BT-Drucksache 18/6169

Folgen aus der Gefährdung von Bestäubern und der Umwelt durch Neonikotinoide und andere Pestizidwirkstoffe

Vom 23. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6169
18. Wahlperiode 23.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Ebner, Steffi Lemke, Nicole Maisch,
Friedrich Ostendorff, Peter Meiwald, Bärbel Höhn, Markus Tressel
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Folgen aus der Gefährdung von Bestäubern und der Umwelt durch Neonikotinoide
und andere Pestizidwirkstoffe

Neonikotinoide sind eine Gruppe hochtoxischer Insektizidwirkstoffe, die seit un-
gefähr 20 Jahren in der Landwirtschaft und im Gartenbau im steigenden Umfang
eingesetzt werden. Eine weiterhin wachsende Zahl wissenschaftlicher Studien be-
legt, dass Neonikotinoide und weitere systemisch wirkende Pestizidwirkstoffe
gravierende und vielfältige ökologische Risiken beinhalten. Die Nervengifte wir-
ken sich auch in sehr geringen, nicht akut zum Tode führenden (subletalen) Men-
gen negativ auf Bienen, Wildbienen und andere Nichtzielorganismen aus. Auch
für den Herbizidwirkstoff Glyphosat wurden inzwischen in einer aktuellen Studie
ähnliche Effekte auf Bienen festgestellt. Der wissenschaftliche Kenntnisstand zu
den erheblichen ökologischen Gefährdungen durch Neonikotinoide wird sowohl
im aktuellen Expertenbericht des Wissenschaftlichen Europäischen Beirats der
Wissenschaftsakademien in Europa (European Academies Science Advisory
Council, EASAC) als auch im umfassenden Bericht (WIA) der „Task Force on
Systemic Pesticides“ dokumentiert.

Die EU-Behörde (EU: Europäische Union) für Lebensmittelsicherheit (EFSA)
hat inzwischen offiziell sowohl bei der Anwendung von drei Neonikotinoiden
und Fipronil als Beizmittel als auch als Spritzmittel erhebliche Risiken bzw. (auf-
grund von Datenlücken) nicht auszuschließende Gefährdungen von Nichtzielor-
ganismen festgestellt. Vor diesem Hintergrund haben die EU-Mitgliedstaaten im
Oktober 2013 Anwendungsbeschränkungen für die Wirkstoffe Clothianidin,
Imidacloprid, Thiamethoxam und das ebenfalls systemisch wirkende Fipronil in
bienenattraktiven Kulturen erlassen. Die Überprüfung der Notwendigkeit dieses
Teilverbots durch die EFSA soll bis zum Jahresende 2015 abgeschlossen werden.
Auf Basis dieser Evaluierung wird über eine Beibehaltung oder Aufhebung der
Anwendungsbeschränkungen entschieden.

Der fortschreitende wissenschaftliche Kenntnisstand zu den Auswirkungen der
Neonikotinoide sowie Fipronil und die Hinweise auf die Bienengefährlichkeit an-
derer Substanzen, wie des Herbizidwirkstoffs Glyphosat, werfen weitere Fragen
auf, insbesondere in Bezug auf Konsequenzen für die Risikobewertung, die Not-
wendigkeit weitergehender Anwendungsbeschränkungen, den realen Ertragsnut-
zen der Wirkstoffe, Reduktionsstrategien und Alternativen beim Pflanzenschutz
sowie das Verhalten der Bundesregierung in diesen Zusammenhängen.

Drucksache 18/6169 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Tonnen Neonikotinoide sowie Fipronil, getrennt nach Wirkstoffen,
sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2008 bis 2014 in
Deutschland hergestellt worden (bitte tabellarisch nach einzelnen Wirkstof-
fen und Jahren auflisten)?

2. Wie viele Tonnen Neonikotinoide sowie Fipronil sind im Zeitraum der Jahre
2008 bis 2014 exportiert und wie viele Tonnen importiert worden (bitte ta-
bellarisch nach einzelnen Wirkstoffen und Jahren auflisten)?

3. Wie viele Tonnen Neonikotinoide wurden im Zeitraum von 2008 bis 2014
im Inland abgesetzt (bitte tabellarisch nach einzelnen Wirkstoffen und Jahren
auflisten)?

4. Wie viele Tonnen Neonikotinoide, Fipronil und Glyphosat wurden nach
Kenntnis der Bundesregierung im Zeitraum der Jahre 2008 bis 2014 in Pro-
dukten (Saatgutbeizung, Granulat, Spritzanwendungsmittel etc.) für land-
wirtschaftliche Betriebe eingesetzt, und wie viele Tonnen werden in Produk-
ten für nichtberufliche Verwender (Privatgärten etc.) verarbeitet (bitte tabel-
larisch nach einzelnen Wirkstoffen und Jahren auflisten)?

5. Plant die Bundesregierung die Einführung einer gesetzlichen Verpflichtung
zur Meldung der zur Saatgutbehandlung eingesetzten Pestizidwirkstoffmen-
gen, und wenn nein, warum nicht?

6. Falls aufgrund mangelnder Daten keine Mengenaufschlüsselung nach Neo-
nikotinoidwirkstoffen, Fipronil und Glyphosat und deren Einsatzbereichen
(Fragen 1 bis 4) möglich sein sollte, welche Verbesserungen bzw. Initiativen
plant die Bundesregierung für eine genauere statistische Erfassung der ein-
gesetzten Wirkstoffmengen, damit zukünftig eine verlässliche Datengrund-
lage für Reduktionsmaßnahmen und im Hinblick auf eine Weiterentwicklung
des Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzen-
schutzmitteln zur Verfügung steht?

7. Mit welchen konkreten Beiträgen zur Risikoforschung unterstützt der Bund
die fachliche Überprüfung der bestehenden Anwendungsbeschränkungen für
Neonikotinoide sowie Fipronil durch die EFSA und damit das Ziel (entspre-
chend der Aussage des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft,
Christian Schmidt), dass dieser Prozess „schnellstmöglich zum Abschluss“
kommt (www.topagrar.com/news/Acker-Agrarwetter-Ackernews-Schmidt-
sagt-Ueberpruefung-des-Neonicotinoid-Verbots-zu-1758179.html)?

8. Über welche Erkenntnisse zu möglichen Risiken für die menschliche Ge-
sundheit durch den Einsatz von Neonikotinoiden sowie Fipronil verfügt die
Bundesregierung angesichts der Aussage von Bundesminister Christian
Schmidt, dass bei der Risikobewertung dieser Wirkstoffe der Schutz der
menschlichen Gesundheit und der Tiere absolute Priorität haben müssen
(www.topagrar.com/news/Acker-Agrarwetter-Ackernews-Schmidt-sagt-
Ueberpruefung-des-Neonicotinoid-Verbots-zu-1758179.html)?

9. Wird aktuell vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsi-
cherheit (BVL) die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen (wie etwa Not-
fallzulassungen) für aktuell in der EU nicht erlaubte Anwendungen von
Pflanzenschutzmitteln auf Basis der vom Teilverbot erfassten Wirkstoffe
Clothianidin, Imidacloprid, Thiathoxam sowie Fipronil erwogen, und wenn
ja, für welche Formulierungen bzw. Kulturen und mit welchen jeweiligen
Begründungen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6169

10. Unterstützt die Bundesregierung die Initiative der französischen Umweltmi-
nisterin Ségolène Royal zur Ausweitung bzw. Verschärfung des in der EU
geltenden Teilverbots für Neonikotinoide sowie Fipronil (www.
developpement-durable.gouv.fr/IMG/pdf/2015-05-20_DP_Abeilles.pdf,
S. 4), und wenn nein, warum nicht?

11. Plant die Bundesregierung konkrete Maßnahmen und beschränkende Vorga-
ben mit dem Ziel einer Reduktion des Einsatzes von Neonikotinoiden nach
dem Vorbild von Regulierungen, wie sie in der kanadischen Provinz
Ontario erlassen wurden (www.news.ontario.ca/ene/en/2015/06/regulating-
neonicotinoids.html), und wenn nein, warum nicht?

12. Welche Erkenntnisse (inkl. Mengendaten) liegen der Bundesregierung über
den Einsatz von Substituten (andere Wirkstoffe bzw. andere Pflanzenschutz-
maßnahmen) für die drei Neonikotinoidwirkstoffe mit eingeschränkter Zu-
lassung vor?

13. Mit welchen konkreten Maßnahmen (insbesondere im Bereich der praxisori-
entierten Agrarforschung) sorgt die Bundesregierung für den Fall vor, dass
die EFSA bzw. die Europäische Kommission auch zukünftig eine Beibehal-
tung des geltenden Teilverbots für Neonicotinoid-Wirkstoffe sowie Fipronil
für geboten erachten und in der Folge die Verfügbarkeit alternativer Pflan-
zenschutz- bzw. Bewirtschaftungsmethoden bei einzelnen Kulturen, wie ins-
besondere bei Raps, notwendig werden wird?

14. Inwiefern befürwortet die Bundesregierung eine dauerhafte Beibehaltung
oder Ausweitung des Teilverbots von Neonikotinoiden auf bislang noch zu-
gelassene Anwendungen vor dem Hintergrund der neuen EFSA-Risikobe-
wertungen vom 26. August 2015 für die Anwendung der teilverbotenen
Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam in Spritzmitteln,
wonach auch diese Anwendungsform mit hohen Risiken für Bienen verbun-
den ist bzw. Gefährdungen nicht ausgeschlossen werden können
(www.efsa.europa.eu/en/press/news/150826)?

15. Teilt das BfR (BfR: Bundesinstitut für Risikobewertung) die Risikobewer-
tung der EFSA, und wenn nein, warum nicht?

16. Welchen Handlungsbedarf hinsichtlich der Regulierung von Neonikotinoi-
den leitet die Bundesregierung aus den Ergebnissen einer aktuell im Fach-
magazin „Nature“ veröffentlichten amerikanisch-britischen Studie (Budge,
Gartwaite et al., 2015) ab, wonach in Großbritannien ein statistischer Zusam-
menhang zwischen der Höhe der Bienenvölkerverluste und dem Einsatz von
Imidacloprid beim Ölrapsanbau nachweisbar ist, dagegen aber statistisch
über mehrere Jahre kein Effekt der Rapssaatbeizung mit Imicloprid auf
die Erntehöhe oder den Gewinn von Landwirten festzustellen war
(www.nature.com/articles/srep12574.pdf , S. 4 und 6)?

17. Wird die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Studie Konsequenzen
für die Ausrichtung der bundeseigenen Forschung über Bienenvölkerverluste
ziehen, etwa hinsichtlich des bisherigen Fokus auf die Varroa im Deutschen
Bienenmonitoring?

Wenn nein, warum nicht?

18. Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung angesichts der Ergeb-
nisse einer südschwedischen Feldstudie (Rundlöf et al., 2015), wonach die
Fortpflanzung bzw. der Bruterfolg von Hummeln und Mauerbienen in der
Nähe von Rapsfeldern (Kultur unter Einsatz von mit Clothianidin gebeiztem
Saatgut) massiv beeinträchtigt wird, und welche Feldstudien werden im Auf-
trag des Bundes zur Gefährdung von Wildbienen durch Neonikotinoide
durchgeführt?

Drucksache 18/6169 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

19. Welchen Handlungsbedarf leitet die Bundesregierung aus den folgenden
Aussagen des Berichts „Ecosystem services, agriculture and neonicotinoids“
(April 2015) des „European Academies Science Advisory Council“
(EASAC) ab, wonach

a) Wildbienen- und Hummelarten aufgrund ihrer geringen Völkerstärken
bzw. teilweise solitären Lebensweise im Vergleich zu Honigbienen in be-
sonders hohem Maße durch den Einsatz von Neonikotinoiden gefährdet
sind und wilde Bestäuberinsekten auch aufgrund ihrer großen Bedeutung
für die Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen besser geschützt wer-
den müssen (vgl. S. 2 und 22), und welche Erkenntnisse hat die Bundes-
regierung darüber, ob bei der aktuellen Risikobewertung im Rahmen der
Prüfung des geltenden Teilverbots für vier bienengefährliche Wirkstoffe
von den Herstellern Studien bzw. Tests zur spezifischen Wirkungsweise
auf Wildbienen eingefordert werden, was in den bisherigen Zulassungs-
verfahren nur in Bezug auf Honigbienen erfolgt ist (www.foe.co.uk/
sites/default/files/downloads/friends-earth-thiacloprid-pesticide-briefing-
march-2015-76087.pdf),

b) die toxische Wirkung von Neonikotinoiden irreversibel und über längere
Zeiträume kumulativ ist und diese Eigenschaft substantielle Implikatio-
nen für die Risikobewertung hat (vgl. S. 22) und diese Feststellungen im
Gegensatz stehen zur bisherigen Einschätzung der Bundesregierung in
dieser Frage (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Frage 24 auf Bundestags-
drucksache 18/2531),

c) das aktuelle Regulierungssystem bzw. der Regulierungsstand nach aktu-
ellem wissenschaftlichen Kenntnisstand wesentliche Risikofragen im Zu-
sammenhang mit Neonikotinoiden nicht ausreichend berücksichtigt (vgl.
Seite 25), insbesondere hinsichtlich der Gefährdung von Nichtzielorga-
nismen durch chronische Belastungen auch bei sehr niedrigen subletalen
Dosen,

d) die Verwendung von Neonikotinoiden als Saatgutbeize unvereinbar mit
grundlegenden Prinzipien des Integrierten Pflanzenschutzes ist und damit
EU-Recht (Richtlinie 2009/128/EC zur nachhaltigen Verwendung von
Pflanzenschutzmitteln) widerspricht (vgl. S. 26),

e) Ertragsversicherungsmodelle von Landwirte wie in Italien eine kosten-
günstige Alternative zum prophylaktischen Einsatz von Neonikotinoiden
darstellen (vgl. Seite 26),

f) der weitverbreitete Einsatz von Neonikotinoiden die Erfolgsaussichten
zur Erhöhung der Biodiversität in Agrarlandschaften im Rahmen der
EU Agrarpolitik (Greening) in Frage stellt?

20. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Aussage des
EASAC-Berichts, dass die Saatgutbeizung mit Neonikotinoiden zur Redu-
zierung natürliche Feinde dieses Schädlings und damit zu wesentlichen Er-
tragseinbußen beitragen kann, und inwieweit wird die Bundesregierung der
Empfehlung des Berichts zur Anstrengung weiterer Forschungsaktivitäten
bezüglich der Frage nachkommen, welche Effekte solche Nützlingsschädi-
gungen als Folge des Neonikotinoideinsatzes auf das Schadensausmaß durch
Rapserdflöhe haben (vgl. S. 23)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6169

21. Wie sind nach Kenntnis der Bundesregierung der aktuelle Stand sowie gege-
benenfalls die (Zwischen-)Ergebnisse der Überprüfung bzw. Erweiterung
der Risikobewertung von Neonikotinoiden bezüglich der Gefährdung von
wirbellosen Landtieren, Bodenorganismen (wie Springschwänze, Regen-
würmer und Raubmilben) sowie von Gewässerorganismen (vgl. Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zu den Fragen 14 und 15 auf Bun-
destagsdrucksache 18/2531)?

22. Inwieweit planen die Bundesregierung bzw. Bundesbehörden Aktivitäten
bzw. Initiativen zur flächendeckenden routinemäßigen Erfassung der Neoni-
kotinoidbelastung von Oberflächengewässern und Böden angesichts der Tat-
sache, dass ein solches Monitoring der Oberflächengewässerbelastung in den
Niederlanden in Bezug auf Imidacloprid seit dem Jahr 2004 erfolgt (vgl.
http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0062374#s4)
und laut Untersuchungsergebnissen aus den USA in der Hälfte von Fluss-
wasserproben mindestens ein Neonicotinoidwirkstoff nachgewiesen wurde
(vgl. www.statesmanjournal.com/story/tech/science/environment/2015/08/
19/neonicotinoid-pesticides-found-half-nations-streams/32016051/)?

Falls keine Aktivitäten der Bundesregierung geplant sind, warum nicht?

23. Welchen Änderungsbedarf hinsichtlich der Beurteilung der Bienengefähr-
lichkeit von Thiacloprid sieht die Bundesregierung angesichts von Studien,
wonach der Wirkstoff eine höhere Anfälligkeit von Bienen gegenüber den
Auswirkungen von Pathogenen sowie Nahrungsmangel bewirkt
(www.foe.co.uk/sites/default/files/downloads/friends-earth-thiacloprid-
pesticide-briefing-march-2015-76087.pdf)?

24. Welchen Handlungsbedarf leitet die Bundesregierung aus den Zwischener-
gebnissen von Untersuchungen von Dr. Büchler, Dr. Brandt und Dr. Siede
(hessisches Bieneninstitut Kirchhain) ab, wonach Thiacloprid die Anzahl
der Blutzellen (Hämozyten) und Fettkörper von Honigbienen reduziert,
was auf eine reduzierte Fitness bzw. Widerstandskraft gegenüber Pathoge-
nen hindeutet (www.apis-ev.de/fileadmin/downloads/AG_Tagung/
Abstractband_62_AG_Tagung_Muenster_2015_19_03_2015.pdf, S. 20;
www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/chemie/150226_bund_chemie_
pestizide_thiacloprid_hintergrund.pdf)?

25. Auf Basis welcher konkreten methodischen Fehler der Studie der FU Berlin
(Fischer et al., 2014) begründet die Bundesregierung ihre dringende Emp-
fehlung einer „Verifizierung der verabreichten Dosen“ von Thiacloprid, wie
sie im Rahmen der genannten Studie eingesetzt wurden (vgl. Antwort auf die
Kleine Anfrage zu Frage 11 auf Bundestagsdrucksache 18/2531)?

26. Wie begründet die Bundesregierung im Falle von Thiacloprid ihre Kritik
an der Studie der FU Berlin (Fischer et al., 2014), die verwendete Dosie-
rung (1,25 µg/12,5 ppm pro Biene) entspräche nicht „tatsächlich vorliegen-
den Feldbedingungen“ (vgl. Antwort auf die Kleine Anfrage zu Frage 11
auf Bundestagsdrucksache 18/2531), obwohl in Blütennektar Wirkstoffge-
halte von bis zu 28 ppb und in toten Bienen bis zu 13 ppb Clothianidin
gefunden wurden (www.neurobiologie.fu-berlin.de/menzel/
Pub_AGmenzel/Pestizide_AkadWiss_2014.pdf, S. 82)?

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27. Inwiefern bleibt die Bundesregierung bei ihrer Position, dass in Bezug auf
die Zulassung von Thiacloprid „kein Handlungsbedarf“ besteht (vgl. Ant-
wort auf die Kleine Anfrage zu Frage 11 auf Bundestagsdrucksache
18/2531), obwohl bereits bei chronischen Thiacloprid-Expositionen im un-
teren dreistelligen Nanogrammbereich pro Tier, die laut Prof. Randolf
Menzel „unter natürlichen Bedingungen sehr wohl chronisch aufgenom-
men werden“ können, erhebliche Beeinträchtigungen bei Tanzkommunika-
tion, Navigation und Sammelaktivität von Honigbienen festgestellt wurden
(www.neurobiologie.fu-berlin.de/menzel/Pub_AGmenzel/Pestizide_
AkadWiss_2014.pdf, Seite 85, sowie www.neurobiologie.fu-berlin.de/
menzel/Pub_AGmenzel/Betroffene%20und%20Verb%C3%BCndete_
VortragUlm_ 26042015.pdf, S. 30 bis 33)?

28. Wird sich die Bundesregierung angesichts der wachsenden Zahl von Hinwei-
sen zu Risiken für Bestäuber durch Thiacloprid (siehe vorhergehende Fra-
gen) für eine aktualisierte Risikobewertung deutlich vor dem erst im Jahr
2017 vorgesehenen Verfahren zur Zulassungserneuerung des Wirkstoffs ein-
setzen, und wenn nein, warum nicht?

29. Welche (Zwischen-)Ergebnisse hat das im Jahr 2014 vom Julius-Kühn-Insti-
tut durchgeführte Wildbienen-Monitoring ergeben, insbesondere hinsichtlich
der Entwicklung bzw. Trends bei Beständen und Vorkommen von Wildbie-
nenarten, und inwieweit findet bei der Erstellung des Wildbienen-Monito-
rings eine Kooperation des Julius Kühn-Institutes mit deutschen Wissen-
schaftlern der Weltnaturschutzunion IUCN statt, welche die Europäische
Roten Liste Bienen herausgibt (http://ec.europa.eu/environment/nature/
conservation/species/redlist/downloads/European_bees.pdf)?

30. Wie hat sich Deutschland in Bezug auf die von der EFSA vorgeschlagene
neue Leitlinie (vom Juli 2013) für die Bewertung von Pflanzenschutzmitteln
in Bezug auf Bienen bei der Behandlung des genannten Themas im SCPAFF
(früher StALuT) positioniert?

Wenn die Bundesregierung sich noch nicht in dieser Frage positioniert hat,
wann wird die Meinungsbildung der Bundesregierung voraussichtlich abge-
schlossen sein?

31. Welche konkreten Konsequenzen bzw. Maßnahmen (in Bezug auf die Aus-
richtung der Risikoforschung im Auftrag des Bundes sowie bezüglich deut-
scher Initiativen auf EU-Ebene zur Reform der Risikobewertung) sind bis-
lang aus der Erkenntnis der Bundesregierung abgeleitet worden, dass „Be-
darf für eine Weiterentwicklung […] in der Risikobewertung im Risikoma-
nagement von wildlebenden Bestäubern“ besteht (vgl. Antwort der Bundes-
regierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
zu Frage 13 auf Bundestagsdrucksache 18/2531)?

32. Welche konkreten Anstrengungen bzw. Initiativen hat die Bundesregierung
unternommen, um eine Verbesserung der Risikobewertung von Pflanzen-
schutzmitteln bezüglich indirekter Auswirkungen auf Wirbeltiere und die bi-
ologische Vielfalt insgesamt zu erreichen?

33. Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung angesichts der EU-Zu-
lassung des akut bienengiftigen Insektizidwirkstoffes Sulfoxaflor (aus einer
Untergruppe der Neonikotinoide) trotz der Tatsache, dass laut EFSA hohe
Risiken für Bienen sowie für kleine Säugetiere bei der Feldanwendung bis-
lang nicht ausgeschlossen werden konnten und aufgrund von fehlenden Da-
ten keine vollständige Risikobewertung möglich war (www.bee-life.eu/
en/article/90/ und www.efsa.europa.eu/sites/default/files/scientific_output/
files/main_documents/3692.pdf) sowie angesichts der Aufhebung der Zulas-
sung von Sulfoxaflor in den USA durch ein Berufungsgericht mit der Be-
gründung, die Zulassung durch die US-Umweltbehörde EPA sei auf einer

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/6169

fehlerhaften und begrenzten Datengrundlage erfolgt (www.reuters.com/
article/2015/09/10/us-epa-agriculture-honeybees-idUSKCN0RA2CQ2015
0910)?

34. Inwieweit hat sich das BfR mit einer Kommentierung des Bewertungsbe-
richts (draft assessment report, DAR) des Berichterstatters Irland im Risiko-
bewertungsverfahren zu Sulfoxaflor beteiligt, und falls eine Kommentierung
erfolgt ist, welchen wesentlichen Inhalt hatte diese?

35. Wie hat Deutschland bei der Entscheidung über die Zulassung des Wirkstof-
fes Sulfoxaflor auf EU-Ebene abgestimmt?

Falls eine Zustimmung erfolgt ist, wie begründet die Bundesregierung ihr
Abstimmungsverhalten?

36. Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung angesichts der Ergeb-
nisse einer aktuellen Studie zu schädlichen Auswirkungen von Glyphosat auf
Honigbienen (Sol Balbuena et al., 2015), wonach subletale Dosierungen von
Glyphosat das Orientierungsvermögen von Honigbienen deutlich ver-
schlechtert, was negative Konsequenzen für die Sammelleistung von Honig-
bienen bzw. die Überlebenschancen von Bienenvölkern haben kann?

37. Inwieweit wurden Risiken von Glyphosat für Honig- und Wildbienen (ins-
besondere subletale Effekte) im deutschen DAR-Bericht zu Glyphosat be-
rücksichtigt, und wenn ja, auf Basis welcher Studien?

38. Bestätigt die Bundesregierung, dass im Rahmen des Runden Tisches Imker-
Landwirtschaft-Industrie (laut Teilnahmeliste in Anwesenheit von Mitarbei-
tern des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft – BMEL –
und des BfR) am 11. Dezember 2014 in Berlin durch Bayer CropScience AG
eine damals noch unveröffentlichte Studie zu Auswirkungen des Pestizids
Elado (Wirkstoff Clothianidin) im Rapsanbau in Mecklenburg-Vorpommern
vorgestellt wurde (mit dem Titel „Großräumige Untersuchung zu möglichen
Kurz- und Langzeitwirkungen von mit Clothianidin gebeiztem Raps-Saatgut
auf Honigbienen, Hummeln und Mauerbienen in Mecklenburg-Vorpom-
mern“), wonach bezüglich der Auswirkungen auf Bestäuber keine statistisch
signifikanten Unterschiede zwischen der Beizbehandlung und der Kontroll-
gruppe (andere Pflanzenschutzmaßnahmen ohne Neonicotinoide) festgestellt
wurden, und hält die Bundesregierung vor diesem Hintergrund dennoch an
ihrer Einschätzung fest, dass durch die Saatgutbeizung „andere Organismen
des Ökosystems weniger getroffen werden als bei Spritzungen“ (vgl. Ant-
wort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zu Frage 38 auf Bundes-
tagsdrucksache 18/2531)?

39. Wurden laut Kenntnis der Bundesregierung auf den Flächen der Kontroll-
gruppe der in Frage 38 genannten Studie neue technische Ausbringungsme-
thoden zur Minderung der Exposition von Bestäubern durch Abdrift etc., wie
beispielsweise Drop-Leg-Düsen, oder andere begleitende Maßnahmen (ge-
zielte Beratung der Landwirte zu IPS, Schadschwellenmonitoring etc.) zur
Minimierung des Pestizideinsatzes angewandt, und inwieweit plant die Bun-
desregierung, den Einsatz solcher Technologien im Rapsanbau zukünftig
verbindlich vorzuschreiben?

40. Sofern die Bundesregierung über die am 11. Dezember 2014 gezeigte Power-
point-Präsentation zur Vorstellung der in Frage 38 genannten Studie verfügt,
wird das BMEL sie der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, und wenn nein,
warum nicht?

41. Sind die Aussagen des Ernteberichts 2015 des BMEL so zu interpretieren,
dass ungünstige Witterungs- und Niederschlagsbedingungen sowie der An-
bauflächenrückgang u.a. in Folge niedriger Erzeugerpreise als Hauptursa-
chen für den Rückgang der deutschen Winterrapserntemenge in diesem Jahr

Drucksache 18/6169 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

anzusehen sind, und kann die Bundesregierung nachvollziehbar beziffern,
welcher prozentuale Anteil am Erntemengenrückgang auf den fehlenden
Beizschutz gegenüber dem Rapserdfloh und der Kleinen Kohlfliege zurück-
geht (www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/Markt-Statistik/
Ernte2015Bericht.pdf?__blob=publicationFile)?

42. Inwieweit werden durch den Bund Forschungsansätze zum Rapsanbau in
Mischkultur u. a. mit Begleitsaaten gefördert, mit denen das Aufkommen von
Beikräutern und Schädlingen deutlich verringert werden kann (vgl. Beispiel
unter www.agrarheute.com/begleitpflanzen-anbau-winterraps )?

Berlin, den 23. September 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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