BT-Drucksache 18/6038

Stand der Überprüfung der Risse in den Atomkraftwerken Tihange und Doel

Vom 21. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6038
18. Wahlperiode 21.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay,
Herbert Behrens, Andrej Hunko, Kerstin Kassner, Ralph Lenkert, Birgit Menz,
Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Stand der Überprüfung der Risse in den Atomkraftwerken Tihange und Doel

Im März 2014 wurden die beiden belgischen Kernreaktoren Doel 3 und Tihange 2
wegen unerwarteter Ergebnisse bei Bestrahlungsversuchen im Forschungsreaktor
BR2 in Mol abermals heruntergefahren. Die Reaktordruckbehälter der beiden
Atomkraftwerke (AKW) sind mit tausenden bis zu 18 cm großen Fehlstellen be-
schädigt. Trotzdem versucht der Betreiber Electrabel immer noch, die Sicherheit
der beiden Reaktoren nachzuweisen. Der zunächst vom Betreiber für Juli 2015
geplante Neustart wurde Anfang Mai 2015 auf den 1. November 2015 verschoben
(http://transparency.gdfsuez.com/UMMDetail.aspx?IsDefault=False&UMMId=
11479&IsUMM=True&CommodityId=3).

Die belgische Atomaufsicht (FANC) verlangt von Electrabel vor einem mögli-
chen Neustart einen Sicherheitsnachweis (Safety Case). Die Schritte die möglich-
erweise zu einem Wiederanfahren der beiden AKW führen, werden von der
FANC wie folgt beschrieben:

Nachdem der Safety Case vom Betreiber an die FANC übergeben wurde, erfolgt
eine Überprüfung des Sicherheitsnachweises durch Bel V, einer Tochterfirma der
FANC. Bel V wird bei diesem Prozess durch weitere Gremien für die Bereiche
Ultraschallverfahren, Materialeigenschaften und bruchmechanische Fragen
unterstützt. Die Bewertungen all dieser Gruppen fließen zurück an die FANC,
werden von ihr abschließend bewertet und führen zur Entscheidung für oder
gegen die Genehmigung für einen Neustart der beiden Reaktoren
(http://fanc.fgov.be/nl/news/doel-3/tihange-2-next-steps-of-the-review-process/
766.aspx).

Tihange ist nicht einmal 60 Kilometer von deutschem Hoheitsgebiet entfernt. Be-
reits im Jahr 2013 wurden die beiden Reaktoren gegen die Empfehlung der von
der FANC selbst beauftragten internationalen Experten wieder angefahren. Diese
Experten hatten einen größeren RTNDT-Shift von 100°C empfohlen
(http://fanc.fgov.be/GED/00000000/3300/3393.pdf, Seite 17). Dieser Shift hätte
zu einer sofortigen und dauerhaften Abschaltung der beiden Reaktoren
führen müssen (www.stop-tihange.org/de/wp-content/uploads/Report_DE.pdf,
Seite 25). Seitdem hat sich herausgestellt, dass der Zustand der beiden Reaktoren
noch katastrophaler ist.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den aktuellen Status be-
züglich des Safety Case und insgesamt zu der laufenden Überprüfung der
Sicherheit der Atomkraftwerke Doel 3 und Tihange 2?

Drucksache 18/6038 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

2. Wurde nach Kenntnis der Bundesregierung der Safety Case von Electrabel
an die FANC übergeben? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht?

3. Wurde nach Kenntnis der Bundesregierung der Safety Case an das Internati-
onal Review Board übergeben?

Wenn ja, wann?

Wenn nein, warum nicht?

4. Ist der Bundesregierung bekannt, wann die endgültige Entscheidung über ein
mögliches Wiederanfahren getroffen wird?

Wenn ja, was ist der Bundesregierung im Einzelnen dazu bekannt?

5. Sind der Bundesregierung der Safety Case und sein Inhalt bekannt?

6. Ist die Bundesregierung bzw. sind bundesdeutsche Experten in irgendeiner
Weise an den Sicherheitsprüfungen beteiligt, und wenn ja, in welcher Weise,
und zu welchen Fragestellungen?

7. In welcher Weise wird die Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Grenz-
nähe über die laufenden Überprüfungen der belgischen AKW Doel und
Tihange durch die belgischen Behörden informiert?

8. In welcher Weise werden die Europäische Kommission oder andere europä-
ischen Stellen nach Kenntnis der Bundesregierung über die laufenden Über-
prüfungen der belgischen AKW Doel und Tihange durch die belgischen Be-
hörden informiert?

9. In welcher Weise wird die Bundesregierung aufgrund der Grenznähe des
AKW Tihange einwirken, um das Recht auf körperliche Unversehrtheit für
die Menschen im Bundesgebiet sicherzustellen, wenn die FANC das Wie-
deranfahren genehmigen wird?

10. Welche Informationen liegen der Bundesregierung neben den möglichen
Längen der Risse zu den Tiefen der Risse vor?

11. Liegen der Bundesregierung Ergebnisse von Finite-Elemente-Berechnungen
und von anderen Festigkeitsanalysen vor, die die Haltbarkeit der Bauteile des
Reaktors unter Berücksichtigung der Bauteilschwächung durch die Risse be-
inhaltet?

12. Wird die Bundesregierung entsprechende Analysen anfordern?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 21. September 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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