BT-Drucksache 18/6245

Transparenz über Lieferengpässe von Medikamenten und Impfstoffen

Vom 30. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6245
18. Wahlperiode 30.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe,
Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Franziska Brantner,
Katja Dörner, Kai Gehring, Ulle Schauws, Tabea Rößner, Doris Wagner,
Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Transparenz über Lieferengpässe von Medikamenten und Impfstoffen

Laut Arzneimittelgesetz (§ 52 b AMG) müssen Pharmahersteller und Großhandel
für zugelassene im Verkehr befindliche Medikamente eine angemessene und kon-
tinuierliche Bereitstellung des Arzneimittel sichern, damit der Bedarf von Patien-
tinnen und Patienten im Geltungsbereich des Gesetzes gedeckt ist.

Dennoch wurde in den letzten Jahren immer wieder (Mitte und Ende des Jah-
res 2012, Mitte des Jahres 2014 sowie aktuell) in der Presse über Lieferengpässe,
insbesondere in den Bereichen Onkologie und Antibiotika, berichtet. Dabei han-
delte es sich nicht um Lieferengpässe, von denen einzelne Packungsgrößen,
Wirkstärken oder Darreichungsformen eines bestimmten Herstellers betroffen
waren, sondern um solche, die als systematische Versorgungsengpässe zu werten
sind. So bestand Mitte des Jahres 2015 laut der Deutschen Gesellschaft für Hä-
matologie und Medizinische Onkologie e. V. (DGHO) ein fünfwöchiger drama-
tischer Lieferengpass bei Melphalan, einem Standardmedikament für Patientin-
nen und Patienten mit Multiplem Myelom, einem lymphatischen Knochenkrebs
(Pressemitteilung der DGHO vom 31. August 2015 „Engpass bei Krebsmedika-
ment Melphalan behoben – das Problem bleibt“). Anfang September 2015 be-
klagten die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e. V. und der Bundesverband
Deutscher Krankenhausapotheker e. V., dass durch die Lieferengpässe beim An-
tibiotikum „Ampicillin“ eine rationale Antibiotika-Verschreibung, entsprechend
der Deutschen Antibiotika Resistenzstrategie (DART II), verhindert wird. Es
müsse auf Reserveantibiotika zurückgegriffen werden, was die Gefahr von ge-
fährlicheren Resistenzbildungen erhöhe (www.aerztezeitung.de vom 31. Au-
gust 2015 „Engpässe bei Antibiotika“).

In der im Jahr 2013 eingeführten freiwilligen Liste der Lieferengpässe beim Bun-
desinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) waren am
10. September 2015 20 Arzneimittel gelistet (unter einem Lieferengpass wird
dort eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer
Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der
nicht angemessen nachgekommen werden kann, verstanden. Es werden nur Lie-
ferengpässe von Arzneimitteln gelistet, bei denen ein besonderer Informationsbe-
darf der Fachöffentlichkeit vorausgesetzt wird. Derzeit wird dieses bei verschrei-
bungspflichtigen Arzneimitteln, die überwiegend zur Behandlung lebensbedroh-
licher oder schwerwiegender Erkrankungen bestimmt sind und für die keine Al-
ternativpräparate verfügbar sind, gesehen). Die dort enthaltenen Informationen
sind nach Angaben des ehemalige BfArM-Präsidenten Prof. Dr. Walter
Schwerdtfeger zum Teil lücken- oder fehlerhaft. Daher forderte er im Mai 2014

Drucksache 18/6245 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

„eine für alle Hersteller verbindliche Regelung, Produktionsprobleme und Liefer-
schwierigkeiten sofort zu melden" (DIE WELT vom 3. Mai 2014, „Pharmafirmen
sollen Lieferengpässe melden“). Sein Nachfolger, Prof. Dr. Karl Broich, bekräf-
tigte dies kürzlich in einem Interview (Handelsblatt vom 24. September 2015, „Es
wird ein dramatischer Engpass kommen“). Er fordert „eine gesetzliche Melde-
pflicht für wichtige, essenzielle Arzneimittel“.

Laut „BILD Zeitung“ vom 5. September 2015 („Regierung plant Gesetz gegen
Arznei-Notstand“) plane die Bundesregierung ein Gesetz gegen Arzneimittellie-
ferengpässe. Berichtet wird in diesem Zusammenhang über eine Idee der Bun-
desregierung, mehr Direktverträge zwischen Krankenkassen und Herstellern zu
ermöglichen.

Auch bei Impfstoffen wird immer wieder über Lieferengpässe berichtet. Aktuell
darüber, dass ein Vierfach-Impfstoff gegen Diphtherie, Wundstarrkrampf (Teta-
nus), Keuchhusten und Kinderlähmung (Polio) nicht lieferbar ist (www.ostsee-
zeitung.de vom 3. September 2015 „In MV fehlen wichtige Impfstoffe“).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Plant die Bundesregierung, zur Herstellung der Transparenz über Liefereng-
pässe von Arzneimitteln,

a) eine für alle Hersteller verbindliche Regelung, Produktionsprobleme und
Lieferschwierigkeiten sofort zu melden,

b) eine ergänzende Meldepflicht von Herstellerlieferproblemen für Groß-
händler und ausgewählte große Krankenhausapotheken, um eine vollstän-
dige Informiertheit des BfArM sicherzustellen,

c) eine zu veröffentlichende Auswertung des BfArM über alle Liefereng-
pässe des Vorjahres?

Falls nein, warum nicht?

2. Wann rechnet die Bundesregierung damit, dass die ärztlichen Fachgesell-
schaften eine gemeinsame Liste von unverzichtbaren Arzneimitteln vorle-
gen, auf die weitere Regelungsvorschläge aufbauen könnten?

3. Trifft es zu, dass die Bundesregierung gesetzliche Regelungen plant, die Lie-
ferengpässe verhindern sollen?

Falls ja, wann will sie diese vorlegen, und welche Vorgehensweisen verfolgt
die Bundesregierung dabei?

Falls nein, warum nicht?

4. Plant die Bundesregierung, wie vom Stellvertretenden Vorsitzenden der
SPD-Fraktion Prof. Dr. Karl Lauterbach vorgeschlagen, die Industrie zu ver-
pflichten, unverzichtbare Arzneimittel auch tatsächlich in ausreichender
Menge vorzuhalten (www.deutsche-apotheker-zeitung.de vom 2. Septem-
ber 2015 „Lauterbach: Gesetzgeber muss reagieren“)?

Falls ja, wie will sie dies umsetzen?

Falls nein, warum nicht?

5. Verfolgt die Bundesregierung, wie in der Presse behauptet, den Ansatz, mehr
Arzneimitteldirektverträge zwischen Krankenkassen und Herstellern zu er-
möglichen (www.bild.de vom 5. September 2015 „Regierung plant Gesetz
gegen Arznei-Notstand“)?

Falls ja, wie sollen diese ausgestaltet sein, damit dadurch Lieferengpässe ver-
hindert werden können?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6245

6. Plant die Bundesregierung zur Herstellung der Transparenz über Liefereng-
pässe bei Impfstoffen

a) ein Register von Lieferengpässen bei Impfstoffen beim Paul-Ehrlich-
Institut Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel
(PEI),

b) eine für alle Hersteller verbindliche Regelung, Produktionsprobleme und
Lieferschwierigkeiten sofort gegenüber dem PEI zu melden,

c) eine ergänzende Meldepflicht von Herstellerlieferproblemen für Groß-
händler und ausgewählte große Krankenhausapotheken, um eine vollstän-
dige Informiertheit des PEI sicherzustellen,

d) eine zu veröffentlichende Auswertung des PEI über alle Impfstofflie-
ferengpässe des Vorjahres?

Falls nein, warum nicht?

Berlin, den 30. September 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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