bundesregierung bzw. der Bundesbehörden fungieren bei der Kriterienent-
wicklung, den Fragen zur Regulierung von endokrinen Disruptoren in Pes-
tizid- und Biozidgesetzgebung und allen weiteren Gesetzgebungen, die
eine Regelung zu endokrinen Disruptoren enthalten, sowie zum Impact As-
sessment, sind darin externe Expertinnen und Experten berufen, und wenn
ja, welche (bitte namentlich nennen)?

8. Welche Ziele hat die Bundesregierung sich bis 2017 gesetzt, um die Ent-
wicklung von Kriterien für endokrine Disruptoren bei der EU-Kommission
konkret zu unterstützen bzw. voranzutreiben, damit es bis spätestens 2017
eine Einigung zu diesen Kriterien gibt?

Welche unterstützenden Maßnahmen ergreift sie, um diese Ziele zu errei-
chen?

9. Führen/führten die Bundesregierung und die relevanten Behörden, wie
z. B. Umweltbundesamt und BfR, in dieser Legislaturperiode Gespräche
mit Industrieverbänden und Unternehmen, Wissenschaft und Organisatio-
nen der Zivilgesellschaft zu den Themen Risikominderung bei hormonver-
ändernden Chemikalien bzw. Regulierung von Substanzen mit endokrin-
schädlichen Eigenschaften?

Wenn ja, mit wem, wie oft und in welchem Rahmen, welche weiteren Ge-
spräche sind wann und mit wem geplant?

Wenn nein, warum nicht?

10. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Stellung-
nahme der Health and Environment Alliance, die für Deutschland die Ge-
samtkosten für Krankheiten und gesundheitliche Auswirkungen im Zusam-
menhang mit endokrinen Disruptoren auf über 100 Mrd. Euro geschätzt
hat?

11. Welche Forschungsaktivitäten werden im Auftrag des Bundes und seiner
Institutionen zu den gesundheitlichen Effekten einer Exposition gegenüber
endokrinen Disruptoren aktuell durchgeführt?

12. Welche konkreten Lenkungsinstrumente, Anreize und Fördermaßnahmen
setzt die Bundesregierung ein, um die Substitution (einschließlich nicht-
chemischer Alternativen) für entsprechend eingestufte Pestizide und
Biozide voranzubringen (gemäß den Verordnungen sind derzeit zwei Inte-
rimskriterien für die Einstufung als Substanz mit endokrinschädlichen Ei-
genschaften anzuwenden)?

13. Was hat die Bundesregierung bisher konkret unternommen, um das im Ko-
alitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vereinbarte Ziel („Es wird

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dafür gesorgt, dass Stoffe wie endokrine Disruptoren, atemwegs- und haut-
sensibilisierende und toxische Stoffe, deren chronische Wirkung zu Er-
krankungen führt, anhand wissenschaftlich begründeter und klar definierter
Kriterien in die Kandidatenliste unter REACH aufgenommen werden.“) zu
erreichen (bitte nach konkreten Anstrengungen mit Datum auflisten)?

Und welche konkreten Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung wei-
terhin, um dies bis zum Ende der Legislaturperiode zu erreichen?

14. Was unternimmt die Bundesregierung konkret, um vor allem Schwangere
über das Problem zu informieren und diese zu sensibilisieren, sich und ihr
(ungeborenes) Kind vor bekannten endokrinen Disruptoren zu schützen so-
wie vor solchen, die in Verdacht stehen, hormonell wirksam zu sein?

Welche Institutionen sind dafür verantwortlich?

15. Teilt die Bundesregierung die vom Bundesinstitut für Risikobewertung of-
fensiv vertretene Meinung, die derzeitige BPA-Exposition stelle – trotz der
auch von der EFSA offiziell eingestandenen Wissenslücken hinsichtlich
Wirkmechanismus und Niedrigdosiseffekte – kein Risiko für die mensch-
liche Gesundheit dar, und mit welcher Begründung?

16. Wie erklärt sich die Bundesregierung den Widerspruch zwischen der Be-
hauptung des BfR, es gäbe „keine wissenschaftlich fundierten Belege für
eine Gesundheitsgefährdung, auch nicht für besonders empfindliche Ver-
brauchergruppen“ durch eine Exposition gegenüber Bisphenol A oder
Phthalaten (vgl. www.deutschlandfunk.de/umwelthormone-die-regulierung-
in-der-eu-stockt.724.de.html?dram%3Aarticle_id=319616) und der Fest-
stellung des zweiten Berichts der Deutschen Gesellschaft für Endokrinolo-
gie, dass endokrine Disruptoren zweifelsfrei zur Zunahme chronischer
Krankheitsfälle bzw. von Gesundheitsschäden in den Bereichen Adiposi-
tas, Diabetes, Fortpflanzung, Krebs sowie Entwicklung des Nervensystems
beitragen und sowohl Bisphenol A als auch Phtalate besonders gut unter-
suchte endokrine Disruptoren sind (vgl. press.endocrine.org/doi/pdf/
10.1210/er.2015-1093, S. 2, 9), und welche Schlussfolgerungen zieht sie
daraus?

17. Inwieweit sieht die Bundesregierung angesichts des aktuellen zweiten Be-
richts der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie Bedarf, beim BfR
eine Überprüfung seiner in Frage 16 genannten Einschätzung anzuregen?

18. Welche Schlussfolgerungen hinsichtlich der Frage, ob die Heranziehung
des Faktors Potenz als Kriterium für die Identifizierung endokriner Dis-
ruptoren wissenschaftlich gerechtfertigt ist, zieht die Bundesregierung aus
dem Umstand, dass die Wirkpotenz (bzw. deren Ermittlung) von endokri-
nen Disruptoren von verschiedenen Faktoren abhängt (u. a. Testorganis-
men, Entwicklungsstadien, Wirkmechanismen und verwendete Testsys-
teme) und damit nicht wissenschaftlich allgemeingültig ermittelt werden
kann (www.chemtrust.org.uk/wp-content/uploads/chemtrust-bfr-option-
4b-july-2015.pdf, S. 2 und 3)?

19. Befürwortet die Bundesregierung den Vorschlag des BfR, bei der Identifi-
zierung von endokrinen Disruptoren statt eines gefahrenbasierten Ansatzes
(Stoffeigenschaft) einen Risikobewertungsansatz mit zusätzlichen Krite-
rien (Potenz, Schwere der Auswirkung, Reversibilität etc.) anzuwen-
den (vgl. www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2015/17/bfr_schlaegt_
erweiterte_eu_kriterien_zur_identifizierung_endokriner_disruptoren_vor-
194549.html), obwohl dieser Ansatz des BfR sowohl den Positionen der
EFSA und der internationalen Expertengruppe „Endocrine Disruptors Ex-
pert Advisory Group“ widerspricht als auch im inhaltlichen Gegensatz zu

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den Aussagen des Kortenkamp-Berichts „State of the art assessment of En-
docrine Disruptors“ steht (www.chemtrust.org.uk/wp-content/uploads/
chemtrust-bfr-option-4b-july-2015.pdf und http://ec.europa.eu/environment/
chemicals/endocrine/pdf/sota_edc_final_report.pdf)?

20. Nach welchem Vorgehen, welchen konkreten Kriterien und welchem Um-
fang wissenschaftlicher Evidenz soll nach Vorstellung der Bundesregie-
rung bzw. des BfR die Unterscheidung der drei vom BfR vorgeschlagenen
Kategorien „endokrin aktive Substanz“, „unter Verdacht stehender endo-
kriner Disruptor“ und „endokriner Disruptor“ erfolgen (insbesondere
zwischen den letzten beiden Kategorien), und wie wird bei dieser Unter-
scheidung dem Vorsorgeprinzip konkret Rechnung getragen (www.
bfr.bund.de/de/presseinformation/2015/17/bfr_schlaegt_erweiterte_eu_
kriterien_zur_identifizierung_endokriner_disruptoren_vor-194549.html)?

21. Wie bewertet die Bundesregierung den vom BfR vorgeschlagenen risiko-
basierten Ansatz sowie die vom BfR vorgeschlagenen drei in Frage 20 ge-
nannten Kategorien vor dem Hintergrund, dass dieser Ansatz unvereinbar
ist mit der Pflanzenschutzmittelverordnung (EG) Nr. 1107/2009 (PPPR)
sowie der Biozidprodukte-Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (BPR), die ei-
nen Ausschluss von Pestiziden mit endokrin disruptiven Eigenschaften
(nach dem Cut-off-Prinzip) vorsehen, und dass der PPPR-Verordnungstext
so gefasst ist, dass auch als endokrine Disruptoren verdächtige Stoffe ohne
zweifelsfrei belegten Kausalzusammenhang unter diese Vorgabe fallen
(www.chemtrust.org.uk/wp-content/uploads/chemtrust-bfr-option-4b-july
-2015.pdf, S. 4 und www.pan-europe.info/old/Resources/Briefings/
PANE%20-%202014 %20-%20Position%20on%20EDCs-Roadmap.pdf)?

22. a) Wie bewertet die Bundesregierung den Vorstoß der Europäischen Kom-
mission, sich neben der Festlegung von Kriterien zur Bestimmung en-
dokrinschädigender Eigenschaften von Pestiziden und Bioziden auch
mit Veränderungen der Stoffregulierung zu befassen (vgl. Option B
oder C unter Aspect II: Approaches to regulatory decision making der
Kapitel C und D in der Roadmap „Defining criteria for identifying
Endocrine Disruptors in the context of the implementation of the Plant
Protection Product Regulation and Biocidal Products Regulation“,
06/2014, DG ENV.A.3, DG SANCO.E.3)?

b) Welches Rechtsverfahren müsste nach Einschätzung der Bundesregie-
rung beschritten werden, sollte die EU-Kommission die Umsetzung ei-
ner der in Frage 22a genannten Optionen für die Pestizid- und Biozid-
Verordnungen empfehlen?

23. Welche Position hat die Bundesregierung zum Vorschlag der EU-Kommis-
sion, sowohl risikobasierte Aspekte als auch „sozioökonomische Abwä-
gungen“ zum regulatorischen Kriterium (nach dem Muster bei Bioziden)
bezüglich des Umgangs mit EDCs zu machen, und ist dieses Vorgehen aus
Sicht der Bundesregierung mit dem EU-Vorsorgeprinzip vereinbar?

24. Welchen Nutzen oder welchen Nachteil sieht die Bundesregierung in ei-
nem ökonomischen Impact Assessment für die Beantwortung einer wissen-
schaftlichen Frage, insbesondere im konkreten Fall der Festlegung wissen-
schaftlicher Kriterien zur Bestimmung endokrinschädigender Eigenschaf-
ten im Rahmen des europäischen Pestizid- und Biozidrechts?

25. a) Was unternimmt die Bundesregierung als berichterstattender Mitglied-
staat im Rahmen derzeitiger Pestizid- und Biozidgenehmigungsverfah-
ren, um bestehende Datenlücken zur Bewertung endokrinschädlicher
Stoffeigenschaften auf Grundlage der Interimskriterien zu schließen,
insbesondere da die EFSA auf zahlreiche Datenlücken in aktuellen Ge-

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nehmigungsverfahren bei den unter Verdacht stehenden Pestizidwirk-
stoffen aufmerksam gemacht hat, darunter auch bei den in deutscher
Verantwortung liegenden Berichtsentwürfen zu Isoproturon und
Pymetrozin (EFSA Journal 2015;13(8):4206; EFSA Journal 2014;
12(9):3817)?

b) Teilt die Bundesregierung die Bewertung der EFSA und mit welcher
Begründung?

26. Wie wird sich Deutschland verhalten bei der anstehenden Entscheidung auf
EU-Ebene über die Zulassungsverlängerung von elf potenziell endokrin
wirkenden Pestizidwirkstoffen, welche die EFSA in ihrem aktuellen Be-
richt zur Evaluierung von Pestizidwirkstoffen hinsichtlich endokriner
Wirksamkeit identifiziert hat (www.pan-germany.org/download/pestizid-
brief/PB_6_2015_Endokrine-Disruptoren_151005_F.pdf)?

27. Was ist nach Ansicht der Bundesregierung eine „vernachlässigbare Expo-
sition“ gegenüber Pestiziden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass von
dieser Begriffsdefinition das zukünftige Schutzniveau gegenüber Pestizi-
den mit endokrinschädlichen Eigenschaften in hohem Maße abhängt?

28. Inwieweit hält die Bundesregierung Ansätze wie „vernachlässigbare Expo-
sition“ und „vernachlässigbares Risiko“ im Falle endokriner Disruptoren
für fachlich angemessen vor dem Hintergrund, dass diese Substanzen be-
reits in extrem niedriger Konzentration Effekte hervorrufen können, dass
offenbar kein klarer Wirkungsschwellenwert existiert und dass die Wir-
kung beim Menschen von verschiedenen Faktoren wie u. a. dem Entwick-
lungsstadium bzw. Alter abhängt (press.endocrine.org/doi/pdf/10.1210/
er.2015-1093, S. 2; www.endokrinologie.net/presse_130528.php und
www.pan-europe. info/old/Resources/Briefings/PANE%20-%202014%
20-%20Position% 20on%20EDCs-Roadmap.pdf)?

29. a) Teilt die Bundesregierung die Forderung des Europäischen Parlaments
an die Europäische Kommission, einen Vorschlag zur Genehmigung des
Weichmachers DEHP zurückzuziehen und stattdessen einen Beschluss
vorzulegen, der Anträge zur Genehmigung für die Formulierung von re-
cyceltem Weich-PVC, das DEHP enthält, ablehnt (www.europarl.
europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2015-
0409+0+DOC+ XML+V0//DE&language=DE), und wenn nein, warum
nicht?

b) Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser Entschlie-
ßung, und wird sie sich im Rat dafür aussprechen?

30. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus dem Beschluss der
Verbraucherministerkonferenz im Mai 2015 gezogen, in dem die Bundes-
regierung aufgefordert wurde, sich dafür einzusetzen, in der Verordnung
(EU) Nr. 10/2011 über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die
dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, den
Grenzwert für Bisphenol A an die Neubewertung der EFSA anzupassen
und ein nationales Verbot von BPA in Lebensmittelkontaktmaterialien zu
prüfen?

Kann die Bundesregierung bereits Ergebnisse vermelden, bzw. wann ist
mit diesen zu rechnen?

31. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der WHO, wonach hormonelle
Schadstoffe, darunter auch BPA, eine globale Bedrohung für Umwelt und
Gesundheit darstellen, und wenn nein, wie begründet sie dies?

32. Wie hat sich die Bundesregierung im EU-Ministerrat verhalten bei der Ent-
scheidung über eine Unterstützung der Klage Schwedens gegen die Euro-

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päische Kommission aufgrund des von dieser zu verantwortenden Ver-
säumnisses, wissenschaftliche Kriterien zur Identifizierung von endokrinen
Disruptoren bis Ende 2013 vorzulegen?

33. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung darauf verzichtet, wie Dä-
nemark, Frankreich und die Niederlande der in Frage 32 genannten Klage
Schwedens gegen die Europäische Kommission beizutreten?

34. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu Verhandlungsinhalten
der Arbeitsgruppe von EU und USA zu hormonwirksamen Substanzen im
Zusammenhang mit den TTIP-Verhandlungen (vgl. www.pan-germany.
org/download/PAN-WECF-Hintergrundpapier_141202_F.pdf, S. 2)?

35. Plant die Bundesregierung einen nationalen Aktionsplan zu hormonell
wirksamen Substanzen nach dem Vorbild Frankreichs?

Wenn nein, warum nicht?

36. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der dänischen Behörden, die
die von der EFSA für BPA festgelegte tolerierbare tägliche Aufnahme von
4 Mikrogramm für zu hoch befunden und 0,7 Mikrogramm empfohlen ha-
ben, und wenn ja, welche Konsequenzen zieht sie daraus?

Wenn nein, weshalb nicht?

37. Erwägt die Bundesregierung – wie in Frankreich –, die Verwendung von
BPA in Lebensmittelverpackungen und anderen Lebensmittelkontaktmate-
rialien im Sinne des vorsorgenden gesundheitlichen Arbeits- und Verbrau-
cherschutzes zu verbieten, wenn ja, welche Überlegungen werden hierzu
angestellt, falls nein, warum nicht?

38. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung aus aktuellen wissen-
schaftlichen Studien vor, die eine Verbindung von BPA und Krankheiten
wie Diabetes Typ 2, Übergewicht, Unfruchtbarkeit oder Prostatakrebs her-
stellen bzw. bestätigen (u. a. dx.doi.org/10.1210/en.2014-1952), und wel-
che Konsequenzen zieht sie daraus?

39. Wie bewertet die Bundesregierung neuere wissenschaftliche Hinweise,
dass das BPA-Substitut BPS ebenfalls endokrine Wirkungen aufweist (vgl.
press.endocrine.org/doi/pdf/10.1210/er.2015-1093, S. 10)?

40. Welche zusätzlichen Maßnahmen hat die Bundesregierung geplant, um
neue Erkenntnisse zu den negativen Auswirkungen von BPA und anderen
hormonell wirksamen Schadstoffen auf Umwelt und menschliche Gesund-
heit zu gewinnen – über die Auswertung vorhandener Studien und Ergeb-
nisse hinaus –, insbesondere aufgrund der von wissenschaftlicher Seite zu-
nehmend geforderten Berücksichtigung der Gesamtexposition?

Berlin, den 2. Dezember 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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