BT-Drucksache 18/6862

Transparenz bei Netzentgelten

Vom 24. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6862
18. Wahlperiode 24.11.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn,
Sylvia Kotting-Uhl, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke, Peter Meiwald,
Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Transparenz bei Netzentgelten

Die Netzentgelte bilden mit rund 18 Mrd. Euro den zweitgrößten Kostenblock bei
den Stromkosten für Verbraucherinnen und Verbraucher. Genaue Zahlen oder gar
Entwicklungen dieser Kosten sind jedoch der Öffentlichkeit weitestgehend unbe-
kannt.

Obwohl § 74 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) bestimmt, dass Entschei-
dungen der Regulierungsbehörde – also der Bundesnetzagentur (BNetzA) und
der Landesregierungsbehörden – im Hinblick auf die Regulierung des Netzbetrie-
bes „auf der Internetseite und im Amtsblatt der Regulierungsbehörde zu veröf-
fentlichen“ sind, steht Deutschland im Vergleich mit sechs europäischen Ländern
(plus den USA) beim Thema Datentransparenz an vorletzter Stelle (Evaluierungs-
bericht nach § 33 der Anreizregulierungsverordnung der BNetzA, S. 417).

Transparenz über die Entscheidungen aber wird insbesondere von Verbrauche-
rinnen und Verbrauchern und der Wissenschaft gefordert, um unabhängig die An-
gemessenheit der Netzentgelte zu überprüfen und einen politischen Diskurs über
die Angemessenheit führen zu können. Zuletzt gab es Presseberichte (DER SPIE-
GEL 45/2015, S. 79) darüber, dass die BNetzA ursprünglich an einer Reform der
Netzentgelte in einem Teilaspekt – den anrechenbaren Eigenkapitalanteilen –
plante und offensichtlich aus Angst vor einem „zu hohen Prozessrisiko“ die Um-
setzung des Beschlusses der 9. Kammer der BNetzA nun aufschob. Dadurch wird
die „black box“ der Netzentgelte weiterhin vor unabhängiger Kontrolle geschützt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was unternimmt die Bundesregierung, damit die derzeitigen Diskussionen
über die Angemessenheit der Regulierung und Erlöse der Netze nicht nur
zwischen Regulierern und Regulierten sondern auch zwischen allen Stake-
holdern, also auch der Gesellschaft, den Verbrauchern, der Wissenschaft und
der Politik erfolgen kann (bitte einzeln und konkret aufschlüsseln)?

2. Hält die Bundesregierung die bestehenden gesetzlichen Regelungen für aus-
reichend, die eine Transparenz zu den Entscheidungen der BNetzA sicher-
stellen sollen (bitte begründen)?

3. Hält die Bundesregierung die Umsetzung der Veröffentlichungspflichten der
BNetzA für ausreichend bzw. angemessen, insbesondere da § 74 EnWG in
Baden-Württemberg im Sinne größerer Transparenz ausgelegt wird und alle
Landesentscheidungen dort entsprechend im Internet einsehbar sind (bitte
begründen)?

Drucksache 18/6862 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

4. Plant die Bundesregierung, Maßnahmen zu ergreifen, damit die BNetzA (und
die Landesregulierungsbehörden) ihrer Veröffentlichungspflicht nach § 74
EnWG in angemessener Form nachkommen, und wenn nicht, warum nicht?

5. Die Veröffentlichung von konkret welchen Daten hält die Bundesregierung
für erforderlich, um eine Transparenz über die Entscheidungen der BNetzA
in Sinne des § 74 EnWG herzustellen?

6. Plant die Bundesregierung eine gesetzliche Klarstellung des Umfangs der
Veröffentlichungspflicht der BNetzA nach § 74 EnWG, und wenn nein, wa-
rum nicht, und wenn ja, in welcher Weise?

7. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass die Beschlusskammern der
BNetzA in ihrer Prüfungspraxis bei Netzbetreibern häufig eine Verlagerung
von Fremdkapital beobachteten, die in der Gewährung von unangemessen
hohen Erlösobergrenzen resultierte?

Wenn ja, plant sie diesbezüglich aktiv zu werden, und wenn nicht, warum
nicht?

8. Hält die Bundesregierung es für angemessen, dass die BNetzA mit Blick auf
ein „Prozessrisiko“ die geplante Umsetzung des Beschlusses der 9. Kammer
verschoben hat, und wenn ja, wird sie darauf drängen, dass die Umsetzung
dennoch stattfinden wird, um für mehr Transparenz bei den Netzentgelten zu
sorgen?

9. Hält die Bundesregierung es für angemessen, dass die Behördenleitung Ein-
fluss auf die Entscheidung der Beschlusskammer 9 nehmen kann, wenn die
Beschlusskammern als Spruchkörper nach §§ 132 ff. des Telekommunikati-
onsgesetzes und des Gesetzes über die Bundesnetzagentur für Elektrizität,
Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahn unabhängig agieren sollen
(bitte begründen)?

10. Welche Position bezieht die Bundesregierung zur Problematik der Eigenka-
pitalquote, und steht sie diesbezüglich mit der BNetzA in engem Austausch?

11. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich der Anzahl der
Unternehmen, die aufgrund von Kapitalverschiebungen zu hohe Eigenkapi-
talquoten im Netzbetrieb aufwiesen?

12. Wurde diese Problematik im Arbeitskreis Netzentgelte der BNetzA und der
Landesregulierungsbehörden beraten?

Wenn ja, ist die Bundesregierung über die Schlussfolgerungen informiert
worden, und wo sind diese zugänglich in Form von beispielsweise Protokol-
len dokumentiert?

13. Wie sieht der weitere Zeitplan zur Anreizregulierungsverordnung (ARegV)
aus in Hinblick auf den Gesetzentwurf, den Kabinettsbeschluss, die Einbrin-
gung und die Verabschiedung im Parlament und dem Inkrafttreten, und hat
die Verzögerung zum ursprünglichen Zeitplan inhaltliche oder formelle
Gründe?

14. Welche inhaltlichen Aspekte sollen mit der Novellierung angegangen wer-
den, und wird sich dabei maßgeblich entlang des Evaluierungsberichtes oder
auch der Forderungen der Länder nach einem gänzlich anderen Regulie-
rungsregime gerichtet?

15. Wie hoch ist die Belastung für die Verbraucherinnen und Verbraucher bei
Erfüllung der Forderung der Länder im Vergleich zu den Belastungen der
Verbraucher bei einer Umsetzung der Vorschläge des Evaluierungsberichts?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6862
 

16. Verfolgt die Bundesregierung eine Eingrenzung der Ausnahmen von der
Standardregulierung (De-Minimis), wie von der BNetzA vorgeschlagen, um
eine größere Vergleichbarkeit der Netze und eine größere Ausgewogenheit
zugunsten des Endverbrauchers zu gewähren?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die gesetzlichen Vorgaben des EnWG im
Hinblick auf die Gewährleistung eines ausreichenden Rechtsschutzes für
Dritte, um gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörden Beschwerde
einzulegen?

18. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeiten Dritter, die Bildung
(sogenannte Verprobung) der Netzentgelte aus den genehmigten Erlösober-
grenzen nachzuvollziehen?

Berlin, den 24. November 2015

Katrin-Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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