BT-Drucksache 18/6149

Überlastete Schienenwege in Deutschland

Vom 23. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6149
18. Wahlperiode 23.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Tabea Rößner,
Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms, Peter Meiwald und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Überlastete Schienenwege in Deutschland

Sind Schienenwege im deutschen Schienennetz dauerhaft überlastet, beispiels-
weise wenn bei der Netzfahrplanerstellung kein Trassenangebot an ein Eisen-
bahnverkehrsunternehmen (EVU) übermittelt werden kann, so ist das Eisen-
bahninfrastrukturunternehmen (EIU) – in der Regel die DB Netz AG – verpflich-
tet, dies laut § 16 EIBV (EIBV: Verordnung über den diskriminierungsfreien Zu-
gang zur Eisenbahninfrastruktur und über die Grundsätze zur Erhebung von Ent-
gelt für die Benutzung der Eisenbahninfrastruktur) „unverzüglich“ der zuständi-
gen Eisenbahnaufsichtsbehörde und der Regulierungsbehörde (Bundesnetzagen-
tur) mitzuteilen und damit den betreffenden Schienenwegabschnitt als überlastet
zu erklären. Dies ist auch dann der Fall, wenn lediglich absehbar ist, dass die
Kapazität eines Schienenwegabschnitts in naher Zukunft nicht ausreichen wird.
Die Mitteilung muss im Bundesanzeiger und Internet veröffentlicht werden. Nach
gegenwärtiger Praxis erfolgt der Prozess der Überlastungserklärung entsprechend
einer Verwaltungsrichtlinie der beteiligten Behörden, so dass z.B. Trassenableh-
nungen, denen offenkundig keine Überlastung zugrunde liegt, nicht zu Überlas-
tungserklärungen führen.

Sechs Monate nach der Überlastungserklärung eines Schienenwegabschnitts ist
seitens des EIU eine Kapazitätsanalyse gemäß § 17 EIBV vorzulegen. Gegen-
stand der Analyse sind der Schienenweg, die Betriebsverfahren sowie die Benut-
zung und deren Auswirkung auf die Schienenwegkapazität. Geprüft werden sol-
len neben Änderungen im Betriebsablauf und der Benutzung (Umleitung von Zü-
gen, zeitliche Verlagerung von Verkehrsleistungen) auch Maßnahmen zur Erhö-
hung der Leistungsfähigkeit des Schienenwegs.

Nach weiteren sechs Monaten hat das EIU gemäß § 18 EIBV den genannten Be-
hörden einen Plan zur Erhöhung der Schienenwegkapazität (PEK) unter vorheri-
ger Beteiligung der Nutzer und des betroffenen Landes vorzulegen. Im PEK müs-
sen die Gründe für die Überlastung, die zu erwartende künftige Verkehrsentwick-
lung, die den Schienenwegausbau betreffenden Beschränkungen sowie die mög-
lichen Maßnahmen und Kosten für die Erhöhung der Schienenwegkapazität dar-
gestellt werden. Letzteres umfasst auch zu erwartende Änderungen der Wegeent-
gelte. Des Weiteren ist auf Grundlage einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu
ermitteln, ob Maßnahmen zur Erhöhung der Schienenwege ergriffen werden sol-
len, und es muss ggf. ein Zeitplan für die Durchführung der Maßnahmen erstellt
werden.

Drucksache 18/6149 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Im Jahr 2015 sind laut Informationen der DB Netz AG die Streckenabschnitte
2650, 2184, 2300, 2160, 2158 auf der Strecke Köln–Mülheim – Duisburg – Mül-
heim(Ruhr)–Styrum – Essen Hbf – Bochum Hbf – Dortmund Hbf durch die
DB Netz AG als überlastet erklärt worden (http://fahrweg.dbnetze.com/fahrweg-
de/nutzungsbedingungen/snb/ueberlastete_schienenwege_2009.html). Mit dieser
Kleinen Anfrage wollen die Fragesteller klären, welche Strecken seit dem
Jahr 2007 als überlastet deklariert und welche Maßnahmen ergriffen worden sind,
um die Schienenwegabschnitte wieder zu entlasten bzw. die Kapazität zu erhö-
hen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Strecken wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jah-
ren 2007 bis 2015 von der DB Netz AG als „überlastete Schienenwege“ de-
klariert (bitte untergliedert in Jahreszahlen mit Nennung des Streckenab-
schnitts durch Streckennummer und Endbahnhöfe auflisten)?

2. Für welche dieser überlasteten Strecken liegt nach Kenntnis der Bundesre-
gierung eine Kapazitätsanalyse gemäß § 17 EIBV und ein Plan zur Erhöhung
der Schienenwegkapazität (PEK) gemäß § 18 EIBV vor?

3. Wurden die in Frage 2 abgefragten Kapazitätsanalysen und PEK nach Kennt-
nis der Bundesregierung fristgerecht bei der zuständigen Eisenbahnauf-
sichtsbehörde und der Regulierungsbehörde eingereicht?

4. Welche Maßnahmen wurden in den jeweiligen PEK vorgeschlagen, und ist
hierbei eine Tendenz zu bestimmten Maßnahmen zu erkennen (bitte diffe-
renziert nach betrieblichen Nutzungsvorgaben, möglichen Überlastungsent-
gelten und Infrastrukturertüchtigungs- und -ausbaumaßnahmen darstellen)?

5. Welche Maßnahmen der Infrastrukturertüchtigung (u. a. Signale, Blockab-
schnitte, zusätzliche und verbesserte Weichen, Überholabschnitte) und des
Infrastrukturausbaus sind für die aufgelisteten überlasteten Schienenwege
nach Kenntnis der Bundesregierung geplant, die eine Kapazitätserhöhung
der Strecke zu Folge haben (bitte je Strecke mit Nennung des Streckenab-
schnitts durch Streckennummer und Endbahnhöfe auflisten)?

6. In welchem Umfang geht es nach Kenntnis der Bundesregierung bei den in
Frage 5 abgefragten Maßnahmen nur um die Überlastungen im Regelbetrieb,
oder werden auch Maßnahmen zur Erhöhung der Betriebsqualität und somit
zum Abbau von Verspätungen geplant und anschließend realisiert?

7. Welche Rolle spielen nach Kenntnis der Bundesregierung Gelegenheitsver-
kehre, insbesondere des Güterverkehrs, im Hinblick auf Überlastungserklä-
rungen?

8. Welche Rolle spielt nach Kenntnis der Bundesregierung die Aufgabe oft jah-
relang bestehender Takte und Anschlussbeziehungen des Schienenpersonen-
nahverkehrs (SPNV) für Überlastungserklärungen, wenn Nahverkehrszüge
für länger laufende Personenfern- und Güterzüge „rücken“ müssen und so
entscheidende Qualitäten des SPNV aufgegeben werden, und inwieweit sind
solche Fälle den beiden zuständigen Behörden bekannt?

9. Können nach Kenntnis der Bundesregierung Strecken als „zukünftig über-
lastet“ erklärt werden, wenn z. B. ein SPNV-Aufgabenträger die Bestellung
zusätzlicher Verstärkerzüge oder Taktverdichtungen plant, diese aber auf-
grund der gegenwärtigen Auslastung der Strecke nicht realisiert werden kön-
nen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6149

10. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Überlastungserklärungen für
eingleisige Strecken, deren Kapazitäten voll durch den Schienenpersonen-
verkehr genutzt werden, so dass tagsüber keine Trassen mehr für den Güter-
verkehr zur Verfügung stehen (und nachts ebenfalls nicht, wegen fehlender
Streckenöffnung)?

11. Warum war es nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Strecke
Niebüll – Westerland trotz wohl schon nach Information der Fragesteller im
Jahr 2010 erklärten Überlastung nicht möglich, binnen fünf Jahren Maßnah-
men zum Abbau der Überlastung zu realisieren, die in diesem Jahr zu anhal-
tenden Diskussionen über die Vergabe der Kapazität für den Verkehr nach
Sylt gekommen ist?

12. Welche der seit dem Jahr 2007 als überlastet erklärten Schienenwege konn-
ten nach Kenntnis der Bundesregierung seitdem durch welche Maßnahmen
wieder von der Liste der überlasteten Schienenwege gestrichen werden (bitte
je Strecke mit Nennung des Streckenabschnitts durch Streckennummer und
Endbahnhöfe und Maßnahme sowie Durchführungsjahr der Maßnahme ein-
zeln auflisten)?

13. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Strecken bzw. Streckenab-
schnitte, bei denen ein Infrastrukturausbau zwar realisiert worden ist, aber
die Überlastung der Strecke nicht aufgehoben werden konnte?

14. Inwiefern spielt nach Kenntnis der Bundesregierung die Deklarierung einer
Strecke als überlastet im derzeitigen Bewertungsverfahren zum neuen Bun-
desverkehrswegeplan eine Rolle?

15. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung Maßnahmen an für überlastet
erklärten Streckenabschnitten im neuen Bundesverkehrswegeplan zeitlich
priorisiert?

Wenn ja, welche Maßnahmen (bitte je Strecke mit Nennung des Streckenab-
schnitts durch Streckennummer und Endbahnhöfe und Maßnahme sowie ge-
planter Durchführungszeitraum der Maßnahme einzeln auflisten)?

16. Was unternimmt die Bundesregierung, um die Anzahl der überlasteten
Schienenwege zu reduzieren und somit die Kapazität des deutschen Schie-
nennetzes zu erhöhen?

17. Welche Möglichkeiten gibt es für EVU und Zugangsberechtigte nach Kennt-
nis der Bundesregierung, sich allgemein – in ähnlicher Qualität wie beim
Straßennetz – über die Auslastung des bundesdeutschen Schienennetzes zu
informieren, um so Überlastungen und starke Auslastungen frühzeitig zu er-
kennen, um gegebenenfalls eigene Planungen entsprechend frühzeitig vor-
nehmen zu können?

18. Welches Potenzial sieht die Bundesregierung darin, die Leittechnik im deut-
schen Schienennetz zu digitalisieren (ETCS), um das Schienennetz zur Auf-
nahme weiterer Verkehre zu ertüchtigen?

19. Wie weit sind die Konzepte und deren Umsetzung für die Digitalisierung der
Leittechnik in den europäischen Ländern nach Kenntnis der Bundesregie-
rung?

Berlin, den 23. September 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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