BT-Drucksache 18/6634

zu dem Antrag der Abgeordneten Ralph Lenkert, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/4840 - Kältemittel R1234yf aus dem Verkehr ziehen

Vom 10. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6634
18. Wahlperiode 10.11.2015

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
(16. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Ralph Lenkert, Caren Lay, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/4840 –

Kältemittel R1234yf aus dem Verkehr ziehen

A. Problem

Mit dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden,

– sicherzustellen, dass eine Reihe von im Einzelnen genannten gesundheitsge-
fährdenden Stoffen von der Nutzung als Kältemittel in Klimaanlagen für
Kraftfahrzeuge ausgeschlossen werden;

– den Bundestag unverzüglich umfänglich über den Stand und die Inhalte des
Komitologieverfahrens zur Risikobewertung von R1234yf nach der REACH-
Stoffbewertung zu informieren bzw. die EU-Kommission zur Herausgabe der
entsprechenden Unterlagen aufzufordern;

– sich dafür einzusetzen, dass die Umsetzungsfristen der Richtlinie 2006/40/EG
ausgeweitet werden, sodass Automobilherstellern die Möglichkeit gegeben
wird, rechtskonform das unbrennbare und unschädliche CO2 als Kältemittel
einzuführen;

– den Einsatz von R1234yf als Kältemittel für Klimaanlagen für Kraftfahrzeuge
zu verbieten.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 18/6634 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/4840 abzulehnen.

Berlin, den 4. November 2015

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Bärbel Höhn
Vorsitzende

Carsten Müller (Braunschweig)
Berichterstatter

Ulli Nissen
Berichterstatterin

Ralph Lenkert
Berichterstatter

Christian Kühn (Tübingen)
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6634
Bericht der Abgeordneten Carsten Müller (Braunschweig), Ulli Nissen, Ralph
Lenkert und Christian Kühn (Tübingen)

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 18/4840 wurde in der 112. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. Juni 2015 zur
federführenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und zur Mitbe-
ratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie an den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruk-
tur überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Antragsteller legen dar, dass mit der Einführung des Kältemittels R1234yf für Klimaanlagen von Kraftfahr-
zeugen ein unnötiges Risiko für die Gesundheit von Fahrzeuginsassen, Rettungskräften und anderweitig bei Un-
fällen oder PKW-Bränden beteiligten Personen geschaffen worden sei. Bei Brandversuchen des hochentzündli-
chen Kältemittels durch den Daimler-Konzern, die Bundesanstalt für Materialforschung und durch unabhängige
Wissenschaftler seien erhebliche Mengen Fluorwasserstoff und in der Folge bei Kontakt mit Luftfeuchtigkeit oder
Löschwasser ätzende Flusssäure entstanden. Die Bundesregierung habe bereits im Jahr 2010 festgestellt, dass sie
dies für gesundheitlich bedenklich halte.

Darüber hinaus legten neuere Veröffentlichungen der Technischen Universität München nahe, dass bei der Ver-
brennung des Kältemittels signifikante Mengen Carbonyldifluorids (COF2) entstünden, das chemisch mit dem im
Ersten Weltkrieg eingesetzten Kampfstoff Phosgen verwandt sei.

Trotz der bekannten Risiken für das Kältemittel liege bislang keine abschließende Risikobewertung nach der
REACH-Stoffbewertung vor. Es sei auch unbekannt, inwieweit die deutschen Chemikalienbehörden mit der Ri-
sikobewertung der europäischen Chemikalienbehörden nicht konform gingen. Die Bundesregierung könne bzw.
dürfe derzeit keine Auskunft über die Inhalte und über den Zeitplan des deshalb bei der EU-Kommission anhän-
gigen Komitologieverfahrens geben. Deshalb blieben sowohl die Öffentlichkeit als auch die Automobilhersteller
derzeit im Unklaren über eine offizielle Einschätzung der tatsächlich von dem Kältemittel ausgehenden Risiken.

Mit der Richtlinie 2006/40/EG über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen sei das Ziel gesetzt worden,
ab 2017 nur noch Kältemittel in Klimaanlagen für Kraftfahrzeuge mit einem GWP-Wert von höchstens 150 (Glo-
bal Warming Potential, CO2-Äquivalent) in Neuwagen einzusetzen. Dieses Ziel sei zu begrüßen. Dennoch könne
ein konkretes Gefährdungspotential für das Leben von Fahrzeuginsassen, Rettungskräften und anderen durch ein
alternatives Kältemittel nicht durch das Argument des Klimaschutzes aufgewogen werden. Die Nutzung von
R1234yf als Kältemittel in Klimaanlagen von Kraftfahrzeugen sei daher prinzipiell, zumindest aber aus präven-
tiven Gründen, zu verbieten.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat in seiner 53. Sitzung am 4. November 2015 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/4840 abzulehnen.

Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hat in seiner 51. Sitzung am 4. November 2015 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthal-
tung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/4840 abzulehnen.

Drucksache 18/6634 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat den Antrag auf Drucksache 18/4840 in
seiner 65. Sitzung am 4. November 2015 abschließend beraten.

Die Fraktion DIE LINKE. führte zu ihrem Antrag aus, dass bei der Verbrennung des Kältemittels R1234yf
Flusssäure und gesundheitsgefährdende Brandgase entstünden. Daher solle dieses Kältemittel nicht eingesetzt
werden, wenn bei der Anwendung Brände entstehen könnten. Die Automobilindustrie sowie der Hersteller des
Kältemittels hätten auf die Einhaltung der vorgeschriebenen Prüfungen verwiesen, wobei eine Brand- und Toxi-
zitätsprüfung der Rauchgase jedoch weltweit nicht vorgesehen sei. Die Automobilhersteller seien finanziell zu
kurzsichtig, wovon lediglich die Firma Daimler AG auszunehmen sei, da diese den Ersatz des Kältemittels durch
CO2 zumindest teilweise bereits umgesetzt habe. Im Ergebnis erhoffe man sich von dem Antrag die Herstellung
einer größeren Öffentlichkeit, sodass amerikanische Anwaltskanzleien im Falle eines gravierenden Unfalls die
Möglichkeit hätten, gegen alle Automobilkonzerne auf Schadensersatz zu klagen.

Die Fraktion der CDU/CSU äußerte Verständnis für den Antrag und begrüßte, dass das Thema in der breiten
Öffentlichkeit diskutiert werde. Selbstverständlich müssten Kältemittel sicher sein und es dürften keine unmittel-
baren Gefahren von ihnen ausgehen. Tatsächlich könnten einige der im Antrag beschriebenen Auswirkungen nicht
gänzlich ausgeschlossen werden. Hätten sich die Befürchtungen der Antragssteller jedoch bewahrheitet, wäre dies
angesichts von weltweit über 10 Millionen mit diesem Kältemittel ausgerüsteten Fahrzeugen sehr schnell offenbar
geworden. Man nehme dieses Thema sehr ernst, man halte es allerdings für nicht zielführend, von einem „hoch-
entzündlichen“ Kältemittel zu sprechen, weil dies nicht zutreffe. Der Antrag führe jedoch lediglich dazu, dass
keine Klimaanlagen mehr in Automobile eingebaut werden könnten, wenn eine Stoffbewertung nach der REACH-
Verordnung durchgeführt werden würde. Man vertraue daher auf die Sicherheit des neuen Kältemittels, welches
etwa um den Faktor 500 weniger klimaschädlich sei als das bisherige Kältemittel R134a. Hingewiesen wurde
auch darauf, dass bei verbrennungsgetriebenen Kraftfahrzeugen durch den notwendigen Kraftstoff ohnehin ent-
zündliche Flüssigkeiten im Motorraum zum Einsatz kommen würden. Gleichzeitig wurde angemerkt, dass ein
Einsatz von CO2-basierten Klimaanlagen einen höheren Energiebedarf erfordere, der bei geringer motorisierten
Kraftfahrzeugen und auch bei Elektrofahrzeugen nicht ohne weiteres abbildbar sei.

Die Fraktion der SPD begrüßte, dass die Daimler AG ihre Fahrzeuge nachrüste. Es sei gut, wenn auch andere
Fahrzeughersteller diesem Schritt folgen würden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher hätten allerdings auch
weiterhin die Möglichkeit, auf eine Klimaanlage im Fahrzeug ganz zu verzichten. Da viele darauf jedoch nicht
verzichten wollten, sei der Ersatz durch CO2-Kälteanlagen ein sinnvoller Weg. Ein Verbot führe jedenfalls nicht
zum Ziel, solange keine wirkliche Alternative zur Verfügung stehe.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN teilte die in dem Antrag formulierten Bedenken und forderte, kli-
maschädliche Kältemittel in Automobilen nicht mehr einzusetzen. Die aktuell verwendeten Alternativstoffe seien
ebenfalls mit Risiken verbunden, soweit diese überhaupt schon in Gänze bekannt seien. Die Automobilindustrie
habe einen falschen Technologiepfad eingeschlagen und hätte bereits früher auf CO2 als Kältemittel setzen müs-
sen, das in Bussen ja bereits Verwendung finde. Gleichzeitig hätten weitere Technologien erforscht werden müs-
sen, um die erheblichen Risiken weiter zu minimieren. Es bestehe weiterhin Forschungsbedarf, wobei auch die
Bundesregierung bei den Tests in der Pflicht sei, diese anzupassen. Die Daimler AG habe mit CO2 den Lösungs-
weg vorgegeben, den es weiter zu verfolgen gelte.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6634
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit beschloss mit den Stimmen der Frakti-
onen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dem Deutschen Bundestag zu empfehlen, den Antrag auf Drucksache 18/4840
abzulehnen.
Berlin, den 4. November 2015

Carsten Müller (Braunschweig)
Berichterstatter

Ulli Nissen
Berichterstatterin

Ralph Lenkert
Berichterstatter

Christian Kühn (Tübingen)
Berichterstatter

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