BT-Drucksache 18/6348

Polizei- und Zolleinsätze im Ausland (Stand: drittes Quartal 2015)

Vom 13. Oktober 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6348
18. Wahlperiode 13.10.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,

Christine Buchholz, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger,

Andrej Hunko, Katrin Kunert, Niema Movassat, Petra Pau, Martina Renner,

Dr. Petra Sitte, Frank Tempel, Alexander Ulrich, Halina Wawzyniak

und der Fraktion DIE LINKE.

Polizei- und Zolleinsätze im Ausland (Stand: drittes Quartal 2015)

Auslandseinsätze von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten entwickeln sich im-
mer mehr zu einem Mittel deutscher und EU-Außenpolitik. Die Militärdoktrin
der Europäischen Union, die Europäische Sicherheitsstrategie, sieht ausdrücklich
den kombinierten Einsatz militärischer und ziviler (d. h. auch polizeilicher) Mittel
vor, um „einen besonderen Mehrwert“ zu erzielen.

Diese Entwicklung ist aus mehreren Gründen besorgniserregend.

So leistet sie der Vermischung von polizeilichen und militärischen Zuständigkei-
ten Vorschub. Die Grenzen zwischen Polizei und Militär drohen zu verschwim-
men. Das gilt umso mehr, als gerade bei Einsätzen in Kriegs- und Krisengebieten,
wo Polizisten immer wieder in lebensbedrohliche Situationen kommen. Diese
dienen dann wiederum als Legitimation für eine Aufrüstung der Polizei, bis hin
zu Überlegungen, schwerbewaffnete Einheiten der Bundespolizei speziell für
Auslandseinsätze aufzustellen.

Hinzu kommt, dass für polizeiliche Auslandseinsätze keinerlei parlamentarische
Zustimmung erforderlich ist. Je nach Rechtsgrundlage ist noch nicht einmal die
Information des Deutschen Bundestages vorgeschrieben. Damit wird ein wichti-
ger Bereich der Außenpolitik der parlamentarischen Kontrolle entzogen. Bedenk-
lich ist dies vor allem wegen der gerade bei Einsätzen in Kriegs- und Krisenge-
bieten stets vorhandenen Eskalationsgefahr. Bei Einsätzen aufgrund des § 65 des
Bundespolizeigesetzes (BPolG) hat der Deutsche Bundestag nicht einmal ein ver-
brieftes Rückholrecht.

Ähnliches gilt für Einsätze von Zollbeamtinnen und Zollbeamten.

Schließlich gewinnen internationale Einsätze innerhalb der Europäischen Union
zunehmend an Bedeutung. Einsätze ausländischer Polizisten in Deutschland so-
wie deutscher Polizisten im (EU-)Ausland auf der Grundlage des Prümer Vertra-
ges oder bilateraler Abkommen unterliegen ebenfalls keiner parlamentarischen
Kontrolle.

Drucksache 18/6348 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. An welchen Missionen auf Grundlage des § 8 Absatz 1 BPolG sind deutsche
Polizistinnen und Polizisten (bitte nach Bundesländern, Zugehörigkeit zur
Bundespolizei bzw. zum Bundeskriminalamt – BKA – aufgliedern) sowie
Zollbeamtinnen und Zollbeamte derzeit beteiligt?

a) Wie viele deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie weiteres ziviles
Personal (bitte nach Zugehörigkeit zu Bundesländern, Bundespolizei,
BKA u. a. aufgliedern) sowie Zollbeamtinnen und Zollbeamte sind dabei
jeweils eingesetzt?

b) An welchen Orten und in welchen Stäben, Einrichtungen und Stellen sind
sie tätig (bitte jeweils die einzelnen Personalzahlen angeben)?

c) Welche tatsächliche Gesamtstärke hat die Mission derzeit?

d) Welche Missionen mit deutscher Beteiligung sind neu hinzugekommen
(bitte die rechtliche Grundlage sowie Mandatsgeber und Missionsträger
angeben, die Mandatsobergrenze nennen sowie den Auftrag der einge-
setzten deutschen Kräfte bezeichnen), und inwiefern hat es Mandatsände-
rungen bei den bereits bestehenden Missionen gegeben?

e) Wann wird die Mission voraussichtlich beendet sein?

f) Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung eine Veränderung hinsicht-
lich der Art und/oder des Umfangs der deutschen Beteiligung, und bis
wann soll diese umgesetzt sein (bitte ggf. konkrete Angaben machen und
Zahlen zu den einzelnen Missionen bzw. Einsätzen nennen)?

2. An welchen Einsätzen auf Grundlage des § 65 Absatz 2 BPolG (ohne kurz-
fristige Ausbildungslehrgänge im Sinne nachfolgend aufgeführter Fragen)
waren bzw. sind deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie Zollbeamtinnen
und Zollbeamte im dritten Quartal 2015 beteiligt (bitte nach Bundesländern,
Zugehörigkeit zur Bundespolizei bzw. zum BKA aufgliedern)?

a) Wie viele deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie weiteres ziviles
Personal (bitte nach Zugehörigkeit zu Bundesländern, Bundespolizei,
BKA u. a. aufgliedern) sowie Zollbeamtinnen und Zollbeamte waren
bzw. sind dabei jeweils eingesetzt?

b) An welchen Orten und in welchen Stäben, Einrichtungen und Stellen wa-
ren bzw. sind sie tätig (bitte jeweils die einzelnen Personalzahlen ange-
ben?

c) Welche tatsächliche Gesamtstärke hat der Einsatz derzeit?

d) Welche Einsätze mit deutscher Beteiligung sind neu hinzugekommen,
und inwiefern hat es relevante Änderungen (vor allem Auftrag, Zweck,
Durchführung und Kräfteansatz) bei den bereits bestehenden Einsätzen
gegeben?

3. Welche Informationen liegen der Bundesregierung bezüglich sicherheitsre-
levanter Vorfälle vor, in die deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie
Zollbeamtinnen und Zollbeamte im dritten Quartal 2015 involviert bzw. de-
nen sie ausgesetzt waren?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die politische und militärische Gefähr-
dungslage in den jeweiligen Einsatzgebieten (bitte Veränderungen darstel-
len)?

5. Wie viele Verbindungsbeamtinnen und Verbindungsbeamte des BKA halten
sich derzeit in welchen Ländern auf (bitte jeweils die Einsatzländer und Ein-
satzorte sowie die zugehörige Zahl von Beamtinnen bzw. Beamten ange-
ben)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6348

6. Wie viele deutsche Polizeibeamte werden derzeit im Ausland als

a) Dokumentenberater,

b) Sicherheitsbeamte,

c) Grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte,

d) Unterstützungskräfte sowie Berater in Fragen der Grenzsicherheit einge-
setzt (bitte jeweils, d. h. zu jedem Unterpunkt, Einsatzland und Einsatzort
sowie die Zahl der eingesetzten Polizeibeamten nennen und angeben, ob
sie vom BKA, der Bundespolizei oder einer Länderpolizei gestellt wer-
den)?

e) In welche der durch Verordnung (EG) Nr. 377/2004 des Rates zur Schaf-
fung eines Netzes von Verbindungsbeamten für Einwanderungsfragen ge-
schaffenen örtlichen oder regionalen Kooperationsnetze der Verbin-
dungsbeamten der EU-Staaten für Einwanderungsfragen sind die in der
Frage 6c und 6d genannten Kräfte eingebunden?

7. Wie viele deutsche Polizeibeamte wurden im dritten Quartal 2015 im Rah-
men der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Au-
ßengrenzen (FRONTEX)

a) als Dokumentenberater im Rahmen welcher Operationen und an welchen
Standorten,

b) als Mitarbeiter in der Warschauer Zentrale (bitte mit der jeweiligen Funk-
tion auflisten),

c) die im Rahmen von Operationen Gerätschaften aus dem FRONTEX-Aus-
rüstungspool (technical equipment pool) bedienen (bitte mit Einsatzstand-
orten und jeweiligem Tätigkeitsprofil angeben),

d) die im Einsatzstaat Maßnahmen zum Screening (Identitätsfeststellung
etc.) von Personen eingesetzt werden, die ohne erforderliche Einreise-
oder Aufenthaltspapiere aufgegriffen wurden,

e) als Mitglieder der europäischen Grenzschutzteams im Rahmen von ge-
meinsamen Aktionen, Pilotprojekten oder für Soforteinsätze zu Grenzsi-
cherungszwecken (bitte einzeln aufführen),

f) im Rahmen gemeinsamer Rückführungsmaßnahmen unter der Koordina-
tion von FRONTEX (bitte mit dem jeweiligen Zielstaat der Maßnahme,
teilnehmenden EU-Staaten, Gesamtkosten und Kosten, die auf deutscher
Seite entstanden sind, auflisten),

g) im Rahmen weiterer FRONTEX-Maßnahmen (bitte Einsatzorte und je-
weilige Tätigkeit angeben)

eingesetzt, und wie viele Erkenntnismeldungen oder sonstige Mitteilungen
zu besonderen Ereignissen gab es von Seiten der deutschen Kräfte an das
Bundespolizeipräsidium, und was war jeweils Inhalt dieser Meldungen?

8. Welche Gerätschaften sind nach Kenntnis der Bundesregierung vonseiten
deutscher Polizeibehörden bzw. sonstigen Behörden oder staatlichen Ein-
richtungen im zurückliegenden Quartal dem FRONTEX-Ausrüstungspool
zur Verfügung gestellt worden, und inwiefern ist dieses benutzt worden (bitte
nutzende Einheiten, Ort, Zeitraum und Anlass bzw. Gegenstand der Nutzung
angeben)?

9. An welchen weiteren internationalen Einsätzen, auf der Grundlage des Prü-
mer Vertrages oder entsprechender bilateraler Abkommen (ausgenommen
die sogenannte Nacheile) haben deutsche Polizisten – soweit die Bundesre-
gierung Kenntnis davon hat - im dritten Quartal 2015 teilgenommen?

Drucksache 18/6348 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

a) Wann und wo fanden diese Einsätze jeweils statt (bitte angeben, in wel-
chen Einheiten bzw. in welchen Stäben bzw. Dienststellen usw. die deut-
schen Polizeikräfte eingesetzt waren)?

b) Was waren Anlass und Zweck der Einsätze?

c) Wie viele deutsche Polizisten waren daran beteiligt (bitte Herkunft nach
Länderpolizeien, Bundespolizei, BKA angeben)?

d) Von wem ging das Ersuchen aus?

e) Inwiefern haben die deutschen Polizisten von ihrer Befugnis zur Anwen-
dung unmittelbaren Zwangs Gebrauch gemacht?

f) Welche Einsatzmittel und Fahrzeuge aus deutschen Beständen wurden je-
weils mitgeführt?

10. Welche Ausbildungsmaßnahmen für ausländische Sicherheitskräfte haben
deutsche Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte im dritten Quartal 2015
durchgeführt, bzw. an welchen waren sie beteiligt (bitte sowohl bereits ab-
geschlossene als auch aktuell stattfindende sowie fortgesetzte Maßnahmen
angeben)?

a) Wie lauten die Bezeichnungen der Maßnahmen, und wo fanden bzw. fin-
den sie statt?

b) Was sind die Ziele der Maßnahmen, und über welchen Zeitraum erstre-
cken sie sich?

c) Wie vielen und welchen ausländischen Sicherheitskräften wurde bzw.
wird welche Art der Ausbildung gewährt?

d) Worin bestanden bzw. bestehen die Aufgaben und Tätigkeiten der deut-
schen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, und in welchen Stäben,
Einrichtungen und sonstigen Stellen waren bzw. sind sie vertreten?

e) Wie viele deutsche Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte waren jeweils
an den Maßnahmen beteiligt (bitte für die einzelnen Maßnahmen detail-
liert ausweisen)?

f) Welche Kosten entstanden bzw. entstehen der Bundesrepublik Deutsch-
land für die Ausbildungsmaßnahmen, und aus welchen Haushaltstiteln
wurden diese bestritten?

11. Welche Ausbildungsmaßnahmen für ausländische Sicherheitskräfte sind für
die nächste Zukunft geplant, welche Kosten werden dem Bund dafür entste-
hen, und aus welchen Haushaltstiteln sollen diese bestritten werden (bitte
nach dem Schema der Fragen 10a bis 10f beantworten)?

12. In welchem Rahmen sind außerdem noch deutsche Polizistinnen und Poli-
zisten bzw. Zollbeamtinnen und Zollbeamte im Ausland eingesetzt, und wel-
che Tätigkeiten verrichten sie dort (bitte nach Einsatzländern und Einsatzor-
ten sowie Zugehörigkeit zu Bundesländern, BKA, Bundespolizei aufglie-
dern)?

13. Welche materiellen Ausstattungshilfen sind ausländischen Sicherheitsbehör-
den in diesem Jahr bislang geliefert sowie zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu-
gesagt, aber noch nicht geliefert worden (bitte konkreten Empfänger, jewei-
lige Ausstattung und deren Wert angeben)?

Berlin, den 13. Oktober 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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