BT-Drucksache 18/635

Möglicher Regime-Change in der Ukraine mit der extremen Rechten

Vom 14. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/635
18. Wahlperiode 14.02.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Sahra Wagenknecht, Annette Groth,
Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Niema Movassat,
Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Möglicher Regime-Change in der Ukraine mit der extremen Rechten

Seit dem Jahr 1991 hat die Ukraine regelmäßig mit der NATO kooperiert und
auch Soldaten in NATO-Kriege entsandt. Ukrainische Militärs werden auch in
EU-Truppen (Battle Groups) und EU-Missionen wie EU NAVFOR ATALANTA
(http://ukraine-eu.mfa.gov.ua/en/press-center/news/17313-fregat-vms-ukrajini-
getyman-sagajdachnij-v-ramkah-operaciji-jes-atalanta-zavershiv-pershe-
patrulyuvannya-v-adensykij-zatoci), eingesetzt. Jenseits des Nutzens für
deutsch-europäische Kriege weisen US-Spezialisten darauf hin, dass die militär-
politische Anbindung der Ukraine an die EU und die USA sowie die damit ein-
hergehende Loslösung von Russland strategisch hohe Bedeutung hat: „Für
Russland ist die Zukunft der Ukraine eng an seine eigene Zukunft gebunden“,
hieß es im Stratfor Geopolitical Diary am 10. Dezember 2013. Der Verlust der
Ukraine aus seiner Einflusssphäre führe dazu, dass Russland „nicht mehr zu ver-
teidigen“ sei (www.stratfor.com/sample/geopolitical-diary/ukraines-
demonstrations-heat).
Bezogen auf die Integration der Ukraine in die EU geht es „unzweifelhaft“ auch
um die Integration „in die Sicherheitskomponente der EU“, also die Gemein-
same Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), wie es bereits im Jahr 2011
in einem Papier des Center for Army, Conversion and Disarmament Studies für
die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hieß (www.kas.de/wf/doc/kas_34635-
1522-1-30.pdf?130606101639). In diese geostrategische Sicht ist auch das EU-
Assoziationsabkommen bzw. die Auseinandersetzung darum eingebettet. Die-
sem „stinkt“ nach Theo Sommer, langjähriger Herausgeber und Editor at Large
der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ und ehemaliger Leiter des Planungsstabes im
Bundesministerium der Verteidigung unter dem Bundesminister der Verteidi-
gung, Helmut Schmidt, ein „expansiver Ehrgeiz aus allen Knopflöchern“
(www.zeit.de/politik/ausland/2013-11/ukraine-russland-eu-eisernervorhang).
Als die ukrainische Regierung Ende November 2013 das Assoziierungsabkom-
men mit der EU auf Eis legte und im Gegensatz zu Moldau und Georgien in
Vilnius kein Assoziierungsabkommen mit der EU abschloss, war das der Anlass
für Proteste. Zu den aktuellen Massendemonstrationen, die von der US-Admi-
nistration genauso unterstützt werden wie von der Bundesregierung, heißt es
beim Informationsdienst Stratfor „Für die Vereinigten Staaten ist die Unterstüt-
zung für politische Kräfte in der Ukraine der wirksamste Weg, gegen Russland
zurückzuschlagen“. Vor dem Hintergrund, dass Russland den USA zuletzt meh-
rere Niederlagen beigebracht habe, etwa in Syrien oder bezogen auf Edward
Snowden, sei die „US-Unterstützung für die Protestbewegungen in der Ukraine
[…] ein Weg, Russland in seiner eigenen Region zu binden und von der Offen-

Drucksache 18/635 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
sive gegen die USA abzuhalten“, meint Stratfor (www.stratfor.com/sample/
geopolitical-diary/ukraines-demonstrations-heat).
Im Magazin „DER SPIEGEL“ heißt es, dass zwar „Regime Change“ „als
Begriff wohl zu hoch gegriffen“ wäre, „aber ein bisschen geht es doch darum:
Merkels CDU und die europäische konservative Parteienfamilie EVP haben
Klitschko auserkoren, das ukrainische Nein von innen aufzuweichen. Er soll die
Opposition einen und anführen, auf der Straße, im Parlament und schließlich bei
der Präsidentenwahl 2015. ‚Klitschko ist unser Mann‘, heißt es in hohen EVP-
Kreisen“ (www.spiegel.de/spiegel/print/d-123744864.html). Bis zum heutigen
Tag wird allerdings sowohl seitens der EU als auch der Bundesregierung sowie
der westlichen Medien gezielt die Tatsache verschleiert, dass diese zu einende
Protestbewegung nicht nur zahlenmäßig, sondern auch qualitativ in einem er-
heblichen Maße von der extrem rechten Swoboda-Partei, der Ukrainischen
Nationalversammlung-Ukrainische Nationale Selbstverteidigung (UNA-UNSO)
sowie von Anhängern des Zusammenschlusses „Rechter Sektor“ getragen wer-
den. Insbesondere „Swoboda“ und deren Vertreterinnen und Vertreter wurden
und werden verharmlost, obwohl sie sich immer wieder in antisemitischen Ver-
unglimpfungen und anderen Hasstiraden ergingen (www.gatestoneinstitute.org/
3570/ukraine-anti-semitism-mila-kunis). „Swoboda“ hat nicht nur Beobachter-
status bei der Europäischen Nationalistischen Bewegung, der die extrem rechten
Parteien bzw. Bewegungen Jobbik, Fiamme Tricolore und der British National
Party angehören; sie unterhält auch freundschaftliche Kontakte zur deutschen
NPD. Trotzdem gibt es umfassende Kontakte zwischen diplomatischen Vertre-
tern Deutschlands bzw. weiterer EU- sowie NATO-Staaten und diesen Kräften
(siehe Bundestagsdrucksache 17/14603).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Ausrüstungen, die auch militärisch relevant sein könnten und somit in

Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste – Anhang zur Außenwirtschaftsverordnung
– oder in Anhang I der EG-Dual-Use-Verordnung – (EG) Nr. 428/2009 – ge-
nannt werden, sowie Ausrüstung, die auch zur Folter verwendet werden
könnte, wie zum Beispiel bestimmte Hand- und Fußfesseln, und somit in
Anhang III der Anti-Folter-Verordnung – (EG) Nr. 1236/2005 – aufgeführt
werden, sind seit dem Jahr 2005 in die Ukraine exportiert worden (bitte ent-
sprechend nach Jahren den Umfang und Warenwert der Ausrüstungsgegen-
stände auflisten)?
a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über gelieferte Polizeiaus-

rüstung (Helme und andere Schutzkleidung, Schilder, Handschellen,
Funkgeräte, Fahrzeuge, Waffen), so genannte weniger letale Waffen, ins-
besondere Wasserwerfer, deren Komponenten und chemische Reizstoffe
(Tränengas etc.) und IT-Technologie, die sich für die Überwachung des
Internets und der Telekommunikation und deren Zensur eignen?

2. In welcher Höhe hat die Ukraine seit dem Jahr 2005 Mittel über das Europä-
ische Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument (ENPI), das Instrument
zur Implementierung der ENP, wofür erhalten (bitte entsprechend nach Jah-
ren auflisten)?

3. Inwieweit hat die Ukraine Mittel aus der im Jahr 2008 geschaffenen Nachbar-
schaftsinvestitionsfazilität (NIF) erhalten, und, sofern die Ukraine Mittel
erhalten hat bzw. erhält, für welche Projekte sind Mittel in die Ukraine geflos-
sen (bitte nach Jahren ab dem Jahr 2008 auflisten)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/635
4. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass Vitali Klitschko
einst „von der Konrad-Adenauer-Stiftung damit beauftragt“ worden sei,
„in der Ukraine eine christlich-konservative Partei […] zu etablieren“
(www.neues-deutschland.de/artikel/917714.schritt-fuer-schritt-richtung-
osten.html)?

5. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass Vitali Klitschko
Vertraute der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel ausdrücklich um die
Hilfe der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung beim Aufbau der Ukraini-
schen demokratischen Allianz für Reformen (UDAR) gebeten hat (www.
spiegel.de/spiegel/print/d-123744864.html)?

6. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Position der drei
Oppositionsparteien „Batkiwschtschyna“ (Vaterland) von Julia Timo-
schenko bzw. Arseni Jazenjuk, die UDAR von Vitali Klitschko und die ex-
trem rechte Partei „Swoboda“ von Oleg Tjagnibok hinsichtlich einer
NATO-Mitgliedschaft und der Rolle der Ukraine bezüglich des US-Rake-
tenabwehrprogramms?

7. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass nachdem nach
dem Amtsantritt von Präsident Viktor Janukowitsch die Ukraine ihren
blockfreien Status gesetzlich verankert und auf weitere Pläne zum NATO-
Beitritt verzichtet hatte, die oppositionelle Fraktion „Batkiwschtschyna“ im
Juni 2013 ein Gesetz in das Parlament eingebracht hat, dessen Ziel darin
besteht, auf die so genannte blockfreie Politik im Bereich der nationalen
Sicherheit zu verzichten und den Kurs der Ukraine auf eine Vollmitglied-
schaft in der NATO zu betreiben (http://de.ria.ru/politics/20130627/
266385783.html), und wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand
des parlamentarischen Verfahrens des Gesetzesvorhabens?

8. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob die im Jahr 2012
gebildete ukrainische Regierung, wie ihre Vorgängerregierung, die „An-
näherung von Leitungssystemen, Bemannung, Ausbildungsniveau und
Ausrüstung mit Waffen und Rüstungstechnik an die Standards der NATO-
Mitglieder“ forcieren und die „gesetzlichen Grundlagen“ für die „Fortset-
zung der Teilnahme der Ukraine an der militärischen und militär-techni-
schen Zusammenarbeit mit anderen Staaten“ schaffen will (www.german-
foreign-policy.com/de/fulltext/57321) oder ob die ukrainische Regierung
ihre Zusammenarbeit mit der NATO weniger engagiert fortsetzt (Europä-
isches Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument. Ukraine. Länderstra-
tegiepapier 2007-2013, S. 7)?

9. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, mit welchen Land-,
Luft-, See- und Spezialkräften (Soldaten und Material) die Ukraine an dem
seit sieben Jahren größten multinationalen Manöver der NATO „Steadfast
Jazz 2013“ vom 28. Oktober 2013 bis zum 9. November 2013 beteiligt war,
das laut General Hans-Lothar Domröse „die Generalprobe für die Zertifi-
zierung jener militärischen Kräfte, die 2014 die Schnelle Eingreiftruppe
unseres Bündnisses bilden soll[en]“ (www.bundeswehr-journal.de/2013/
gewachsene-verteidigungsgemeinschaft-uebt-fuer-die-zukunft-steadfast-
jazz-2013/#more-2377)?

10. Ist der Bundesregierung die Kritik polnischer Verteidigungsexperten be-
kannt, die „Steadfast Jazz 2013“ mit 6 000 Soldaten als zu klein bezeichne-
ten, um der Polen und der NATO ausgesetzten zunehmenden Gefahr aus
dem Osten zu begegnen (http://polen-heute.de/nato-steadfast-jazz-2013/),
und wenn ja, ist der Bundesregierung bekannt, von wem konkret diese ver-
meintlich zunehmende Gefahr ausgehen soll?

Drucksache 18/635 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
11. Waren oder sind ukrainische Militärangehörige – beispielsweise im Rah-
men des Lehrgangs internationaler Generalstabs- und Admiralstabsdienst
(LGAI) – an Ausbildungsprogrammen der Bundeswehr seit dem Jahr 2000
beteiligt?
Wenn ja, welche und wie viele Angehörige der ukrainischen Streitkräfte
waren an welchen Ausbildungsprogrammen beteiligt (bitte nach Jahren auf-
listen)?

12. Inwieweit sieht die Bundesregierung Interessenunterschiede der Regierun-
gen der Bundesrepublik Deutschland und der USA im Hinblick auf die
verschiedenen Teile des ukrainischen Oppositionsbündnisses, die nach Auf-
fassung der Fragesteller nicht zuletzt in der unterschiedlich bewerteten
Eignung von Arseni Jazenjuk und Vitali Klitschko als Präsidentschaftskan-
didaten angesichts der Äußerungen der US-Diplomatin Victoria Nuland
(www.spiegel.de/politik/ausland/diplomatischer-fauxpas-von-obama-
beraterin-nuland-fuck-the-eu-a-952005.html) deutlich wurde?

13. Inwiefern teilt die Bundesregierung die inhaltliche sowie rechtsstaatlich-
prozedurale Kritik der Venedig-Kommission und der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates (http://assembly.coe.int/Main.asp?link=/
Documents/AdoptedText/ta04/ERES1364.htm) und des Europäischen Par-
laments (http://euobserver.com/7/30970) an den ukrainischen Verfassungs-
änderungen aus dem Jahr 2004 und die Kritik der Venedig-Kommission
vom November 2010 (CDL(2010)116) an der Entscheidung des Verfas-
sungsgerichts, die Änderungen für ungültig zu erklären?

14. Inwiefern unterstützt sie vor diesem Hintergrund die Forderung von Elmar
Brok, das Inkrafttreten der Verfassung von 2004 müsse eine Bedingung für
Hilfsgelder aus der EU sein (www.zeit.de/politik/ausland/2014-02/kiew-
verhandlungen-reformen-brok)?

15. Inwieweit erkennt die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen den
Forderungen an Russland, sich nicht in der Ukraine einzumischen und
keinen Druck auszuüben (http://de.reuters.com/article/domesticNews/
idDEBEE9AH03I20131118), und den eigenen Bestrebungen, Druck über
Sanktionsdrohungen und Sanktionen zu entfalten (www.sueddeutsche.de/
news/politik/parlament-nach-sanktionsdrohung-kiew-mahnt-steinmeier-
dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-140203-99-07919), und über ver-
sprochene EU-Hilfsgelder Einfluss auf die Entwicklung in der Ukraine
zu nehmen (www.faz.net/aktuell/politik/bundesregierung-finanzhilfen-nur-
bei-machtwechsel-12784058.html)?

16. Welche gesicherten Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die mög-
licherweise gefälschten Bilder, die ukrainische Beamte zeigen sollen, die
einen nackten Mann im Schnee misshandeln (http://vremia.ua/rubrics/
zakulisa/5299.php)?

17. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Einfluss von Oli-
garchen in der ukrainischen Politik unter dem Präsidenten Viktor Janu-
kowitsch, unter dem Präsidenten Viktor Juschtschenko und der Ministerprä-
sidentin Julia Timoschenko?

18. Inwiefern sieht die Bundesregierung die wiederholt vom Europarat und der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kri-
tisierte Oligarchisierung der Politik in der Ukraine als ein grundlegendes
Problem unabhängig von der Entscheidung des aktuellen Machtkampfes in
der Ukraine (vgl. http://assembly.coe.int/ASP/XRef/X2H-DW-XSL.asp?
fileid =19213&lang=EN)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/635
19. Inwieweit sieht die Bundesregierung in einem Referendum in der Ukraine
über die Perspektive der wirtschaftlichen Integration der Ukraine (www.
kpu.ua/spiridon-kilinkarov-put-integracii-ukrainy-dolzhen-opredelyatsya-
na-vsenarodnom-referendume/) eine Forderung, die zur Lösung des Kon-
flikts und zur Mehrheitsfindung in dieser zentralen Frage der derzeitigen
Auseinandersetzungen beitragen kann?

20. Inwieweit teilt die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis die Einschätzung,
dass zunehmend „Männer, mittlerweile sind es mehrere hundert, viele da-
von Mitglieder von Nazi-Gruppen oder Hooligan-Trupps […] mehr und
mehr die Stimmung im Zentrum des Aufstands“ prägen und „die Masse der
Demonstranten im Zentrum Kiews“ längst „vom nationalistischen ‚Rechten
Sektor‘ und seinen Trupps“ unterwandert ist (www.spiegel.de/politik/
ausland/protest-in-der-ukraine-klitschkos-gefaehrlichste-runde-a-945369.
html)?

21. Inwieweit teilt die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis die Einschätzung
von Oleksandr Feldman, Mitglied des ukrainischen Parlaments und Präsi-
dent des ukrainisch-jüdischen Komitees, dass sich Anfang Dezember 2013
die Stimmung zu ändern begann, als die drei Oppositionsparteien „Bat-
kiwschtschyna“ (Vaterland) von Julia Timoschenko bzw. Arseni Jazenjuk,
die Ukrainische demokratische Allianz für Reformen (UDAR) von Vitali
Klitschko und die extrem rechte „Swoboda“ von Oleg Tjagnibok gemein-
sam als Bündnis auftraten (www.huffingtonpost. com/oleksandr-feldman/
ukraine-protests-nationalism-anti-semitism_b_ 4588507.html)?

22. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass zum Aufstieg von
„Swoboda“ nicht zuletzt beigetragen hat, dass eine Kooperation der als
demokratisch bezeichneten Parteien „Batkiwschtschyna“ und UDAR mit
„Swoboda“ weder im Wahlkampf noch im Parlament oder in der Regierung
ausgeschlossen wurde und inzwischen diese drei Parteien eine gemeinsam
agierende Oppositionskoalition nicht nur in der Werchowna Rada, sondern
auch bei den Protesten gegen die Entscheidung des ukrainischen Präsiden-
ten Viktor Janukowitsch bezüglich des EU-Assoziationsabkommens und
seiner Person bilden?

23. Inwieweit ist es der Bundesregierung bekannt, dass „Swoboda“ 2004 aus
der „Sozial-Nationalistischen Partei“ hervorging, deren Mitglieder gern in
schwarzen Uniformen auftraten und als offizielles Symbol eine modifizierte
Wolfsangel hatten, wie sie auch von der SS-Division „Das Reich“ verwendet
wurde (www.neues-deutschland.de/artikel/918832.ukraine-eu-botschafter-
sieht-neonazis-als-partner.html), und inwieweit hat die Bundesregierung
Erkenntnisse darüber, dass nach Informationen der Fragesteller bei den heu-
tigen Protesten in der Ukraine immer wieder Demonstranten mit der modi-
fizierten schwarzen Wolfsangel auf gelber Armbinde sowie den rot-schwar-
zen Fahnen der „Ukrainischen Aufstandsarmee“ (UPA), die im Zweiten
Weltkrieg unter anderem „gegen Juden und andere Nicht-Reine“ gekämpft
hat, „welche uns unseren ukrainischen Staat nehmen wollten“, zu sehen
sind?

24. Inwieweit ist nach Kenntnis der Bundesregierung der verstärkte Zulauf für
den von der extrem rechten Partei „Swoboda“ organisierten Gedenkmarsch
zum 105. Geburtstag für den Antisemiten und Nazi-Kollaborateur Stepan
Bandera, an dem am 1. Januar 2014 zwischen 10 000 (www.newsru.com/
world/02jan2014/bandera.html) bis 20 000 Menschen (http://
korrespondent.net/ukraine/events/3282044-svoboda-pryznala-chto-ee-
luidy-podzhyhaly-premer-palas) teilgenommen hatten, nicht zuletzt Ergeb-
nis der im Zuge der Proteste zugenommenen Akzeptanz von „Swoboda“,
trotz ihrer geschichtsrevisionistischen Haltung an die UPA, die SS-Division
„Galizien“ und Stepan Bandera?

Drucksache 18/635 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
25. Hält die Bundesregierung den Parteivorsitzenden von „Swoboda“, Oleg
Tjagnibok, der wie andere prominente Vertreter der Partei durch Rassismus
und Antisemitismus bekannt ist, die UPA lobt und von einer „Moskauer
jüdische[n] Mafia“ spricht, die die Ukraine regiert (www.youtube.com/
watch ?v=V3SUDtLP6rk), für einen gleichwertigen Partner für Gespräche
mit der Bundesregierung, und wenn ja, teilt die Bundesregierung also die
Einschätzung des EU-Botschafters in der Ukraine, Jan Tombinski, dass die
extrem rechte Partei „Swoboda“ dann auch ein gleichwertiger Partner für
Gespräche mit der EU ist (Interview mit dem EU-Botschafter in der
Ukraine, FOCUS vom 21. Dezember 2013)?

26. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass der Parteivorsit-
zende von „Swoboda“, Oleg Tjagnibok, im Jahr 2010 in Kanada aus den
Händen eines SS-Veteranen der SS-Division „Galizien“ das „Goldene
Kreuz“ – die höchste militärische Auszeichnung der UPA – für seine „Ver-
dienste um die Ukraine“ erhielt (http://korrespondent.net/ukraine/politics/
1081226)?

27. Inwieweit ist es der Bundesregierung bekannt, dass Oleg Tjagnibok ein ge-
schichtsrevisionistisches Buch über die SS-Division „Galizien“ veröffent-
licht hat (http://tsn.ua/ukrayina/tyagnibok-vvazhaye-diviziyu-ss-galichina-
naivishchoyu-duhovnoyu-tsinnistyu.html)?

28. Inwieweit ist es der Bundesregierung bekannt, dass Oleksandr Feldman,
Mitglied des ukrainischen Parlaments und Präsident des Ukrainisch-Jüdi-
schen Komitees, bereits am 4. Februar 2013 vor der „rechtsextremistischen
Svbododa-Partei, die bekannt dafür ist, ihre Reden und öffentlichen Mit-
teilungen regelmässig mit Antisemitismus zu injizieren“ warnte und an
„alle friedvollen und besorgten Führer weltweit“ appellierte, „sich dem
Kampf gegen Svoboda und allem wofür steht, anzuschliessen“ (www.
gatestoneinstitute.org/3570/ukraine-anti-semitism-mila-kunis)?

29. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Kritik von Oleksandr Feldman an
Vitali Klitschko und Arseni Jazenjuk, die an „Swoboda“ und ihren Führer
als „essenziellen Partner in der Koalition zum Sturz Janukowitschs“ fest-
halten, obwohl sie sich wiederholt „den Bitten von mir und vielen weiteren
Demokratieunterstützern verweigert [haben], die einen Bruch des Opposi-
tionsbündnisses mit Swoboda forderten“, und die ukrainische Protestbewe-
gung damit eine „traurige Entwicklung“ vom Demokratiestreben zu „Ultra-
nationalismus und Antisemitismus“ eingeschlagen habe (www.
huffingtonpost.com/oleksandr-feldman/ukraine-protests-nationalism-anti-
semitism_b_4588507.html)?

30. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass im Zuge der
Proteste in der Ukraine, die Zahl antisemitischer Übergriffe und antisemiti-
scher Propaganda zugenommen hat (http://eajc.org/page34/news42755.
html), so dass sich Sam Kliger vom American Jewish Committee (AJC) be-
sorgt äußerte (www.jns.org/news-briefs/2014/1/20/two-violent-anti-semitic-
attacks-frighten-ukraines-jewish-community)?

31. Inwieweit teilt die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis die Einschätzung,
dass z. B. die Auszeichnung des ukrainischen Blogs von Olena Bilozerska
(http://bilozerska.livejournal.com) als „Best Blog Ukrainisch“ durch die
Deutsche Welle, die erst nach öffentlichen Protesten zurückgenommen
wurde (http://thebobs.com/deutsch/2013/debatte-uber-user-preis-bei-the-
bobs/), einem Blog, dessen Hintergrundgrafik vor allem Fahnen der UNA-
UNSO zeigt und auf dem Olena Bilozerska begeistert vom Gedenkmarsch
zum 105. Geburtstag für den Antisemiten und Nazi-Kollaborateur Stepan
Bandera berichtet (http://bilozerska.livejournal.com/793583.html), symbol-
haft für den unkritischen und undifferenzierten Umgang mit der vermeint-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/635
lich demokratischen Opposition in der Ukraine steht, wie er nach Auffas-
sung der Fragesteller bereits länger, mindestens im Zuge der sog. Orange-
nen Revolution zum Ausdruck kommt?

32. Inwieweit hatte die Bundesregierung gegenüber dem einstigen ukrainischen
Präsidenten Viktor Juschtschenko im Jahr 2010, als dieser dem Nazi-
Kollaborateur Stepan Bandera den Titel „Held der Ukraine“ verlieh, den
der derzeitige Präsident Viktor Janukowitsch wieder aberkannte (www.
tagesschau.de/ausland/ukraine-nationalisten100.html), die Verantwortung
Viktor Juschtschenkos für die Achtung der Menschenwürde, die Einhaltung
der Menschenrechte und das Eintreten gegen Antisemitismus thematisiert?

33. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass der ukrainische
Präsident Viktor Janukowitsch am 17. Januar 2014 unter anderem das Ge-
setz Nr. 734-VІІ „Über Änderungen des Art. 297 im Strafgesetzbuch der
Ukraine bezüglich der Verantwortlichkeit für Schändung und Zerstörung
von Denkmälern für Kämpfer gegen Nazismus während des Zweiten Welt-
krieges – sowjetische Befreier, Partisanen, Opfer des Nazismus sowie inter-
nationale Kämpfer und Friedenssoldaten“ sowie das Gesetz Nr. 735-VІІ
„Über Änderungen im Strafgesetzbuch der Ukraine bezüglich der Verant-
wortlichkeit für Leugnung oder Rechtfertigung faschistischer Verbrechen “
unterzeichnet hat, die zuvor am 16. Januar 2014 vom ukrainischen Parla-
ment verabschiedet wurden (www.unian.ua/politics/879104-yanukovich-
pidpisav-chotiri-zakoni-priynyati-parlamentom-28-sichnya.html)?

34. Inwieweit hat nach Kenntnis der Bundesregierung die ukrainische Gesell-
schaft bezogen auf die Interpretation der kollaborierenden Rolle der OUN-
UPA mit der faschistischen Wehrmacht, ihrer Rolle bei den ethnischen Säu-
berungen gegen die polnische Bevölkerung von März 1943 bis Ende 1944,
bei denen rund 100 000 Polinnen und Polen in Wolhynien und Ostgalizien
von der OUN-UPA ermordet wurden (www.presseurop.eu/de/content/
news-brief/3922371-wolhynien-versoehnung) und deren aktiven Rolle bei
Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung, die „notwendigen historischen
Lehren des zwanzigsten Jahrhunderts“ noch nicht gezogen und steht „wei-
terhin unter dem Einfluss von veralteten Stereotypen“ (http://globalist.org.ua/
novosti/society-news/klichko-2014-jj-dolzhen-stat-godom-istoricheskogo-
primireniya-no111623.html)?

35. Inwieweit hält es die Bundesregierung nach eigener Kenntnis und Auffas-
sung für geschichtsrevisionistisch, wenn unter Vernachlässigung der Ur-
sache-Wirkung-Kausalität, Handlungen von Angehörigen der Wehrmacht,
der UPA und der Roten Armee gleichgesetzt werden, obwohl die beiden
ersteren an einem verbrecherischen Angriffs- und Vernichtungsfeldzug und
die anderen an einem Verteidigungskrieg beteiligt waren?

36. Inwieweit negiert nach Kenntnis der Bundesregierung die Aussage, die
UPA-Kommandeure seien Verbrecher und Verräter gewesen, vor den einfa-
chen UPA-Soldaten müsse man aber Respekt haben, da diese nur Befehle
ausgeführt hätten (http://vlasti.net/news/184085), die zweifellos vorhande-
nen Handlungsspielräume für UPA-Angehörige, sich den Verbrechen im
Rahmen des von ihnen mitgeführten Vernichtungsfeldzuges zu entziehen?

37. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass im Juli 2013
148 Abgeordnete der Ukraine den Sejm der Republik Polen ersuchten, die
Entscheidung des polnischen Senats zu unterstützen, die Massaker der UPA
in Wolhynien als Genozid gegen das polnische Volk anzuerkennen und die
verbrecherischen Handlungen der ukrainischen Nationalisten zu verurtei-
len, nicht zuletzt deshalb, weil die Ukrainer wegen der neonazistischen

Drucksache 18/635 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Stimmungen der Möglichkeit entzogen seien, die Wahrheit über die Wolhy-
nien-Tragödie zu erfahren (www.ukrinform.ua/deu/news/148_ukrainische_
abgeordnete_ersuchen_den_sejm_polens_wolhynien_tragdie_als_genozid_
der_polen_anzuerkennen_dokument)?

38. Welche Parteien, Organisation und Gruppen in der Ukraine sind nach
Kenntnis der Bundesregierung der extrem rechten Szene zuzurechnen?

39. Inwieweit ist es der Bundesregierung bekannt, dass EU-Amtsträger russi-
schen Journalisten, unter anderem einem Reporter der staatlichen Nachrich-
tenagentur RIA Novosti, den Zugang zu einer Pressekonferenz der EU-Au-
ßenbeauftragten Catherine Ashton verwehrt haben, die am 29. Januar 2014
zu einem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew weilte, obwohl der
Akkreditierungsantrag rechtzeitig gestellt worden war (http://de.ria.ru/
society/20140129/267735509.html)?
Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es den Eindruck einer Ein-
schränkung der Pressefreiheit erweckt, obwohl die Pressefreiheit von der
EU als zentrales Rechtsgut betrachtet wird, wenn der Sprecher der EU-De-
legation, David Stulik, Journalisten mitteilte, die Pressekonferenz finde in
„begrenztem Format“ statt und „Eintritt nur gegen Vorlage der Einladung“
möglich sei, und dann auf die Frage, nach welchem Prinzip der Auswahl
der Medien, antwortet „Nach unserem Ermessen“ (http://de.ria.ru/society/
20140129/267735509.html)?

Berlin, den 14. Februar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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