BT-Drucksache 18/6753

Beteiligung der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft an der Finanzierung des Windparks Lake Turkana in Kenia

Vom 13. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6753
18. Wahlperiode 13.11.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,

Herbert Behrens, Eva Bulling-Schröter, Annette Groth, Heike Hänsel,

Andrej Hunko, Katja Kipping, Sabine Leidig, Birgit Menz, Dr. Kirsten Tackmann,

Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Beteiligung der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft an der
Finanzierung des Windparks Lake Turkana in Kenia

Im ostafrikanischen Kenia wird seit April 2015 am südöstlichen Ufer des Tur-
kana-Sees der größte Windpark Afrikas errichtet. Auf einer Fläche von 160 km²
werden 365 Windkraftanlagen mit einer Gesamtkapazität von 310 MW gebaut,
die laut der Betreibergesellschaft SPV Lake Turkana Wind Power Ltd. (LTWP)
rund 17 Prozent des landweiten Strombedarfs decken sollen. An der Finanzierung
des 630 Mio. Euro teuren Projekts ist unter anderem die Deutsche Investitions-
und Entwicklungsgesellschaft (DEG) beteiligt. Die DEG stellt im Rahmen
des Projekts 20 Mio. Euro für die Entwicklung der Windenergieanlage zur
Verfügung und investiert außerdem zusätzliche Mittel in den Ausbau der
lokalen Infrastruktur (www.deginvest.de/Internationale-Finanzierung/DEG/Presse/
Pressemitteilungen/Pressemitteilungen-Details_193668.html).

Das Windparkprojekt ist mittlerweile allerdings international stark in die Kritik
geraten. Die Weltbank stieg bereits im Jahr 2012 aus dem Projekt aus, weil sie
erheblichen Zweifel an der Rentabilität des Projektes hatte. So produziert der
Windpark aufgrund der Windverhältnisse den Großteil der Energie nachts, also
dann, wenn der Stromverbrauch in Kenia ohnehin gering ist (www.businessdail-
yafrica.com/Kenya-Power-deal-that-forced-World-Bank-out-of-wind-farm-/-/
539546/1538602/-/tvegggz/-/index.html). Zudem kommen auf den kenianischen
Staat bzw. die kenianischen Steuerzahler und Energiekonsumenten erhebliche
Kosten zu. Nicht nur hat sich die kenianische Regierung dazu verpflichtet, die
gesamte vom Windpark erzeugte Energie über einen Zeitraum von 20 Jahren zu
einem Festpreis abzunehmen; um die im Windpark erzeugte Energie in das nati-
onale Stromnetz einzuspeisen, ist außerdem der Bau einer 428 km langen Hoch-
spannungsleitung nötig. Diesen Bau finanziert aber nicht die LTWP, wie es vom
kenianischen Energieministerium vorgesehen ist, sondern der kenianische Staat
(vgl. www.energy.go.ke/downloads/FiT%20Policy,%202012.pdf, Kapitel 5,
Artikel 66 „The interconnection costs will be paid by the developer upfront.”).

Die kenianische Regierung hat das Land, auf dem der Windpark errichtet wird,
für 33 Jahre an die LTWP verpachtet – mit der Option, die Pacht auf 99 Jahre zu
verlängern. Dieses Land stellt die Lebensgrundlage unterschiedlicher ethnischer
Bevölkerungsgruppen dar, welches sie bisher als Weide- und teilweise auch als
Ackerland genutzt haben. Laut interner Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudie
besteht ein erhebliches Risiko, dass die empfindliche Vegetation durch den Bau
der Windkraftanlage derart geschädigt wird, dass die Weideaktivitäten dauerhaft

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beeinträchtigt werden könnten (www.kenyapower.co.ke/docs/LTWP%20ESIA%
20updated_Report.pdf, S.84-100).

Dennoch bestreiten sowohl die kenianische Regierung als auch die Betreiberge-
sellschaft jeglichen rechtlichen Anspruch dieser Gruppen auf das Land
(www.afdb.org/fileadmin/uploads/afdb/Documents/Project-and-Operations/RAP_
summary_Sirima_Village_Lake_Turkana__Wind_Power_Project.pdf) oder auf
jegliche Art der Kompensation, was Artikel 26 bis 28 der UN-Erklärung zu den
Rechten indigener Völker widerspricht. Die Volksgruppe der Turkuna hat im
Oktober 2014 Klage gegen den Pachtvertrag beim Meru High Court eingebracht
und fordert, dass das Land wieder in Gemeinschaftsland umgewandelt wird
(siplf.org/en/Background/).

Kritisch zu sehen ist auch die Informationspolitik der Projektbetreiber. Obwohl
die Projektsondierungen schon im Jahr 2005 starteten, und der Pachtvertrag mit
LTWP im März 2009 finalisiert wurde, begannen Gespräche mit den örtlichen
Bevölkerungsgruppen erst 2008. Das Sarima Indigenous People’s Land Forum
beklagt sogar, dass sie erst im April 2014 von den ganzen Ausmaßen des Projek-
tes erfahren haben (siplf.org/en/Background/). Im Rahmen der Projektentwick-
lung wurde bisher mindestens ein Sarima-Dorf an einen Ort umgesiedelt, der den
Bewohnern schlechtere Lebensverhältnisse als zuvor bietet (www.truth-
out.org/news/item/29845-wind-powers-green-growth-in-kenya-but-for-whom).

Die LTWP hat zudem die Schaffung 2 500 temporärer Jobs versprochen. Der in-
terne Umwelt- und Sozialverträglichkeitsreport beschreibt allerdings eingehend
die Probleme, die durch den Zustrom großer Zahlen von externen Mitarbei-
tern verursacht werden könnten, wodurch es fraglich erscheint, ob die Jobs
wirklich an Ortsansässige mit niedriger Qualifikation gehen werden (www.
kenyapower.co.ke/docs/LTWP%20ESIA%20updated_Report.pdf, S. 87). Laut
Medienberichten ist es schon zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Toten
unter den verschiedenen lokalen Bevölkerungsgruppen gekommen, die um
Landrechte und mögliche Profite aus dem Windparkprojekt konkurrieren
(www.celep.info/wp-content/uploads/2015/08/150831-Volkskrant-English-
edited.pdf).

Die oben beschriebene Situation steht nach Meinung der Fragesteller in erhebli-
chem Widerspruch zu den DEG-Umwelt- und Sozialstandards, die sich zum Ziel
gesetzt haben die „sozialen Interessen der von den Wirkungen der mitfinanzierten
Projekte betroffenen Menschen“ zu berücksichtigen, und die sich außerdem
an den Umwelt- und Sozialstandards der European Development Finance Institu-
tions (EDFI), und an den International Finance Corporation (IFC) Performance
Standards orientieren (www.deginvest.de/Internationale-Finanzierung/DEG/
Die-DEG/Was-wir-tun/Richtlinie/).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was sind nach Kenntnis der Bundesregierung die entwicklungspolitischen
Ziele, die die DEG mit ihrer Finanzierung des Windparkprojekts in Kenia
verfolgt, und sieht sie die Erreichung dieser Ziele nach dem heutigen Wis-
sensstand als realistisch an?

2. Sieht die Bundesregierung aufgrund der hohen Kosten, die die Nutzung der
Energie aus dem Windpark für den kenianischen Staat bzw. die kenianischen
Steuerzahler und Energiekonsumenten verursacht (insbesondere aufgrund
der Investitionskosten für die Hochspannungsleitung sowie der 20jährigen
Abnahmegarantie zu einem Fixpreis), Zweifel an der Rentabilität des Pro-
jekts als gerechtfertigt an?

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3. Wie beurteilt die Bundesregierung die entwicklungspolitischen Erfolgsaus-
sichten des Projektes hinsichtlich steigender Staatseinnahmen durch Steuer-
einnahmen aus dem Windparkprojekt, wenn man zugleich die Kosten, die
das Projekt für die öffentliche Hand mit sich bringen, berücksichtigt?

4. Warum hat die DEG nach Kenntnis der Bundesregierung an der Finanzie-
rung des Windparkprojekts festgehalten, obwohl die Weltbank erhebliche
Zweifel an der Rentabilität des Projekts anmeldete und aus dem Projekt aus-
stieg?

5. Teilt die Bundesregierung die Sorge der Weltbank, dass die 20jährige Ab-
nahmegarantie zu Fixpreisen Nachteile für den kenianischen Staatshaushalt
sowie die kenianischen Steuerzahler und Energiekonsumenten haben
könnte?

6. Wie hoch wird nach Kenntnis der Bundesregierung die jährliche Steuerleis-
tung der Betreibergesellschaft LTWP in Kenia während sowie nach dem
Ende des Baus des Windparks sein?

7. Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Betreibergesellschaft LTWP mit der
kenianischen Regierung eine Vereinbarung bezüglich steuerlicher Begünsti-
gungen getroffen hat?

Wenn ja, um wie viel geringer wird die Steuerleistung der LTWP durch diese
Vereinbarung ausfallen?

Wenn nein, kann die Bundesregierung die Existenz einer solchen Vereinba-
rung ausschließen?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Kritik der Weltbank, dass die bei vol-
lem Betrieb produzierte Energie nicht komplett in das kenianische Stromnetz
eingespeist werden kann, obwohl diese von Kenya Power komplett abge-
nommen werden muss (www.businessdailyafrica.com/Opinion+++Analysis/
World+Bank+move+signals+trouble+for+energy+security+/-/539548/
1535884/-/u168hm/-/index.html)?

9. Warum trägt nach Kenntnis der Bundesregierung der kenianische Staat und
nicht – wie es das kenianische Energieministerium eigentlich vorsieht – der
Projektbetreiber LTWP die Kosten für den Bau der 428 km langen Hoch-
spannungsleitung, die nötig ist, um die Energie des Windparks in das natio-
nale Stromnetz einzuspeisen?

10. Inwiefern entspricht nach Einschätzung der Bundesregierung in diesem Zu-
sammenhang die Finanzierung des Windparkprojekts dem Anspruch der
DEG, nur sozialverträgliche und sich wirtschaftlich selbsttragende Struktu-
ren schaffen zu wollen (www.deginvest.de/Internationale-Finanzierung/
DEG/Die-DEG/Was-wir-tun/Richtlinie/)?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragsteller, dass
viele kleine dezentrale Windanlagen aufgrund unterschiedlicher Windlagen
zu unterschiedlichen Tageszeiten besser geeignet seien, um eine gleichmä-
ßige Stromversorgung des kenianischen Strommarktes zu gewährleisten, als
eine Anlage dieser Größe?

12. Gäbe es nach Einschätzung der Bundesregierung kostengünstigere Alterna-
tiven zur Finanzierung des Windparkprojekts für eine nachhaltige Energie-
erzeugung in Kenia?

13. Wie wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die Einhaltung der IFC Per-
formance Standards und Umwelt- und Sozialstandards der EDFI bei dem
Windparkprojekt seitens der DEG überprüft?

Haben Konsultationen vor Ort stattgefunden?

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14. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor, was die Überprüfung
des Projektes durch die DEG vor und während des Projektes ergeben hat
(bitte einzeln beantworten)

a) hinsichtlich des IFC Performance Standards 5,

b) hinsichtlich des IFC Performance Standards 7,

c) hinsichtlich der Umwelt- und Sozialstandards der EDFI?

15. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, in welche Risikoklasse das
Projekt seitens der DEG eingestuft wurde und welche Begründung dieser
Einordnung zugrunde liegt?

16. Liegen der Bundesregierung als Mitglied des DEG-Aufsichtsrates irgend-
welche Erkenntnisse über Beschwerden lokaler Bevölkerungsgruppen über
das Projekt vor?

Falls ja, wie werden diese Beschwerden bearbeitet?

17. Entspricht die Haltung des Projektbetreibers, der der lokalen Bevölkerung
jeglichen rechtlichen Anspruch auf das Projektland und auf Kompensationen
abspricht, nach Meinung der Bundesregierung dem Geist der Freiwilligen
Leitlinien für Landnutzungsrechte, deren Einhaltung durch die DEG die
Bundesregierung anstrebt?

18. Waren die Konsultationen mit der lokalen Bevölkerung nach heutigem
Kenntnisstand nach Einschätzung der Bundesregierung ausreichend, um ei-
nen Free, Prior and Informed Consent (FPIC) der betroffenen Bevölkerung
gewährleisten zu können, wie es etwa die Freiwilligen Leitlinien für Land-
nutzungsrechte (Artikel 9.9.) und der Weltbankstandards IFC 7 vorsehen?

Wenn ja, wie erklärt sich die Bundesregierung dann gegenteilige Aussagen
des Sarima Indigenous People’s Land Forum und die gerichtliche Klage der
Volksgruppe der Turkuna gegen den Pachtvertrag mit der LTWP?

19. Wie beurteilt die Bundesregierung die entwicklungspolitischen Erfolgsaus-
sichten des Projektes hinsichtlich Beschäftigung, angesicht des Risikos, dass
die Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerungsgruppen durch etwaige Um-
weltschäden erheblichen Schaden nehmen könnte?

20. Wurde nach Kenntnis der Bundesregierung im Sozialrisikoscreening der
DEG der Umstand berücksichtigt, dass das Windparkprojekt Auseinander-
setzungen wie Landkonflikte in der Projektregion zwischen einzelnen Bevöl-
kerungsgruppen verschärfen könnte?

21. Wenn ja, wie hat die DEG nach Kenntnis der Bundesregierung versucht, dem
entgegenzusteuern?

22. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass sich die Konflikte zwischen ein-
zelnen Bevölkerungsgruppen in der Projektregion, die in den letzten Mona-
ten mehrfach einen tödlichen Ausgang nahmen, durch den Windpark ver-
stärkt haben oder verstärken könnten?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wie gedenkt die Bundesregierung bzw. die DEG den Projektbetrei-
ber hinsichtlich einer Veränderung der vereinbarten Umwelt- und Sozialak-
tionsplätze zu bewegen?

Berlin, den 12. November 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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