BT-Drucksache 18/6849

zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Drucksache 18/6329 - Den Lebensstart von Kindern in Entwicklungs- und Schwellenländern verbessern - Grundlagen für stabile Gesellschaften schaffen

Vom 27. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6849
18. Wahlperiode 27.11.2015

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksache 18/6329 –

Den Lebensstart von Kindern in Entwicklungs- und Schwellenländern
verbessern – Grundlagen für stabile Gesellschaften schaffen

A. Problem

Knapp die Hälfte der weltweit 60 Millionen Flüchtlinge sind nach Angaben des
Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (United Nations Children’s Fund,
UNICEF) Kinder und Jugendliche, von denen jedes zehnte Flüchtlingskind jünger
als 10 Jahre ist und einen großen Teil seiner Kindheit und Jugend in Flüchtlings-
unterkünften verbringt. Im Kontext der Konflikte im Mittleren Osten wird aktuell
von einer „verlorenen Generation“ (lost generation) gesprochen.

Daneben gibt es viele Entwicklungsländer, in denen äußerst schwierige Lebens-
umstände für Kinder und Jugendliche existieren: Armut, Krieg, Flucht, Obdach-
losigkeit, Hunger und Mangelernährung, schlechte Hygiene, gefährliche Krank-
heiten, sexuelle, ethnische und religiöse Diskriminierung, Menschenhandel und
Sklaverei, zu frühe und erzwungene Verheiratung von Mädchen, weibliche Geni-
talverstümmelung, Missbrauch, Folter, Zwangsarbeit und Zwangsrekrutierung
von Kindern als Kindersoldaten. Das sind Begriffe, die den Alltag der Kinder und
Jugendlichen beschreiben.

Derartige Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern – sehr oft verbunden mit
mangelhafter Gesundheits- und Bildungsversorgung – schaden zum einen der in-
dividuellen Entwicklung, zum anderen aber auch den Gesellschaften. In einigen
Staaten stellen diese Kinder und Jugendlichen mittlerweile ein massenhaft auftre-
tendes und langfristig wirksames Entwicklungshemmnis dar.

Die Lösung des Problemkomplexes erfordert nach Überzeugung der Antragsteller
Verbesserungen vor allem in den Bereichen Ernährung, Gesundheitsversorgung,
Bildung, Kinderschutz und -partizipation. Gesundes, sicheres und friedvolles
Aufwachsen der jungen Generation kann einen erheblichen Beitrag zur Leistungs-
fähigkeit von Gesellschaften leisten.

Die UN-Kinderrechtskonvention zeigt den Weg zu einer solchen besseren Zu-
kunft auf. Sie verdient höhere Bekanntheit und mehr Beachtung. Die nachhaltigen

Drucksache 18/6849 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) unterstreichen in die-
sem Zusammenhang die Achtung der Rechte von Frauen und Mädchen und beto-
nen den dafür nötigen Zugang zu Ressourcen und die rechtlichen Rahmenbedin-
gungen.

B. Lösung

Annahme des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

C. Alternativen

Ablehnung des Antrages.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6849
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/6329 anzunehmen.

Berlin, den 4. November 2015

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar G. Wöhrl
Vorsitzende

Dr. Georg Kippels
Berichterstatter

Michaela Engelmeier
Berichterstatterin

Niema Movassat
Berichterstatter

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

Drucksache 18/6849 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Dr. Georg Kippels, Michaela Engelmeier, Niema Movassat
und Uwe Kekeritz

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache 18/6329 in seiner 131. Sitzung am 16.10.2015 beraten
und an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur federführenden Beratung und an
den Haushaltsausschuss, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit,
den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sowie den Ausschuss für Bildung, Forschung und Tech-
nikfolgenabschätzung zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage/n

Die Bundesregierung wird von den Antragstellern im Bereich Gesundheit aufgefordert, von den Partnerländern
mehr Eigenverantwortung bei der Verwirklichung des Rechts auf Gesundheit einzufordern, wozu der Auf- bzw.
Ausbau von Gesundheitssystemen als Voraussetzung für Entwicklung gehöre, die eine professionelle Geburtshilfe
einbeziehe. Gemeinsam mit den Partnerländern sollte die Durchsetzung des Menschenrechts auf Gesundheit an-
gestrebt werden. Die Antragsteller regen an, dass die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten über repro-
duktive Rechte und sexuelle und reproduktive Gesundheit verbessert wird. Schließlich soll die Bundesregierung
einen stärkeren Fokus auf die psychosoziale Betreuung von Kindern in Gesellschaften mit vielen traumatisierten
und psychisch belasteten Menschen legen.

Im Weiteren wird die Bundesregierung ermutigt, im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) darauf zu
achten, dass ein Schwerpunkt auf eine ganzheitliche und inklusive Bildungsförderung für Kinder gelegt wird.
Kindern sollte mindestens ein Jahr lang qualitativ angemessene, kostenfreie Vorschulbildung ermöglicht werden.
Die Antragsteller fordern von der Bundesregierung, in Zusammenarbeit mit den Partnerländern, die Bildung von
Frauen und Mädchen in Entwicklungsländern zu verbessern und die Mittel zur besonderen Förderung der Bildung
von Mädchen und jungen Frauen gezielter zu vergeben. Schließlich soll die Bundesregierung insbesondere in von
Konflikten betroffenen Ländern Maßnahmen im Bildungsbereich finanzieren, die der Konfliktprävention dienen
und die friedliche Konfliktlösung erleichtern.

Bei den Rahmenbedingungen ist es nach Auffassung der Antragsteller wünschenswert, wenn die Bundesregierung
gemeinsam mit den Partnerländern eine nachhaltige Landwirtschafts- und Ernährungspolitik zur Bekämpfung der
Ursachen von Fehl- und Unterernährung fördert. Schließlich soll sie die Bildungsfürsorge durch existenzsichernde
Arbeit flankieren, damit die Familien in die wirtschaftliche Lage versetzt werden, ihren Kindern den Schulbesuch
zu ermöglichen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Haushaltsausschuss hat die Vorlage auf Drucksache 18/6329 in seiner 60. Sitzung am 04.11.2015 beraten
und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Antrags.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat die Vorlage auf Drucksache 18/6329 in seiner
46. Sitzung am 04.11.2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die An-
nahme des Antrags.

Der Ausschuss für Gesundheit hat die Vorlage auf Drucksache 18/6329 in seiner 57. Sitzung am 04.11.2015
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Antrags

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6849
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat die Vorlage auf Drucksache 18/6329 in seiner
44. Sitzung am 04.11.2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die An-
nahme des Antrages.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat die Vorlage auf Drucksache
18/6329 in seiner 46. Sitzung am 04.11.2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die An-
nahme des Antrags.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat die Vorlage in seiner 43. Sitzung
am 04.11.2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stim-
men der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Antrages.

Die Fraktion der CDU/CSU stellt dar, dass gerade die ersten Lebensschritte von Kindern in vielfältiger Hinsicht
mit besonderer Aufmerksamkeit betrachtet und begleitet werden müssten; deshalb habe man den Antrag gemein-
sam mit der Fraktion der SPD verfasst. Das gelte für den Gesichtspunkt Bildung ebenso wie für Gesundheit und
im besonderen Maße für die Ernährung. Es gehe nämlich nicht immer nur um ein Sättigungsgefühl, sondern um
nährstoffreiche Ernährung, damit Mangelerscheinungen und daraus resultierende Fehlleitungen vermieden wer-
den könnten. Gerade im Bereich Bildung würde das Gesamtpaket an notwendigen Maßnahmen sicherlich eine
besondere Herausforderung darstellen, denn es betreffe die Bildungseinrichtungen selber, aber auch den mögli-
chen Zugang, was gerade bei Mädchen nicht gleichberechtigt und selbstverständlich gegeben sei. Das könne in
der Folge aber zu erheblichen Defiziten bei der Gesellschaftsentwicklung führen. Die Aufgabenstellung sei, ähn-
lich wie bei der Fluchtursachenbekämpfung, immens, aber es sei sinnvoll, Erkenntnisse und Informationen unter-
einander publik zu machen und weiterzugeben. Eine strukturelle Arbeit sei bei dem Thema entscheidend, denn
Geld alleine führe nicht zum Ziel.

Die Fraktion der SPD schließt sich der Einschätzung der Fraktion der CDU/CSU an. Es sei kaum vorstellbar,
dass jemand etwas gegen die Verbesserung der Lebensstandards von Kindern haben könnte. Gerade angesichts
der Debatten über die Ausgestaltung praktischer Hilfen, um Fluchtursachen zu bekämpfen, sei es wichtig, einen
gelungenen Lebensstart für Kinder zu berücksichtigen und die Frage zu klären, wie sie mit internationaler Hilfe
besser aufwachsen könnten. Die Fraktion der SPD setze ihren Fokus auf Bildung, damit die Kinder und Jugend-
lichen ein Gefühl der Teilnahme entwickeln könnten. Es gebe den Ausdruck, dass Bildung der Schlüssel sei.
Dafür sei es entscheidend, Kindern eine frühkindliche, primäre und sekundäre Bildung zu ermöglichen. Es fange
also ganz früh in den Kindertagesstätten (Kitas) an und gehe über die Grundschule bis hin zu den weiterführenden
Schulen. Da müsse man initiativ werden und aktiv bleiben. Das gelte genauso für die entsprechenden Bildungs-
angebote und -einrichtungen für Kinder in Entwicklungs- und Schwellenländern, die man nicht aus den Augen
verlieren dürfe.

Die Fraktion DIE LINKE. merkt an, dass die im Antrag enthaltene Analyse weitgehend zutreffend sei. Dazu
gehöre auch die Kritik, dass Bildung und Gesundheit international unterfinanziert seien. Deutschland gehöre zu
den Ländern, die den Bereich Bildung für Entwicklungsländer in der Vergangenheit nicht aufgestockt, sondern
reduziert hätten. Die im Antrag formulierten Forderungen stünden in vielerlei Hinsicht im Gegensatz zur Außen-
und Sicherheitspolitik der Regierung. Einerseits forderten die Regierungsparteien mehr Rechte für Frauen und
Mädchen ein, gleichzeitig arbeite die Regierung aber mit dem saudi-arabischen Regime zusammen, das deren
Rechte massiv verletzen würde. Die Situation von Kindern in Entwicklungsländern sei zudem nicht nur durch
mehr Geld zu verbessern. Notwendig seien auch strukturelle Veränderungen. Dazu müsse sich auch in Deutsch-
land politisch einiges verändern, und es müssten Debatten darüber geführt werden, wie zum Beispiel ein Waffe-
nexportstopp oder eine Handelspolitik im Sinne der Kleinbauern durchgesetzt werden könnte. Hier gebe es eine
Eigenverantwortung der Partnerländer, aber auch eine deutsche Verantwortung. Die Erreichung des 0,7-Prozent-
Ziels bei der ODA-Quote sei ein relevanter Punkt, wenn man die Gesundheit von Müttern und Kindern, deren
Bildungschancen und gesamte Situation verbessern wolle. Da die im Antrag formulierten Forderungen Wider-
sprüchliches zur praktischen Politik der Bundesregierung und eine Akzentuierung enthalten würden, die man nicht
teile, werde man den Antrag ablehnen.

Drucksache 18/6849 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärt, dass der Antrag eine gute statistische Zusammenfassung der
Problembereiche enthalte. Sicherlich sei Geld nicht alles, aber ohne Geld sei alles nichts. Das müsse man ganz
klar sagen. Es sei eine Schande, dass man eine wirkliche Katastrophe gebraucht habe, um die eigene 60-jährige
Entwicklungspolitik zu reflektieren, die nunmehr kontinuierlich mit Flucht und Fluchtursachen in Verbindung
gebracht werde. Das sei ein Offenbarungseid, da eine Bewertung differenzierter erfolgen sollte. Im Antrag sei der
Finanzierungsvorbehalt deutlich formuliert, was den Eindruck erwecke, dass man sich mit der Antragstellung bei
der Regierung für eben diesen entschuldigen würde. Es gehe hier jedoch um Glaubwürdigkeit und um Kohärenz.
Die EU-Kommission habe ein Papier vorgelegt, mit dem das Vergaberecht in Europa neu strukturiert werden
solle. Darin stehe beispielsweise, dass Firmen nur dann Aufträge erhalten würden, wenn sie Kinderarbeit ächten
würden. Bei der Umsetzung in deutsches Recht liege jetzt ein Gesetzentwurf vor, wo auf diese Möglichkeit ver-
zichtet worden sei. Das sei inakzeptabel, und die gute statistische Arbeit im Antrag reiche nicht aus, um etwa
solche Inkohärenz anzugehen, die tatsächliche Auswirkungen auf den Lebensstart von Kindern in Entwicklungs-
und Schwellenländern habe. Deshalb werde die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag ablehnen.

Berlin, den 4. November 2015

Dr. Georg Kippels
Berichterstatter

Michaela Engelmeier
Berichterstatterin

Niema Movassat
Berichterstatter

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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