BT-Drucksache 18/6142

Sicherung der Gasversorgung für Haushaltskunden und Reduzierung der Abhängigkeit

Vom 23. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6142
18. Wahlperiode 23.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock,
Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke,
Peter Meiwald, Matthias Gastel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sicherung der Gasversorgung für Haushaltskunden und Reduzierung
der Abhängigkeit

Am 23. Juni 2015 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eine
Studie zu den „Möglichkeiten zur Verbesserung der Gasversorgungssicherheit
und der Krisenvorsorge durch Regelungen der Speicher“ (kurz Speichergutach-
ten) vorgelegt. Darin stellen die Gutachter fest, dass das aktuell hohe Versor-
gungssicherheitsniveau in Deutschland in entscheidendem Maße von ausreichend
gefüllten Gasspeichern abhängt (vgl. Speichergutachten, S. 17).

Ausgehend von einer Simulation verschiedener Szenarien (Teil 3 bis 5) kommt
das Gutachten zu dem Ergebnis, dass die betrachteten Gasversorgungsrisiken mit
den bestehenden Speicherkapazitäten beherrschbar sind, sofern ausreichend Gas
eingespeichert ist. Sind die Speicher jedoch nur „niedrig“ befüllt, d. h. weisen sie
einen Füllstand von 60 Prozent am 1. November und von 30 Prozent am 1. Feb-
ruar auf, dann treten bei verschiedenen betrachteten Risikoszenarien erhebliche
Versorgungsunterbrechungen auf. Ausgehend von diesen Ergebnissen identifi-
ziert das Gutachten deshalb Speicherfüllstände zur Absicherung der Gasversor-
gungsrisiken. Am 1. Februar sind dem Gutachten zufolge Speicherfüllstände von
40 Prozent für eine 7-Tage-Kälte, 50 Prozent für eine 30-Tage-Kälte und 60 Pro-
zent für einen Ausfall russischer Gaslieferungen zur Absicherung erforderlich.
Entsprechend höher (+30 Prozentpunkte) müssen laut Gutachten die Ausgangs-
füllstände (zwischen 70 und 90 Prozent) im November liegen.

Diese von den Gutachtern benannten „Ziel-Speicherfüllstände“ (vgl. Speicher-
gutachten, S. 23) sind in jüngster Vergangenheit jedoch häufiger unterschritten
worden. So lagen die deutschen Speicherfüllstände (bezogen auf die insgesamt
von den Gutachtern angesetzten 23,8 Mrd. m³ Arbeitsgasvolumen) am 1. Februar
2013 lediglich bei ca. 50 Prozent und am 1. Februar 2011 sogar nur bei ca. 44 Pro-
zent (Gas Infrastructure Europe). Eine 30-Tage-Kälte hätte demnach zu Versor-
gungsunterbrechungen geführt.

In engem Zusammenhang mit dem Speichergutachten stand auch die Kleine An-
frage „Absicherung der Erdgasversorgung für Haushaltskunden“ der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Darin ging es um die zentrale Frage, wie zurzeit
sichergestellt wird, dass die Belieferung geschützter Kunden (im Wesentlichen
Haushaltskunden) gewährleistet ist. In der Presse wurden die Antworten der Bun-
desregierung mit den Worten interpretiert: „Im Grunde gar nicht“ (vgl. ener|gate
messenger vom 28. August 2015).

Drucksache 18/6142 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie stellt die Bundesregierung konkret sicher, dass die gutachterlich festge-
stellten „Ziel-Speicherfüllstände“ sowohl am 1. November als auch am
1. Februar eingehalten werden, und sieht sie in diesem Zusammenhang Än-
derungsbedarf?

2. Überwacht die Bundesregierung insbesondere bereits während der Phase der
Speicherbefüllung im Sommerhalbjahr, ob der angestrebte Füllstand zum
1. November überhaupt erreicht werden kann, und falls ja, wie?

3. Plant die Bundesregierung bei Nicht-Einhaltung der gutachterlich festge-
stellten „Ziel-Speicherfüllstände“ Gegenmaßnahmen?

Wenn ja, wie sehen diese konkret aus, falls nein, warum nicht?

4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Ergebnis des
Speichergutachtens, dass die Beschaffung von Gasmengen durch die Liefe-
ranten in der Regel rein preisgetrieben und ohne besondere Absicherung ge-
gen Versorgungsrisiken erfolgt (vgl. Speichergutachten, S. 55) und eine
„[Speicher-]Verpflichtung fehlende wirtschaftliche Anreize kompensiert
und sicherstellt, dass die Speicher entsprechend der Vorgaben gefüllt wer-
den“ (vgl. Speichergutachten, S. 225)?

5. Sind die Lieferanten bei der Gasbeschaffung für geschützte Kunden, bei de-
nen Lieferanten gemäß § 53a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ver-
pflichtet sind, die Versorgung geschützter Kunden (insbesondere Haushalts-
kunden) auch in Extremsituationen (gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Verord-
nung (EU) Nr. 994/2010) zu gewährleisten, auf sichere Beschaffungsquellen
(z. B. Gasspeicher) eingeschränkt, oder dürfen die Lieferanten sämtliche zur
Verfügung stehende Quellen für ihre Beschaffung einsetzen?

6. Ist es gesetzlich zulässig, dass Lieferanten für die Belieferung geschützter
Kunden einen Tag vor der physischen Belieferung (Day-Ahead) Gasmengen
an der Börse (Spotmarkt) beschaffen, und sieht die Bundesregierung diesbe-
züglich Änderungsbedarf?

7. Trifft die Bundesregierung Vorkehrungen zu Verhinderungen von Leerver-
käufen am Spotmarkt der Energiebörse (analog zu Leerverkäufen an Aktien-
märkten), die, sollte virtuell gehandeltes Gas physisch nicht bereitgestellt
werden, zu Versorgungsproblemen führen können, und falls nein, warum
nicht?

8. Sind aus Sicht der Bundesregierung präventive Maßnahmen, welche Sankti-
onsmechanismen bei Nicht-Belieferung der gemäß § 53a EnWG geschützten
Kunden vorsehen, im Voraus erforderlich?

Wenn ja, welche und wenn nein, warum nicht?

9. Ist es aus Sicht der Bundesregierung angemessen, eine sichere Belieferung
der geschützten Kunden ausschließlich an Wirtschaftlichkeitskriterien aus-
zurichten, und falls nein, welche weiteren Kriterien sollten nach Ansicht der
Bundesregierung eine Rolle spielen?

10. Wann und mit welchem Inhalt wird die Bundesregierung konkrete Maßnah-
men zur Stärkung der deutschen Gasversorgungssicherheit vorschlagen,
etwa durch nachhaltige Reduzierung des Gasbedarfs mithilfe von wirksamen
Energiesparmaßnahmen?

11. Wird die Bundesregierung durch eine Änderung des § 53a EnWG die Ver-
sorgungssicherheit der geschützten Kunden und damit vor allem der Haus-
haltskunden stärken?

Wenn ja, in welcher Form, und wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6142

12. Ist seitens der Bundesregierung geplant, die Beschaffung für die Belieferung
gemäß § 53a EnWG geschützter Kunden auf sichere Gasquellen (z. B. Gas-
speicher) festzulegen?

Wenn nein, warum nicht?

13. Berücksichtigt die Bundesregierung zur Absicherung bzw. Erhöhung des ak-
tuellen Versorgungssicherheitsniveaus die Möglichkeit der Einführung einer
strategischen Reserve mit Bezug zu den Fernleitungsnetzbetreibern (Emp-
fehlung des Gutachters, siehe S. 26 und S. 208)?

Wenn nein, wie hoch wird das Risiko des zeitlichen Zusammentreffens ver-
schiedener Einzelrisiken, die durch das aktuelle System nicht abgesichert
werden können, eingeschätzt?

14. Strebt die Bundesregierung eine Anpassung bzw. Schärfung der §§ 16, 16a
EnWG dahingehend an, dass

a) marktbezogenen Maßnahmen definiert,

b) Zugriffsmöglichkeiten von Netzbetreibern auf Speicher konkretisiert und

c) Haftungs- bzw. Entschädigungsregelungen im Falle der Ergreifung der ent-
sprechenden Maßnahmen aufgenommen werden?

Berlin, den 23. September 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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