BT-Drucksache 18/6261

Festnahmen wegen Schleusertätigkeit

Vom 1. Oktober 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6261
18. Wahlperiode 01.10.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Martina Renner, Dr. Petra Sitte,

Kersten Steinke, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Festnahmen wegen Schleusertätigkeit

Nach Angaben des Bundesministeriums des Innern nahm die Bundespolizei zwi-
schen dem 1. Januar und dem 8. September 2015 über 2 300 mutmaßliche
Schleuserinnen und Schleuser fest, 40 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum
(Bild am Sonntag vom 13. September 2015). Im Jahr 2015 wurden nach Informa-
tionen der „WELT am SONNTAG“ vom 20. September 2015 rund 3 000 neue
Ermittlungsverfahren gegen Schleuser eingeleitet, davon allein 1 323 in Bayern.

Die Tatverdächtigen kamen meistens aus Ungarn, gefolgt von Rumänien, Syrien,
Serbien und Bulgarien. Es handelt sich dabei offenbar zu einem großen Teil um
Menschen aus den Nachbarstaaten der Europäischen Union (EU), die Asylsu-
chende mit dem Auto zu ihrem Zielort bringen oder um Landsleute mit dauerhaf-
tem Aufenthalt in Deutschland, die etwa syrische oder afghanische Flüchtlinge
von ihren Ankunftsorten in anderen europäischen Staaten nach Deutschland brin-
gen, wo diese oft bereits Familienangehörige haben.

Ein Großteil der mutmaßlichen Schleuserinnen und Schleuser wurde in Bayern
festgenommen. Dort sitzen inzwischen nach Angaben des bayerischen Justizmi-
nisteriums fast 800 Menschen in Untersuchungshaft, die Flüchtlinge illegal über
die Grenze gebracht haben sollen.

Zwar gilt es immer als Straftat, Geflüchtete ohne Aufenthaltserlaubnis über die
Staatsgrenze nach Deutschland zu bringen, doch nur diejenigen, die sich für die
Hilfe bei der Einreise nach Deutschland einen Vorteil versprechen lassen oder
mehreren Flüchtlingen über die Grenze helfen, gelten als Schleuser. Wer nur ein-
mal einem Flüchtling ohne Gegenleistung nach Deutschland verhilft, macht sich
aber auch der Beihilfe zur illegalen Einreise schuldig, was minderschwer bestraft
wird (www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-in-deutschland-wer-als-schleuser-
bestraft-wird-und-wer-nicht-1.2644588, www.n-tv.de/politik/Schon-800-Schleuser-
in-Bayern-inhaftiert-article15961456.html, www.welt.de/newsticker/news2/article
146599810/Bericht-Festnahmen-von-Schleusern-bis-August-stark-
zugenommen.html).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen, die unter dem Verdacht standen, Personen ohne gültige
Aufenthaltserlaubnis illegal über die Staatsgrenze in die Bundesrepublik
Deutschland gebracht zu haben, wurden nach Kenntnis der Bundesregierung
im Jahr 2015 festgestellt (bitte nach Monaten und Tatbeständen der Beihilfe
zur unerlaubten Einreise, des Einschleusens bzw. des bandenmäßigen Ein-
schleusens aufgliedern und angeben, um wie viel sich diese Werte gegenüber
dem Vorjahr unterscheiden)?

Drucksache 18/6261 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

a) Was waren nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils die Herkunftslän-
der der Tatverdächtigen, bzw. wie viele von ihnen haben einen dauerhaf-
ten Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik Deutschland?

b) An welchen Außengrenzen bzw. in welchen Bundesländern wurden die
Tatverdächtigen jeweils von welchen Bundes- oder nach Kenntnis der
Bundesregierung Landesbehörden festgestellt?

c) Wie vielen Personen aus welchen Herkunftsstaaten sollen die Tatverdäch-
tigen nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils zur illegalen Einreise
verholfen haben?

d) Bei wie vielen Tatverdächtigen handelt es sich nach Kenntnis der Bun-
desregierung um Taxifahrer (bitte Land, in dem das Taxi gemeldet ist,
angeben)?

2. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen wie viele Personen im Zusammen-
hang mit Schleusertätigkeit bzw. Beihilfe zur unerlaubten Einreise wurden
nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2015 eingeleitet (bitte nach Mo-
naten und Tatbeständen aufgliedern)?

a) In wie vielen Fällen der Festnahme mutmaßlicher Schleuser oder Helfe-
rinnen und Helfer wurde nach Kenntnis der Bundesregierung aus welchen
Gründen auf die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens verzichtet?

b) Wie viele Verfahren gegen wie viele Personen im Zusammenhang mit ei-
ner Schleusertätigkeit bzw. Beihilfe zur unerlaubten Einreise wurden
nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2015 mit welchem Ergebnis
abgeschlossen (Einstellungen, Verurteilungen etc.)?

3. Wie viele mutmaßliche Schleuserinnen und Schleuser aus welchen Her-
kunftsstaaten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in welchen Bun-
desländern im Jahr 2015 in Untersuchungshaft genommen?

4. Inwieweit hält die Bundesregierung mit Blick auf die obligatorische Einstel-
lung von Ermittlungsverfahren gegen illegal eingereiste Personen, die an-
schließend Asyl beantragen, am Straftatbestand der unerlaubten Einreise
fest, und welche Argumente gehen dabei in ihre Abwägung ein?

5. Inwieweit hält die Bundesregierung mit Blick auf die obligatorische Einstel-
lung von Ermittlungsverfahren gegen unerlaubt eingereiste Personen, die an-
schließend Asyl beantragen, im Hinblick auf Beihilfetatbestände an der Not-
wendigkeit der Strafverfolgung fest, und welche Argumente gehen dabei in
ihre Abwägung ein?

6. Hält die Bundesregierung die geplante neue Mindestfreiheitsstrafe von drei
Monaten bei einfachen Schleusungsdelikten, die mit keinerlei Gefährdungen
für die transportierten Personen einhergingen und auch nicht bandenmäßig
erfolgten, auch vor dem Hintergrund für verhältnismäßig, dass in der Ver-
gangenheit z. B. auch Taxifahrer, die Personen über die Grenzen bzw. aus
der 30 km-Grenzzone heraus transportierten, nach Information der Fragestel-
ler wegen Schleusungen verurteilt wurden, wie viele dieser Fälle sind der
Bundesregierung bekannt, und inwieweit hält sie es für verhältnismäßig,
wenn sich Personen dem Risiko einer Freiheitsstrafe aussetzen, die andere
Menschen als Anhalter oder über eine Mitfahrzentrale mitnehmen (bitte dar-
legen)?

7. Inwieweit flossen Ergebnisse der strategischen Fernmeldeaufklärung des
Bundesnachrichtendienstes bei der Bekämpfung der bandenmäßigen Schleu-
sung von erheblichem Ausmaß in die konkrete Feststellung und Festnahme
von Schleusern durch die Bundespolizei oder nach Kenntnis der Bundesre-
gierung der Landespolizeibehörden ein?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6261

8. Inwieweit flossen Erkenntnisse des Bundeskriminalamtes (BKA) bei der Er-
mittlung und Aufdeckung von Schleuserstrukturen im Bereich der Organi-
sierten Kriminalität in die konkrete Feststellung und Festnahme von Schleu-
sern durch die Bundespolizei oder nach Kenntnis der Bundesregierung der
Landespolizeibehörden ein?

9. Wie viele und welche Verfahren im Zusammenhang mit der unerlaubten Ein-
reise und Schleusung führt das BKA derzeit durch, und in welchem Umfang
werden dabei personenbezogene Daten verarbeitet?

10. Wie viele Bedienstete des BKA und der Bundespolizei sind derzeit am Joint
Operation Team MARE des Europäischen Polizeiamtes (Europol) beteiligt?

a) Gibt es noch offene Anfragen an die Bundesrepublik Deutschland zur
Entsendung von weiteren Beamten in das JOT MARE, welche Aufgaben
sollen dort übernommen werden, und wird diesen Anfragen nach Kennt-
nis der Bundesregierung entsprochen werden?

b) Was sind die Aufgaben der Mitglieder des JOT MARE bei ihrem Einsatz
an den „hot spots“ in Italien und Griechenland, wo sie mit FRONTEX,
Eurojust und in Italien mit EUNAVFOR MED kooperieren?

11. Wie oft erstellt das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale
Migration (GASiM) Lagebilder zum Migrationsgeschehen, und welche Be-
hörden erhalten diese Lagebilder?

a) Gehen in diese Lagebilder auch Erkenntnisse über Entwicklungen in den
Hauptherkunftsländern bzw. -regionen von Schutzsuchenden ein, und
welche Quellen werden hierfür genutzt?

b) Werden die Lagebilder des GASiM nach Kenntnis der Bundesregierung
auch genutzt, um den Ressourceneinsatz bei der Aufnahme und Regis-
trierung von Asylsuchenden zu steuern, und wenn nein, warum eignen
sich diese Lagebilder dazu nicht?

Berlin, den 1. Oktober 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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