BT-Drucksache 18/6179

zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Drucksache 18/5090 - Zugang und Teilhabe ermöglichen - Die Dekade für Alphabetisierung in Deutschland umsetzen

Vom 29. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6179
18. Wahlperiode 29.09.2015

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(18. Ausschuss)

zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksache 18/5090 –

Zugang und Teilhabe ermöglichen – Die Dekade für Alphabetisierung
in Deutschland umsetzen

A. Problem

Wie die Studie „leo. – Level-One“ wissenschaftlich belegt, ist der funktionale
Analphabetismus unter der erwerbsfähigen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jah-
ren in Deutschland ein bedeutendes gesellschaftliches Problem. Nicht richtig le-
sen oder schreiben können in Deutschland demnach ca. 7,5 Mio. Menschen, was
14 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung entspricht. 2,3 Mio. Menschen der
erwerbstätigen Bevölkerung in Deutschland können zwar einzelne Wörter lesen,
verstehen und schreiben, nicht jedoch ganze Sätze. Ihren Namen selber richtig
schreiben können ca. 300 000 Menschen nicht. Darüber hinaus haben ca. 25 Pro-
zent der erwerbstätigen Bevölkerung, also ca. 13 Mio. Menschen, das richtige
Schreiben in ihrer Schulzeit nicht gelernt.

B. Lösung

Im Rahmen einer nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Er-
wachsener ist bereits mit einem breiten Bündnis gesellschaftlicher Gruppen eine
Vereinbarung zur Reduzierung von Analphabetismus von 2012 bis 2016 getroffen
worden. Auch die folgenden zehn Jahre sollen im Zeichen einer nationalen De-
kade für Alphabetisierung und Grundbildung stehen. Die Dekade soll durch lang-
fristige Strategien strukturiert werden, eine zielgruppendifferenzierte Förderung
anbieten, eine Umweltsensibilisierung und niederschwellige Angebote schaffen
sowie die Qualitätsentwicklung und die Professionalisierung der Alphabetisie-
rungsangebote fördern. Hierzu sollen die bisher im Rahmen der nationalen Stra-
tegie zur Alphabetisierung und Grundbildung (2011 bis 2016) von Bund und Län-
dern bewährten Maßnahmen fortgesetzt und darüber hinaus neue Strategien und
Konzepte sowie Förderprogramme entwickelt werden. Die Länder werden aufge-
fordert, sich hieran zu beteiligen.

Drucksache 18/6179 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Annahme des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Ablehnung des Antrags.

D. Kosten

Die Kosten für die Dekade für Alphabetisierung wurden auf mindestens 180 Mio.
Euro für den Gesamtzeitraum angegeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6179
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/5090 anzunehmen.

Berlin, den 23. September 2015

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Patricia Lips
Vorsitzende

Xaver Jung
Berichterstatter

Marianne Schieder
Berichterstatterin

Dr. Rosemarie Hein
Berichterstatterin

Özcan Mutlu
Berichterstatter

Drucksache 18/6179 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Xaver Jung, Marianne Schieder, Dr. Rosemarie Hein und
Özcan Mutlu

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/5090 in seiner 109. Sitzung am 11.06.2015 beraten
und dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur federführenden Beratung und
dem Innenausschuss, Haushaltsausschuss, Ausschuss für Wirtschaft und Energie, Ausschuss für Arbeit und So-
ziales, Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ausschuss für Kultur und Medien sowie dem Aus-
schuss Digitale Agenda zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Als erste Erhebung in Deutschland hat die Studie „leo. – Level-One“ belegt, welche Größenordnung der funktio-
nale Analphabetismus unter der erwerbstätigen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren einnimmt. Dabei wurden
drei Formen des Analphabetismus unterschieden. Der funktionale Analphabetismus betreffe ca. 7,5 Mio. Men-
schen, die nicht richtig lesen oder schreiben könnten. Dies seien 14 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung.
Diese Gruppe könne zwar einzelne Wörter oder Sätze lesen und schreiben, aber zusammenhängende Texte wie
zum Beispiel Bücher oder Arbeitsanweisungen nicht. Besonders betroffen vom funktionalen Analphabetismus
seien insbesondere Menschen ohne Schulabschluss, Menschen in prekärer Beschäftigung und Menschen, die über
50 Jahre alt seien. 57 Prozent der funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten seien als un- oder angelernte
Arbeitskräfte tätig. Dabei hätten 80 Prozent der Betroffenen einen Schulabschluss. Somit durchdringe der funkti-
onale Analphabetismus die gesamte Gesellschaft.

Analphabetismus im engeren Sinne betreffe ca. 2,3 Prozent der Menschen der erwerbstätigen Bevölkerung, also
ca. 4 Prozent. Diese Betroffenen seien nicht in der Lage, ganze Sätze zu verstehen, könnten jedoch einzelne Wör-
ter lesen, verstehen und schreiben. Von dieser Gruppe seien 300 000 Menschen nicht in der Lage, ihren Namen
richtig zu schreiben.

Trotz Schulbesuchs beherrschten darüber hinaus ca. 13 Mio. Menschen, also weitere 25 Prozent der erwerbstäti-
gen Bevölkerung, die Rechtschreibung nicht richtig.

Die Grundbildungs- und Lesekompetenzen der Menschen in Deutschland liege unter dem OECD-Durchschnitt.
Doch nicht nur der Anteil derjenigen, die ein niedriges Leseniveau aufweisen, sei in Deutschland überdurch-
schnittlich groß, sondern auch der Anteil derjenigen, die ein hohes Leseniveau vorweisen könnten, sei unterdurch-
schnittlich klein. Zudem habe eine Studie der Stiftung Lesen zum Thema „Grundbildung am Arbeitsplatz“ erge-
ben, dass der funktionale Analphabetismus oftmals im engen Kollegen- und Familienkreis bekannt sei. Das
Thema „Analphabetismus“ sei in der Gesellschaft noch weitgehend mit Angst und Scham besetzt.

Im Rahmen einer nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener haben Bund und Län-
der auf der Grundlage eines breiten Bündnisses vieler gesellschaftlicher Gruppen unter Einschluss der Gewerk-
schaften, der Kirchen und der Kommunen bereits im Zeitraum von 2012 bis 2016 Gegenmaßnahmen ergriffen.
Die Partner der nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener werden einen Bericht
vorlegen, der herausstellen werde, welche Strategien und Instrumente, die bereits ergriffen worden seien, sich
bewährt hätten. Dies solle die Basis für die Ausgestaltung der nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grund-
bildung bilden.

Zentrale Ziele der auf Nachhaltigkeit zielenden Dekade seien insbesondere:

− der Ausbau der Netzwerke der Länder zu einem nachhaltigen Netzwerk der Akteure der Alphabetisierungs-
arbeit,

− die Schaffung von dauerhaften und tragfähigen Strukturen der Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit
als Teil des Weiterbildungssystems in Deutschland sowie

− die weitere Sensibilisierung des unmittelbaren Arbeits- und Familienumfeldes und der Öffentlichkeit für das
Thema.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6179
Ziel sei es, allen Menschen ein Mindestmaß an Lese- und Schreibfähigkeit zu vermitteln und dies mit einer Grund-
bildung zu verbinden, die Rechenfähigkeit, Gesundheitsbildung, finanzielle Grundbildung und soziale Kompe-
tenzen umfasse. Diese Kompetenzen seien fundamental für die Chancengleichheit und notwendig für die Teilhabe
auf gesellschaftlichen, beruflichen, politischen, digitalen, kulturellen und sozialen Ebenen.

Die Alphabetisierungsdekade solle aus vier Handlungsfeldern bestehen. Bereits bewährte Strategien zur Grund-
bildung müssten durch eine Strukturierung in die Breite getragen werden. Es müsse eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe sein, Alphabetisierung und Grundbildung für alle zu ermöglichen. Dazu sei es unabdingbar, dass diese
Aufgabe als Querschnittsaufgabe der verschiedenen Ressorts wahrgenommen werde. Das federführende Bundes-
ministerium für Bildung und Forschung solle hierzu eine fachlich qualifizierte Monitoring- und Koordinierungs-
stelle einrichten. Die finanzielle und personelle Ausstattung von Alphabetisierungsangeboten müsse verbessert
werden, um die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu erhöhen und letztlich müssten die Ergebnisse der
Forschungsarbeiten zu diesen Problemen zusammengefasst und in die Praxis transferiert werden.

Weiterhin müssten die Zielgruppen für eine Förderung herausgearbeitet werden und die Ansprache der erwerb-
stätigen Betroffenen verbessert werden. Als Träger solcher Maßnahmen seien Unternehmen, Gewerkschaften,
Betriebs- und Personalräte ins Auge zu fassen. Der Zielgruppe der erwerbslosen funktionalen Analphabetinnen
und Analphabeten solle insbesondere von den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern eine Möglichkeit einer
Grundqualifikation angeboten werden. Auch für Menschen mit Einwanderungsgeschichte müssten besondere
bundesweite Alphabetisierungskurse eingerichtet werden.

Wichtig sei es zudem, das Umfeld der Zielgruppe, insbesondere die Familien, die Arbeitgeber und das weitere
soziale Umfeld zu sensibilisieren und niedrigschwellige Angebote, zum Beispiel bei sozialen Angeboten und in
den Vereinen, anzubieten. Auch weitere niedrigschwellige Angebote, zum Beispiel im Umfeld von Koch- oder
Computerkursen, sollten Berücksichtigung finden.

Ein weiteres entscheidendes Element solle die Verbesserung der Qualität und der Professionalisierung der in der
Alphabetisierung arbeitenden Personen sein, die angemessen honoriert werden müssten.

Der Deutsche Bundestag solle unter anderem begrüßen, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung
im Rahmen der nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung (2012 bis 2016) bereits Maßnahmen
eingeleitet habe, um die Zahl der funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten zu senken. Dabei seien insbe-
sondere zu benennen:

− das Förderprogramm „Arbeitsplatzorientierte Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener“,
− die bundesweite Informationskampagne „Lesen & Schreiben – Mein Schlüssel zur Welt“,
− die Unterstützung bei der Entwicklung von Curricula und Unterrichtsleitfäden für eine lernzielorientierte

Alphabetisierung,

− die Förderung von Online-Lernportalen,
− die zahlreichen Maßnahme und Initiativen der Länder, zum Beispiel die Fortbildungsinitiativen der Kurslei-

terinnen und Kursleiter, die Einrichtung von Koordinierungsstellen und die zahlreichen Informationsveran-
staltungen.

Der Deutsche Bundestag solle die Bundesregierung im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel vor
allem auffordern,

− eine nationale Dekade für Alphabetisierung auszurufen und das bisherige Bündnis für Grundbildung mit
weiteren gesellschaftlichen Akteuren als Allianz für Alphabetisierung und Grundbildung gemeinsam mit den
Ländern auszubauen;

− die bisher gewonnenen Forschungsergebnisse, Konzepte und Materialien in die Praxis zu transferieren;
− die bewährten Instrumente des Förderprogramms zur arbeitsplatzorientierten Grundbildung weiterhin um-

zusetzen;

− die Konzepte für Alphabetisierung und Grundbildung auch im Bereich der beruflichen Bildung und der Ju-
gendbildung weiterzuentwickeln;

− die Förderung der notwendigen Grundkompetenzen in den Bereichen Lesen, Schreiben, Mathematik sowie
Informations- und Kommunikationstechnologien durch die Bundesanstalt für Arbeit auszubauen;

− familien- und lebensweltorientierte Grundbildungsangebote zu entwickeln;

Drucksache 18/6179 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
− die Durchführung von Alphabetisierungskursen auszubauen und „Blended-Learning“-Elemente hinzuzufü-

gen;

− das bundesweit bekannte und genutzte ALFA-Telefon weiterzuentwickeln und zu finanzieren;
− Qualitätsentwicklung von Curricula und Bildungs-/Lernkonzepten und die Aus- und Weiterbildung der

Kursleiterinnen und Kursleiter weiterzuentwickeln und zu fördern;

− gemeinsam mit den Ländern die Aus- und Fortbildung der Kursleitenden zu unterstützen und Standards dafür
zu setzen;

− dem Deutschen Bundestag alle vier Jahre über die Fortschritte der nationalen Dekade für Alphabetisierung
und Grundbildung zu berichten;

− die bisherige Forschung zur Alphabetisierung und Grundbildung auszubauen und das Thema Alphabetisie-
rung und Grundbildung in den nationalen Bildungsbericht aufzunehmen.

Letztlich solle der Deutsche Bundestag an die Länder appellieren, gemeinsam mit dem Bund dafür zu sorgen,
dass niemand die Schule verlässt ohne nachhaltige Lese-, Schreib-, Rechen- und digitale Medienkompetenzen
erworben zu haben, die Honorierung der Kursleitenden zu verbessern und letztlich die Zahl der Grundbildungs-
zentren und Koordinierungsstellen weiter zu erhöhen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Haushaltsausschuss, der Ausschuss für Arbeit und Soziales, der Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend, der Ausschuss für Kultur und Medien sowie der Ausschuss Digitale Agenda haben
jeweils in ihren Sitzungen am 23.09.2015 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD bei Stimm-
enthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache
18/5090 anzunehmen.

Der Innenausschuss hat in seiner Sitzung am 23.09.2015 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/5090 anzunehmen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat in seiner Sitzung am 23.09.2015 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN emp-
fohlen, den Antrag auf Drucksache 18/5090 anzunehmen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat die Vorlage in seiner 40. Sitzung am
23.09.2015 beraten. Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung empfiehlt:

Annahme des Antrags auf Drucksache 18/5090 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD bei
Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die CDU/CSU-Fraktion leitet ein, dass die Dekade der Alphabetisierung am Weltalphabetisierungstag, dem 8.
September 2015, verkündet worden sei. Diese stelle den Kernpunkt des vorliegenden Antrags dar. In Deutschland
gebe es siebeneinhalb Millionen Menschen, die nicht in der Lage seien, komplexe Texte zu verstehen, zu schrei-
ben und zu lesen. Es handele sich somit um mehr Personen, als diejenigen, die in Deutschland aktiv Fußball
spielen oder als Niedersachsen Einwohner habe.

Seit 2011 seien diese erschreckenden Zahlen aus den Ergebnissen der Level-One-Studie (leo.) ersichtlich. Man
habe festgestellt, dass es sich bei 60 Prozent der Betroffenen um deutsche Muttersprachler handele. Die Mehrheit
der Betroffenen verfüge über einen Schulabschluss oder einen Beruf. Aus diesem Grunde sei hinterfragt worden,
wo diese Risikogruppen angetroffen werden können, um Hilfe zu leisten. Für viele Betroffene stelle diese Prob-
lematik noch immer ein Tabuthema dar. Die Gesellschaft nutze – insbesondere am Arbeitsplatz – solche Schwä-
chen eher aus, statt den Betroffenen zu helfen. Dabei sei jedoch gerade der Arbeitsplatz ein Ort, an dem am ehesten
angesetzt werden müsse. Gerade dort gebe es Personen, denen die Defizite des Mitarbeiters bekannt seien. Aus

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/6179
diesem Grunde müsse in Erwägung gezogen werden, Alphabetisierungskurse am Arbeitsplatz anzubieten und
diese als Computer- oder Kochkurse zu „tarnen“. Damit könne die Scheu der Betroffenen überwunden werden.

Für die Dekade für Alphabetisierung würden in den nächsten Jahren etwa 180 Mio. Euro zur Verfügung gestellt.
Damit stelle sich der Bund der Verantwortung, die Alphabetisierung in Deutschland zu fördern und bei der Be-
kämpfung der bestehenden Probleme mitzuwirken. Im Grunde handele es sich bei der Umsetzung entsprechender
Programme jedoch um Aufgaben der Länder.

Ein Ansatzpunkt sei die Reduktion der starken Fluktuation von Dozenten solcher Alphabetisierungskurse. Oft-
mals handele es sich um Dozenten ohne Festanstellung, die die Kursleitung aufgäben, sobald sich eine feste Be-
schäftigung fänden.

Die Qualität der Materialien solle verbessert und der Kreis der Hilfspersonen ausgeweitet werden. Dabei müsse
die „Best Practice“ herausgefiltert werden. Dies erfordere jedoch das Vorliegen von Forschungsergebnissen, um
die Ursachen der Misere herauszufinden.

Neben dem Ansatzpunkt am Arbeitsplatz solle auch Jobcentern die Möglichkeit gegeben werden, gezielt Hilfe zu
leisten. Bisher sei es Jobcentern verwehrt, Alphabetisierungskurse durchzuführen. Erlaubt sei lediglich, die Er-
greifung von Maßnahmen mit der Zielsetzung, einen Arbeitsplatz zu finden.

Darüber hinaus stelle die Einrichtung von Lernplattformen im Internet einen guten Ansatz dar, um die Scheu vor
diesem Tabuthema zu überwinden. Jeder könne diese Maßnahmen nach eigener Zeiteinteilung, eigens abgestimm-
tem Schwierigkeitsgrad und Lernerfolg von zu Hause aus ergreifen.

Ein solches Maßnahmenpaket, welches sich über einen Zeitraum von zehn Jahren erstrecke, erfordere jedoch eine
gewisse Kontrolle. Aus diesem Grunde fordere die CDU/CSU eine auf Bundesebene angesiedelte „Monitoring-
Stelle“, die die Ergebnisse und Fortschritte der Maßnahme verfolge. Alle vier Jahre solle zudem eine Berichter-
stattung zu diesem Thema erfolgen, die Teil des Bildungsberichts werde.

Zusätzlich sei zu erwähnen, dass der Antrag in Zusammenarbeit mit der SPD-Fraktion in einfache Sprache über-
setzt worden sei. Die einfache Formulierung solle der betroffenen Bevölkerungsgruppe Rechnung tragen.

Im Jahr 2018 werde die Veröffentlichung der Ergebnisse einer neuen „leo.-Studie“ erfolgen und es sei mit Span-
nung zu erwarten, ob die in dieser Sitzung gefällten Beschlüsse dann rückwirkend für gut befunden werden kön-
nen.

Die Erarbeitung neuer Forschungsziele solle unterstützt werden, da es in diesem Bereich stets überraschende Er-
kenntnisse gebe. Dies sei unter anderem durch die neuesten Ergebnisse der PISA-Studie zu Finnland deutlich
geworden und auch in dieser Woche habe es wieder neue Erkenntnisse hinsichtlich der Empfehlung bzw. den
Elternwillen zum Übergang in die Sekundarstufe I gegeben. Oftmals gebe es viele Vorurteile, die durch neue
Forschung widerlegt werden können. So werde die Möglichkeit geschaffen, bessere Ansätze zu finden.

Die aktuelle Flüchtlingsproblematik sei in den Vordergrund gerückt, dürfe jedoch nicht dazu führen, dass das
Thema „Analphabetismus“ verdeckt werde. In Deutschland könne derzeit eine so große Hilfsbereitschaft be-
obachtet werden, dass es eine zu geringe Befassung mit der Problematik und der Lese- und Schreibschwäche der
Flüchtlinge nicht zu befürchten sei. Es bestehe jedoch die Gefahr der Vernachlässigung der ungeachtet dieser
Problematik erforderlichen Alphabetisierungsmaßnahmen in Deutschland. Es dürfe nicht vergessen werden, dass
es nicht lediglich um die Vermittlung von Lese- und Schreibfertigkeiten, sondern gleichermaßen um die Lehre
anderer Grundkompetenzen, wie Rechen- oder IT-Fertigkeiten, gehe.

Auch das Erfordernis politischer Bildung und Demokratiebildung sei – insbesondere vor dem Hintergrund der
Flüchtlingsproblematik – zu betonen. So müsse die Bedeutung des Lebens unter der Verfassung der deutschen
Demokratie bereits frühzeitig vermittelt werden, um zu verdeutlichen, von welchen Handlungen hierzulande Ab-
stand zu nehmen sei.

Die Frage der Finanzierung entsprechender Alphabetisierungsmaßnahmen werde jedes Jahr erneut zu diskutieren
sein, um ausschussintern Prioritäten bei der Verfolgung von Bildungs- und Forschungszielen zu setzen. Die Ge-
fahr von negativen Auswirkungen des Kooperationsverbotes mangels eindeutig zugewiesener Zuständigkeiten sei
nicht mehr als ein „Running Gag“. Damit werde das Bereitstellen finanzieller Mittel durch den Bund gefordert,
obwohl keinerlei Kompetenzen von den Ländern übertragen würden. Es sei diesbezüglich lediglich festzuhalten,
dass eine Deckung des Finanzbedarfs nach erfolgter Kompetenzübertragung auf Bundesebene sicherlich ermög-
licht werden könne.

Drucksache 18/6179 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die SPD-Fraktion hebt hervor, dass das Problem des Analphabetismus selbstverständlich nicht mit diesem An-
trag allein zu lösen sei. Die Lösung des Problems oder gar die bloße Verbesserung der Situation könne Jahre
dauern, doch es sei erforderlich, das Problem zunächst einmal anzugehen.

Mit der Ausrufung einer Dekade sei von vornherein klar gemacht worden, dass die Programme auf zehn Jahre
angelegt werden. Zudem sei bekannt, dass diese Problematik nicht mit ein oder zwei Maßnahmen in den Griff zu
bekommen sei, sondern dass mittels verschiedener Ansatzpunkte vielschichtige Programme entwickelt werden
müssten. Nur so könne die Anzahl der Menschen, die nicht lesen und schreiben können, verringert werden. In
diesem Zusammenhang seien einige Ansatzpunkte bereits gefunden worden. Es existiere ein großes und bereits
evaluiertes Kursangebot an Volkshochschulen, ein ALFA-Telefon und Öffentlichkeitskampagnen. Darüber hin-
aus gebe es gerade im Bereich der arbeitsmarktbezogenen Maßnahmen erfolgreiche Konstruktionen und Ange-
bote, zu denen ebenfalls Auswertungen vorlägen.

Neben berufsbegleitenden Maßnahmen müsse es jedoch auch vorbeugende Maßnahmen geben. Diese Aufgabe
müsse auch den Jobcentern zufallen, damit Menschen ihren Fähigkeiten und auch Defiziten entsprechend vermit-
telt werden können.

Der Antrag fordere deutlich die Ausweitung der Forschung zum Thema „Alphabetisierung und Grundbildung“,
da es zu wenig Grundlagenforschung und Erfahrungswerte in Hinblick auf die bisher ergriffenen Maßnahmen
gebe. Zudem werde beantragt, dass das Thema „Alphabetisierung und Grundbildung“ Bestandteil der nationalen
Bildungsberichterstattung werde und dem Deutschen Bundestag alle vier Jahre über Fortschritte der nationalen
Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung zu berichten sei.

Die Kritik, dass eine Ausstellung zur Alphabetisierungen gerade nicht die Betroffenen erreiche und damit nicht
geeignet zur Problembekämpfung sei, könne nicht nachvollzogen werden. Es sei gerade nicht ausreichend, ledig-
lich die Betroffenen zu erreichen, da diese keine Abhilfe schaffen könnten. Erforderlich sei die Sensibilisierung
derjenigen in Schulen und in Volkshochschulen sowie der Arbeitgeber. Es seien niedrigschwellige Angebote er-
forderlich, um die Betroffenen zu erreichen. Auf der anderen Seite müsse zur Erzielung eines Gesamtfortschritts
aber auch das gesamte Umfeld erfasst werden.

Der Antrag enthalte eine Beschreibung der Situation, der Forderungen und der Folgen. Daneben beinhalte er
Vorschläge hinsichtlich zukünftiger Maßnahmen. Das Erfordernis einer Monitoring- und Koordinierungsstelle sei
aufgrund der vielen verschiedenen Akteure unstreitig. So werde beispielsweise im Bereich der Erwachsenenbil-
dung der Bund neben den Ländern tätig, sodass es einer Kooperation bedürfe.

Auch die Ursachen seien im Antrag enthalten. Der Bundestag appelliere an die Länder, dafür Sorge zu tragen,
dass kein Schüler die Schule ohne Abschluss verlasse. Dies bedeute zwar nicht, dass die Schuld bei den Ländern
liege, es müsse jedoch ein besonderes Augenmerk auf die Schulen gerichtet werden. Dort werde die Alphabeti-
sierung oftmals nicht in ausreichendem Maße gefördert. Trotzdem verfüge ein Anteil in Höhe von 80 Prozent der
Betroffenen über einen Schulabschluss. Dies werde anhand der Ergebnisse der leo.-Studie verdeutlicht.

Unklar sei somit lediglich die Finanzierung des Projektes. Aus diesem Grunde sei es sehr erfreulich, dass die
Bundesbildungsministerin 180 Mio. Euro für zehn Jahre bereitstellen wolle. In diesem Haushaltsjahr stehe ein
Betrag in Höhe von 19,5 Mio. Euro, im nächsten Haushaltsjahr lediglich in Höhe von 16,5 Mio. Euro, zur Verfü-
gung. Hier müsse also noch nachgebessert werden.

Zudem müsse in ein entsprechendes Maßnahmenprogramm auch die Flüchtlingsarbeit einbezogen werden. Unter
Flüchtlingen gebe es vielleicht 10 Prozent Analphabeten und 25 Prozent der Flüchtlinge kämen nicht über das
Grundschulniveau hinaus, sodass eine Dekade der Alphabetisierung auch hier erforderlich sei. Der derzeitige
Finanzbedarf sei jedoch vor der Flüchtlingswelle errechnet worden. Um nun entsprechende Angebote im Rahmen
der Flüchtlingsarbeit zu gewährleisten, müsse somit weiteres Geld zur Verfügung gestellt werden.

Zum Thema „einfache Sprache“ sei anzumerken, dass diese noch nicht hinreichend ausgereizt worden sei. Zwar
habe es auch eine ablehnende Haltung gegeben, die in dem Gebrauch einer einfachen Sprache die Gefahr einer
„Niveauabsenkung“ sehe. Die SPD spreche sich ausdrücklich dafür aus, die Thematik bis in den Ältestenrat zu
tragen. So könne Aufmerksamkeit erregt und das Thema „in die Breite“ getragen werden. In Deutschland sei die
einfache Sprache erst in den letzten vier oder fünf Jahren erlernt worden, während sie sich in anderen Ländern
bereits viel stärker durchgesetzt habe.

Der Antrag berücksichtige nicht die Frage, welchen Anreiz es für Betroffene habe, die ein kleines, aber relativ
festes Einkommen bezögen, entsprechende Alphabetisierungsmaßnahmen zu ergreifen. Diese Frage hätten Ver-
treter von Entsorgungsbetrieben, die im Bereich der Mitarbeiterqualifizierung sehr engagiert seien, dahingehend

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/6179
beantwortet, dass es der Reiz eines realen Belohnungseffekts in Form einer besseren Stelle bzw. eines höheren
Einkommens sei. Das gleiche Prinzip werde im Rahmen des Meister-BAföG deutlich. Auch dort müsse der Be-
lohnungseffekt ausgebaut werden, um die Leistungsempfänger anzuspornen, bis zum erfolgreichen Abschluss
durchzuhalten.

Es sei jedoch zu fragen, wieso es keine Alpha-Prämie gebe. So könne demjenigen, der von Alpha Level 1 mit
Mühen das Alpha Level 3 oder 4 erreiche, eine Prämie in Höhe von 1.000 Euro in bar gewährt werden. Dabei
handele es sich um eine Belohnung, wie sie in anderen Systemen zumindest für die Leistungsstärksten als selbst-
verständlich angesehen werde. Ökonomisch bedeute eine solche Alpha-Prämie, dass – vorausgesetzt 10.000 Be-
troffene schlössen in den Kursen erfolgreich ab – eine Gesamtprämie in Höhe von 10 Mio. Euro auszuloben sei.
Dadurch könne eine Einsparung für etliche hundert Millionen erreicht werden, da für diese Betroffenen eine In-
anspruchnahme der Sozialkassen nicht mehr nötig sei. Dies erfordere jedoch ein gedankliches „Turnaround“, weg
von einer lediglich leistungsorientierten hin zu einer an den Anstrengungen orientierten Prämienvergabe. Ein sol-
ches Instrument der „Belohnung cash“ sei nicht im Antrag enthalten und es sei zu diskutieren, ob es sich dabei
um ein wirksames Instrument zur Förderung der Teilnahme an Alpha-Kursen durch Betroffene handele.

Die SPD-Fraktion weist ferner darauf hin, dass der vorliegende Antrag den unbedingten Willen des Parlaments,
an der Ausgestaltung dieser Dekade beteiligt zu werden, zum Ausdruck bringen solle. Es gehe nicht darum, den
Antrag zu stellen und erst in zehn Jahren Bilanz zu ziehen, sondern um die Wahrnehmung der Dekade als Prozess,
der politisch mitgesteuert werden müsse. Erforderlich sei dafür zum einen die Bereitstellung von Haushaltsmit-
teln, zum anderen die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament. Die Präsentation eines Ergebnisses
setze zunächst den Vorschlag erreichbarer Ziele voraus. Dabei sei beispielswiese auf die Anstrengungen Groß-
britanniens zu verweisen, die zu einer signifikanten Reduzierung der Betroffenenzahlen geführt hätten. Dadurch
werde deutlich, dass es gerade kein Verbot der Kooperation, sondern eine Aufforderung zur Zusammenarbeit in
diesem Bereich gebe.

Auch sei darauf hinzuweisen, dass für den einzelnen Betroffenen mehr als 2,40 Euro der bereitgestellten Mittel
zur Verfügung stünden, soweit eine gemeinsame Betrachtung der Bund- und Länderaktivitäten erfolge. Deutlich
werde dabei zudem, dass eine Vielzahl von Aktivitäten, die bereits in den letzten Jahren gestartet seien, nun ver-
dichtet bzw. zusammengefasst werden könnten.

Eine besondere Aufmerksamkeit sei auf den Bereich der Grundbildung zu richten. In Österreich falle dieser Be-
reich bereits unter den Begriff „Basisbildung und Alphabetisierung“ und auch in Deutschland sollte der Begriff
der Alphabetisierung mit dem der Grundbildung in Zusammenhang gebracht werden. Die Ursachen der mangeln-
den Alphabetisierung seien weitestgehend unbekannt und auch innerhalb der nächsten zehn Jahre werde aufgrund
der äußerst komplexen Zielgruppe nicht jede Ursache in Erfahrung gebracht werden können. Tatsache sei jedoch,
dass diese weder über Lese-, Schreib-, Rechen- oder andere alltagsrelevanten Fertigkeiten verfüge und somit eine
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht gewährleistet werden könne. Es müsse daher eine umfassende Be-
trachtung vorgenommen werden, da aufgrund der unterschiedlichen Problemgruppen auf verschiedenen Leis-
tungsstufen keine „Eine-Lösung“ existiere.

Mit dem Ausruf der Dekade der Alphabetisierung sei ein deutliches Signal gesetzt worden. Eine erfolgreiche
Umsetzung erfordere jedoch ein noch größeres Netzwerk, bestehend aus mehr Helfern und mehr Organisationen.
Die Errichtung und Pflege eines solchen Netzwerks sei in den nächsten zehn Jahren als Auftrag beizubehalten.
Die Aufstellung einer Informationskampagne sei eine sinnvolle Maßnahme, sie erfordere jedoch eine Sicherung
des dahinterstehenden ALFA-Telefons. Auch die Einbeziehung der Vorortebene – insbesondere der dort ge-
schlossenen Bündnisse, direkten Zugänge und Ansprechpartner – sei erforderlich. An dieser Stelle falle den Job-
centern die wichtige Aufgabe der Sensibilisierung zu. Gerade dort müsse das Vorhandensein von Defiziten zu-
mindest erkannt werden.

Die Fraktion DIE LINKE. ist der Ansicht, dass es nicht hilfreich sei, aus der nationalen Strategie eine Dekade
zu machen, hinter der keine weiteren Maßnahmen stünden. Gut zu heißen sei jedoch die Übersetzung des Antrags
in leichte Sprache. Oftmals führe eine solch fehlende „Niedrigschwelligkeit“ von Angeboten dazu, dass die Men-
schen nicht erreicht würden. Oftmals fehle es einfach an der Kenntnis, dass ihnen über diesen Weg geholfen
werden könne.

Das Ergreifen marktbezogener Maßnahmen sei ein guter Ansatzpunkt. Die Bereitschaft der Unternehmen zur
Durchführung solcher Maßnahmen könne, vor dem Hintergrund des Fachkräfteproblems, wachsen. So bestehe

Drucksache 18/6179 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
bereits die Bereitschaft zur Aufnahme Auszubildender, die über weniger gute Schulabschlüsse verfügten. Dane-
ben müssten das familiäre Umfeld sensibilisiert und unter Umständen Weiterbildungsprogramme für den Fami-
lien-oder Bekanntenkreis angeboten werden.

In dem Antrag der Koalitionsfraktionen fehle jedoch – genau wie in den früheren Anträgen die „leo.-Studie“
betreffend – eine Beschäftigung mit den Ursachen der heutigen Situation. Der bisherige Forschungsstand sei zu
gering. Der Bund könne sehr viel mehr leisten als die Unterstützung der Volkshochschulen und das Anbieten von
Kursen. Insbesondere die Berücksichtigung sozialer Ursachen, beispielsweise hinsichtlich der schulischen Bil-
dung, komme bei Weitem zu kurz. Statt die Ursachen zu bekämpfen, werde vielmehr ein Schwerpunkt auf die
Symptombehandlung gesetzt. Damit solle nicht gesagt werden, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen falsch
seien, sondern dass sie nicht ausreichten. Durch die bisherigen Förderprogramme werde die Flächenwirkung nicht
erreicht. Dies sei bereits aus anderen Bereichen bekannt, in denen die „Best Practice“ zwar gefunden worden sei,
jedoch nicht „in die Breite“ gehe.

Es sei zudem zu fragen, ob die Alphabetisierung nicht häufig zu sehr aus Sicht derer, die dieses Problem nicht
hätten, diskutiert werde. Der Antrag sehe vor, dass Ausstellungen zur Alphabetisierung weitergereicht werden
sollen. Der Besucherkreis bestehe erfahrungsgemäß jedoch nicht aus Betroffenen. Aus diesem Grunde bestünden
Zweifel an der Geeignetheit dieses Instruments. Es trage lediglich zu einer Sensibilisierung bei. Diese erfolge
dann jedoch in Kreisen, die über keine Defizite verfügten und sich der Problematik bereits bewusst seien.

In Hinblick auf Alphabetisierungskurse in Jobcentern sei zu befürchten, dass daraus ein Vermittlungshemmnis
resultieren könne. Es bestehe die Gefahr, dass der Jobsuchende lediglich in einen Alphabetisierungskurs geschickt
werde und dadurch bei der Jobvermittlung nicht weiter berücksichtigt werde. Ein solcher Alphabetisierungskurs
müsse daher berufsbegleitend angeboten werden.

Zum Thema „Geflüchtete“ sei darauf hinzuweisen, dass dadurch der falsche Eindruck entstehe, Geflüchtete seien
alle nicht alphabetisiert. Die meisten Geflüchteten seien hingegen alphabetisiert; es mangele lediglich an einer
Alphabetisierung in deutscher Sprache. Die Öffnung der Alphabetisierungskurse für Geflüchtete sei zwar richtig,
es sei jedoch fraglich, ob diese Öffnung die nächste Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes überlebe.

Die Bundesbildungsministerin habe am Weltalphabetisierungstag mitgeteilt, dass in den Erstaufnahmeeinrichtun-
gen Lesestartsets für Fünfjährige zur Verfügung gestellt werden sollen. Dass sei zwar eine schöne Geste, doch es
müsse der Erfolg bezweifelt werden. Die Zeit in diesen Aufnahmeeinrichtungen sei zu kurz und es fehle an Per-
sonal, welches sich mit den Kindern beschäftigen könne.

Hinsichtlich der Frage, was genau mit dem einen Betrag in Höhe von 180 Mio. Euro für einen Zeitraum von zehn
Jahren erreicht werden könne, sei zu errechnen, dass für jeden der 7,5 Mio. funktionalen Analphabeten lediglich
2,40 Euro übrig blieben. Damit könne die Problematik nicht erfolgreich bekämpft werden, sodass andere Ansätze
erforderlich seien.

Eine Maßnahme könne die Aufstellung von Werbekampagnen in Einkaufscentern darstellen. So gebe es in Rat-
häusern bereits solche Werbekampagnen, diese erreichten jedoch fast ausschließlich Personen, die nicht mehr
aufgeklärt werden müssten. In Einkaufscentern könne ein anderer Personenkreis erreicht werden. Aus diesem
Grunde müsse diskutiert werden, an welcher Stelle Aufklärungs- und Werbekampagnen anzusiedeln seien. Fern-
sehkampagnen erachte sie als wirkungsvoll.

Der Antrag enthalte eine umfangreiche und ausführliche Beschreibung der Problematik, darunter stehe ein Punk-
tekatalog und die Aufforderung bzw. der Appell an die Länder, Alphabetisierungsmaßnahmen zu ergreifen. Die
Länder seien sich diesem Erfordernis des Tätigwerdens bewusst, es stelle sich jedoch die Frage der Finanzierung.
Hinsichtlich dieser Problematik fehle dem Antrag jegliches Problembewusstsein. Den Ländern fehlt nicht nur die
finanzielle Möglichkeit zur Umsetzung der Alphabetisierungsmaßnahmen, sondern auch die Diagnose eines För-
derbedarfs. Lediglich die Qualifikation einer Lernbehinderung rechtfertige einen Förderbedarf. Insoweit müsse
die Systematik der Förderbedarfsgewährung in Frage gestellt werden. Es sei zu diskutieren, ob die in den einzel-
nen Sozialgesetzbüchern geregelte Feststellung des Förderbedarfs – insbesondere vor dem Hintergrund des An-
alphabetismus – nicht bereits überholt sei.

Es sei jedoch nicht Sache der Jobcenter, Alphabetisierungsmaßnahmen zu ergreifen. Dort bestehe die große Ge-
fahr, dass der Betroffene in der Not lediglich zur Ableistung eines entsprechenden Kurses verpflichtet und der
Vorsorgeauftrag damit zum Ausschlusskriterium für die eigentlich bezweckte Jobvermittlung werde. Dies dürfe

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/6179
keinesfalls passieren. Erforderlich sei es vielmehr, die Bereitschaft von Unternehmen, Betroffenen einen Arbeits-
platz zu gewähren und berufsbegleitend und diskriminierungsfrei Alphabetisierungskurse zur Verfügung zu stel-
len, entweder im Betrieb oder in der Volkshochschule, zu fördern.

Richtig sei, dass das Ergreifen von Alphabetisierungsmaßnahmen in Erstaufnahmeeinrichtungen schwierig sei.
Es sei erforderlich, schnellen Kontakt zu den Flüchtlingen herzustellen und die Anzahl der für die Kindesbetreu-
ung zuständigen Sozialarbeiter zu erhöhen. Daneben könne Hilfe durch den Bundesfreiwilligendienst oder das
Ehrenamt ergänzend hinzukommen. Bisher sei weder der Einsatz von speziell in der Kindesbetreuung tätigen
Sozialarbeitern noch die Verwendung von Beschäftigungsmaterial für Flüchtlingskinder beobachten worden. Ge-
fördert werden müsse zudem der schnelle Kontakt mit unterschiedlichen Sprachen. Deutsch solle dann die Spra-
che sein, die von allen gemeinsam erlernt werde. In Grundschulen als auch in Kindertagesstätten erfolge das
Erlernen der Sprach- und Schreibfertigkeiten in Klassen bzw. Gruppen, in denen lediglich wenige Flüchtlingskin-
der seien, nahezu nebenbei. Soweit das Erlernen der deutschen Sprache über diesen einfachen Weg erfolge, sei
der Weg zur Alphabetisierung bereits geebnet. Aus diesem Grunde seien auch Angebote in anderen Sprachen für
sinnvoll, um diejenigen alphabetisieren zu können, die dies bereits in ihrer eigenen Sprache nicht seien.

Als letzten Punkt sei herauszustellen, dass Forschung auf mindestens zwei Ebenen erforderlich sei. Zum einen
gehe es um die Beantwortung der Frage, warum in der Schule die Grundbildung nicht ausreichend gewährleistet
werde, zum anderen müsse festgestellt werden, aus welchen Gründen die bereits erlernte Grundbildung wieder
verlernt werde.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellt fest, dass die Zahl der 7,5 Mio. Analphabeten seit mindestens
einer Dekade „herumgeistere“, nun jedoch endlich offiziell im Rahmen der leo.-Studie bestätigt worden sei. Der
Antrag beinhalte sehr viele gut gemeinte Vorschläge, es sei jedoch zweifelhaft, ob damit die Lösung der Proble-
matik erreicht werden könne. Es sei zu fragen, wieso nicht bereits der Antrag eine konkrete Bezifferung der er-
forderlichen finanziellen Unterstützung für ein so großes Vorhaben enthalte. Die Ministerin habe nun eine Unter-
stützung in Höhe von 180 Mio. Euro versprochen. Auf zehn Jahre und auf 16 Länder verteilt bedeute dies jedoch,
dass jedes Bundesland lediglich ca. 1,12 Mio. Euro erhielte. Zur Bekämpfung des Dauerthemas „Funktionaler
Analphabetismus“ werde dieser Betrag nicht ausreichen. Aus diesem Grunde könne die Haushaltsberatung dazu
genutzt werden, eine Ausweitung der finanziellen Unterstützung zu diskutieren.

Auch das Thema „Geflüchtete“ erfordere solch eine Diskussion. Diese Problematik dürfe nicht sich selbst über-
lassen werden. An dieser Stelle sei angemerkt, dass es dem Antrag an muttersprachlichen Angeboten mangele.
Es gebe viele funktionale oder auch richtige Analphabeten, die der deutschen Sprache nicht mächtig seien. Dieser
Umstand erfordere es, niedrigschwellige Angebote auch in der Muttersprache zur Verfügung zu stellen. So könne
in einem ersten Schritt das Lesen und Schreiben der Muttersprache erlernt werden, um sich dann in einem zweiten
Schritt der deutschen Sprache zu bemächtigen.

Die Forderung einer Allianz für die Alphabetisierung sei zwar ein guter Ansatz, es sei jedoch zweifelhaft, wie
eine solche Zusammenarbeit aussehen solle. Die Gefahr eines „Zuständigkeitsgerangels“ könne daher insbeson-
dere wegen des bestehenden Kooperationsverbotes nicht ausgeschlossen werden.

Im Rahmen der ersten PISA-Studie seien Erhebungen unter den Lehrern gemacht worden, die ergeben hätten,
dass 80 Prozent des Lehrpersonals den Analphabetismus der Betroffenen über einen Zeitraum von neun oder zehn
Jahren nicht erkannt hätten. Die Ursache der Problematik liege somit in den Schulbetrieben, nicht jedoch in dem
Verhalten der Lehrerinnen und Lehrer. Es müsse vielmehr die Struktur des Bildungssystems hinterfragt werden,
die solch eine Entwicklung zulasse. Es stelle sich somit die Frage, wie die Allgemeinbildung dermaßen reformiert
und die Lehrerausbildung weiterentwickelt werden könne, um eine solch horrende Anzahl von Analphabeten zu
vermeiden. Die Grünen seien bereit, bei dieser „Mammutaufgabe“ Unterstützung zu leisten, es reiche jedoch kei-
nesfalls aus, die bereits seit Jahren existierenden Ideen als Antrag zu formulieren. Erforderlich sei eine viel kon-
kretere Formulierung der Maßnahme, des Finanzbedarfs und der Durchführung auf Landesebene.

Es sei erfreulich, dass die leo.-Studie fortgeführt werde und vielleicht könne sogar eine Evaluierung der großen
Programme, in die in den vergangenen Jahren investiert worden war, angestrebt werden.

Der vierjährige Berichtzeitraum sei allerdings zu lang. Alle zwei Jahre bzw. zur Hälfte der Legislaturperiode solle
eine Berichterstattung erforderlich sein. Dies biete die Gelegenheit, rechtzeitig Gegen- oder Zusatzmaßnahmen
für die künftige Legislaturperiode zu ergreifen und weiterhin in die richtige Richtung zu steuern.

Bei dem bestehenden Kooperationsverbot handele es sich um eines der größten Probleme Deutschlands, da es
eine Kooperation von Bund und Ländern im Bereich der Bildung verhindere. Zu beachten sei jedoch, dass im

Drucksache 18/6179 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Falle des Scheiterns Deutschlands im Rahmen der PISA- oder einer anderen Bildungsstudie, ein Scheitern der
Bundesrepublik und nicht ein Scheitern eines Bundeslandes vorliege. Zudem sei das verfassungsrechtlich veran-
kerte Kooperationsverbot weltweit einmalig und die Reaktion anderer Staaten in bildungspolitischen Debatten
zeige, dass eine solche Regelung grundsätzlich auf Missverständnis stoße. Die Bezeichnung des Kooperations-
verbotes als „Running Gag“ durch einen Abgeordneten der Unionsfraktion sei daher völlig unangebracht. Es han-
dele sich um eine Problematik, die unbedingt angegangen werden sollte.

Die Bundesregierung (BMBF) weist zunächst darauf hin, dass es sich bei der Dekade der Alphabetisierung um
eine Aufforderung zur Mitwirkung an die gesamte Gesellschaft handele. Dieses Problem werde nicht auf staatli-
cher oder gesellschaftlicher Ebene allein zu lösen sein, sondern erfordere neben der Zusammenarbeit von Bund,
Ländern und Kommunen die Mitwirkung von Sozialpartnern. Deshalb sei an dieser Stelle zu verdeutlichen, dass
es kein Kooperationsverbot, sondern eine Kooperationsnotwendigkeit in der Zusammenarbeit gebe.

Die Bundesregierung werde mittels der Informationskampagne „Lesen & Schreiben – Mein Schlüssel zur Welt“
anstreben, das Thema zu enttabuisieren. Das Erreichen eines besseren Verständnisses in der Öffentlichkeit sei
fundamental dafür, dass die Betroffenen die Scheu verlören, ihre Defizite zu offenbaren und den Weg zu den
Angeboten zu finden.

An zweiter Stelle müsse ein leicht zugängliches Angebot zur Verfügung gestellt werden. Der Einsatz neuer Me-
dien stelle eine große Chance dar, eine neue Zielgruppe zu erreichen. Aus diesem Grunde werde die durch den
Deutschen Volkshochschulverband zur Verfügung gestellte Lernplattform „Ich-will-lernen.de“, die sich an deut-
sche Muttersprachler richte und die Lernplattform „Ich-will-Deutsch-lernen.de“, die sich an Migranten richte,
fortgeführt. Die Anzahl der Teilnehmer an Volkshochschulkursen nehme jährlich um rund 20.000 Teilnehmer zu,
sodass in den letzten zehn Jahren rund 500.000 Lernende erreicht werden konnten. Derzeit werde die Einrichtung
zweier Apps für Mobiltelefone diskutiert, da Flüchtlinge oftmals über solche verfügten und so der Zugang zu der
Lernplattform ermöglicht werden könne.

Mehr als die Hälfte der Betroffenen sei erwerbstätig. Die Probleme eines funktionellen Analphabeten seien dem
Arbeitgeber und den Kollegen am Arbeitsplatz jedoch oftmals nicht bekannt. Aus diesem Grunde müsse Grund-
bildung in den Kontext von betrieblichen Weiterbildungsangeboten eingebaut werden. Dies erfordere die Zusam-
menarbeit mit den Bildungswerken der Wirtschaft, den Wirtschaftsverbänden und den Unternehmen, für die diese
Problembekämpfung eine eigene Herausforderung darstellen solle.

Die Dekade der Alphabetisierung erfordere eine Stärkung der Qualität der Alphabetisierungsarbeit insgesamt.
Das Ziel, Betroffene aus dem funktionalen Analphabetismus herauszuführen, könne nur Schritt für Schritt mittels
eines aufeinander aufbauenden Kurskonzeptes, welches die einzelnen Lernetappen überschaubar mache, erreicht
werden. Ein solches Konzept wolle die Bundesregierung in Deutschland aufbauen. Unterstützt werden solle zu-
dem die regionale Vernetzung. Nicht nur bundesweite, sondern auch lokale Bündnisse seien für die Alphabetisie-
rung erforderlich, um alle Helfer – von den Ehrenamtlichen bis zu den Sozialpartnern – mit einzubeziehen. Daher
erfolge auch eine Unterstützung der Kommunen beim regionalen Bildungsmanagement.

Der Antrag enthalte die Forderung, die bewährten Instrumente des existierenden Förderprogramms zur arbeits-
platzorientierten Grundbildung des BMBF fortzuführen. An dieser Stelle solle beispielhaft auf die besonders er-
folgreichen Projekte hingewiesen werden: das Mento-Projekt des DGB, das AlphaGrund-, das ABC- und das
ABCami-Projekt. Bei dem ABCami handele es sich um ein besonders interessantes Projekt, bei dem der religiöse
Raum – die Moscheen – als Eintrittsraum zur Alphabetisierung genutzt werde. Im Rahmen eines ersten Testlaufs
in drei Moscheen habe sich herausgestellt, dass dieses Konzept die Möglichkeit biete, einen anderen Personen-
kreis, der mit den bisherigen Angeboten noch nicht erreicht worden war, für die Alphabetisierung zu interessieren.

In Hinblick auf Kritik an der Verteilung von Lesestartsets an Fünfjährige in Erstaufnahmeeinrichtungen sei fest-
zuhalten, dass der Effekt solcher Maßnahmen erst nach einer gewissen Zeit ersichtlich werde. Zum einen seien
die Geflüchteten für eine gewisse Zeit in den Aufnahmeeinrichtungen untergebracht, zum anderen werde die
Vorbereitung genau abgestimmten Lehrmaterials eine geraume Zeit in Anspruch nehmen. Die Ministerin habe
vorgeschlagen, dass wahrscheinlich bis spätestens März 2016 ein speziell für den Personenkreis in Flüchtlings-
unterkünften konzipiertes Lesestartset entwickelt werde. Zudem werde eine Lese- und Medienbox in den Erstauf-
nahmeeinrichtungen zur Verfügung gestellt. Damit könne man diejenigen erreichen, die viel Zeit in der Einrich-
tung verbringen und sich auf anderem Wege noch nicht einbringen könnten. In den Flüchtlingsunterkünften seien
zahlreiche ehrenamtlich tätige Helfer beschäftigt, die sicher bereit seien, die ersten Kontakte bildlich und sprach-
lich mit der deutschen Sprache zu unterstützen. Auch der Einsatz von Vorlesepartnern stelle eine Unterstützung
der Aufnahmeeinrichtungen dar.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/6179
Das Thema „Nationale Berichterstattung“ müsse differenziert betrachtet werden. In der nationalen Bildungsbe-
richterstattung, die alle zwei Jahre erfolge, könne kein vollumfänglicher Bericht erwartet werden. Grund dafür sei
das fehlende Datenmaterial, welches lediglich alle fünf bis sechs Jahre im Rahmen der leo.-Studie veröffentlicht
werde. Sinnvoller sei es somit, im Deutschen Bundestag Bericht zu erstatten und gleichzeitig die vorhandenen
Daten in den nationalen Bildungsbericht einzubauen.

Die Kampagne „Lesen & Schreiben – Mein Schlüssel zur Welt“ solle – dem Vorschlag des Koalitionsantrags
entsprechend – fortgesetzt werden. Das ALFA-Telefon habe sich bewährt und die Maßnahme solle ebenfalls fort-
gesetzt werden.

Die Tatsache, dass die Ursache der hohen Anzahl an Analphabeten in Deutschland nicht bekannt sei, sei insbe-
sondere für bildungspolitisch interessierte und pädagogisch bewanderte Personen äußerst unbefriedigend. Die
Ursachenforschung müsse stärker in den Fokus der Bildungsforschung rücken. Der BMBF fordere daher zum
einen die Fortsetzung der leo.-Studie und darüber hinaus eine milieuorientierte Identifikation funktionaler Anal-
phabeten. Auch der Frage nach der Entstehung von funktionalem Analphabetismus müsse nachgegangen werden,
um präventiv gegensteuern zu können. Sofern die fehlende Alphabetisierung tatsächlich auf Ursachen im Kindes-
alter zurückzuführen sei, müsse ein gemeinsames Interesse daran bestehen, herauszufinden, was genau nicht funk-
tioniert habe. Die Alphabetisierung stelle eine Aufgabe dar, die alle anspreche und zu der jeder seinen Teil der
Verantwortung zu tragen habe. Der Appell an die Länder sei daher positiv zu formulieren: Das Land trage eine
politische Verantwortung, die im Bereich der Alphabetisierung wahrgenommen werden solle.

Eine Monitoring- und Koordinierungsstelle werde derzeit beim Bundesinstitut für berufliche Bildung (BIBB)
eingerichtet. Diese Stelle garantiere einen ständigen Ansprechpartner, der die Befassung mit dem Thema insge-
samt weiter nach vorne bringen könne.

In Hinblick auf die von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Prämie für die erfolgreiche Absolvierung eines Alpha-
betisierungskurses seien verschiedene Möglichkeiten und Dimensionen zu berücksichtigen. Es sei grundsätzlich
vorstellbar, die Motivation der Betroffenen durch das in Aussichtstellen einer Prämie durch das Unternehmen zu
steigern. Dies führe zunächst zur Motivation der in unmittelbarer Verantwortung stehenden Betroffenen. In die-
sem Zusammenhang sei noch auf die Bildungsprämie einzugehen, die in der Weise verändert worden sei, dass sie
gleichermaßen auch für Alphabetisierungskurse genutzt werden könne. Mithilfe dieser staatlichen Unterstützung
könne die Hälfte der Kosten eines Alphabetisierungskurses, in Höhe von bis zu 500 Euro, abgedeckt werden.
Insoweit sei es also wünschenswert, die Bildungsprämie nicht nur für berufsbezogene Weiterbildungsaktivitäten,
sondern auch für Alphabetisierungsmaßnahmen zu nutzen.

Letztlich werden die Evaluation des BMBF-Programms „Arbeitsplatzorientierte Alphabetisierung“ bis Mitte 2016
vorliegen.

Berlin, den 23. September 2015

Xaver Jung
Berichterstatter

Marianne Schieder
Berichterstatterin

Dr. Rosemarie Hein
Berichterstatterin

Özcan Mutlu
Berichterstatter

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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