BT-Drucksache 18/6458

Umsetzung von Tierschutzankündigungen innerhalb der 18. Wahlperiode im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung

Vom 15. Oktober 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6458
18. Wahlperiode 15.10.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner,
Matthias Gastel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umsetzung von Tierschutzankündigungen innerhalb der 18. Wahlperiode
im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, „die kritische
Diskussion zur Tierhaltung in der Gesellschaft“ aufzunehmen. Des Weiteren wur-
den vom Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Christian Schmidt,
bereits zahlreiche Ankündigungen zu mehr Tierschutz gemacht. Laut dem Bun-
desminister soll Deutschland sogar „Trendsetter beim Tierwohl“ werden
(www.bmel.de „Tierwohl-Initiative feiert ersten Jahrestag. Deutschland soll
Trendsetter werden“) und er selbst der „Tierwohlminister“ (www.topagrar.com
vom 5. Oktober 2015 „Schmidt will Tierwohlminister werden“).

Im September 2014 startete Bundesminister Christian Schmidt die „Tierwohl-Ini-
tiative des BMEL“(BMEL: Bundesministerium für Ernährung und Landwirt-
schaft). In diesem Rahmen gab der Bundesminister als Ziel aus: „Am Ende dieser
Legislaturperiode muss es den Tieren besser gehen als heute.“

Im Rahmen der Initiative „Eine Frage der Haltung“ wurde in diesem Jahr mit
Vertreterinnen bzw. Vertretern der deutschen Geflügelwirtschaft die Initiative
„Vereinbarung zur Verbesserung des Tierwohls, insbesondere zum Verzicht auf
das Schnabelkürzen in der Haltung von Legehennen und Mastputen“ verabschie-
det. Im Anhang der Vereinbarung werden Empfehlungen zur Aufzucht von Jung-
hennen sowie zur Haltung von Legehennen gegeben, die dazu dienen, Federpi-
cken und Kannibalismus zu verhindern, und die sich zum Teil auf die Empfeh-
lungen des Tierschutzplans Niedersachsens stützen. Allerdings bezieht sich das
geplante Unterlassen des Schnabelkürzens nur auf Putenhennen und nicht auch
auf die Putenhähne, während in Niedersachsen für alle Puten ein Verbot ab dem
Jahr 2018 gilt. Ferner fehlen wichtige Maßnahmen, wie zum Beispiel die Redu-
zierung der Besatzdichte beim Auftreten von Federpicken.

Im April 2014 hat Bundesminister Christian Schmidt zusammen mit den entspre-
chenden Ministern und Ministerinnen aus Schweden, Dänemark und den Nieder-
landen eine „Request for revision of Council Directive 2008/120/EC“ unter-
schrieben. Darin fordert er die Europäische Kommission auf, Vorschläge zu ma-
chen, die den Tieren mehr Platz als bisher garantieren sowie die operativen Kast-
rationen zu reduzieren.

Im Dezember 2014 hat Bundesminister Christian Schmidt zusammen mit den ent-
sprechenden Ministerinnen und Ministern aus Dänemark und den Niederlanden
eine „Joint Declaration on Animal Welfare“ unterschrieben. Darin fordert er die
Europäische Kommission auf, die bestehende Gesetzgebung der Europäischen
Union (EU) im Bereich des Tierschutzes strenger geltend zu machen.

Drucksache 18/6458 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Verbesserungen gibt es bei wie vielen Tieren (geordnet nach Tier-
gruppen) ein Jahr nach Start der Initiative, aufgrund welcher neu eingeführ-
ten Maßnahmen und welche Indikatoren belegen dies?

2. Inwiefern hat die Bundesregierung die Maßnahmen der Länder zur Verbes-
serung des Tierschutzes in der Nutztierhaltung und die Ergebnisse und Er-
fahrungen beispielsweise im niedersächsischen Tierschutzplan in die Arbeit
der Tierwohlinitiative mit einbezogen?

3. In welchen Bereichen wird die Bundesregierung in dieser Wahlperiode le-
gislative Vorschläge für konkrete, rechtlich verankerte Tierschutzanforde-
rungen (z. B. für Puten und Milchkühe) vorlegen, und mit welchem Zeitplan?

Welche Vorgaben sind avisiert?

4. Wann kann damit gerechnet werden, dass das Prüf- und Zulassungsverfahren
serienmäßig hergestellter Stalleinrichtungen zum Halten von Hennen
(„Stall-TÜV“) in Kraft treten kann, und wann werden somit voraussichtlich
die ersten Haltungssysteme entsprechend geprüft werden können?

Wann ist eine Ausdehnung des Stall-TÜV auf andere Tierarten geplant?

5. Inwiefern gehen die Erfahrungen und Ergebnisse der Aktivitäten der Länder
zur Verbesserung der Haltungssysteme für verschiedene Tiergruppen in den
Stall-TÜV ein?

6. Wann kann mit den durch Bundesminister Christian Schmidt für das dritte
Quartal 2015 angekündigten freiwilligen Vereinbarungen mit der Wirtschaft
zum Verzicht auf das Kupieren eines Teils der Schwänze bei Schweinen so-
wie zum schmerzfreien Enthornen von Rindern (www.bmel.de „Eine Frage
der Haltung – neue Wege für mehr Tierwohl“) gerechnet werden, und wel-
cher Zeithorizonte ist für diese vorgesehen?

Welche konkreten Anstrengungen tätigt die Bundesregierung derzeit für das
Erreichen der freiwilligen Vereinbarungen?

7. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um Tierhalterin-
nen bzw. Tierhalter dabei zu unterstützen, auf das Kupieren der Ringel-
schwänze in der Schweinehaltung zu verzichten?

8. Wird die Bundesregierung, wie von Experten empfohlen (www.bmel.de
„Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung – Gutachten“
vom 15. März 2015) und von einigen Bundesländern bereits umgesetzt, auch
finanzielle Anreize setzen, beispielsweise durch Förderprogramme, um Tier-
halterinnen bzw. Tierhalter bei dem Ausstieg aus dem Schwänzekupieren bei
Schweinen und dem Schnabelkürzen bei Legehennen zu unterstützen?

9. Wie weit ist die von Bundesminister Christian Schmidt für Ende 2015 ange-
kündigte Entwicklung und standardisierte Bewertung von Tierschutzindika-
toren für Rinder, Schweine und Geflügel (www.bmel.de „Wege zu
einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung – Gutachten“ vom
15. März 2015) gediehen, die Rückschlüsse darauf lassen, inwiefern tierge-
rechte Haltungsbedingungen vorliegen?

Inwiefern greift die Bundesregierung bei der Erarbeitung solcher Indikatoren
auf die Aktivitäten des Landes Niedersachsen im Rahmen des dortigen Tier-
schutzplans zurück?

Inwiefern werden insbesondere auch Indikatoren berücksichtigt, die direkt
im Betrieb am lebenden Tier erhoben werden und direkte Rückschlüsse auf
das Verhalten und Wohlbefinden der Tiere ermöglichen (u. a. Auftreten von
Stereotypien)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6458
In welchem rechtlichen Rahmen sollen die Indikatoren verankert und über-
prüft werden?

Welche Konsequenzen würden folgen, wenn die Indikatoren Hinweise auf
nicht tiergerechte Haltungsbedingungen geben?

10. Welche vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
herausgegebenen Gutachten und Leitlinien im Bereich der Tierhaltung sol-
len, wie im Rahmen der Tierwohl-Initiative angekündigt, aktualisiert wer-
den? Wann bzw. mit welcher Priorisierung?

11. Wodurch begründen sich die in der Vorbemerkung der Fragesteller genann-
ten Abweichungen in der „Vereinbarung zur Verbesserung des Tierwohls,
insbesondere zum Verzicht auf das Schnabelkürzen in der Haltung von Le-
gehennen und Mastputen“ im Vergleich zum Tierschutzplan Niedersachsens
(www.ml.niedersachsen.de „Fachinformationen zu Tierarten und Nutzungs-
gruppen“)?

12. Mit welchen konkreten Maßnahmen oder Forschungsvorhaben unterstützt
das BMEL eine Haltung von Puten mit intakten Schnäbeln?

Welche konkreten Änderungsvorschläge und Finanzierungsmöglichkeiten
liegen vor bezüglich des in der Vereinbarung formulierten Ziels, „die Züch-
tung, die Haltungseinrichtungen und Haltungsmanagement den Bedürfnissen
der Tiere so weit anzupassen, dass eine Haltung von Geflügel mit ungekürz-
ten Schnabelspitzen möglich ist, ohne dass es dabei zu vermehrten Verlet-
zungen und Ausfällen kommt“?

Zu welchem Zeitpunkt und auf welcher Ebene soll dieses Ziel verfolgt wer-
den?

13. Nach welchen Kriterien und zu welchem Zeitpunkt entscheidet die Bundes-
regierung, dass die freiwilligen Vereinbarungen mit der Wirtschaft nicht
mehr ausreichend sind?

Inwiefern zieht sie dann eine Änderung des gesetzlichen Rahmens in Be-
tracht, und mit welchen Vorgaben?

Welcher Zeithorizont stünde ihr für das Inkrafttreten der Änderungen zur
Verfügung?

14. Inwiefern werden die Forschungsergebnisse und Praxiserfahrungen aus dem
Tierschutzplan Niedersachsens genutzt und durch die Bundesregierung ge-
zielt unterstützt?

15. Mit welchen konkreten Maßnahmen verfolgt die Bundesregierung das in der
Vereinbarung erklärte Ziel, „mit dem Ausstieg aus dem Schnabelkürzen in
Deutschland gleichzeitig auf eine weitergehende Harmonisierung in Europa“
hinzuwirken?

16. Inwiefern erarbeitet die Bundesregierung aktuell mit dem Handel Möglich-
keiten, um Eier von Hennen mit ungekürztem Schnabel zu kennzeichnen,
sodass der Aufwand und das höhere Risiko der Erzeugerinnen bzw. Erzeuger
honoriert und Verbraucherinnen bzw. Verbraucher sensibilisiert werden?

17. Bei wie vielen Schweinen in Deutschland (absolut und prozentual) werden
nach Kenntnis der Bundesregierung im Ferkelalter Ringelschwänze routine-
mäßig und vorbeugend kupiert, obwohl es laut der EU-Schweinehaltungs-
richtlinie (Richtlinie 2008/120/EG) verboten ist?

Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt im
Februar 2014 unternommen, um dies zu unterbinden und den rechtlichen
Vorgaben nachzukommen?

Wie haben sich seither nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl und
der Anteil kupierter Schweine entwickelt?

Drucksache 18/6458 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
18. Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt im
Februar 2014 bezüglich der Empfehlungen des Europarats zu einer Anästhe-
sie beim Entfernen von Hornanlagen bei über vier Wochen alten Kälbern
(www.bmel.de „Empfehlung für das Halten von Rindern“) unternommen,
um den strengeren Empfehlungen des Europarats nachzukommen?

Inwiefern plant die Bundesregierung, das deutsche Recht, nach dem eine An-
ästhesie erst im Alter von sechs Wochen verpflichtend ist, an das europäische
anzupassen, und mit welchem Zeithorizont?

19. Inwiefern wäre es der Bundesregierung bereits heute rechtlich möglich, Ge-
setzesvorlagen für Verbesserungen und Einschränkungen beim Transport
von Tieren auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu unterbreiten,
im Hinblick darauf, dass Bundesminister Christian Schmidt im Rahmen der
„Joint Declaration“ die Europäische Kommission auffordert, Verbesserun-
gen und Einschränkungen bezüglich des Transports von Tieren einzuführen?

Wie viele Tiere (geordnet nach Tiergruppen) würden jährlich davon profitie-
ren?

Inwiefern plant der Bundesminister selbst solche Gesetzesvorlagen?

20. Inwiefern und bei welchen Tiergruppen sieht die Bundesregierung die Not-
wendigkeit, den Tieren mehr Platz einzuräumen?

Wie viele Tiere (geordnet nach Tiergruppen) würden jährlich davon profitie-
ren?

Inwiefern wäre es der Bundesregierung bereits heute rechtlich möglich, eine
entsprechende Gesetzesvorlage für das Gebiet der Bundesrepublik Deutsch-
land zu unterbreiten?

Inwiefern plant die Bundesregierung eine solche Gesetzesvorlage?

21. Was hat die Bundesregierung seit Amtsantritt des Bundesministers Christian
Schmidt im Hinblick auf das Verbot der betäubungslosen Kastration von Fer-
keln ab dem Jahr 2019 unternommen, um die Alternativen – Betäubung
durch Gas, Impfung, Ebermast – zu fördern, und zu garantieren, dass das
Fleisch von betäubt kastrierten, geimpften oder unkastrierten Ebern von
Schlachtunternehmen und dem Lebensmitteleinzelhandel akzeptiert und ab-
genommen wird?

Wie hat sich durch diese Maßnahmen nach Kenntnis der Bundesregierung
die Anzahl und der Anteil unbetäubt kastrierter Ferkel entwickelt?

22. Wann wird die Bundesregierung, wie von Bundesminister Christian Schmidt
in einem Bericht von „Report Mainz“ im Juli 2015 angekündigt, eine ent-
sprechende Gesetzesinitiative zur Vermeidung der Schlachtung von trächti-
gen Rindern auf den Weg bringen?

Wie wird dieses ausgestaltet sein, und in welcher Weise werden die in den
Ländern erarbeiteten Vereinbarungen hier einfließen?

Wann werden entsprechende Gesetzesinitiativen zur Vermeidung der
Schlachtung anderer trächtiger landwirtschaftlich genutzter Tiere auf den
Weg gebracht werden?

23. Wann wird Bundesminister Christian Schmidt das durch ihn angekündigte
Eckpunktepapier zum Einsatz von sogenannten Reserveantibiotika in der
Veterinärmedizin (www.bmel.de „Antibiotika in der Medizin – ‚Eine Ge-
sundheit‘ für Mensch und Tier“ vom 1. Juli 2015) veröffentlichen, und wel-
che konkreten Inhalte werden enthalten sein?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6458
24. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um dieses Ziel,
„Antibiotika nur noch dann einzusetzen, wenn es unabdingbar therapeutisch
notwendig und sinnvoll ist“ (www.bibliomedmanager.de vom 9. Okto-
ber 2015) zu erreichen, und mit welchem Zeitplan?

25. Wie wurden die Ziele des Koalitionsvertrags, Durchsetzung EU-weiter ein-
heitlicher und höherer Tierschutzstandards sowie das Ziel einer flächenge-
bundenen Nutztierhaltung und der Förderung einer tiergerechten Haltung,
umgesetzt, bzw. wie ist geplant, sie in dieser Legislaturperiode umzusetzen
(bitte Zeitplan und Maßnahmenpläne für die einzelnen Punkte angeben)?

Welche Standards wurden vereinheitlicht bzw. erhöht?

Wie viele Tiere werden davon in dieser Wahlperiode profitieren (bitte nach
Tiergruppen aufschlüsseln)?

Mit welchen Maßnahmen bzw. mit welchen Mitteln im Haushalt wurde die
tiergerechte Haltung konkret gefördert?

26. Wann plant die Bundesregierung, den im Koalitionsvertrag geplanten wis-
senschaftlichen Diskurs über Größen tiergerechter Haltung von Nutztieren
auf den Weg zu bringen, und mit welchem Zeithorizont, und unter Beteili-
gung welcher Akteure?

Berlin, den 14. Oktober 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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