BT-Drucksache 18/6595

Islamfeindlichkeit und antimuslimische Straftaten im dritten Quartal 2015

Vom 3. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6595
18. Wahlperiode 03.11.2015

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dağdelen, Kerstin Kassner,
Martina Renner, Dr. Petra Sitte, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der

Fraktion DIE LINKE.

Islamfeindlichkeit und antimuslimische Straftaten im dritten Quartal 2015

Laut einer Anfang Januar 2015 veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung
empfinden 57 Prozent der nichtmuslimischen Bürgerinnen und Bürger „den Is-
lam“ als Bedrohung. 61 Prozent der Befragten gaben an, der Islam passe nicht in
die westliche Welt, 40 Prozent fühlten sich durch Muslime als Fremde im eigenen
Land, jeder Vierte will Muslimen die Zuwanderung nach Deutschland verbieten
(www.tagesschau.de/inland/islam-101.html). Auch andere Studien über gruppen-
bezogene Menschenfeindlichkeit, wie die im Zweijahresrhythmus durchgeführte
Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung verweisen auf eine tiefsitzende Islam-
bzw. Muslimfeindlichkeit in beträchtlichen Teilen der Bevölkerung (www.fes-
gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/141120presse-handout.pdf).

Auf islamfeindlichen Internetportalen, wie dem nach eigenen Angaben von teil-
weise über 100 000 Besucherinnen und Besuchern am Tag gelesenen Blog „Po-
litically Incorrect“ (PI), werden insbesondere in den Leserkommentaren Muslime
und Muslimas in fremdenfeindlicher, beleidigender, hasserfüllter und zum Teil
gewaltbefürwortender Weise pauschal erniedrigt und beschimpft. Für die Pro-Be-
wegung (Pro NRW, Pro Deutschland) und die NPD dient islamfeindliche Agita-
tion, etwa gegen Moscheeneubauten, als ein Mittel, um die so genannte Mitte der
Gesellschaft mit ihrer rechtsextremen Programmatik zu erreichen.

Im Herbst 2014 entstand in Dresden die Pegida-Bewegung, die sich von ihrem
Namen her explizit gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ richtet. An wö-
chentlichen Demonstrationen beteiligten sich in Dresden vorübergehend bis zu
25 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den islam- und fremdenfeindlichen
Aufmärschen.

Die in Teilen der Bevölkerung verankerte Islam- und Muslimfeindlichkeit äußert
sich auch in Übergriffen und Anschlägen auf Moscheen in Deutschland, die von
Schändungen mit Schlachtabfällen oder Fäkalien bis hin zu Brandanschlägen rei-
chen (Bundestagsdrucksache 18/1627). Das ganze Ausmaß islam- bzw. muslim-
feindlich motivierter Straftaten verbleibt allerdings im Dunkeln, da sich Bundes-
und Landesbehörden bislang weigern, den Themenfeldkatalog beim Begriff der
„Hasskriminalität“ um ein Unterthema „islamfeindlich“ bzw. „muslimfeindlich“
zu erweitern, wie es insbesondere von muslimischen Verbänden und Kriminolo-
gen gefordert wird und im Falle des Unterthemas „Antisemitismus“ seit längerem
geschehen ist (Bundestagsdrucksachen 17/13686 und 18/1627).

Drucksache 18/6595 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Überlegungen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit bei
Polizei- und Innenbehörden von Bund und Ländern, den Themenfeldkatalog
beim Begriff der „Hasskriminalität“ um ein Unterthema „islamfeindlich“
bzw. „muslimfeindlich“ zu erweitern, wie es im Falle des Unterthemas „An-
tisemitismus“ seit längerem geschehen ist?

2. Welche islam- bzw. muslimfeindlichen Websites und Gruppierungen werden
nach Kenntnis der Bundesregierung in welchen Bundesländern als verfas-
sungsfeindlich (auch Verdachtsfälle) eingestuft bzw. von Landesämtern für
Verfassungsschutz überwacht?

3. Welche und wie viele islam- bzw. muslimfeindlichen Aufmärsche ein-
schließlich Proteste gegen eine angeblich drohende Islamisierung Europas
oder den Bau von Moscheen in Deutschland fanden nach Kenntnis der Bun-
desregierung im dritten Quartal 2015 statt (bitte Datum, Ort, Teilnehmerzahl,
Anlass bzw. Thema und Veranstalter angeben)?

4. Wie viele Anschläge auf Moscheen, Moscheevereine und sonstige islami-
sche Einrichtungen in Deutschland gab es nach Kenntnis der Bundesregie-
rung im dritten Quartal 2015 (bitte einzeln nach Ort, Datum, Name der Mo-
schee und ihrer möglichen Dachorganisation, Art des Anschlags und Scha-
denshöhe, Phänomenbereich, Ober- und Unterthema und Anzahl der Tatver-
dächtigen auflisten)?

a) Wie viele Schändungen von Moscheen, Moscheevereinen und sonstigen
islamischen Einrichtungen durch Farbschmierereien, Fäkalien, Schlach-
tabfälle etc. sind der Bundesregierung für das dritte Quartal 2015 bekannt
geworden (bitte einzeln nach Ort, Datum, Name der Moschee und ihrer
möglichen Dachorganisation, Art der Schändung und Schadenshöhe, Phä-
nomenbereich, Ober- und Unterthema und Anzahl der Tatverdächtigen
auflisten)?

b) Wie viele Bombendrohungen gegen Moscheen, Moscheevereine und
sonstige islamische Einrichtungen sind der Bundesregierung im dritten
Quartal 2015 bekannt geworden (bitte einzeln nach Ort, Datum, Name der
Moschee und ihrer möglichen Dachorganisation, Phänomenbereich,
Ober- und Unterthema und Anzahl der Tatverdächtigen auflisten)?

5. Wie viele mutmaßlich antimuslimisch oder islamfeindlich motivierte Straf-
taten außer den Übergriffen auf Moscheen, Moscheevereine und sonstige is-
lamische Einrichtungen wurden im dritten Quartal 2015 nach Kenntnis der
Bundesregierung bundesweit verübt (bitte nach Anzahl, Art und Motivation
der Straftat und Bundesländer aufschlüsseln)?

6. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im dritten
Quartal 2015 bei Überfällen mit mutmaßlich antimuslimischer oder islam-
feindlicher Motivation oder mit vermuteter antimuslimischer oder islam-
feindlicher Motivation

a) leicht verletzt,

b) schwer verletzt, bzw.

c) getötet

(bitte nach Bundesländern und Motivation der Straftat aufschlüsseln)?

7. Welcher materielle Schaden entstand nach Kenntnis der Bundesregierung bei
mutmaßlich antimuslimischen und islamfeindlichen Straftaten im dritten
Quartal 2015 (bitte nach Schadenshöhe, Art der Motivation und Bundeslän-
dern aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6595

8. Wie viele Tatverdächtige wurden nach Kenntnis der Bundesregierung wegen
mutmaßlich antimuslimischer und islamfeindlicher Straftaten im dritten
Quartal 2015 festgenommen (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation
der Straftaten aufschlüsseln)?

9. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden nach Kenntnis der Bundesregierung
wegen mutmaßlich antimuslimischer und islamfeindlicher Straftaten im drit-
ten Quartal 2015 eingeleitet (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation
der Straftaten aufschlüsseln)?

10. In wie vielen Fällen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die Ermitt-
lungen wegen mutmaßlich antimuslimischer und islamfeindlicher Straftaten
im dritten Quartal 2015 eingestellt (bitte nach Bundesländern, Art und Moti-
vation der Straftaten aufschlüsseln)?

11. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung wegen anti-
muslimischer und islamfeindlicher Straftaten im dritten Quartal 2015 zu wel-
chen Strafen verurteilt (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation der
Straftaten aufschlüsseln)?

12. Welche gezielten bundesweiten Operationen der Polizei hat es wegen über-
regionaler antimuslimischer und islamfeindlicher Straftaten mit welchem Er-
gebnis gegeben?

13. Welche Nachmeldungen zu den Fragen 3 bis 12 auf Bundestagsdrucksa-
che 18/5685 gibt es bezüglich des zweiten Quartals 2015?

Berlin, den 2. November 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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