BT-Drucksache 18/6416

Ergebnisse der Projektgruppe zum Informationsmanagement und strategische Analyse beim Bundeskriminalamt

Vom 5. Oktober 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6416
18. Wahlperiode 05.10.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Tempel, Jan Korte, Ulla Jelpke, Dr. Petra Sitte,

Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Ergebnisse der Projektgruppe zum Informationsmanagement und strategische
Analyse beim Bundeskriminalamt

Lange Zeit kursierte der Verdacht, das Bundeskriminalamt (BKA) könnte Infor-
mationen über den ehemaligen Abgeordneten der SPD, Sebastian Edathy, be-
wusst ignoriert haben. So sei der Behörde erst im Oktober 2013, zwei Jahre nach-
dem die kanadischen Behörden eine Liste mit Kunden eines Pornovertriebs über-
mittelt hatten, klar gewesen, dass es sich bei einem der Beschuldigten um den
ehemaligen Bundestagsabgeordneten handelt. Auf Nachfrage der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN räumte die Bundesregierung ein, dass zwischen
Oktober 2012 und Oktober 2013 vier Beschäftigte des BKA Recherchen zum Ab-
geordneten Edathy anstellten (vgl. Bundestagsdrucksache 18/931). Die Abfragen
im behördeninternen Vorgangsbearbeitungssystem (VBS) erfolgten allerdings
nicht im Zusammenhang mit den Bestellungen kinderpornografischen Materials,
sondern im Zuge eines vermeintlichen Sprengstoffanschlags auf den Briefkasten
des Büros von Sebastian Edathy. Man habe bei diesem Teil der Suche lediglich
eine Vorgangsnummer und den Betreff „Besitz/Erwerb von Kinder-/ Jugendpor-
nografie – OP Selm“ angezeigt bekommen. Für weitergehende Informationen
wäre eine konkrete Nachfrage bei dem zuständigen Fachreferat erforderlich ge-
wesen. Weil sich die Mitarbeiter ausschließlich auf die für sie relevanten Vor-
gänge konzentrierten, habe „die Anzeige weiterer Fundstellen“ für sie „keine
Rolle“ gespielt „und wurde nach eigenem Bekunden auch nicht weiter zur Kennt-
nis genommen“, heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage.

Im Ergebnis einer umfangreichen Prüfung der ursächlichen Zusammenhänge
durch den 2. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bun-
destages wurden strukturelle Schwachstellen im Umgang mit den insbesondere
in VBS gespeicherten Datenbeständen des BKA deutlich. Letztlich kann bis heute
nicht ausgeschlossen werden, dass durch fehlende Informationsverdichtung und
das daraus resultierende Scheuklappenarbeiten der Mitarbeiter im BKA der Name
Edathy so lange unentdeckt blieb. Präsident Jörg Ziercke selbst äußerte nach In-
formation der Fragesteller seine Sorge für den Fall, dass abteilungsübergreifend
Informationen in wichtigen Fällen nicht zusammengeführt würden.

Seit April 2014 arbeitet daher eine eigens zu dem Zweck eingerichtete Projekt-
gruppe „Informationsmanagement“ im BKA an der Optimierung des Datensys-
tems. Der neue BKA-Präsident Holger Münch hatte bei seinem Antrittsbesuch im
Innenausschuss des Deutschen Bundestages am 22. April 2015 ebenfalls auf die
geplanten Verbesserungen am Vorgangsbearbeitungssystem und allgemein von
Prozessoptimierungen als ohnehin wichtiges Thema im BKA gesprochen. Laut
Aussage von BKA-Vizepräsident Henzler vor dem Untersuchungsausschuss habe

Drucksache 18/6416 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

man bereits bestimmte technische Features innerhalb des VBS nachjustiert (vgl.
Protokoll 18/32, S. 85).

Optimierungen des Informationsmanagements seien jedoch nur Teil eines größe-
ren Reformprozesses zur strategischen Ausrichtung des BKA, berichtete der Bun-
desminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, vor dem Untersuchungsaus-
schuss und berief sich dabei auf Aussagen des neuen BKA-Präsidenten Holger
Münch. Geplant sei ein umfangreicher strategischer Review, bei dem Ressour-
ceneinsatz und Schwerpunktsetzung auf den Prüfstand sollen. Dieser werde vo-
raussichtlich noch vor der Sommerpause abgeschlossen sein (vgl. Proto-
koll 18/41, S. 33).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche konkreten (technischen) Maßnahmen wurden vor dem Hintergrund
der Ereignisse im Fall Sebastian Edathy zur Verbesserung und Optimierung
des Umgangs mit Informationen und Daten im Vorgangsbearbeitungssystem
des BKA umgesetzt (bitte im Vergleich zur alten Funktionsweise darstellen)?

2. Welche konkreten Maßnahmen befinden sich aktuell noch in der Phase der
Umsetzung bzw. Planung, und welche anderen Ermittlungs- und Sicherheits-
behörden des Bundes oder der Länder sind hierbei involviert?

3. In welcher Höhe fallen Kosten für bereits umgesetzte und in der Planung
befindliche Prozesse beim BKA an, und in welchen Haushaltstiteln sind sie
ausgewiesen?

4. Durch welche Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter werden die technischen Änderungen am Vorgangsbearbei-
tungssystem des BKA flankiert?

5. Was ist darüber hinaus Gegenstand der angestrebten „Prozessoptimierun-
gen“ im BKA, und welche „Prozesse“ sollen „optimiert“ werden?

6. Welche rechtlichen Befugniserweiterungen gehen mit sämtlichen strukturel-
len sowie technischen Neuerungen einher?

7. Was hat es mit der nach Information der Fragesteller als mögliche Schluss-
folgerung aus der „Edathy-Affäre“ geplanten Clearingstelle auf sich, und
kam es je zur Einsetzung einer solchen Clearingstelle?

8. Welche Schlussfolgerungen darüber hinaus zieht das BKA bzw. das Bundes-
ministerium des Innern (BMI) aus den Ereignissen, die Gegenstand des
2. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundesta-
ges waren?

9. Wann und mit welchem Ergebnis wurde zuletzt der Personalbedarf für die
Abteilung SO „Schwere und Organisierte Kriminalität“ und speziell für das
Referat SO 12 „Auswertung Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und
Jugendlichen“ ermittelt (bitte für die letzten fünf Jahre und im Vergleich zum
aktuellen Personaleinsatz darstellen)?

10. Für welche Bereiche, Abteilungen und Fachreferate im BKA wurden perso-
nelle Überhänge ermittelt, und welche Anpassungen an den tatsächlichen
Personalbedarf erfolgten daraufhin?

11. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der laut verschiedener Zeugenaussagen anhaltend überdurchschnittlichen
Arbeitslast innerhalb des Referats SO 12 und den zum Teil daraus resultie-
renden extrem langen Bearbeitungszeiträumen für Massenverfahren beim
BKA?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6416

 

12. In wie vielen Fällen aktuell zu bearbeitender Verfahren verzögert sich der
Bearbeitungsprozess aufgrund von Kapazitäts- und Ressourcenproblemen,
bzw. wie viele der zu bearbeitenden Umfangsverfahren liegen derzeit auf
Eis?

13. Wie und in welchen Abständen prüft die Bundesregierung im Rahmen ihrer
Fachaufsicht laufende Prozesse, Organisationsabläufe und die personelle und
sächliche Ausstattung ihrer Geschäftsbereichsbehörden, und wann erfolgte
eine solche Prüfung zuletzt für das BKA?

14. Welche Ergebnisse des geplanten und von Bundesinnenminister Dr. Thomas
de Maizière angekündigten Reviews im BKA liegen in welchem Stadium
(Planung, Erprobung, Umsetzung etc.) vor?

15. Worauf zielt der Reformprozess der strategischen Ausrichtung beim BKA,
wie ist der derzeitige Stand dieses Prozesses, und wie wird dieser vom Bun-
desinnenministerium angeleitet und/oder befördert?

Berlin, den 2. Oktober 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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