BT-Drucksache 18/6599

zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/3746 - Mehrwertsteuerreduktion im Schienenpersonenfernverkehr

Vom 5. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6599
18. Wahlperiode 05.11.2015

Beschlussempfehlung und Bericht
des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/3746 –

Mehrwertsteuerreduktion im Schienenpersonenfernverkehr

A. Problem

Der Antrag stellt eine erhebliche Wettbewerbsungleichheit zwischen dem Bahn-
und dem Flugverkehr fest, da der Bahnverkehr stärker mit Mehrwertsteuer und
Energiesteuern belastet ist als der Flugverkehr.

B. Lösung

Der Antrag fordert eine gesetzliche Regelung,

– um baldmöglichst den Mehrwertsteuersatz für Tickets auch im Bahnfernver-
kehr analog zum Nahverkehr von 19 auf 7 Prozent zu reduzieren; um spätes-
tens zum 1. Juli 2015 auf alle von Deutschland ausgehenden oder nach
Deutschland eingehenden grenzüberschreitenden Flüge den vollen Mehrwert-
steuersatz von 19 Prozent auf die Flugtickets zu erheben

– um die Luftverkehrsteuer dahingehend zu novellieren, dass baldmöglichst die
Verrechnung mit den Einnahmen des Emissionshandels gestrichen sowie die
Deckelung beider Einnahmen auf 1 Mrd. Euro im Jahr gestrichen werden und
stattdessen die Steuersätze zur Deckung der Einnahmeverluste entsprechend
angehoben werden

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Der Antrag diskutiert keine Alternativen.

D. Kosten

Der Antrag diskutiert keine Kostenwirkungen.

Drucksache 18/6599 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/3746 abzulehnen.

Berlin, den 4. November 2015

Der Finanzausschuss

Ingrid Arndt-Brauer
Vorsitzende

Andreas Schwarz
Berichterstatter

Richard Pitterle
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6599
Bericht der Abgeordneten Andreas Schwarz und Richard Pitterle

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/3746 in seiner 92. Sitzung am 6. März 2015 dem
Finanzausschuss zur federführenden Beratung sowie dem Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur und
dem Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Der Antrag stellt eine erhebliche Wettbewerbsungleichheit zwischen dem Bahn- und dem Flugverkehr fest, da
der Bahnverkehr stärker mit Mehrwertsteuer und Energiesteuern belastet ist als der Flugverkehr.

Der Antrag fordert einen Beschluss des Deutschen Bundestages, die Bundesregierung aufzufordern,

1. spätestens zum 1. Juli 2015 den Mehrwertsteuersatz für Tickets auch im Bahnfernverkehr analog zum Nah-
verkehr von 19 auf 7 Prozent zu reduzieren, so dass im gesamten Schienenpersonenverkehr nur noch 7 Prozent
Mehrwertsteuer zu zahlen sind;

2. spätestens zum 1. Juli 2015 auf alle von Deutschland ausgehenden oder nach Deutschland eingehenden grenz-
überschreitenden Flüge den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf die Flugtickets zu erheben;

3. unabhängig davon zur Gegenfinanzierung der Mehrwertsteuersenkung im Bahnfernverkehr die Luftverkehr-
steuer dahingehend zu novellieren, dass ab dem 1. Juli 2015 die Verrechnung mit den Einnahmen des Emissi-
onshandels gestrichen, die Deckelung beider Einnahmen auf 1 Mrd. Euro im Jahr gestrichen werden und statt-
dessen die Steuersätze zur Deckung der Einnahmeverluste entsprechend angehoben werden.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hat den Antrag auf Drucksache 18/3746 in seiner
51. Sitzung am 4. November 2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN Ablehnung.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat den Antrag auf Drucksache 18/3746
in seiner 65. Sitzung am 4. November 2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN Ablehnung.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Finanzausschuss hat den Antrag der Fraktion die LINKE. in seiner 58. Sitzung am 4. November 2015 erst-
malig und abschließend beraten.

Der Finanzausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ablehnung des Antrags
auf Drucksache 18/3746.

Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wiesen darauf hin, dass das Anliegen des vorliegenden Antrags der
Fraktion DIE LINKE. den Deutschen Bundestag bereits in ähnlicher Form schon mehrfach beschäftigt habe. Man
werde den Antrag auch dieses Mal ablehnen.

Schon mehrfach habe man auch im Plenum darauf hingewiesen, dass für die Bahn der Luftverkehr kein
Hauptwettbewerber sei. Beim Schienenverkehr würden 99 Prozent und beim Luftverkehr nur 20 Prozent national
stattfinden. Für die Deutsche Bahn seien andere Wettbewerber wie etwa die Fernbusse wichtiger.

Drucksache 18/6599 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Der Antrag berücksichtige ebenfalls nicht, dass die Finanzierungsmodelle unterschiedlich seien. Im Luftverkehr
würden die Infrastrukturkosten vollständig durch die Luftsicherungsgebühren, Flugsicherungskosten und Flugha-
fenentgelte gedeckt. Während im Bahnverkehr die Trassenentgelte nicht ausreichen würden, um die Infrastruktur
zu erhalten oder auszubauen. Deswegen gebe es in diesem Bereich auch in erheblichem Umfang Bundeszu-
schüsse.

Die drei im Antrag genannten Forderungen würden von den Koalitionsfraktionen aus den folgenden Gründen
abgelehnt werden:

Soweit im Antrag der Fraktion DIE LINKE. gefordert werde, den Mehrwertsteuersatz für Tickets auch im Bahn-
fernverkehr analog zum Nahverkehr von 19 auf 7 Prozent zu reduzieren, wäre hierfür eine Änderung des § 12 Ab-
satz 2 Nr. 10 Umsatzsteuergesetz notwendig. Vor dem Hintergrund des Neutralitätsprinzips müsste diese Redu-
zierung sodann auch für die Fernbusse vorgenommen werden. Das würde aber die Wettbewerbssituation für die
Bahn zusätzlich verschärfen. Ferner würde es die im Antrag erwähnten umweltpolitischen Argumente für eine
Mehrwertsteuerreduzierung zweifelhaft erscheinen lassen.

Hinsichtlich der zweiten Forderung im Antrag, wonach zukünftig bei grenzüberschreitenden Flügen ein voller
Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent erhoben werden solle, sei darauf hinzuweisen, dass dies aufgrund des Terri-
torialitätsprinzips der Umsatzsteuer und der internationalen Verträge, die Deutschland eingegangen sei, nur für
die Teilstrecken im Inland zulässig wäre. Daher seien auch die im Antrag genannten Mehreinnahmen von
3,5 Mrd. Euro nicht zutreffend, da hierbei auf die Gesamtstrecke abgestellt worden sei. Die Bundesregierung gehe
vielmehr von möglichen Mehreinnahmen in Höhe von 80 Millionen Euro aus. Dabei dürfe aber ein erheblicher
Erhebungsaufwand nicht außer Acht gelassen werden.

Soweit drittens im Antrag eine Erhöhung der Steuersätze der Luftverkehrsteuer gefordert werde, sei auf den in-
ternationalen Wettbewerb hinzuweisen. Dies könnte zu einer Verdrängung und stärkeren Nutzung der Flughäfen
im Ausland führen.

Darüber hinaus würden erhebliche Zweifel daran bestehen, ob die Forderungen im Antrag der Fraktion
DIE LINKE. mit dem Europarecht vereinbar seien.

Schließlich würden auch die Erfahrungen zeigen, dass Reduzierungen der Mehrwertsteuersätze letztlich nicht
beim Kunden ankommen, sondern bei den betroffenen Konzernen zu Gewinnmitnahmen führen würden.

Die Fraktion DIE LINKE. betonte, man habe den vorliegenden Antrag gestellt, da sich durch die Koppelung
der vorgeschlagenen Maßnahmen nicht nur eine weitgehende Kostenneutralität für den Bund ergebe, sondern
auch eine doppelte Steuerungswirkung hin zu einem klima- und umweltfreundlichen Modell. Durch die Kombi-
nation einer „Pull“- und einer „Push“-Maßnahme, also der Vergünstigung des Bahnfernverkehrs einerseits und
der Verteuerung des Luftverkehrs andererseits, würde eine Verkehrsverlagerung hin zur Bahn möglich gemacht.

Die Fraktion DIE LINKE. nannte fünf zentrale Argumente für eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes im
Bahnfernverkehr:

In keinem anderen Land der EU sei die Bahn mit einem so hohen Mehrwertsteuersatz belastet wie in Deutschland.
Das könne man der Grafik der „Allianz pro Schiene“ auf Seite 3 des vorliegenden Antrags entnehmen. In vielen
Ländern unterliege die Bahn analog zum Vorschlag der Fraktion DIE LINKE. einer reduzierten Mehrwertsteuer.
In der Mehrheit der Länder, u.a. Frankreich, Großbritannien, Italien, Dänemark und Schweden, würden die Ti-
ckets für den Bahnfernverkehr sogar überhaupt keiner Mehrwertsteuer unterliegen.

Zweitens sei der grenzüberschreitende Luftverkehr von der Mehrwertsteuer komplett befreit, was den grenzüber-
schreitenden Bahnverkehr im Wettbewerb erheblich benachteilige. Mit dieser Regelung fördere man absurder-
weise bislang die Wahl des Flugzeuges gegenüber der Bahn.

Drittens sei die Bahn durch die EEG-Novelle 2014 erheblich zusätzlich belastet worden und sei auch sonst hin-
sichtlich der Steuerbelastung benachteiligt. Die Bahn zahle nicht nur den vollen Mehrwertsteuersatz, sondern
auch Energie- und Stromsteuern, obwohl sie einem deutlich höheren Anteil an erneuerbaren Energien als jeder
andere Verkehrsträger aufweise.

Viertens stehe der Bahnfernverkehr in besonderem Maße vor großen Herausforderungen. Einerseits wolle die
Deutsche Bahn mit dem einigermaßen ambitionierten Fernverkehrskonzept die Fläche wieder an den Schienen-
personenfernverkehr anbinden, was die Fraktion DIE LINKE. grundsätzlich begrüße. Andererseits stehe die
Sparte insbesondere auch durch den Fernbus-Boom unter erheblichem Druck. Daher könnte gerade jetzt eine
Mehrwertsteuerreduzierung Druck von der Deutschen Bahn nehmen und damit ermöglichen, das Fernverkehrs-
konzept auch tatsächlich umzusetzen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6599
Fünftens sei die Bahn mit Abstand das klima- und umweltfreundlichste Verkehrsmittel für die Langstrecke. Daher
sei eine Subventionierung der Bahn im Gegensatz zur bislang praktizierten Subventionierung des Luft- und Au-
toverkehrs durchaus zu vertreten. Subventionen sollten nämlich grundsätzlich die schonenden Verkehrsträger ver-
günstigen und die schädlichen verteuern und nicht umgekehrt.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hob hervor, dass man aus vielen Debatten im Finanzausschuss
wisse, dass eine Beeinflussung des Marktes über die Mehrwertsteuersätze in der Regel über Mitnahmeeffekte und
über die Gestaltungsanfälligkeit der Regelungen zu Verzerrungen führe. Das habe man nicht nur bei der sog.
Hotel-Steuer, sondern auch bei den anderen verminderten Mehrwertsteuersätzen bislang beobachten können. Dies
sei intensiv bei den Themen „Lebensmittel“ und „ÖPNV“ diskutiert worden. Es sei prinzipiell besser, in all diesen
Fällen einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz vorzusehen.

In Bereichen wie etwa dem Flugverkehr, in denen keine Mehrwertsteuer und keine Energiesteuern erhoben wür-
den, müsse man daran arbeiten, dass diese Ausnahmen aufgehoben würden. Dem Antrag der Fraktion
DIE LINKE. sei insoweit zuzustimmen, als die fehlende Besteuerung zu einer wettbewerbsverzerrenden steuerli-
chen Behandlung des Luftverkehrs führe. Auch aus ökonomischer Sicht müsse es das Ziel sein, wettbewerbsver-
zerrende Maßnahmen zu beseitigen.

Zugleich dürften allerdings nicht durch die Schaffung zusätzlicher Ausnahmetatbestände die Komplexität und
damit die Mitnahmeeffekte und Gestaltungsanfälligkeit der Besteuerung erhöht werden. Die mit dem Antrag der
Fraktion DIE LINKE. vorgesehene Reduktion der Mehrwertsteuer im Schienenpersonenfernverkehr gehe daher
insbesondere auch im Hinblick auf den Busverkehr in die falsche Richtung.

Berlin, den 4. November 2015

Andreas Schwarz
Berichterstatter

Richard Pitterle
Berichterstatter
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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