BT-Drucksache 18/6241

Möglichkeiten der Weiterverwendung von Medikamenten in stationären Hospizen

Vom 30. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6241
18. Wahlperiode 30.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe,
Elisabeth Scharfenberg, Maria Klein-Schmeink, Dr. Franziska Brantner,
Katja Dörner, Kai Gehring, Ulle Schauws, Tabea Rößner, Doris Wagner,
Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Möglichkeiten der Weiterverwendung von Medikamenten in stationären Hospizen

Im August 2015 kritisierte der Diözesan-Caritasverband Köln, dass Hospize ge-
setzlich dazu verpflichtet sind, Medikamente verstorbener Patientinnen und Pati-
enten komplett zu vernichten (www.caritas.erzbistum-koeln.de/dicv-koeln/aktuelles/
Caritas_fordert_ein_Ende_der_Wegwerf-Vorschrift-00001/). Diese Vorschrift wird
als medizinisch und ökonomisch unsinnig bewertet. Laut einer Hochrechnung des
Diözesan-Caritasverbands Köln würden allein im Bundesland Nordrhein-West-
falen jährlich Medikamente im Wert von über 850 000 Euro vernichtet. Er fordert
deshalb, dass Ärztinnen und Ärzte unverbrauchte und ungeöffnete Medikamente
weiter verordnen dürfen, damit diese Verschwendung endlich aufhört.

Vom Grundsatz, dass Arzneimittel, die von einer Apotheke an eine Person abge-
geben wurden, nicht zur Behandlung anderer Menschen verwendet werden dür-
fen, kann in stationären Hospizen (Alten- oder Pflegeheimen und in der speziali-
sierten ambulanten Palliativversorgung – SAPV) in einem Fall abgewichen wer-
den. Die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) sieht in § 5b
Absatz 4 folgende Ausnahmen vor: Nicht mehr benötigte Betäubungsmittel, die
eine Ärztin bzw. ein Arzt nicht direkt Patientinnen bzw. Patienten überlässt und
die zur unmittelbaren Anwendung in der Einrichtung unter ihrer bzw. seiner Ver-
antwortung gelagert werden, kann sie bzw. er einer anderen Patientin bzw. einem
anderen Patienten dieser Einrichtung verschreiben, an eine versorgende Apotheke
zur Weiterverwendung in einem Alten- und Pflegeheim oder einem Hospiz zu-
rückgeben oder in den Notfallvorrat eines Hospizes oder SAPV-Teams überfüh-
ren.

Neben der Verschreibung der Dauermedikation für Hospizbewohnerinnen und
Hospizbewohner ist das Verschreiben von sogenannten Bedarfsmedikamenten
Praxis, die zur Leidenslinderung bzw. Symptomkontrolle von z. B. Atemnot,
Husten, Übelkeit oder Erbrechen im Hospiz vorrätig sind und damit sofort ein-
setzbar sind. Bei diesen Bedarfsmedikamenten handelt es sich um eine sehr über-
schaubare Anzahl von Wirkstoffen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Regelungen (bitte Gesetze, Verordnungen und die einschlägigen Pa-
ragraphen detailliert auflisten) stehen dem Vorschlag, dass Ärztinnen und
Ärzte Medikamente, die in Einrichtungen, wie z. B. Hospizen, nicht ver-
braucht wurden und ungeöffnet sind, weiter verordnen dürfen, entgegen?

Drucksache 18/6241 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

2. Wie bewertet die Bundesregierung die geschilderte notwendige Vernichtung
von oftmals originalverpackten Medikamenten in stationären Hospizen?

3. Liegen der Bundesregierung Informationen zum Umfang der Vernichtung
von Medikamenten in stationären Hospizen in Deutschland vor?

Falls ja, welche?

Falls nein, plant sie eine entsprechende Erhebung in Auftrag zu geben?

4. Welches Einsparpotential ließe sich aus Sicht der Bundesregierung bundes-
weit durch die Nutzung von Medikamenten, die für Verstorbene in stationä-
ren Hospizen bereitgestellt waren und nicht verbraucht wurden, erzielen?

5. Plant die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung, die es angelehnt an die
Regelung des § 5b Absatz 4 BtMVV ermöglicht, Bedarfsmedikamente, die
in stationären Hospizen üblicherweise verwendet werden,

a) einer anderen Patientin bzw. einem anderen Patienten dieser Einrichtung
zu verschreiben,

b) an eine versorgende Apotheke zur Weiterverwendung in einem Alten-
und Pflegeheim oder einem Hospiz zurückzugeben oder

c) in einen Notfallvorrat zu überführen?

Falls ja, wann plant sie diese vorzulegen?

Falls nein, warum nicht?

6. Bedarf es aus Sicht der Bundesregierung bei einer solchen Regelung einer
Festlegung, welche Wirkstoffe konkret unter eine Ausnahme für Bedarfsme-
dikamente fallen?

Falls ja, durch wen könnte bzw. sollte diese festgelegt werden?

7. Plant die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung, die es angelehnt an die
Regelung des § 5b Absatz 4 BtMVV generell ermöglicht, nicht angebro-
chene Medikamente, die in stationären Hospizen üblicherweise verwendet
werden, egal ob als Dauer- oder als Bedarfsmedikament verschrieben,

a) einer anderen Patientin bzw. einem anderen Patienten dieser Einrichtung
zu verschreiben,

b) an eine versorgende Apotheke zur Weiterverwendung in einem Alten-
und Pflegeheim oder einem Hospiz zurückzugeben oder

c) in einen Notfallvorrat zu überführen?

Falls ja, wann plant sie diese vorzulegen?

Falls nein, warum nicht?

8. Bedarf es aus Sicht der Bundesregierung bei einer solchen Regelung einer
Festlegung, welche Wirkstoffe unter eine solche Ausnahme fallen?

Falls ja, durch wen könnte bzw. sollte diese festgelegt werden?

9. Welche Anforderungen, insbesondere an die Lagerung, müssten aus Sicht
der Bundesregierung stationäre Hospize bei der in Frage 5 bzw. Frage 7 vor-
geschlagenen Regelung erfüllen, um für alle Patientinnen und Patienten eine
ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung zu gewährleisten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6241

10. Welche Anforderungen bzw. zusätzlichen Aufgaben kämen bei einer Aus-
nahmeregelung analog dem Betäubungsmittelrecht auf

a) Ärztinnen und Ärzte,

b) Apothekerinnen und Apotheker

zu?

Berlin, den 30. September 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.