BT-Drucksache 18/6808

Atomwaffen aus Deutschland abziehen und Neustationierung stoppen

Vom 25. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6808

18. Wahlperiode 25.11.2015

Antrag

der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine

Buchholz, Sevim Dağdelen, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel,
Andrej Hunko, Katrin Kunert, Stefan Liebich, Niema Movassat, Dr. Alexander

S. Neu, Dr. Petra Sitte, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Atomwaffen aus Deutschland abziehen und Neustationierung stoppen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die geplante Stationierung von neuen lenkbaren B61-12-Atomwaffen in

Deutschland als Teil einer erneuerten Doktrin der „nuklearen Teilhabe“ gefähr-

det die politische Stabilität in Mittel- und Osteuropa. Die Entscheidung nimmt
das Risiko des Beginns eines erneuten nuklearen Rüstungswettlaufs in Kauf.

2. Die Pläne der USA und der Bundesregierung im Hinblick auf deren Erneuerung
der „nuklearen Teilhabe“ konterkarieren die offiziell erklärten Ziele der deut-

schen Abrüstungspolitik. Sie torpedieren die Abrüstungsbemühungen auf dem

Feld der Nuklearwaffen und müssen als Verstoß gegen den Nichtverbreitungs-
pakt (NPT) betrachtet werden. Noch der Koalitionsvertrag 2009 sah den Bei-

trag der Bundesrepublik Deutschland zu einer atomwaffenfreien Welt darin,

sich gegenüber den amerikanischen Verbündeten für den Abzug der in
Deutschland verbliebenen Atomwaffen einzusetzen. In der Folge der Reform

der Bundeswehr 2011 wurde jedoch keine Abrüstung der Tornado-Trägerflotte,
die für den Einsatz der Atomwaffen bereitsteht, beschlossen, sondern stattdes-

sen eine Modernisierung dieser Trägersysteme. Die Einsatzvorschriften für die

in Büchel gelagerten US-Atombomben sehen weiterhin vor, dass die US-Streit-
kräfte im Krisenfall Atomwaffen an die Bundeswehr weitergeben können. Die

entsprechenden Abwurfszenarien werden regelmäßig von Bundeswehrpiloten
eingeübt.

3. Durch die bereits beim NATO-Gipfel in Chicago im Mai 2012 beschlossenen

atomaren Modernisierungspläne sollen zukünftig entsprechend dem jeweiligen
sicherheitspolitischen Szenario Atomwaffen mit unterschiedlicher Sprengkraft

eingesetzt werden können. Die B61-12-Atombomben können mit ihrer maxi-

malen Sprengkraft von 50 Kilotonnen in der Reichweite der deutschen Torna-
doflotte bereits mit einer einzigen Bombe eine humanitäre und ökologische Ka-

tastrophe für Gesamt-Europa auslösen, die langfristig auch die Weiterexistenz
der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellen würde.

Selbst bei einer Beschränkung der B61-12 auf ihre minimale Sprengkraft ist die

davon ausgehende Gefahr nicht beherrschbar. Psychologisch wird mit dieser
Schein-Beschränkung jedoch gleichzeitig die Hemmschwelle für einen eventu-

ellen Einsatz bei den Entscheidungsträgern gesenkt.

Drucksache 18/6808 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

4. 70 Jahre nach den Katastrophen von Hiroshima und Nagasaki, 25 Jahre nach

dem (vorläufigen) Ende des atomaren Wettrüstens, das 1983 fast zur Auslö-

schung des menschlichen Lebens auf der Erde geführt hätte, sieht der Bundes-
tag die Bundesregierung in der Pflicht, sich vorbehaltlos für die Abschaffung

von Atomwaffen einzusetzen und alles zu unterlassen, was zu einer Renais-
sance dieser Massenvernichtungsmittel in Europa führen kann. Die Lehre aus

der Konfrontation des Kalten Kriegs muss sein: Sicherheit in Europa kann nicht

mehr als Sicherheit voreinander, sondern nur noch als Sicherheit miteinander
praktiziert werden. Die Politik der „nuklearen Teilhabe“ läuft dieser Einsicht

jedoch diametral entgegen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

− den Abzug der US-amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland mit der Re-
gierung der USA zu vereinbaren und umgehend einzuleiten;

− gegenüber den USA zu verdeutlichen, dass eine Neustationierung von Atom-
waffen auf deutschem Boden nicht akzeptiert wird;

− zukünftig einen Einsatz von Atomwaffen durch Bundeswehrpersonal weder
einüben zu lassen noch Trägersysteme dafür bereitzustellen und auch keine an-
derweitige Unterstützung für den Einsatz oder die Vorbereitung des Einsatzes

zu leisten;

− als Teil des Ausstiegs aus der nuklearen Teilhabe die Tornado-Jagdflugzeuge,
die als Trägersysteme für Atomwaffen dienen, außer Dienst zu stellen;

− umgehend einen Stopp der Bauarbeiten zur Modernisierung der Luftwaffenba-
sis Büchel zu veranlassen;

− sich im Rahmen der NATO für einen generellen Verzicht auf den Einsatz von
Atomwaffen einzusetzen;

− unmissverständlich zu erklären, dass deutsche Streitkräfte nukleare Waffen un-
ter keinen Umständen einsetzen werden.

Berlin, den 24. November 2015

Dr. Dietmar Bartsch, Dr. Sahra Wagenknecht und Fraktion

Begründung

Medienberichte deckten im September 2015 auf, dass am Standort der Tornado-Staffel 33 in Büchel (Rhein-
land-Pfalz) in Kürze Umbauten beginnen, die eine Modernisierung der in Büchel gelagerten US-Atombomben

vorbereiten. Bis jetzt hat sich die Bundesregierung noch immer nicht offiziell zu diesem Vorhaben der USA

positioniert. Der Antrag gibt nunmehr dem Bundestag Gelegenheit, dies zu tun.

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