BT-Drucksache 18/6168

Einrichtung der Arbeitsgruppe "Russland Taskforce" der Europäischen Union für die "Strategische Kommunikation" in Osteuropa

Vom 24. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6168
18. Wahlperiode 24.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Alexander S. Neu, Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke,

Inge Höger, Niema Movassat und der Fraktion DIE LINKE.

Einrichtung der Arbeitsgruppe „Russland Taskforce“ der Europäischen Union für
die „Strategische Kommunikation“ in Osteuropa

Am 1. September 2015 hat laut Presseberichten ein von der Europäischen Union
(EU) eingesetztes Team für “Strategische Kommunikation“ zur „Abwehr russi-
scher Propaganda in Osteuropa“ die Arbeit aufgenommen (afp, 31. August 2015,
www.zeit.de/news/2015-08/26/deutschland-zeit-eu-startet-abwehr-russischer-
desinformation-in-osteuropa-26142002, www.heise.de/tp/artikel/45/45767/1.html,
www.dw.com/ru/die-zeit- - ч - ь - - - /a-
18673517). Grundlagen sind Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zu den
Außenbeziehungen vom 19. März 2015 zur Einrichtung einer solchen Arbeits-
gruppe, um „Russlands andauernden Desinformationskampagnen über den Ukra-
inekonflikt etwas entgegenzustellen“, und der Auftrag an die EU-Außenbeauf-
tragte Federica Mogherini, bis Juni 2015 einen „Aktionsplan über strategische
Kommunikation“ vorzulegen.

Die Vertreterinnen und Vertreter der EU behaupten, es gehe nicht darum, mit der
Initiative Gegenpropaganda zu betreiben. Das intern als „Russland Taskforce“
bezeichnete „Eastern Strategic Communications Team“ wird jedoch „positive
Narrative und Kommunikationsprodukte“ in russischer Sprache entwickeln und
damit „russischen Erzählweisen“ in Osteuropa die Sicht der EU entgegenstellen.
Dieses „Strategische Kommunikationsteam Ost“ soll z. B. im Internet aktiv wer-
den und auf Russisch „über Websites und soziale Netzwerke proaktiv über Politik
und Werte der EU informieren“. Es soll russische Medien auswerten, „offensicht-
liche Lügen identifizieren“ und kommentierte Berichte dazu an die Mitgliedstaa-
ten der EU herausgeben. Auftrag der „Russland Taskforce“ ist es aber auch, „un-
abhängige Medien in Russland [zu] unterstützen“.

Ins Visier genommen haben die Bundesregierung und die EU demgegenüber
russische Sender, wie „RT“ und „Sputniknews“, die internationale Programme,
u. a. in englischer, deutscher und spanischer Sprache senden, und (so RT) z. B.
auch Redaktionen in Deutschland aufgebaut haben. Unterdessen bieten die
„Deutsche Welle“, „BBC“ oder „Euronews“ ebenfalls bereits seit langem Pro-
gramme in verschiedensten Sprachen an, darunter auch russischsprachige re-
daktionelle Inhalte. Die „Deutsche Welle“ expandiert in jüngerer Zeit mit Un-
terstützung des Auswärtigen Amts verstärkt Richtung Osteuropa und sendet
u. a. TV-Nachrichtenbeiträge in russischer und ukrainischer Sprache
(www.dw.com/de/neue-tv-nachrichtensendung-auf-russisch-und-ukrainisch/a-
18641356, www.spiegel.de/ politik/ausland/baltikum-fernsehsender-kaempfen-ge-
gen-russische-propaganda-a-1035009.html).

Drucksache 18/6168 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was ist der Bundesregierung über das Zustandekommen des „Aktionsplans
über strategische Kommunikation“ zur „Abwehr russischer Propaganda in
Osteuropa“ bekannt?

2. Welche Studien oder sonstigen Erhebungen wurden nach Kenntnis der Bun-
desregierung für den „Aktionsplan über strategische Kommunikation“ zur
„Abwehr russischer Propaganda in Osteuropa“ erstellt, bzw. auf welche vor-
handenen Ausarbeitungen wird sich dabei gestützt?

3. Welche konkreten Vorschläge werden in den Studien gemacht, und welche
Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?

4. Inwieweit und ggf. seit wann bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung
entsprechende Strukturen beim Europäischen Auswärtigen Dienst, und auf
wessen Veranlassung wurden diese eingerichtet?

5. Worauf sollten der „Aktionsplan über strategische Kommunikation“ sowie
das hierzu eingerichtete „Kommunikationsteam“ zur „Abwehr russischer
Propaganda in Osteuropa“ aus Sicht der Bundesregierung hauptsächlich fo-
kussieren?

6. In welchem Umfang soll eine solche „Strategische Kommunikation“ zur
„Abwehr russischer Propaganda in Osteuropa“ aus Sicht der Bundesregie-
rung auch über mögliche Schwachstellen oder kritisch über europäische Po-
litiken berichten?

7. Zu welchen Gelegenheiten oder in welchem Umfang sollte die „Strategische
Kommunikation“ gegenüber Russland aus Sicht der Bundesregierung nicht
nur auf positives EU-Engagement ventilieren, sondern auch vermeintliche
„Desinformationen“ russischsprachiger Medien kontern oder kommentie-
ren?

8. Auf welche Weise könnten der „Aktionsplan über strategische Kommunika-
tion“ zur „Abwehr russischer Propaganda in Osteuropa“ sowie die Aktivitä-
ten des „Strategischen Kommunikationsteams Ost“ aus Sicht der Bundesre-
gierung an weitere, laufende EU-Initiativen gekoppelt werden, etwa Ver-
handlungen der Europäischen Kommission über den Abschluss eines Ab-
schiebeabkommens mit Belarus oder die Visaliberalisierung mit Georgien
und der Ukraine?

9. In welcher Form wird sichergestellt, dass das „Strategische Kommunikati-
onsteam Ost“, seine Unterabteilungen und sonstigen Arbeitseinheiten nicht
selbst Propaganda betreiben, und welche Überprüfungsmechanismen bzw.
Benchmarks sind implementiert, um dies zu verhindern?

10. In welcher Form wird sichergestellt, dass die von dem „Strategischen Kom-
munikationsteam Ost“ zu unterstützenden Medien nicht selbst Propaganda
betreiben, und welche Überprüfungsmechanismen bzw. Benchmarks sind
implementiert, um dies zu verhindern?

11. Über welchen Zeitraum hinweg soll das „Strategische Kommunikationsteam
Ost“ eingerichtet bleiben bzw. Aktivitäten entfalten?

12. Wann soll nach Kenntnis der Bundesregierung eine Evaluation des Aktions-
plans vorliegen?

13. Wie ist die Aufgabenstellung des „Strategischen Kommunikationsteams
Ost“ konkret definiert?

14. Über wie viele und welche Abteilungen, Unterabteilungen und sonstigen Ar-
beitseinheiten verfügt das „Strategische Kommunikationsteam Ost“?

15. Welche konkreten Tätigkeitsbereiche sind diesen jeweils übertragen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6168

16. Welche Teilnehmenden am „Strategischen Kommunikationsteam Ost“ wel-
cher Behörden welcher Mitgliedstaaten bzw. EU-Einrichtungen sind der
Bundesregierung bekannt?

17. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden jeweils in welchen Ab-
teilungen, Unterabteilungen und sonstigen Arbeitseinheiten mit welchen
Aufgabenstellungen tätig (bitte sowohl dauerhaft beschäftigte und/oder fest-
angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfassen als auch Personen, die
befristet beschäftigt sind, als Honorarkräfte oder freie Mitarbeiterinnen bzw.
Mitarbeiter im weitesten Sinne bezeichnet werden können, oder von anderen
Stellen zu Tätigkeiten bei dem oder für das „Strategische(n) Kommunikati-
onsteam Ost“ entsandt bzw. abgestellt wurden)?

18. Wo genau ist das „Strategische Kommunikationsteam Ost“ nach Kenntnis
der Bundesregierung geografisch und organisatorisch angesiedelt?

19. Von welchen Standorten aus agieren welche Abteilungen, Unterabteilungen
und/oder sonstigen Arbeitseinheiten des „Strategischen Kommunikations-
teams Ost“?

20. Inwieweit wird eine Verlegung, Vergrößerung, Verkleinerung, sonstige Ver-
änderung des „Strategischen Kommunikationsteams Ost“ oder seiner Teile,
ein Wegfall von Aufgabenstellungen oder eine veränderte Übertragung von
Aufgaben geplant oder in Erwägung gezogen?

21. Wer soll über derartige Veränderungen entscheiden?

22. Wie hoch sind die mit der Einrichtung und den Aktivitäten des „Strategi-
schen Kommunikationsteam Ost“ verbundenen Kosten für das Jahr 2015,
und welche finanziellen Mittel sollen dafür in den Folgejahren zur Verfü-
gung stehen (bitte nach Haushaltsjahren aufschlüsseln)?

23. Für welche konkreten Tätigkeitsbereiche und welche Abteilungen, Unterab-
teilungen und sonstigen Arbeitseinheiten werden für das Jahr 2015 sowie die
Folgejahre jeweils welche finanziellen Mittel veranschlagt (bitte nach Haus-
haltsjahren und Einheiten aufschlüsseln)?

24. In welchen Rubriken wurden gegebenenfalls Mittel für das „Strategische
Kommunikationsteam Ost“ einschließlich dessen Maßnahmen und Aktivitä-
ten bereitgestellt, und wo sollen diese künftig verortet werden (bitte Angaben
zum Jahr 2015 sowie den Folgejahren machen)?

25. Soweit eine Finanzierung über den EU-Haushalt nicht in Betracht kommt,
auf welchem sonstigen Weg bzw. über welche sonstigen Stellen erfolgt die
Finanzierung des „Strategischen Kommunikationsteams Ost“ einschließlich
dessen Maßnahmen und Aktivitäten sowohl für das Jahr 2015 als auch für
die Folgejahre (bitte nach Jahren, gegebenenfalls auch nach Vorhaben auf-
schlüsseln)?

26. Welche Kommunikationsprodukte sollen durch das bzw. mithilfe des „Stra-
tegischen Kommunikationsteams Ost“ entwickelt werden?

27. Welche konkreten Aktivitäten hat das „Strategische Kommunikationsteam
Ost“ (unter Berücksichtigung all seiner Abteilungen, Unterabteilungen und
sonstigen Arbeitseinheiten) bislang entfaltet (bitte u. a. Programme, Kam-
pagnen, Veröffentlichungen und alle weiteren Aktivitäten bzw. Projekte an-
geben)?

28. In welchen Sprachen und bezogen auf welche Regionen sollen künftig Akti-
vitäten des „Strategischen Kommunikationsteams Ost“ entfaltet werden bzw.
wurden bereits entfaltet?

29. Was sind die Zielländer der Aktivitäten des „Strategischen Kommunikati-
onsteams Ost“?

Drucksache 18/6168 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

30. Was sind die Zielgruppen der Aktivitäten des „Strategischen Kommunikati-
onsteams Ost“?

31. Auf welche Weise werden nach Kenntnis der Bundesregierung Journalisten-
verbände in die Arbeit zum Aktionsplan eingebunden?

32. Mit welchen weiteren Akteurinnen und Akteuren soll das „Strategische
Kommunikationsteam Ost“ (unter Berücksichtigung all seiner Abteilungen,
Unterabteilungen und sonstigen Arbeitseinheiten) zusammenarbeiten bzw.
hat es bereits zusammengearbeitet?

Welche Medienvertreter und Medienvertreterinnen, zivilgesellschaftlichen
Akteure und Akteurinnen, internationale Institutionen und Staatsregierungen
sind bzw. waren darunter?

33. Inwieweit ist eine Einbindung von Botschaften geplant oder wird in Erwä-
gung gezogen?

34. Inwiefern sind nach Kenntnis der Bundesregierung auch Drittstaaten in die
Umsetzung des Aktionsplans eingebunden?

35. Inwieweit ist eine Einwirkung des „Strategischen Kommunikationsteams
Ost“ auf die örtliche Bevölkerung der Zielregionen beabsichtigt?

36. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern im Rahmen der
Umsetzung des Aktionsplans zu „Strategischer Kommunikation“ zur „Ab-
wehr russischer Propaganda in Osteuropa“ auch gesetzgeberische Maßnah-
men anvisiert sind?

37. In welcher Form, mit welcher zeitlichen Perspektive und im Rahmen welcher
konkreten Projekte oder Aktivitäten wird eine Kooperation mit welchen an-
deren EU-Programmen oder Projekten mit Fokus auf Kommunikation, wie
beispielsweise dem „Kommunikationsprogramm OPEN Neighbourhood“,
geplant, diskutiert oder in Erwägung gezogen, welche Inhalte haben diese
Programme, und worin soll jeweils das Ziel der Verknüpfung bestehen?

38. Inwieweit ist in Fragen der „Strategischen Kommunikation“ ein Austausch
oder eine Zusammenarbeit mit anderen Akteuren, u. a. der NATO oder den
USA, geplant oder wird erörtert?

39. Inwiefern sind ggf. die NATO oder die USA nach Kenntnis der Bundesre-
gierung in die Umsetzung des Aktionsplans eingebunden (bitte angeben, um
welche Abteilungen oder Stellen es sich dabei handelt, und welche eigenen
Ziele von diesen verfolgt werden)?

40. Inwieweit bestehen Kontakte oder Ansätze zur Kooperation mit dem kürz-
lich in Riga eröffneten „Kommunikationszentrum“ der NATO (Strategic
Communications Centre of Excellence), und welche gemeinsamen Aktivitä-
ten sind geplant oder hat es bislang gegeben?

41. Welche konkreten Schritte und Maßnahmen sind zur „Förderung einer plu-
ralistischen russisch-sprachigen Medienlandschaft“ geplant, in welcher
Höhe resultiert hieraus Finanzbedarf, und wie soll die Finanzierung erfol-
gen?

42. Auf welche Art und Weise soll das „Strategische Kommunikationsteam Ost“
„unabhängige Medien in Russland unterstützen“ (bitte mit konkreten Anga-
ben zu Programminhalten, Programmen und sonstigen Aktivitäten)?

43. Inwieweit sollen hierfür seitens der EU oder EU-Mitgliedstaaten finanzielle
Mittel oder sonstige geldwerte Zuwendungen zur Verfügung gestellt wer-
den?

44. Anhand welcher Kriterien werden die zu „unterstützenden“ „unabhängigen
Medien in Russland“ ermittelt und ausgewählt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6168

45. Welche Medien und Medienunternehmen sollen in Russland unterstützt wer-
den (bitte unter Angabe der offiziellen Bezeichnung konkret benennen)?

46. Welcher Ansatz wird mit der Expansion der „Deutschen Welle“ sowie deren
Akademie in Richtung Osteuropa verfolgt?

47. In welcher Form soll bzw. wird es parallele Aktivitäten oder eine Zusam-
menarbeit zwischen dem „Strategischen Kommunikationsteam Ost“ und der
„Deutschen Welle“, anderen öffentlich-rechtlichen deutschen Sendern oder
sonstigen in Deutschland ansässigen Medienunternehmen geben?

48. Auf welchen rechtlichen Grundlagen basieren Aktivitäten des „Strategischen
Kommunikationsteams Ost“ – mit Blick auf das Medienrecht – insbesondere
in bzw. mit Auswirkungen auf Nicht-EU-Staaten?

49. Welche weiteren Schritte bzw. Initiativen zur Umsetzung des Aktionsplans
werden nach Kenntnis der Bundesregierung nach der Einrichtung des „Stra-
tegischen Kommunikationsteams Ost“ geplant, diskutiert oder in Erwägung
gezogen?

Berlin, den 23. September 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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