Vom 24. November 2015
Deutscher Bundestag Drucksache 18/6770
18. Wahlperiode 24.11.2015
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Frank Tempel, Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Dr. André Hahn,
Jan Korte, Martina Renner und der Fraktion DIE LINKE.
zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/5500, 18/5502, 18/6106, 18/6124, 18/6125, 18/6126 –
Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016
(Haushaltsgesetz 2016)
hier: Einzelplan 06
Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die wesentliche innenpolitische Herausforderung jetzt und in den kommenden Jahren
ist die Integration hunderttausender Einwanderinnen und Einwanderer, unter ihnen
viele Flüchtlinge, in die bundesrepublikanische Gesellschaft. In der Kompetenz des
Bundes liegen vor allem die sprachliche Integration und die Förderung von Beratungs-
stellen und Selbstorganisationen, die die neu Ankommenden unterstützen können. Die
vorgesehene Aufstockung der Mittel im Integrationsbereich wird der erheblich gestie-
genen Zahl insbesondere schutzbedürftiger Flüchtlinge nicht gerecht. Im Hinblick auf
die Sprach- und Integrationskurse reicht das Geld weder dafür, allen neu Ankommen-
den einen schnellen Spracherwerb zu ermöglichen und erst recht nicht für die dringend
erforderliche angemessene Bezahlung der Lehrkräfte.
Die zweite große innenpolitische Herausforderung ist die Bedrohung der öffentlichen
Sicherheit durch rassistisch motivierte Gewalt. Vor dieser größten Herausforderung
der öffentlichen Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland, der massiven Bedro-
hung von Leib und Leben von Flüchtlingen, ihren Unterstützerinnen und Unterstützern
aus der Zivilgesellschaft und der Politik, versagt die Bundesregierung weiterhin. Die
Radikalisierung der bürgerlichen Mitte, die gefährliche verbale Aufrüstung verbunden
mit steigender Gewaltbereitschaft, werden von den Sicherheitsbehörden weiterhin un-
terschätzt.
Drucksache 18/6770 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Der für das Bundesamt für Verfassungsschutz maßgebliche „Extremismusbegriff“
bleibt in seiner Substanz staatszentriert und zeigt in der gegenwärtigen Entwicklung
seine Untauglichkeit. Einzelpersonen und Gruppen können im hohen Maße zutiefst
menschenfeindliche Haltungen gegenüber bestimmten sozialen Gruppen vertreten –
solange sie dabei nicht die politische und wirtschaftliche Verfasstheit der Bundesre-
publik Deutschland angreifen bzw. einer eindeutigen Nazigruppierung angehören, sind
sie kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Für die zivilgesellschaftliche
Auseinandersetzung mit „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ ist das Bundes-
amt für Verfassungsschutz ein ungeeigneter Ansprechpartner. Seine Verstrickung in
den Terror des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ ist bis heute nicht umfassend
aufgearbeitet und hat das Vertrauen in diese Institution massiv beschädigt.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
den Einzelplan 06 des Bundeshaushalts dahingehend überarbeitet neu vorzulegen, dass
1. Mittel für Integrationskurse auf insgesamt 659 Mio. Euro angehoben werden, ver-
bunden mit der Maßgabe an die Kursträger, Lehrkräfte deutlich besser zu bezahlen
und den Zugang zu Sprachkursen für Geduldete und Asylsuchende im vollen Um-
fang zu gewähren; für die Migrationsberatung sollen entsprechend des gestiegenen
Bedarfs gut 62 Mio. Euro bereitgestellt werden, für die Integrationsprojektförde-
rung 37 Mio. Euro;
2. Mittel für das Bundesamt für Verfassungsschutz um 45 Mio. Euro gesenkt und
diese Mittel eingesetzt werden für einen Ausbau der Förderprogramme für Demo-
kratie und Vielfalt sowie zur Finanzierung eines ad hoc einzusetzenden Experten-
gremiums, das die aktuelle Welle rassistischer Angriffe in Bezug auf ihre Träger
und Ursachen untersucht und zentrale Linien einer menschenrechtszentrierten Si-
cherheitspolitik entwickelt und damit den Einstieg für eine Bundesstiftung zur Be-
obachtung, Erforschung und Aufklärung über alle Erscheinungsformen gruppen-
bezogener Menschenfeindlichkeit ermöglicht.
Berlin, den 23. November 2015
Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion
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