BT-Drucksache 18/6498

Arbeitsweise des Grünen Klimafonds in der internationalen Klimafinanzierung

Vom 20. Oktober 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6498
18. Wahlperiode 20.10.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Wolfgang Gehrcke,

Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Kerstin Kassner, Sabine Leidig,

Birgit Menz, Niema Movassat, Dr. Kirsten Tackmann, Alexander Ulrich

und der Fraktion DIE LINKE.

Arbeitsweise des Grünen Klimafonds in der internationalen Klimafinanzierung

Wenige Wochen vor der Weltklimakonferenz in Paris (30. November bis 9. De-
zember 2015) rückt die Frage der internationalen Klimafinanzierung wieder ins
öffentliche Interesse. Der Grüne Klimafonds (Green Climate Fund, GCF) gilt als
wichtigste multilaterale Institution künftiger internationaler Klimafinanzierung.
Im Jahr 2010 auf der Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen in Cancún/Me-
xiko ins Leben gerufen, soll der Fonds einen wesentlichen Teil jener jährlichen
Finanzmittel für Klimaschutz und Anpassung von den Industriestaaten in die Ent-
wicklungsländer transferieren, die schon jetzt einfließen. Ab dem Jahr 2020 soll
die internationale Klimafinanzierung eine Höhe von 100 Mrd. US-Dollar im Jahr
erreichen. Der GCF kann damit bestehende bi- und multilaterale Instrumente der
internationalen Klimafinanzierung wirksam und zusätzlich ergänzen. Die Erst-
auffüllung des Fonds und seine künftige Funktions- und Arbeitsweise gelten be-
sonders für die Entwicklungsländer als eine der grundlegenden vertrauensbilden-
den Bedingungen, um bei den Verhandlungen auf der UN-Weltklimakonferenz
in Paris zu einem neuen globalen Klimavertrag zu kommen.

Über den aus privaten und öffentlichen Mitteln gespeisten Fonds sollen Projekte
und Programme für eine emissionsärmere und klimarobuste Entwicklung in den
Teilen der Welt finanziert werden, die historisch die geringste Schuld am Klima-
wandel tragen und deren Bevölkerungen die Folgen der fortschreitenden Erder-
wärmung schon heute am stärksten zu spüren haben.

Der GCF strebt an, mit 50 Prozent der Mittel Klimaschutzprojekte zu finanzieren,
die Entwicklungsländer dabei unterstützen sollen, einen klimafreundlichen
Wachstumspfad zu verfolgen. Die anderen 50 Prozent der Mittel sollen für die
Anpassung an den Klimawandel bereitgestellt werden, wovon wiederum die
Hälfte für die Staaten Afrikas sowie für die am stärksten vom Klimawandel be-
troffenen bzw. ärmsten Länder der Welt bestimmt ist.

Aktuell befindet sich der GCF im Aufbau. Beim 9. und 10. Treffen des Direkto-
riums des Grünen Klimafonds vom 24. bis 26. März 2015 und vom 6. bis
9. Juli 2015 in Songdo/Südkorea, dem offiziellen Sitz des Fonds, wurden erste
Institutionen akkreditiert, die Projekte und Programme durchführen können.
Beim anstehenden 11. Treffen des Direktoriums des Grünen Klimafonds vom
2. bis 5. November 2015 in Livingstone/Zambia sollen die ersten Projekte bewil-
ligt werden.

Drucksache 18/6498 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

Erste Kritik von Beobachtern und von Staatenvertretern des Fonds an der Arbeits-
weise des GCF wird unter anderem an den Modalitäten bei der Förderprojektent-
wicklung durch das GCF-Direktorium und der Transparenz geübt sowie an der
Expertenbenennung von Beratungsgremien, der Auswahl von privaten Partnern
und Durchführungsorganisationen, an der Möglichkeit zur Finanzierung von
Kohle- und Atomkraftprojekten, dem nicht ausreichenden Mittelvolumen für eine
globale Energiewende, der Anrechnungsmöglichkeit von internationaler Klima-
finanzierung auf die internationale Entwicklungszusammenarbeit bzw. Armuts-
bekämpfung und der mangelhaften Evaluierung von Projekten (www.deutsche
klimafinanzierung.de/).

In einer Serie von insgesamt drei Kleinen Anfragen befragt die Fraktion DIE
LINKE. die Bundesregierung zum Grünen Klimafonds. In zwei Anfragen wird
die Arbeitsweise sowie die Finanzierung und die Projekte des Grünen Klimafonds
behandelt. In einer früheren Kleinen Anfrage wurde nach der Deutschen Bank
AG als erstem privaten Partner des Grünen Klimafonds gefragt (Bundestags-
drucksache 18/6436).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung Kenntnis von der Entscheidung des 9. Treffens des
Direktoriums, auf dem die KfW Bankengruppe als Institution mit „internati-
onalem Zugang“ akkreditiert wurde, obwohl laut § 48 des GCF Governing
Instruments bilaterale Akteure für eine Akkreditierung weder vorgesehen,
noch berechtigt sind?

Wenn ja, wie erklärt sie diese Entscheidung?

2. Haben sich Vertreter der Bundesregierung für die Entscheidung aus Frage 1
eingesetzt?

Wenn ja, warum?

3. Hält die Bundesregierung die KfW Bankengruppe für eine geeignete Partne-
rinstitution des GCF vor dem Hintergrund, dass die KfW Bankengruppe in
den Jahren 2006 bis 2014 weltweit 3,3 Mrd. Euro in klimaschädliche Kohle-
projekte investiert hat, und im Ausland auch in Zukunft in Kohlekraftwerke,
Kohlehäfen und Kohletagebaue investiert (www.urgewalt.de „Ende der
Kohlefinanzierung durch KfW“ vom 17. September 2014)?

Wenn ja, wie begründet sie ihre Einschätzung?

4. Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Kritik bei der Auswahl der ersten
akkreditierten Institutionen durch das Akkreditierungspanel, der zufolge ein
starkes Übergewicht an internationalen Institutionen herrsche, vor dem Hin-
tergrund, dass der GCF kein Fonds für bestehende Entwicklungsbanken sein
soll, sondern nationale Akteure zu stärken beabsichtigt (www.deutsche
klimafinanzierung.de vom 20. Juli 2015 „Grüner Klimafonds (GCF): Ent-
scheidende Fragen mit Blick auf Paris“)?

Wenn ja, welche Mitglieder im Direktorium haben nach Kenntnis der Bun-
desregierung diese Kritik geäußert, und welche Position vertritt die Bundes-
regierung diesbezüglich im Direktorium?

Wenn nein, was ist der Grund der Unkenntnis?

5. Welche privaten Partner, Durchführungsorganisationen und Beobachteror-
ganisationen wurden bisher im GCF akkreditiert (bitte nach Name, öffentlich
bzw. privat, Staat, Region auflisten)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6498

 

6. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, inwiefern nationale Organisati-
onen aus Entwicklungsländern durch das GCF "Readiness Programm" finan-
ziell und technisch unterstützt werden, um Zugang zur GCF-Finanzierung zu
erhalten?

Wenn ja, warum ist sie nötig, und wie sieht diese Unterstützung aus (bitte
nach Land, Institution, Fördersumme, Projektbeschreibung auflisten)?

7. Hat die Bundesregierung Kenntnis von der Art von Projekten und Program-
men, die der GCF fördern kann?

Wenn ja, welche?

8. Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Aufgaben des Beratungspanels
Independent Technical Advisory Panel (ITAP), über welchen Mechanismus
werden seine Mitglieder nach Kenntnis der Bundesregierung bestimmt, und
inwieweit teilt die Bundesregierung die von Beobachtern dokumentierte Kri-
tik von Vertretern aus den Entwicklungsländern (www.deutscheklimafi-
nanzierung.de vom 20. Juli 2015, s. Frage 4), der zufolge die Mehrzahl der
vom Direktorium vorgeschlagenen ITAP-Mitglieder wegen mangelnder Ex-
pertise im UNFCCC-Prozess nicht geeignet seien?

Wenn ja, welche Position haben die Vertreter der Bundesregierung vertreten,
wie begründet sie diese, und um welche beanstandeten ITAP-Kandidaten
handelt es sich hier konkret (bitte nach Name, Herkunftsland, Arbeitshinter-
grund auflisten)?

9. Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Investitionskriterien, die ein för-
derungswürdiges Projekt oder Programm erfüllen muss?

Wenn ja, welche Kriterien sind das?

10. Hat die Bundesregierung Kenntnis über eine Bewertungsskala zu den in
Frage 9 abgefragten Investitionskriterien?

Wenn ja, welche sind das?

11. Hat die Bundesregierung Kenntnis von der Datengrundlage, auf der GCF die
in den Fragen 9 bis 10 aufgestellten Kriterien und Skalen bewertet?

Wenn ja, welche ist das?

Wird bei Entscheidungen über Projekte und Programme ausschließlich auf
Informationen der Antragsteller zurückgegriffen, und welche Expertise und
Informationsressourcen nutzen das Direktorium des GCF und andere GCF-
Gremien bei ihren Prüfungen?

12. Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Modalitäten des „Scaling“ von
Projekten, auf deren Grundlage die Projekte des GCF bei der Antragsstellung
geprüft und verglichen werden können?

Wenn ja, auf welche Regeln hat sich das Direktorium konkret geeinigt?

13. Welche anderen internationalen Fonds für Klimaschutz bestehen nach
Kenntnis der Bundesregierung derzeit auf UN-Ebene, sind bestehende Pro-
gramme im GCF aufgegangen oder werden über das Sekretariat verwaltet,
bzw. ist dies nach Kenntnis der Bundesregierung für die Zukunft für beste-
hende Fonds vorgesehen?

Wenn ja, welche, und warum?

14. Wie hoch sind die bisher beim GCF-Sekretariat gemeldeten Beiträge der In-
dustrieländer für den Klimafonds (bitte nach Staat, Beitrag, Meldungsdatum
auflisten)?

Drucksache 18/6498 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

15. Haben nach Kenntnis der Bundesregierung private Akteure die Bereitstel-
lung von Mitteln für den GCF angekündigt oder geleistet?

Wenn ja, welche, wann, und wieviel (bitte nach Name, Datum, Herkunfts-
land, Betrag, Verwendungszweck auflisten)?

16. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob private Akteure bei der Be-
reitstellung von Mitteln für den GCF steuerrechtliche Erleichterungen erhal-
ten?

Wenn ja, welche sind das, welche Regelungen gelten in der EU, in Deutsch-
land oder sind geplant?

17. Wie sind die Zahlungsmodalitäten der Staaten für den Klimafonds? Bedeutet
eine Zusage ("pledge") eine nationale Zahlungsverpflichtung, woraus leitet
sich diese völkerrechtlich ab, und ist sie einklagbar?

Wenn ja, welche Institution kann wo Klage einreichen?

18. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob der GCF für den Privatsektor
„smart grants“ vergeben kann, und wenn ja, auf welche Merkmale und Be-
dingungen für diese Finanzierungsform hat sich das Direktorium geeinigt?

19. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, in welcher Form Finanzierungen
für den öffentlichen Bereich über den GCF möglich sein sollen, und wenn ja,
welche sind das?

20. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob im Direktorium für den Be-
reich der öffentlichen Finanzierung eine Einigung über die „niedrige oder
hohe Konzessionalität“ erzielt werden konnte, wenn ja, welchen Einfluss ha-
ben diese Kategorien auf die Finanzierung, wie sind diese Kategorien ausge-
staltet, und welche Vertreterinnen und Vertreter im Direktorium haben sich
nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Ausgestaltung eingesetzt?

21. Hat die Bundesregierung Kenntnis von der durch Beobachter berichteten im
Direktorium diskutierten Finanzierungskategorie der „Vulnerabilität“
(www.deutscheklimafinanzierung.de/blog/2015/07/gruner-klimafonds-mit-
blick-auf-paris/), und wenn ja, was bedeutet diese konkret für die Finanzie-
rung, und welche Definitionen liegen vor?

Welche Definition von „Vulnerabilität“ vertritt die Bundesregierung, und
warum?

22. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Position des GCF-Sekretariats auf
der 9. Sitzung, der zufolge Mittel an die Entwicklungsländer vor allem über
Kredite und nicht als Zuschüsse wie an die am wenigsten entwickelten Län-
der oder Inselstaaten erfolgen soll mit der Begründung, wegen geringer Mit-
telausstattung des GCF für einen hohen Rückfluss zu sorgen?

Auf welche Regelungen und Anweisungen für den GCF wurde sich geeinigt,
und warum?

Welche Position vertritt die Bundesregierung in dieser Frage?

23. Wie hoch ist der kreditgebundene, von den Empfänger zurückzuzahlende
Anteil der bisher beim GCF angemeldeten Mittel der internationalen Klima-
finanzierung (bitte in die Kategorien absolut, nach Art der Finanzierung, pro-
zentual zu den gesamten GCF-Mitteln aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6498

 

24. Wie bewertet die Bundesregierung bezüglich der Fragen 22 und 23 das Ri-
siko, dass im Bereich der Anpassungsfinanzierung über Kredite erstens be-
sonders die am wenigsten entwickelten Länder vernachlässigt werden könn-
ten und zweitens durch die mögliche Bevorzugung marktwirtschaftlich er-
tragreicher Projekte durch den GCF die Sicherung von Grunddienstleistun-
gen, wie Wasser, Ernährung und Katastrophenvorsorge, vernachlässigt wird?

Wie kann einer solchen möglichen Fehlanreizung bzw. Fehlallokation von
GCF-Mitteln entgegengewirkt werden?

Berlin, den 20. Oktober 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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