BT-Drucksache 18/605

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung - Drucksache 17/13674 - Tourismuspolitischer Bericht der Bundesregierung - 17. Legislaturperiode -

Vom 19. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/605
18. Wahlperiode 19.02.2014

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Tourismus (20. Ausschuss)

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 17/13674 –

Tourismuspolitischer Bericht der Bundesregierung
– 17. Legislaturperiode –

A. Problem
Der Tourismus gehört zu den boomenden und umsatzstärksten Wirtschaftszwei-
gen in Deutschland. Das geht aus dem 17. Tourismuspolitischen Bericht der
Bundesregierung hervor. Die deutsche Tourismusbranche erwirtschaftete dem-
nach nahezu 100 Mrd. Euro. Damit entfielen 4,4 Prozent der Gesamtwirtschafts-
kraft des Landes auf den Tourismus, wobei das Gastgewerbe mit 57,1 Mrd. Euro
den größten Beitrag dazu leiste. Insgesamt sei die Tourismuswirtschaft in
Deutschland sehr facettenreich und umfasse viele verschiedene Anbieter und
Angebote. Bis auf wenige Ausnahmen sei der Tourismus ganz überwiegend mit-
telständisch geprägt.
Der Tourismus schaffe und erhalte tausende Arbeitsplätze in Deutschland, die
zum großen Teil standortgebunden und damit für die Regionen besonders wert-
voll sind, so der Bericht. Insgesamt seien 2,9 Millionen Erwerbstätige direkt in
der Tourismusbranche beschäftigt, was 7 Prozent aller Erwerbstätigen entspre-
che. Rechne man auch die indirekten Effekte dazu, seien sogar 12 Prozent der
gesamten Erwerbstätigen im Tourismus beschäftigt.
Die Ergebnisse des Tourismusjahres 2012 in Deutschland seien hervorragend
gewesen. Mit 407,3 Millionen Übernachtungen pro Jahr hätte zum ersten Mal die
Grenze von 400 Millionen Übernachtungen übertroffen werden können. Das
bedeute ein Wachstum von 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Besonders seien
die Übernachtungszahlen von Gästen aus dem Ausland gestiegen, um 8,1 Prozent
auf 68,8 Millionen. Dies entspreche einem Anteil von 16,9 Prozent aller Über-
nachtungen.
Wie es in dem Bericht weiter heißt, sei Süddeutschland die beliebteste Urlaubs-
region des Landes. Allein auf Bayern und Baden-Württemberg entfielen demnach
131,8 Millionen Übernachtungen, was einem Anteil von 32 Prozent an den Ge-
samtübernachtungen in Deutschland entspreche. Die höchsten Zuwachsraten
hätten jedoch die Stadtstaaten Hamburg und Berlin zu verzeichnen. Diese wiesen
2012 Zuwachsraten von 11,6 beziehungsweise 11,4 Prozent auf. Insgesamt sei
der Städtetourismus der Wachstumstreiber, die ländlichen Räume seien dagegen
deutlich wachstumsschwächer.

Drucksache 18/605 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Dem Bericht zufolge dominierten bei den ausländischen Gästen in Deutschland
die Gäste aus Europa. Sie stellten 75,7 Prozent aller ausländischen Touristen,
gefolgt von Asien mit 10,5 Prozent und Amerika mit 9,9 Prozent. Auf einzelne
Länder aufgeteilt kämen dabei aus den Niederlanden die meisten ausländischen
Gäste, auf Platz 2 lägen die Schweizer und auf Platz 3 die Amerikaner. Weltweit
liege Deutschland auf Platz 8 der beliebtesten Reiseländer. Eine überproportiona-
le Bedeutung hätten Geschäftsreisen für den Tourismus in Deutschland. 27 Pro-
zent aller europäischen Reisen nach Deutschland seien geschäftlich begründet.
Insgesamt seien 2012 knapp 13 Millionen Geschäftsreisende nach Deutschland
gekommen. Damit verzeichne man einen Anstieg von 12,3 Prozent, wie es in
dem Bericht heißt. Dazu trage auch bei, dass Deutschland weltweit Nummer 1
sei, was internationale Messen angehe. Drei der fünf größten Messegelände lägen
in Deutschland, innerhalb Europas sei Deutschland Tagungs- und Kongressland
Nummer 1.

B. Lösung
Annahme einer Entschließung mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN.

C. Alternativen
Keine.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/605

Beschlussempfehlung

In Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 17/13674 wolle der Bundestag die
folgende Entschließung annehmen:

„Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Tourismuspolitische Bericht der Bundesregierung der 17. Legislaturperiode
zeigt auf, dass die Tourismuswirtschaft in Deutschland ein ökonomisches
Schwergewicht und ein Jobmotor ist. 2,9 Millionen direkt im Tourismus Beschäf-
tigte erzeugen eine Bruttowertschöpfung von rund 100 Mrd. Euro und somit
4,4 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung der deutschen Volkswirtschaft.
Tourismus ist einer der wenigen Wirtschaftszweige, der nicht transportierbare
Arbeitsplätze vorhält.
Die Konsumausgaben der Touristen in Deutschland belaufen sich auf fast 280
Mrd. Euro. Der Tourismus gehört somit zu den wachsenden und umsatzstarken
Wirtschaftszweigen Deutschlands. Deshalb wird die Studie des Bundesministeri-
ums für Wirtschaft in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Tourismus-
wirtschaft, die dieses Zahlenmaterial belegte, sehr begrüßt.
Die Tourismuswirtschaft sieht sich, wie andere Branchen auch, mit einem zu-
nehmenden Mangel an Fachkräften konfrontiert, der die in den vergangenen Jah-
ren so positive Entwicklung des Tourismus in Deutschland gefährdet. Die Tou-
rismuswirtschaft ist eine der dienstleistungsintensivsten Wirtschaftsbereiche in
Deutschland. Fast 60 Prozent der 2,9 Millionen Beschäftigten arbeiten im Beher-
bergungs- und Gaststättengewerbe. Schwarzarbeit und Saisonarbeit lassen die
Attraktivität der Berufe im Hotel- und Gaststättengewerbe allerdings zurückge-
hen. Ein weiteres Problem stellt die hohe Zahl an Ausbildungsabbrüchen dar. Im
Hotel- und Gaststättengewerbe lag die Lösungsquote laut Berufsbildungsbericht
2013 in einzelnen Ausbildungsberufen bei über 40 bis 50 Prozent.
Der Ausschuss für Tourismus begrüßt daher die derzeit im Rahmen eines Projek-
tes der Bundesregierung stattfindende Analyse des touristischen Arbeitsmarktes
und der Fachkräftesituation in den vier an dem Projekt beteiligten Bundesländern
Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Bayern.
Der Tourismus hat sich in Deutschland zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor
entwickelt und ist ein Markt der Zukunft. Dies gilt auch für die ländlichen Räu-
me. Besonders im ländlichen Raum gibt es noch großes Entwicklungspotenzial.
Der Tourismus ist ein wichtiges Standbein der örtlichen und regionalen Wirt-
schaft, schafft Arbeitsplätze und Einkommen vor Ort. Investitionen in die touris-
tische Infrastruktur erhöhen die Lebensqualität für die einheimische Bevölkerung
und dienen der Produktgestaltung im Tourismus. Darüber hinaus ist der Urlaub
auf dem Land eine nachhaltige, umweltfreundliche, preisgünstige und vor allem
von Familien mit Kindern bevorzugte Reiseform. Die naturnahe Erholung sowie
die Kombinationen aus Gesundheits-, Wellness- und Aktivurlaub mit Wandern,
Radfahren, Reiten und Wassersport werden immer beliebter. Gefragt sind regio-
nale Produkte, Authentizität, ländliche Kultur, intakte Natur und schöne Land-
schaften.
Dieses Potenzial muss bestmöglich ausgeschöpft, gefördert und weiterentwickelt
werden. Der Tourismus in ländlichen Räumen ist kein Selbstläufer und steht
angesichts des demografischen Wandels und zunehmender Globalisierung vor
großen Herausforderungen. Kommunen, Länder und Bund sind in der Pflicht,

Drucksache 18/605 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

geeignete Rahmenbedingungen für die Stärkung des Tourismus in ländlichen
Räumen zu schaffen. Defizite in der Infrastruktur und in der Versorgung mit
schnellen Internetzugängen müssen beseitigt werden. Die Arbeits- und Ausbil-
dungsbedingungen im Hotel- und Gaststättengewerbe müssen verbessert werden,
um dem Fachkräftemangel und der Abwanderung entgegenzuwirken. Die För-
derprogramme auf EU-Ebene, wie ELER und EFRE, müssen besser mit den För-
derprogrammen des Bundes und der Länder aufeinander abgestimmt werden.
Der Ausschuss für Tourismus begrüßt daher das von der Bundesregierung seit
September 2011 zusammen mit dem Deutschen ReiseVerband durchgeführte
Projekt „Tourismusperspektiven in ländlichen Räumen“.
Der Tourismuspolitische Bericht der Bundesregierung umfasst weitere Themen
von großer Bedeutung. Dazu zählt der Ausbau des barrierefreien Tourismus in
Deutschland. Dieses Thema zieht sich durch die Initiativen der Bundesregierung
und aller Fraktionen. Auch die Stärkung wichtiger Marktsegmente im Tourismus,
wie Gesundheitstourismus und nachhaltiger Tourismus, sowie der Kinder- und
Jugendtourismus waren zentrale Themen der Tourismuspolitik der Bundesregie-
rung. Ein wichtiges Anliegen ist es dabei, auch Kindern und Jugendlichen aus
einkommensschwachen Familien Reisen zu ermöglichen. Insofern ist zu begrü-
ßen, dass neben mehrtägigen Klassenfahrten auch eintägige Schulausflüge für
Kinder aus Familien, die ALG II beziehen, finanziert werden.
Das Tourismusmarketing der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) im Aus-
land wurde durch Mittelaufstockung auf 28,3 Mio. Euro verstärkt.
Auch ist es im Rahmen einer T20-Initiative der Tourismusminister der G20-
Staaten gelungen, die Bedeutung des Tourismus als Wirtschaftsfaktor auch für
Industrie- und Schwellenländer herauszustellen und auf der internationalen
Agenda der Staats- und Regierungschefs zu verankern. Des Weiteren wurde der
Tourismus in Griechenland und in den Krisenländern Nordafrikas unterstützt. Mit
Fragen des Tourismus befassen sich internationale Gremien wie die Welttouris-
musorganisation UNWTO, die OECD und die regelmäßigen Treffen der T20-
Minister. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass Deutschland von der letzten
Generalversammlung 2013 erneut in den Exekutivrat, das Lenkungsgremium der
UNWTO, gewählt wurde.
Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die zum 1. Januar 2013 wirksam gewor-
dene Liberalisierung des nationalen Fernbuslinienverkehrs zu einem anhaltend
dynamischen Ausbau des deutschen Fernbusliniennetzes geführt hat, der auch für
die Erschließung touristisch interessanter Gebiete im ländlichen Raum Chancen
bietet. Durch die Öffnung des Fernbusmarktes konnten alternative Reisemöglich-
keiten besonders für Reisende mit kleinem Geldbeutel geschaffen werden.
Die mit der Breitbandversorgung einhergehende Digitalisierung von Wirtschaft
und Gesellschaft in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat auch der Tourismus-
wirtschaft neue Möglichkeiten eröffnet, muss aber noch stärker vorangetrieben
werden. Auch wenn ein hoher Anpassungsdruck bei den Unternehmen der Bran-
che erzeugt wird, ist die Bereitstellung von Internet, vor allem im ländlichen
Raum, ein Zukunftsthema. Mehr als drei Viertel aller Deutschen nutzen heute das
Internet. Die Internetnutzer erwarten jederzeit umfassende und aktuelle Informa-
tionen über Reiseangebote und -ziele. Sie berichten von ihren Urlaubserlebnissen
in sozialen Netzwerken und beurteilen Veranstalter und Hotels auf Bewertungs-
portalen. Über Hotellerie und Gastronomie bis hin zu Betreibern touristischer
Attraktionen sind alle Segmente der Branche von der Digitalisierung betroffen.
Inzwischen gilt das Internet als das touristische Marketing- und Vertriebsinstru-
ment Nummer Eins für Gastgeber. Die Digitalisierung ermöglicht Kostensenkun-
gen und Produktivitätssteigerungen bei den touristischen Leistungsträgern. Zu-
dem können heute auch kleine und kleinste Anbieter über das Internet ihr Ange-
bot weltweit bekannt machen und auf Kundensuche gehen. Allerdings muss man
feststellen, dass viele Tourismusunternehmen die Chancen der Digitalisierung

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/605

nicht hinreichend nutzen. Ursächlich für diesen Missstand ist nach Auffassung
von Experten vor allem die kleinteilige Struktur der Tourismuswirtschaft mit
einem hohen Anteil kleiner Unternehmen, die nur über sehr begrenzte personelle
und finanzielle Ressourcen verfügen. Insbesondere für die touristische Entwick-
lung in ländlichen Räumen bietet die Nutzung der medialen Möglichkeiten neue
Chancen.
Darüber hinaus gilt es, den Verbraucherschutz und die Datensicherheit bei Onli-
ne-Buchungen bzw. über Online-Anbieter zu stärken. Anders als bei herkömmli-
chen Buchungen über Reisebüros, die einer ausgewiesenen Aufklärungspflicht
nachkommen müssen, bestehen diese Aufklärungspflichten im Internet nur in
wenigen und teilweise auch in undurchsichtigen Teilen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich für gute Rahmenbedingungen für den Tourismus einzusetzen und weite-
re Impulse für Wachstum und Beschäftigung zu setzen;

2. die tourismuspolitischen Leitlinien an die aktuellen und künftigen Herausfor-
derungen, die sich auch durch die demografische Entwicklung der Gesell-
schaft ergeben, anzupassen, sowie das Thema Kinder- und Jugendreisen in
den Leitlinien zu berücksichtigen;

3. die Rahmenbedingungen für eine positive Entwicklung der Arbeitsmarkt-
und Ausbildungssituation im Tourismus zu verbessern und dabei insbesonde-
re die Ausbildungsanstrengungen des Gastgewerbes zu unterstützen. Dabei
sollte der Bund die Zusammenarbeit mit den Ländern, den Industrie- und
Handelskammern, den Verbänden und den Gewerkschaften verbessern;

4. weiterhin das Ziel der Barrierefreiheit im Tourismus anzustreben und dazu
für eine enge Abstimmung mit der Behindertenbeauftragten der Bundesregie-
rung und der Nationalen Koordinationsstelle Tourismus für alle (NatKo) zu
sorgen;

5. die Koordination innerhalb der Bundesregierung für den Tourismus und vor
allem für eine integrierte Entwicklung der ländlichen Räume zu verbessern;

6. die im Dezember 2013 beendete Roadshow-Reihe zum Projekt „Tourismus-
perspektiven in ländlichen Räumen“ mit bundesweit zehn Veranstaltungen
angesichts des nach wie vor großen Interesses bei potenziellen Veranstaltern
und Teilnehmern im Jahr 2014 fortzusetzen;

7. die „Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz“ gemäß dem
Koalitionsvertrag zur „Gemeinschaftsaufgabe ländliche Entwicklung“ weiter
zu entwickeln;

8. zeitnah ein Wassertourismuskonzept vorzulegen und Vorschläge zu machen,
wie die touristisch genutzten Bundeswasserstraßen in einem angemessenen
Umfang für den Wassertourismus nutzbar bleiben können;

9. den Kinder- und Jugendtourismus weiterhin zu fördern und zu stärken, um
preisgünstige und pädagogisch wertvolle Reise- und Erholungsangebote für
Kinder und Jugendliche zu ermöglichen und um den Jugendaustausch zu för-
dern;

10. eine Initiative für den Kulturtourismus ins Leben zu rufen und Modellprojek-
te der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der Kultur und des Tourismus
zu fördern;

11. die Denkmalschutz-Sonderprogramme, das Programm „National wertvolle
Kulturdenkmäler“ sowie das bewährte Investitionsprogramm „Nationale
UNESCO-Welterbestätten“ fortzuführen. Anstehende Ereignisse von interna-
tionaler Bedeutung und Ausstrahlungskraft wie das Reformationsjubiläum
2017 und das Bauhaus-Jubiläum 2019 haben auch für den Tourismus große

Drucksache 18/605 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bedeutung. Daher fordern wir den Bund auf, diese Ereignisse entsprechend
zu unterstützen;

12. schrittweise die infrastrukturellen Voraussetzungen für einen Deutschland-
Takt aus bundesweit funktionierenden und aufeinander abgestimmten An-
schlüssen zu schaffen. Der Deutschland-Takt sollte von der DB Netz AG un-
ter Einbeziehung der Öffentlichkeit und insbesondere der Schienenverkehrs-
betreiber, der ÖPNV-Aufgabenträger sowie unter Berücksichtigung der Be-
lange des Schienengüterverkehrs erarbeitet werden;

13. auf die Deutsche Bahn AG einzuwirken, entsprechend Artikel 5 der Verord-
nung (EG) Nr. 1371/2009 in eigener unternehmerischer Verantwortung die
Fahrradmitnahme im Fernverkehr in allen Zügen zeitnah zu ermöglichen;

14. auf die Deutsche Bahn AG einzuwirken, den Ausbau barrierefreier Fahrgast-
und Tarifinformationen voranzutreiben sowie ein Bahnhofsmodernisierungs-
programm mit einem verbindlichen Fahrplan zum barrierefreien Aus- und
Umbau aller größeren Bahnhöfe vorzulegen. Für kleinere Bahnhöfe und Hal-
tepunkte sollen mit den Betroffenen geeignete, kostengünstige Lösungen
entwickelt werden;

15. das Radwegenetz an Bundesverkehrswegen weiter auszubauen und die ge-
setzliche Grundlage für den Radwegebau an Betriebswegen der Bundeswas-
serstraßen zu schaffen;

16. Digitalisierung zu einem tourismuspolitischen Thema mit hoher Priorität zu
machen und insbesondere kleine Anbieter der Tourismusbranche durch
Handlungsempfehlungen und Praxistipps zu unterstützen;

17. die Breitbandstrategie weiter zu verfolgen und ggf. anzupassen;
18. die besondere Bedeutung der nachhaltigen Entwicklung im Tourismus her-

auszustellen und zu fördern. Dies bezieht sich im Wesentlichen auf die Be-
reiche der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit. In die-
sem Zusammenhang soll auch der Bundeswettbewerb „Nachhaltige Touris-
musregion“ bestehen bleiben sowie verstärkt kommuniziert werden;

19. den Aspekt des wirtschaftlichen Potenzials von Erleichterungen in der Visa-
politik und bei der Ausgestaltung der Visavergabeverfahren stärker zu be-
rücksichtigen;

20. darauf hinzuwirken, dass die im EU-Visakodex vorgesehenen Instrumente
und Möglichkeiten, welche Vereinfachungen und Beschleunigung ermögli-
chen, stärker berücksichtigt und ausgeschöpft werden und auf unnötige Bü-
rokratie verzichtet wird. Hierbei sollte auch auf die Erfahrungen und bewähr-
ten Praktiken anderer Schengenstaaten zurückgegriffen werden;

21. auf die Kultusministerkonferenz einzuwirken, um wieder eine Ausdehnung
des Ferienzeitkorridors in den Sommerferien auf 90 Tage zu erreichen;

22. zu gegebener Zeit eine Aktualisierung der vorhandenen Daten zum Wirt-
schaftsfaktor Tourismus zu veranlassen und dabei auch die voraussichtliche
längerfristige Entwicklung des Deutschlandtourismus in den Blick zu neh-
men, um auf der Grundlage der Erkenntnisse über Trends und Szenarien ent-
sprechende Maßnahmen entwickeln zu können. Dabei sollte das Tourismus-
satellitenkonto (TSA) auf die ländlichen Räume übertragen werden;

23. weiterhin die deutschen tourismuspolitischen Interessen in den Gremien der
UNWTO, der T20 und der OECD einzubringen, sich für mehr soziale und
ökologische Verantwortung im weltweiten Tourismus einzusetzen, wie der
Einhaltung der Menschenrechte und der Teilhabe der einheimischen Bevöl-
kerung am Tourismus, sowie Maßnahmen zum Schutz von Kindern, Jugend-
lichen und Frauen vor sexueller Ausbeutung im Tourismus zu unterstützen;

24. den Tourismus als weitere Stütze der Entwicklungszusammenarbeit weltweit
langfristig zu etablieren;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/605

25. sich vor dem Hintergrund der großen Bedeutung von Deutschland als
Outgoing-Markt im Tourismus in der EU und der damit überdurchschnittlich
großen Betroffenheit des deutschen Reisemarktes an der Revision der EU-
Pauschalreiserichtlinie, unter Beibehaltung des Schutzniveaus der Reisenden,
aktiv und gestaltend zu beteiligen und dabei die Synergieeffekte durch die
Zusammenlegung von Verbraucher- und Justizministerium zu nutzen;

26. das Budget für die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) zu verstetigen.“

Berlin, den 19. Februar 2014

Der Ausschuss für Tourismus

Heike Brehmer Daniela Ludwig Gabriele Hiller-Ohm
Vorsitzende Berichterstatterin Berichterstatterin

Thomas Lutze Markus Tressel
Berichterstatter Berichterstatter

Drucksache 18/605 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Daniela Ludwig, Gabriele Hiller-Ohm, Thomas Lutze
und Markus Tressel

I. Überweisung

Der 17. Deutsche Bundestag hat die Unterrichtung auf Drucksache 17/13674 in seiner 246. Sitzung am
13. Juni 2013 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Tourismus und zur Mitberatung an den
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit und den Ausschuss für Kultur und Medien überweisen.
Der 18. Deutsche Bundestag hat die Unterrichtung auf Drucksache 17/13674 in seiner 10. Sitzung am
29. Januar 2014 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Tourismus und zur Mitberatung an den
Ausschuss für Wirtschaft und Energie, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Aus-
schuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-
cherheit und den Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat in seiner 5. Sitzung am 19. Februar 2014 Kenntnisnahme
empfohlen.
Der Ausschuss beschließt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD bei Stimmenthaltung
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Entschließungsantrags der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Ausschussdrucksache 18(20)05.
Der Ausschuss beschließt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des
Entschließungsantrags der Fraktion DIE LINKE. auf Ausschussdrucksache 18(29)03.
Der Ausschuss beschließt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Entschließungsantrags der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Ausschussdrucksache 18(20)04.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat in seiner 4. Sitzung am 19. Februar 2014
Kenntnisnahme empfohlen.
Der Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Ausschussdrucksache 18(20)05 wur-
de mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.
Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hat in seiner 5. Sitzung am 19. Februar 2014
Kenntnisnahme empfohlen.
Der Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Ausschussdrucksache 18(20)5 wurde
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.
Der Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE. auf Ausschussdrucksache 18(20)3 wurde mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimm-
enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.
Der Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Ausschussdrucksache 18(20)4
wurde mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat in seiner 5. Sitzung am
19. Februar 2014 Kenntnisnahme empfohlen.
Der Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Ausschussdrucksache 18(20)5 wurde
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/605

Der Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE. auf Ausschussdrucksache 18(20)3 wurde mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimm-
enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.
Der Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Ausschussdrucksache 18(20)4
wurde mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.
Der Ausschuss für Kultur und Medien hat in seiner 6. Sitzung am 19. Februar 2014 Kenntnisnahme emp-
fohlen.
Der Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE. auf Ausschussdrucksache 18(22)2 – textgleich mit
Ausschussdrucksache 18(20)03 des Ausschusses für Tourismus – wurde mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Nichtbeteiligung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.
Der Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Ausschussdrucksache 18(22)3 –
textgleich mit Ausschussdrucksache 18(20)04 des Ausschusses für Tourismus – wurde mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN abgelehnt.
Der Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Ausschussdrucksache 18(22)4 –
textgleich mit Ausschussdrucksache 18(20)05 des Ausschusses für Tourismus – wurde mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN angenommen.

III. Beratungsverlauf und Abstimmungsergebnis im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Tourismus hat die Vorlage in seiner 2. Sitzung am 29. Januar 2014 anberaten und in
seiner 4. Sitzung am 19. Februar 2014 abschließend beraten.
Der Ausschuss für Tourismus hat in seiner 4. Sitzung am 19. Februar 2014 zu der Unterrichtung durch die
Bundesregierung auf Drucksache 17/13/674 die aus der Beschlussempfehlung ersichtliche Erschließung mit
den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.
Die Fraktion der CDU/CSU führte bei den Beratungen aus, der tourismuspolitische Bericht der Bundesre-
gierung lasse erkennen, dass Tourismus ein Querschnittsthema sei, das nahezu alle gesellschaftlichen Be-
reiche berühre. Er sei eine eindrucksvolle Bilanz dessen, was die Bundesregierung unter Beteiligung nahezu
aller Ressorts in den letzten vier Jahren auf diesen Gebieten erreicht habe, obwohl Tourismuspolitik grund-
sätzlich Ländersache und der Bund nur für die Rahmenbedingungen zuständig sei. Die vorgelegten Zahlen
zeigten, dass es sich beim Tourismus um einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor handele und eine steigende
Zahl von Gästeübernachtungen zu verzeichnen gewesen seien: 407 Mio. im Jahr 2012 und 412 Mio. im Jahr
2013. Bei Gästeübernachtungen habe Deutschland doppelt so viel zulegen können wie der europäische und
weltweite Durchschnitt. Der Bericht mache deutlich, wo die Bundesregierung bei der Möglichkeit, Rah-
menbedingungen zu verbessern, Schwerpunkte gesetzt habe. Dazu gehöre zunächst auf Initiative des BMWi
das Projekt Tourismus-Satellitenkonto, einer Studie mithilfe derer zum ersten Mal der ökonomische Stel-
lenwert des Tourismus innerhalb der deutschen Wirtschaft habe nachgewiesen werden können. Ein weiteres
Schwerpunktthema sei die Förderung der ländlichen Räume gewesen, zu der die Bundesregierung das Pro-
jekt „Tourismusperspektiven in ländlichen Räumen“ einschließlich Handlungsempfehlungen mit Best Prac-
tice Beispielen und zehn sog. Roadshows als Vorbilder in der Praxis, vor allem auf kommunaler Ebene,
durchgeführt habe. Trotz der guten wirtschaftlichen Lage und der guten Beschäftigungslage hinkten die
ländlichen Räume den Städten deutlich hinterher, denn sie profitierten von den steigenden Übernachtungs-
zahlen weit weniger als der Städte- und Kulturtourismus.
Der tourismuspolitische Bericht zeige, dass schon viel erreicht worden sei. Dies dürfe aber nicht darüber
hinwegtäuschen, dass es noch zahlreiche Aufgaben gebe. Dies betreffe vor allem die Förderung in den länd-
lichen Räumen, die von verbesserten Rahmenbedingungen noch nicht so profitiert hätten wie gewünscht.
Das sei deshalb zu betonen, weil die ländlichen Räumen nicht nur als Destinationen für Touristen gefördert
werden müssten, sondern vor allem im Hinblick auf die Lebensqualität für die einheimische Bevölkerung.
Ziel müsse sein, eine weitere Landflucht zu verhindern, gerade auch vor dem Aspekt der demographischen
Entwicklung. In der Konkurrenz um innovative Unternehmen unterlägen die ländlichen Räume häufig den

Drucksache 18/605 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Ballungsgebieten, d. h. sowohl Unternehmen als auch Arbeitsplätze und in der Folge die jüngere Bevölke-
rung wanderten ab. Damit gehe die Möglichkeit der Wertschöpfung und Entwicklung verloren. Der Verlust
an Kaufkraft sei die Folge. Andererseits seien ländliche Räume durch ihr gutes Klima, eine intakte Umwelt
und reizvolle Landschaften attraktiv für den Urlaub, insbesondere für Familien. Die CDU/CSU und SPD
hätten sich deshalb entschlossen, einen Entschließungsantrag zum tourismuspolitischen Bericht einzubrin-
gen, der einen Katalog von Forderungen an die Bundesregierung enthalte. Es seien vier Schwerpunkte zu
erkennen: Ausbildung und Fachkräftegewinnung, Ausbau der Barrierefreiheit, Verbesserung der Infrastruk-
tur sowohl hinsichtlich der verkehrlichen Erreichbarkeit als auch beim Breitbandausbau, vor allem zur
Unterstützung kleiner und mittelständischer Unternehmen. Da die Bundestagsfraktionen der Großen Koali-
tion einen eigenen Entschließungsantrag eingebracht haben, seien die beiden anderen Entschließungsanträ-
ge abzulehnen gewesen.
Die Fraktion der SPD hob hervor, dass der Tourismuspolitische Bericht der Bundesregierung aus der
17. Wahlperiode einen Sachstand der tourismuspolitischen Aktivitäten der vorherigen Regierung gebe,
konkrete Handlungsempfehlungen darin jedoch fehlten. Die gute Entwicklung des Tourismus als wichtiger
Wirtschaftsfaktor werde von der Fraktion der SPD begrüßt. Nun gelte es, die richtigen Weichen zu stellen,
um den Tourismus als Wirtschafts- und Beschäftigungsfaktor nachhaltig zu stärken. Daher legten die Koali-
tionsfraktionen einen Entschließungsantrag vor, der umfassende Forderungen und Handlungsempfehlungen
für die Tourismuspolitik der 18. Wahlperiode enthalte.
Zuvorderst setze sich die Fraktion der SPD für eine positive Entwicklung der Arbeitsmarkt- und Ausbil-
dungssituation im Tourismus ein. Der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn werde ab Januar 2015 die
Einkommenssituation von fast einer Million geringfügig Beschäftigten oder zwei Drittel aller Beschäftigten
im Gastgewerbe, die heute ohne Tarifbindung arbeiten müssen, spürbar verbessern. Insbesondere das Gast-
gewerbe müsse seine Ausbildungsanstrengungen erhöhen und die Ausbildung in den Betrieben attraktiver
machen, um dem Fachkräftemangel in der Branche entgegenzuwirken. Bisher gebe es in den gastgewerbli-
chen Berufen die höchsten Vertragslösungsquoten aller Branchen. Bei angehenden Restaurantfachmännern
und -frauen sowie Köchinnen und Köchen breche die Hälfte die Ausbildung vorzeitig ab. Die Entwicklung
des Tourismus in ländlichen Räumen brauche weitere politische Unterstützung. Die Koalition setze sich
dafür ein, die „Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz“ zur „Gemeinschaftsaufgabe ländli-
che Entwicklung“ weiterzuentwickeln, um für neue Impulse zu sorgen. Zudem solle die erfolgreiche Road-
show-Reihe des vom BMWi finanzierten Projekts zur Förderung von guten Beispielen im ländlichen Tou-
rismus fortgesetzt werden. Auch die wassertouristischen Ziele dürften nicht abgehängt werden. Die Bundes-
regierung solle deshalb zeitnah ein Wassertourismuskonzept vorlegen. Ein wichtiges Anliegen sei es der
Fraktion der SPD, noch mehr für Barrierefreiheit in der gesamten Reisekette zu tun. Gefordert seien ein
verbindlicher Fahrplan der Deutschen Bahn AG zum barrierefreien Aus- und Umbau aller größeren Bahn-
höfe, aber auch gute Lösungen für kleinere Haltepunkte sowie barrierefreie Fahrgast- und Tarifinformatio-
nen. Weitere Schwerpunkte seien die Förderung von Kinder- und Jugendreisen sowie nachhaltigem Tou-
rismus, eine Initiative für Kulturtourismus und die finanzielle Unterstützung des Reformationsjubiläums
2017. Auch sollten kleinere Tourismusbetriebe bei der zunehmenden Digitalisierung unterstützt werden.
Die Fraktion der SPD wolle zudem ein hohes Verbraucherschutzniveau für Reisende sicherstellen. Schließ-
lich gelte es, das erfolgreiche Auslandsmarketing durch die Deutsche Zentrale für Tourismus weiter zu
unterstützen.
Die beiden Entschließungsanträge der Oppositionsfraktionen lehnte die Fraktion der SPD mit Verweis auf
den eigenen weitergehenden Antrag ab. So fehlten im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
u. a. die Themen Barrierefreiheit, Digitalisierung, Wassertourismus oder die Förderung von Kinder- und
Jugendreisen. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. bleibe oft zu unkonkret und vernachlässige, dass die
Regierung über eine Tourismusbeauftragte verfüge, die tourismuspolitische Aktivitäten der Regierung ko-
ordiniere.
Die Fraktion DIE LINKE. wies darauf hin, dass der Entschließungsantrag der Koalition weitgehend die
Handschrift der SPD-Fraktion trage und konkrete Forderungen enthalte, die auch schon in den SPD-
Anträgen der 17. Legislaturperiode enthalten gewesen seien. Dies sei positiv zu werten und lasse für die
18. Wahlperiode hoffen, dass nun konkret mehr umgesetzt werde, als nach den 14 Zeilen im Koalitionsver-
trag zu erwarten gewesen sei. Teilen dieser Forderungen hätten die Linken schon in der Vergangenheit
zugestimmt oder sich enthalten. Mit ihrem eigenen Entschließungsantrag seien die Linken direkt auf den
Inhalt des tourismuspolitischen Berichts eingegangen und hätten in den Punkten 1, 4, 7, 8 und 9 neue Fra-
gen aufgeworfen. Auf der anderen Seite sei im Entschließungsantrag der Großen Koalition der konkrete

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/605

Bezug auf den tourismuspolitischen Bericht nicht immer erkennbar. Trotzdem seien die meisten der 26.
Punkte richtig und wichtig und könnten daher unterstützt werden. Im Ergebnis sei dem Entschließungsan-
trag der Koalition zuzustimmen.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hätte in ihrem Entschließungsantrag bisherige Punkte aus ihren
Anträgen der 17. Wahlperiode wiederholt und setzten keine neuen Akzente. Gleichwohl seien die im Ent-
schließungsantrag der Bündnisgrünen aufgenommenen Forderungen zutreffend und unterstützenswert. Da-
her sei auch diesem Entschließungsantrag zuzustimmen.
Die Fraktion DIE LINKE. hat in der Ausschusssitzung am 19. Februar 2014 nachfolgenden Entschlie-
ßungsantrag eingebracht:
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der in der 82. Sitzung des Tourismusausschusses vom 12. Juni 2013 vorgelegte Bericht beschreibt in fünf
Teilbereichen die Chancen und Herausforderungen für die Tourismuspolitik, die Tourismuspolitik im Bun-
desministerium für Wirtschaft und Technologie, die europäische und internationale tourismuspolitische
Zusammenarbeit, die tourismuspolitischen Aktivitäten der anderen Ministerien und die Akteure der Touris-
muspolitik in Deutschland.
In Teil 1 „Chancen und Herausforderungen für die Tourismuspolitik“ bezeichnet die Bundesregierung den
Wirtschaftszweig Tourismus als einen wichtigen Wirtschaftsfaktor für Deutschland und unterstreicht dies
mit beeindruckenden Zahlen: 2,9 Millionen direkt Beschäftigte in der Tourismusindustrie bzw. 7 % aller
Erwerbstätigen, werden die indirekt Beschäftigten hinzugerechnet, sind es sogar 12 % aller Erwerbstätigen
(weltweit 9 %); unter Einbezug aller indirekten Effekte 214 Mrd. Euro Umsatz und damit 9,7 % der gesam-
ten Bruttowertschöpfung (2010); 407,3 Millionen Übernachtungen, davon 68,8 Millionen aus dem Ausland
mit einem Anteil von 16,9 % (2012). Deutschland liegt EU-weit hinter Spanien und Italien auf Platz 3,
weltweit auf Platz 8 bei den Übernachtungen und auf Platz 6 bei den touristischen Einnahmen. Der im
Bericht dargestellten Bedeutung des Tourismus wird von Seiten der Bundesregierung nicht ausreichend
Rechnung getragen.
Die Bundesregierung beklagt den Fachkräftemangel in der Tourismusbranche und verweist auf eine in
Auftrag gegebene Untersuchung zum konkreten Fachkräftebedarf und dessen Qualifizierung. Es fehlt aber
ein Hinweis darauf, wann genau diese Studie vorliegen soll. Zwar werden in der folgenden Analyse die
Rahmenbedingungen neuer Märkte (z. B. Gesundheitstourismus) ebenso berücksichtigt wie Problemfelder
(z. B. ländliche Räume), die Bedeutung des Kinder- und Jugendreisens oder die Bedeutung des Reisens von
Familien mit mehreren Kindern sowie älteren Menschen wurde in der Betrachtung jedoch außer Acht ge-
lassen.
In Teil 2 „Tourismuspolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie“ wird mitgeteilt, dass
Fortbildungen für Fach- und Führungskräfte aus allen Bereichen des Tourismus bis 2013 gefördert wer-
den. Diese Fortbildungen werden hauptsächlich durch das Deutsche Seminar für Tourismus (DSFT), an
dessen Finanzierung die Bundesregierung maßgeblich beteiligt ist, angeboten. Es fehlt ein Konzept über die
Zukunft des DSFT und die weitere Finanzierung.
Es wird auf zahlreiche Schwerpunktprojekte für das Tourismusgewerbe, die in der 17. Wahlperiode in An-
griff genommen oder durchgeführt wurden, verwiesen. Alle Projekte sind ausdrücklich zu begrüßen. Es
fehlen aber Hinweise auf die zu ziehenden Konsequenzen und deren Umsetzung.
Nur drei Seiten des siebzigseitigen Berichts werden der Bildung und Ausbildung im Tourismus gewidmet,
was das mangelnde Problembewusstsein der Bundesregierung erkennen lässt. Im internationalen Vergleich
nimmt Deutschland dabei höchstens einen Platz im Mittelfeld ein. Dies gilt sowohl für die duale als auch
für die Ausbildung an Universitäten und Hochschulen.
Besonderen Problemen sind nach wie vor Reiseleiterinnen und Reiseleiter, die Reisegruppen in Europa
begleiten, ausgesetzt. Nach Informationen des Deutschen Reiseverbandes (DRV) werden sie bei ihrer Tä-
tigkeit im Ausland häufig von Reiseleitern des Gastlandes in ihrer Arbeit behindert, wegen angeblich uner-
laubter Tätigkeit bei Straßenpolizisten angezeigt und von diesen verhaftet und mit zur Wache genommen.
Noch immer gibt es für Reiseleiterinnen und Reiseleiter keine verbindliche Ausbildung, die den internatio-
nalen Normen entspricht, und ist die Berufsanerkennungsrichtlinie nicht entsprechend umgesetzt.
Ausdrücklich zu loben sind die unter Punkt „2.4 Reiseland Deutschland – Die Deutsche Zentrale für Tou-
rismus (DZT)“ beschriebenen Aktivitäten dieser Organisation, die 2013 mit insgesamt 28,275 Mio. Euro

Drucksache 18/605 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

aus dem Bundeshaushalt gefördert wurden. Die Gelder wurden sinnvoll ausgegeben und tragen viel zum
internationalen Ansehen der Bundesrepublik und zur Attraktivität des Tourismusstandorts Deutschland bei.
Im Bereich der „Europäischen und internationalen tourismuspolitischen Zusammenarbeit“ bleibt die Bun-
desregierung weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Ein stärkeres Engagement auf diesem Gebiet wäre
notwendig, sinnvoll und wünschenswert.
Neben dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie waren in der 17. Wahlperiode dreizehn weitere
Bundesministerien mit der Tourismuspolitik beschäftigt. Dazu gehören das Auswärtige Amt, der Beauftrag-
te der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bun-
desministerium für Bildung und Forschung, das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz, das Bundesministerium für Finanzen, das Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend, das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesministerium des Innern, das Bun-
desministerium der Justiz, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, das
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung.
Diese Aufzählung untermauert deutlich, dass die Tourismuspolitik eine Querschnittaufgabe darstellt. Sie
unterstreicht aber auch deren Probleme, denn all diese Ministerien arbeiten mit eigenen Abteilungen, eige-
nen Haushaltsansätzen und eigenen Ideen. Eine Abstimmung untereinander oder eine Koordinierung der
einzelnen Aktivitäten findet nicht statt. Anträge für Projekte müssen häufig bei mehreren Ministerien ge-
stellt und unterschiedlich begründet werden. Die Schaffung einer eigenen Abteilung, die alle tourismuspoli-
tischen Aktivitäten der Bundesministerien koordiniert und überwacht, unter der Verantwortung eines Par-
lamentarischen Staatssekretärs für Tourismus, ist dringend geboten.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. eine eigene Abteilung, die alle tourismuspolitischen Aktivitäten der Bundesministerien koordiniert und

überwacht, unter der Verantwortung eines Parlamentarischen Staatssekretärs für Tourismus bzw. eines
Beauftragten für Tourismus beim Bundeskanzleramt zu schaffen;

2. die Beseitigung des Fachkräftemangels in der deutschen Tourismuswirtschaft zu einer Schwerpunkt-
aufgabe der Jahre 2014 und 2015 zu machen. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die Ausbildung
und Weiterqualifizierung zu legen. Dies gilt sowohl für die duale Ausbildung als auch für die Ausbil-
dung an Hochschulen, Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien;

3. auch mit Blick auf den Fachkräftemangel in der Tourismuswirtschaft sofort einen flächendeckenden
gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro die Stunde einzuführen;

4. Studien zur aktuellen wirtschaftlichen Bedeutung des Kinder- und Jugendreisens, des Reisens von Fa-
milien mit mehreren Kindern, des barrierefreien Reisens und des Seniorenreisens unter dem Aspekt des
Reisens für Alle umgehend in Auftrag zu geben und deren Ergebnisse bis Mitte 2015 vorzulegen;

5. die Aktivitäten zur Schaffung von Barrierefreiheit in der gesamten touristischen Servicekette fortzufüh-
ren und zu intensivieren. Das 2011 begonnene Projekt „Entwicklung und Vermarktung barrierefreier
Angebote und Dienstleistungen in Deutschland“ ist weiterzuführen und auszubauen mit dem Ziel, in-
nerhalb der 18. Wahlperiode einem bundesweit einheitlichen Kennzeichnungssystem barrierefreier An-
gebote zum Durchbruch zu verhelfen;

6. alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Entwicklung der ländlichen Räume sowie der
Erschließung deren touristischen Potenzials weiter voranzutreiben und zu unterstützen;

7. einen ausführlichen Bericht über die Aktivitäten, die Finanzierung und die Zukunft des Seminars für
Tourismus (DSFT) vorzulegen;

8. einen Bericht vorzulegen, der einen Qualifizierungsvergleich inländischer international arbeitender
Reiseleiter und Reiseleiterinnen mit denen anderer EU-Staaten, die Arten und Konsequenzen der Be-
hinderungen von inländischen Reiseleitern und Reiseleiterinnen im Ausland sowie deren persönliche
Qualifizierung beinhaltet und aufzeigt, welche Qualifizierungen von welcher Institution angeboten
und/oder finanziell unterstützt werden;

9. sich intensiver auf europäischer und internationaler Ebene für den Tourismus zu engagieren und Mit-
gliedschaften in entsprechenden Organisationen entweder selbst zu übernehmen oder andere Gliede-
rungen des deutschen Tourismus, z. B. die Deutsche Zentrale für Tourismus ausdrücklich dazu zu er-
muntern und

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/605

10. die begonnenen Projekte der 17. Wahlperiode fortzuführen, beendete Projekte zu evaluieren und ggf. zu
verstetigen sowie dem Deutschen Bundestag entsprechende Berichte bis Ende 2014 vorzulegen.

Der Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE. wurde mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN abgelehnt.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN machte deutlich, dass die Bundesregierung die Hemmnisse
und strukturellen Defizite der klein- und mittelständischen Tourismuswirtschaft, wie Fachkräftemangel
oder die schwierige Finanzierungssituation kleinerer Unternehmer nicht ausreichend klar benenne und ins-
gesamt nicht die richtigen Schlüsse ziehe. Trotz der Schuldenbremse müssten Wege gefunden werden, die
Investitionsfähigkeit der Branche und die Handlungsspielräume der Kommunen zu verbessern. Über För-
derprogramme für energetische Sanierung, regionale Lebensmittelerzeugung oder regionale Wirtschafts-
kreisläufe könnten entscheidende Weichen gestellt werden. Auch das Thema Barrierefreiheit müsse ver-
stärkt angegangen werden. Eine Förderung von Klima- und Naturschutz bringe nicht nur das Reiseland
Deutschland, sondern auch den Klimaschutz voran. Immerhin seien für 84 Prozent der Urlauber eine intakte
Umwelt am Reiseziel sehr wichtig. Da der größte Teil des ökologischen Fußabdruckes im Tourismus bei
der An- und Abreise entstehe, müsse intermodale Mobilität weiter gefördert werden, um eine umweltver-
trägliche Erreichbarkeit der Destinationen herzustellen.
Der Entschließungsantrag der Großen Koalition zeige, dass die Gelegenheit, sich von der schwarz-gelben
Tourismuspolitik mit Hotelliersteuer, Luftverkehrssubventionierung, Blockadehaltung beim Verbraucher-
schutz oder Mittelrückgang für den Ökolandbau zu distanzieren, verpasst worden sei. Zum Thema nachhal-
tiger Tourismus sei im Entschließungsantrag nur die Forderung nach der Weiterführung des Bundeswett-
bewerbs „Nachhaltige Tourismusregionen“ finden. Positiv zu bewerten sei, dass, wie von den Bündnisgrü-
nen seit Jahren gefordert, die „Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz“ zur „Gemein-
schaftsaufgabe ländliche Entwicklung“ weiter entwickelt werden solle. Auch der im Schienenverkehr ange-
strebte „Deutschland-Takt“ sowie die geforderte Fahrradmitnahme im ICE, der geplante Mindestlohn und
die Unterstützung des Gastgewerbes bei den Ausbildungsanstrengungen gäben Anlass zur Hoffnung.
Der Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE. lege einen klaren Fokus auf die Verbesserung der Ar-
beitsbedingungen und Ausbildung in der deutschen Tourismuswirtschaft. Dies werde ausdrücklich unter-
stützt. Da beide Entschließungsanträgen sowohl positive wie negative Seiten enthielten, werde sich die
Fraktion bei beiden Anträgen enthalten.
Zur Unterstreichung ihrer Bedenken und Forderungen hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der
Ausschusssitzung am 19. Februar 2014 nachfolgende Entschließung eingebracht:
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Ausgangslage des Tourismusstandortes Deutschland ist gut. Das zeigen die bekannten Ergebnisse aus
dem Jahr 2012 auf der Grundlage des sog. Tourismus-Satellitenkontos (TSA). Der vorliegende Bericht
stellt die Zahlen und Fakten erneut dar (vgl. Seite 3 der Unterrichtung der Bundesregierung). Die Touris-
muswirtschaft erwirtschaftete im Jahr 2010 mit 97 Mrd. Euro einen direkten Anteil von 4,4 Prozent an der
gesamten Bruttowertschöpfung der bundesdeutschen Volkswirtschaft, und liegt damit vor den Anteilen des
Einzelhandels oder des Maschinenbaus.1 Rechnet man die indirekten Effekte hinzu, ergibt sich für die Tou-
rismuswirtschaft mit rund 214 Mrd. Euro ein Anteil an der gesamten Bruttowertschöpfung von 9,7 %. Au-
ßerdem werden im Tourismus vor allem nicht verlagerbare Arbeitsplätze geschaffen. Rund 2,9 Millionen
Erwerbstätige sind in Deutschland direkt in der Tourismusbranche beschäftigt. Zieht man die Ergebnisse
aus der aktuellen Tourismusanalyse der Stiftung für Zukunftsfragen hinzu, findet man weitere positive
Trends: „Die Reiseintensität der Bundesbürger erhöhte sich 2013 im fünften Jahr in Folge auf aktuell 57
Prozent“2.
Es finden sich – bei näherem Hinsehen – aber auch viele Zahlen und Fakten, die auf Hemmnisse und struk-
turelle Defizite hinweisen. Hierbei handelt es sich nicht um Phänomene, die alleine die Tourismusbranche
betreffen. Dennoch sind viele der Defizite im Tourismusbereich besonders stark und kumuliert anzutreffen.
Diese gilt es zu benennen, wenn man einen ehrlichen „tourismuspolitischen Bericht“ vorlegen will. So ist

1 Quelle: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/218177/umfrage/vergleich-bruttowertschoepfung-tourismus-zu-anderen-
wirtschaftsbereichen, zuletzt abgerufen am 05.02.2014.

2 Reiseanalyse, Stiftung für Zukunftsfragen, S. 1., Von 100 Deutschen gaben 57% an, eine Reise von mind. fünf Tagen dauer unternommen
zu haben.

Drucksache 18/605 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

beispielsweise die Ausbildungssituation im Gastgewerbe überdurchschnittlich schlecht. Die neu begonne-
nen Ausbildungsverhältnisse sind massiv rückläufig, bei hohen Abbrecherquoten. Der ohne hin bestehende
Fachkräftemangel wird auf diesem Weg noch weiter verschärft. Nachdenklich stimmt auch die insgesamt
geringe Investitionsdynamik des Tourismussektors. Die Eigenkapitelquote der Hoteliers liegt bei 2,8 Pro-
zent und damit deutlich unter den Vergleichswerten, wie dem gesamten Dienstleistungssektor (19,1 Pro-
zent). Ist die Finanzierungsgrundlage für den Mittelstand derzeit positiv, trifft das auf viele Unternehmer im
Gastgewerbe häufig nicht zu. Dringend erforderliche Investitionen in Modernisierung und Effizienz schei-
tern an der Kreditwürdigkeit der Unternehmer. Entgegen der Ausführungen der Bundesregierung hat die
Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelbetriebe kaum nachweisbare Investitionseffekte nach sich gezogen.
Einen belastbaren Nachweis hierüber bleibt auch der tourismuspolitische Bericht schuldig (vgl. S. 11)3. Die
Ermäßigung kostet jährlich etwa eine Milliarde Euro.
Längst ist bekannt, dass die ländlichen Regionen bei den Übernachtungszahlen von den Großstädten abge-
hängt werden. Problematisch ist überdies, dass dort wo touristische Aktivität stattfindet, die Wertschöpfung
zu gering ist. Von 100 umgesetzten Euro, bleiben nur rund 36 Euro in der jeweiligen Region. Erstmals seit
Jahren stagnierte im Jahr 2013 der Inlandstourismus.4 Das bekommen die ländlichen Regionen zuerst zu
spüren.
Es ist festzustellen, dass die Bundesregierung aus den zentralen gesellschaftlichen Veränderungen, wie dem
demografischen Wandel und dem damit verbundenen Fachkräftemangel, verändertem Konsum- und Bu-
chungsverhalten und steigenden Ansprüchen der Kunden an Unterkünfte und Infrastruktur noch immer
nicht die richtigen Schlüsse gezogen hat. Um diese großen Herausforderungen anzugehen, bedarf es einer
richtungsweisenden und gestaltenden Tourismuspolitik, die eine Vision für das Reiseland Deutschland hat.
Trotz der Länderzuständigkeit für den Tourismus hat die Bundesregierung viele entscheidungserhebliche
gesetzgeberische und fiskalpolitische Instrumentarien an der Hand, um koordinierend und investitionsför-
dernd zu agieren, und damit auch den Tourismussektor zu fördern. Wie viele andere Branchen auch, kann
die Tourismuswirtschaft von den Förderprogrammen betreffend energetischer Sanierung, Förderung regi-
onaler Lebensmittelerzeugung und regionaler Wirtschaftskreisläufe sowie Maßnahmen für mehr Natur-
schutz und den Erhalt von attraktiven Kulturlandschaften profitieren. Für den Tourismusstandort Deutsch-
land wird die Förderung von intermodaler Mobilität entscheidend sein, um ein eine umweltverträgliche
Erreichbarkeit der Destinationen sicherzustellen.
II. Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:
1. Finanzierungsmöglichkeiten des Gastgewerbes verbessern: Das Tourismusgewerbe leidet unter gerin-

gen Eigenkapitalquoten und massivem Sanierungsstau. Die Bundesregierung ist aufgefordert Pro-
gramme, wie das Gebäudesanierungsprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zur energe-
tischen Sanierung, welches von der Tourismuswirtschaft sehr erfolgreich aufgenommen wurde, auf ho-
hem Niveau zu verstetigen. Nach wie vor sind die Energiekosten für die Unternehmer ein entscheiden-
der Kostentreiber. Die Bundesmittel über die Leistungssteigerungstitel des Wirtschaftsministeriums
müssen sich an Nachhaltigkeitskriterien orientieren, um zukunftsfeste Investitionen auszulösen.

2. Potentiale für den Tourismus im ländlichen Raum erschließen: Die Nachfrage nach heimischen Reise-
zielen ist über viele Jahre gestiegen. Im Jahr 2013 stagnierte sie erstmals. Diese Entwicklung ist fatal.
Die Bundesregierung ist aufgefordert, das touristische Potential der ländlichen Räume in ganz
Deutschland, sowohl durch Inlands- als auch durch den Incoming-Tourismus zu evaluieren, beispiels-
weise in Form einer Bundesstudie. Die Handlungsempfehlungen des Wirtschaftsministeriums aus dem
Jahr 2013 zu Tourismusperspektiven in ländlichen Räumen waren ein wichtiger Schritt in die richtige
Richtung. Die Fortführung des Projektes ist jetzt anhand eines „proof of concept“, beispielsweise über
die Bildung von Modellregionen unter Einbeziehung der Länder, fortzuführen.

3. Verkehrliche Erreichbarkeit der Destinationen erhalten und deutlich verbessern: Für das Reiseland
Deutschland wird es zentral sein, dass sich die Erhöhung der Infrastrukturförderung auch in verbes-
serten Schienenverkehrsanbindungen niederschlägt. Intermodale Verkehrsformen müssen auch auf ihre
touristische Nutzbarkeit evaluiert und gefördert werden.

3 Einzige Fußnote im tourismuspolitischen Bericht, S. 11: „Eine Auswertung der Saisonumfrage des Deutschen Industrie- und Handels-
kammertages 2009-2012 durch den Ostdeutschen Sparkassenverband zeigt einen deutlichen und nachhaltigen Anstieg der Investitionsbe-
reitschaft im Gastgewerbe mit Einführung der ermäßigten Mehrwertsteuer.“ [Zahlen, Belege, Erhebungsgrundlagen, Gutachten werden
nicht erbracht].

4 Vgl. Tourismusanalyse der Stiftung für Forschungsfragen zum Reiseverhalten der Deutschen, Ausgabe 252, 05. Februar 2014, S. 3.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/605

4. Klima- und umweltfreundliche Mobilität fördern: Im Tourismus entsteht bei der An- und Abreise ein
Großteil des ökologischen Fußabdrucks. Viele Urlaubsregionen leiden unter der Zunahme und Abhän-
gigkeit vom motorisierten Individualverkehr. Die Politik trägt deswegen die Verantwortung gerade hier
für klima- und umweltfreundliche Mobilität zu sorgen und ein nachhaltiges Verkehrskonzept vorzule-
gen. Dazu gehört unter anderem die Herstellung eines fairen Wettbewerbs zwischen den konkurrieren-
den Verkehrsträgern. Die Steuersubventionen des klimaschädlichen Luftverkehrs sind abzubauen. Auch
die Kreuzfahrtschifffahrt muss sauberer werden. Die Emissionen von Kreuzfahrtschiffen sind nach wie
vor eine zu starke Belastung für die Umwelt und die Reisenden. Der Wachstumsmarkt Kreuzschifffahrt
muss seiner Verantwortung für mehr Nachhaltigkeit nachkommen. Es müssen ambitionierte globale
Ziele für die gesamte Branche erarbeitet und umgesetzt werden.

5. Die Umwelt schützen und einen naturverträglichen Tourismus fördern. 84% der Urlauber und Urlau-
berinnen ist eine intakte Umwelt am Reiseziel sehr wichtig. Gerade Großschutzgebiete, wie beispiels-
weise Nationalparks und Biosphärenreservate, spielen eine immer stärkere Rolle, wenn es um den Ein-
klang von Natur- und Umweltschutz, Bürgerbeteiligung und regionaler Wertschöpfung geht. Deshalb
sollte sich der Bund bei der Förderung von Großschutzgebieten mehr engagieren.

6. Zielgerichtete und abgestimmte Förderung der Land- und Forstwirtschaft: Hier liegt der Schlüssel für
die Erzeugung regionaler Qualitätsprodukte und den Erhalt einer attraktiven Kulturlandschaft. Die
Bundesregierung muss sich durch die Erhöhung der Mittel für den ländlichen Raum und ein klares Be-
kenntnis zu ökologischer Landwirtschaft und regionaler Erzeugung für den Erhalt einer touristisch
reizvollen Umgebung stark machen. Die Förderung bäuerlicher Strukturen mit Fokus auf Qualitäts-
produkte und lokale Wertschöpfung ist für den ländlichen Raum entscheidend.

7. Wertschätzung touristischer Dienstleistungen fördern und Niedriglohnsektor eindämmen: Die Bundes-
regierung ist jetzt – nach der Einführung des flächendeckenden Mindestlohnes – aufgefordert, sich den
besonderen Schwierigkeiten des Tourismusgewerbes (hohe Saisonalität, hoher Bedarf an Aushilfstätig-
keit bei Auslastungsspitzen) zu stellen und dafür zu sorgen, dass sich kein Niedriglohnsektor unter dem
Mindestlohn entwickelt.

8. Fachkräfte sichern: Durch erhöhtes Engagement bei der Integration von Schul- und
Ausbildungsabbrechern und Arbeitslosen, Erhöhung der Ausbildungsqualität und Förderung von IT-
basierten Fortbildungsmaßnahmen.

9. Verbraucherschutz für Reisende durchsetzen: Nur über besten Service und höchste Qualität wird das
Reiseland Deutschland den gestiegenen Ansprüchen der internationalen und inländischen Reisenden
entsprechen können. Hierfür muss die Bundesregierung beispielsweise durch die Einführung einer Hy-
gieneampel und durch mehr Engagement bei der Durchsetzung von Flug- und Fahrgastrechten die
Verantwortung übernehmen.

10. Finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen herstellen: Auf der Ausgabenseite müssen die Städte
und Gemeinden bei ihren sozialen Pflichtleistungen entlastet werden, um finanziell wieder handlungs-
fähiger zu werden. Außerdem muss die Mindestfinanzierung der Kommunen sowie ein finanzkraftunab-
hängiger Mehrbelastungsausgleich bei Übertragung oder Ausweitung von Aufgaben garantiert werden.
Von finanziell handlungsfähigen Kommunen und interkommunalen Kooperationen profitieren alle tou-
ristischen Dienstleister vor Ort.

Begründung:
Die ökologische Umsteuerung ist zentral für die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit des Reiselandes Deutsch-
lands. Die Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es
den Unternehmern erlauben, ihre Hotels und Gaststätten auf den neuesten Stand zu bringen und damit
effektiv und ressourcenschonend wirtschaften zu können. Die CO2-Gebäudesanierungsprogramme der
Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) führen zu Investitionen und Einsparungen bei den Unternehmen
und fördern das regionale Handwerk. Über die KfW kann gezielte Tourismusexpertise in die Förderung
gebracht werden.
Ein Blick auf die im tourismuspolitischen Bericht angeführten Zahlen zeigt: Die Städte und die bekannten
Ferienregionen profitieren vom steigenden internationalen und innereuropäischen Incoming Tourismus
(vgl. S. 7 der Berichterstattung der Bundesregierung). Die sehr guten Auslastungsraten zwischen 59,3%
und 72,9% erreichten die größeren Hotelleriebetriebe in den vom Ferientourismus stark geprägten Reise-
Drucksache 18/605 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

gebieten Nordsee, Mecklenburgische Ostseeküste, Südlicher Schwarzwald und Bodensee.5 So profitiert das
Reiseland Deutschland insgesamt zwar vom internationalen „Trend zu weiten Reisen“6, schöpft aber das
naheliegende Potential des Inlandstourismus über weite Teile Deutschlands bei weitem nicht aus. Die Tou-
rismusanalyse der Stiftung für Zukunftsfragen weist erstmals seit Jahren sogar eine Stagnation beim In-
landstourismus aus. Für die Zukunft des Reiselandes Deutschland wird es darauf ankommen, dass weit
mehr Regionen von dem steigenden Bedürfnis der Menschen nach Erleben, Gemeinschaft, Erholung und
Naturverbundenheit, sowie von den neuen Mobilitäts- und Informationsmöglichkeiten profitieren können.
Vor dem Hintergrund der demographischen und strukturellen Entwicklungen kann dies für das soziale und
wirtschaftliche Überleben vieler Regionen entscheidend sein. Diese Potentiale müssen evaluiert werden
und das Gefälle in der Tourismusentwicklung muss entschärft werden. Die ländlichen Regionen brauchen
mehr Tourismusforschung und Förderung, die sich Regionalitäts- und Nachhaltigkeitskriterien ausrichtet.
Die Attraktivität der Umgebung und der Erholungswert einer Region und die Qualität regionaler Produkte
sind für die Entwicklung eines touristischen Angebotes zentral. Deswegen ist ein Umdenken in der Land-
und Forstwirtschaft, die Förderung regionaler Erzeugung von Lebensmitteln und der Erhalt lokaler Hand-
werksbetreibe von besonderer Bedeutung für die Tourismusentwicklung.
Jeder dritte Bundesbürger ist laut Sparkassen Tourismusbarometer 2010 bereit, pro Urlaubstag zehn bis
zwanzig Euro mehr für seine Reise zu zahlen, wenn der ökologische Mehrwert sichtbar und erlebbar ist.
Deutsche Nationalparks werden jährlich von über 50 Millionen Menschen besucht. 84% der Urlauber ist
eine intakte Umwelt wichtig. Großschutzgebiete brauchen daher besondere Förderung – auch durch Bun-
desgeld. Sie können der Motor für eine nachhaltige Tourismusentwicklung einer ganzen Region sein und
regionale Wirtschaftskreisläufe nachweislich ankurbeln.
Der Fachkräftemangel stellt den Tourismus gerade in den ländlichen Gebieten vor große Herausforderun-
gen. Die Arbeitsplätze im Tourismus müssen aufgewertet werden, wenn diese wichtige Branche für junge
und motivierte Leute attraktiv sein soll. Dies ist nicht nur eine Frage des Images, sondern auch der Bezah-
lung, der Arbeitszeiten und der Arbeits- und Ausbildungsbedingungen. Um die Menschen für eine Arbeit
auch in den ländlichen Regionen zu begeistern, muss das Angebot stimmen. Breitbandversorgung, Gesund-
heitsversorgung und Kinderbetreuung sind Fragen, die auch im Hinblick auf den Tourismusstandort
Deutschland von besonderer Wichtigkeit sind.
Der Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde mit den Stimmen der Fraktio-
nen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN abgelehnt.

Berlin, den 19. Februar 2014

Daniela Ludwig Gabriele Hiller-Ohm Thomas Lutze Markus Tressel
Berichterstatterin Berichterstatterin Berichterstatter Berichterstatter

5 Dr. Martin Szibalski, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, August 2013, S. 564.
6 Vgl. Martin Buck, in Christoph Schlautmann, Fernweh schlägt Kauflust, Handelsblatt vom 03.02.2014.

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