BT-Drucksache 18/6031

Ausweitung der Militärmission EUNAVFOR MED der Europäischen Union gegen kommerzielle Fluchthilfe im Mittelmeer

Vom 15. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6031
18. Wahlperiode 15.09.2015

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Andrej Hunko, Dr. Alexander S. Neu, Wolfgang Gehrcke,

Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, Annette Groth, Ulla Jelpke,
Kersten Steinke und der Fraktion DIE LINKE.

Ausweitung der Militärmission EUNAVFOR MED der Europäischen Union
gegen kommerzielle Fluchthilfe im Mittelmeer

Mit einer großangelegten Mission geht die Europäische Union (EU) derzeit gegen
unerwünschte Migration im Mittelmeer vor. Ende Juni 2015 haben die Regierun-
gen der 28 EU-Mitgliedstaaten den Start der militärischen Mission EUNAVFOR
MED beschlossen. Die Bundesregierung benutzt hierfür den Begriff „Krisenbe-
wältigungsoperation“ (Bundestagsdrucksache 18/5730). EUNAVFOR MED soll
demnach das „Geschäftsmodell der Menschenschmuggel- und Menschenhandels-
netze im südlichen zentralen Mittelmeer“ unterbinden. Offizielles Ziel ist das
Aufspüren der Netzwerke von kommerziellen Fluchthelfern, die in entsprechen-
den Dokumenten gewöhnlich als „Menschenhändler“, „Schmuggler“, „Schlep-
per“ und „Schleuser“ bezeichnet werden. Später sollen deren Infrastrukturen und
vor allem Schiffe und Boote, die von Flüchtlingen genutzt werden könnten, zer-
stört werden.

Die Seenotrettung gehört nicht zum Auftrag der bei EUNAVFOR MED einge-
setzten Schiffe. Nimmt etwa die Marine Geflüchtete an Bord, folgt sie damit nur
ihrer bereits aus dem Seerecht resultierenden Verpflichtung, alle in Seenot gera-
tenen Menschen zu retten.

EUNAVFOR MED untersteht dem Europäischen Auswärtigen Dienst Brüssels,
der für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik zuständig ist. Deutschland be-
setzt wichtige Dienstposten in den Hauptquartieren von EUNAVFOR MED. Sol-
daten einer „Feldnachrichtentruppe“ befragen die Geflüchteten. Die Bundesre-
gierung trägt einen großen Teil der Kosten für die Operation. Allein ihre eigenen
Ausgaben gibt die Bundeswehr mit rund 37 Mio. Euro für zunächst ein Jahr an.

Derzeit befindet sich die Mission in „Phase 1“. Vorgesehen ist der Einsatz von
Seeaufklärern, U-Booten, Flugzeugen, Hubschraubern, Drohnen und Satelliten-
überwachung. Insgesamt sollen rund 1 000 Soldaten mobilisiert werden. Die bis
zu 20 Luft- und Wasserfahrzeuge werden von 14 Ländern bereitgestellt, darunter
von Frankreich, Spanien, Deutschland und Luxemburg. Seit Ende Juni 2015 be-
teiligt sich die deutsche Marine mit der Fregatte „Schleswig-Holstein«“ und dem
Tender „Werra“. Angeführt wird die Mission vom italienischen Flugzeugträger
„Cavour“ mit zwei eingeschifften Hubschraubern. Die italienische Luftwaffe
setzt nach Medienberichten zur Aufklärung ihre in den USA gekauften, unbe-
waffneten Drohnen vom Typ „Predator“ ein. Ein französisches Flugzeug ist vor
den libyschen Küsten unterwegs, um mit Radartechnologie verdächtige Aktivitä-
ten aufzuklären. Großbritannien beteiligt sich mit einem „Mehrzweckschiff“
HMS Enterprise und einem auf Malta stationierten Hubschrauber; Luxemburg
entsendet einen Seefernaufklärer.

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Außer den Militärs werden auch Geheimdienste zum Aufspüren der Netzwerke
von Fluchthelfern eingesetzt. Nach Berichten der britischen Tageszeitung
„The Guardian“ sind Agenten des Auslandsgeheimdienstes GCHQ auf dem von
Großbritannien entsandten Schiff stationiert. Der deutsche Bundesnachrichten-
dienst stellt ein „Unterstützungselement Militärisches Nachrichtenwesen“. Ob
dabei Technik zum Abhören von Telekommunikation oder andere Signaltechnik
zum Einsatz kommt, ist unklar. Die Militärs und Geheimdienste arbeiten eng mit
polizeilichen Behörden der EU-Mitgliedstaaten zusammen. Die Polizeiagentur
Europol hat hierzu eine „Einsatzgruppe für die Seeaufklärung“ (JOT MARE) ein-
gerichtet. Mit der EU-Grenzagentur FRONTEX bezog Europol ein Lagezentrum
auf Sizilien. Neben EUNAVFOR MED ist auch FRONTEX mit drei Missionen
im Mittelmeer präsent. Aus den Mitgliedstaaten werden hierfür 30 Schiffe, Hub-
schrauber und andere Überwachungstechnik überlassen. Einsatzzweck ist jeweils
die Grenzüberwachung, nicht die Seenotrettung. Auch die NATO patrouilliert seit
dem Jahr 2001 mit einem Verband im Mittelmeer. Ziel sind die „Entdeckung und
Abschreckung terroristischer Aktivitäten“; überwacht werden der zivile Seever-
kehr und die daran teilnehmenden Handelsschiffe. Im Herbst 2015 herrscht dann
noch mehr Gedränge, denn die NATO will in Südeuropa ihre Übung „Trident
Juncture 2015“ abhalten. Bis zu 35 000 Soldaten könnten ab Oktober 2015 daran
teilnehmen, wobei Schiffe und Drohnen im bzw. über dem Mittelmeer eine wich-
tige Rolle spielen.

In einer „Phase 2“ sollen in EUNAVFOR MED nun auf Hoher See Schiffe ange-
halten, durchsucht und gegebenenfalls beschlagnahmt werden. Dabei könnten
auch Waffen eingesetzt werden. Das Durchsuchen und Beschlagnahmen von
Schiffen wäre nach dem Seerechtsübereinkommen zulässig, wenn ein Schiff
keine oder mehrere Staatszugehörigkeiten besitzt. Führt das Schiff aber eine
Flagge, muss vor jeder militärischen Zwangsmaßnahme die Zustimmung des
Flaggenstaats eingeholt werden.

Ende August 2015 meldete der leitende italienische Admiral Enrico Crendendino
die Einsatzbereitschaft für „Phase 2“. Am 3. September 2015 forderte die Hohe
Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik eine Ausweitung der Mis-
sion. Alle militärischen Ziele der „Phase 1“ seien erreicht worden, darunter die
„Sammlung von Information und Aufklärung“. Dies beinhalte die Beschlag-
nahme und Zerstörung von Schiffen. „Phase 1” sei auch deshalb erfolgreich ge-
wesen, da „Schmuggler und Menschenhändler” bei „16 Gelegenheiten” durch die
beteiligten Militärs und Geheimdienste verfolgt werden konnten. Ob es sich aber
wirklich um Fluchthelfer handelte und wohin diesen gefolgt wurde, erklärt die
Hohe Vertreterin nicht. Trotzdem gebe es unter den 28 Verteidigungsministern
der EU-Mitgliedstaaten eine hohe Zustimmung für die „Phase 2”. Nun seien die
Außen- und Innenminister und schließlich der Rat gefragt. Der deutsche Außen-
minister hat mittlerweile Zustimmung signalisiert und für den Einsatz von Waf-
fengewalt auf Hoher See geworben (SPIEGEL ONLINE vom 8. Septem-
ber 2015). Die Mission solle dadurch auch „die Bewegungsfreiheit und den Nach-
schub der Schleuser in internationalen Gewässern“ einschränken. Laut dem Be-
richt bemühe sich das Auswärtige Amt, „allzu martialische Visionen über die
neue Phase der Bundeswehr-Mission zu bremsen“. Waffengewalt komme dem-
nach „nur bei Angriffen von Schleppern auf die deutschen Soldaten in Frage“.
Grundsätzlich gelte ein „Minimum-Force-Prinzip“.

Ab dem 24. September 2015 soll der Deutsche Bundestag über das Mandat für
„Phase 2“ beraten. Anfang Oktober 2015 soll abgestimmt werden. Anvisiert ist
aber auch, in einer späteren „Phase 2.II“ in Hoheits- und Küstengewässern Liby-
ens oder anderer Staaten zu operieren. Hierfür wäre die Zustimmung der jeweili-
gen Regierung erforderlich. „Phase 3“ könnte sogar den Einsatz von Bodentrup-
pen in Libyen ermöglichen. Der Rat der EU entscheidet, ob und wann die Mission
in eine der nächsten Phasen übergeht. Möglich wäre ein Einsatz auch unter einem
Mandat des UN-Sicherheitsrates.

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Der Einsatz von Militär und Geheimdiensten ist aus Sicht der Fragestellerinnen
und Fragesteller geeignet, die europäische Migrationspolitik weiter zu eskalieren.
Migration stellt keine Friedensbedrohung im Sinne der UN-Charta dar. Besser
wäre nach Ansicht der Fragesteller, nichtmilitärische Strukturen zur Seenotret-
tung zu fördern und auszubauen. EUNAVFOR MED könnte auch ein Vorwand
sein, etwa für die europäische Militärpräsenz vor libyschen und ägyptischen Küs-
ten. So befürwortet der für Libyen zuständige UN-Sondergesandte Bernardino
León eine EU-Seeblockade vor der libyschen Küste, um den Schmuggel von
Rohöl durch den Islamischen Staat und Milizen zu verhindern. Auf diese Weise
werden aber die Phänomene „Terrorismus“ und „Migration“ abermals auf unzu-
lässige Weise miteinander in Verbindung gebracht. Anstatt Flucht und Fluchthilfe
mit allen Mitteln bekämpfen zu wollen, muss die EU zu einer Migrationspolitik
finden, die sich an Solidarität und nicht an Abschottung orientiert. Die Fluchtur-
sachen müssen dabei im Mittelpunkt stehen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie definiert die Bundesregierung die Begriffe „Menschenhändler“,
„Schmuggler“, „Schlepper“ und „Schleuser“?

2. Auf welchen empirischen Daten, Annahmen, Tatsachen und Analyseschrit-
ten basiert die Auffassung der Bundesregierung, die EU könne die oft tödli-
chen Fluchten über das Mittelmeer durch das Verschließen von Grenzen, Ab-
schreckung und Abwehr von Geflüchteten sowie Abwehr, Kontrolle und Be-
kämpfung von Fluchthilfe unterbinden?

3. Wie definiert die Bundesregierung und wie definieren nach Kenntnis der
Bundesregierung die zuständigen EU-Stellen die „root causes“ (zugrunde
liegenden Ursachen) der „menschlichen Tragödie“ im Mittelmeer?

4. Welche konkreten Anstrengungen wurden seitens der Bundesregierung und
nach Kenntnis der Bundesregierung, der EU sowie von EU-Mitgliedstaaten
entfaltet, Fluchtursachen, wie (sicherheits-)politische Destabilisierung, Waf-
fenproliferation, ökonomische Ausbeutung, die auch vom globalen Norden
beeinflusst sind, zu beseitigen, und durch welche konkreten Aktivitäten oder
Maßnahmen sind die Anstrengungen ggf. seit Beginn des Jahres 2015 ver-
stärkt worden (bitte unter Angabe des Zeitpunktes des Beginns und ggf. Ende
einer Aktivität)?

5. Inwiefern wird aus Sicht der Bundesregierung mit der Mission EUNAVFOR
MED neben den gegenüber der Öffentlichkeit kommunizierten Hauptzielen,
kriminelle Strukturen zu bekämpfen und die große Zahl auf dem Mittelmeer
sterbender Geflüchteter zu reduzieren, das weitere Ziel verfolgt, Migration
nach Europa als solche zu verhindern (www.eeas.europa.eu/csdp/missions-
and-operations/eunavfor-med/pdf/factsheet_eunavfor_med_en.pdf)?

6. Inwiefern wird sich nach Kenntnis der Bundesregierung durch einen Über-
gang auf eine der nächsten Phasen von EUNAVFOR MED auch das Opera-
tionsgebiet der beteiligten Militärs verändern?

7. Inwiefern werden sich nach Kenntnis der Bundesregierung durch eine Aus-
weitung von EUNAVFOR MED auch die Zahl und der Kreis der beteiligten
Truppensteller sowie deren Fähigkeiten verändern (bitte die auf der Trup-
penstellerkonferenz hierzu zugesagte Ausrüstung sowie Personalstärke dar-
legen)?

a) Welche Beiträge hat die Bundesregierung auf der Truppenstellerkonfe-
renz am 16. September 2015 angeboten?

b) Inwiefern hat nach Kenntnis der Bundesregierung auch die NATO eine
Zu- oder Mitarbeit angeboten?

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8. Inwiefern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit, gab es in der
Vergangenheit oder soll es – nach derzeitigem Planungs- oder Diskussions-
stand – zukünftig eine Kooperation, einen Informationsaustausch oder ein
sonstiges Zusammenwirken mit der NATO geben?

9. Mit welchen zivilen und militärischen Mitteln beteiligen sich welche Bun-
desbehörden derzeit an EUNAVFOR MED, und welche Veränderungen
würden sich durch einen Übergang auf eine der nächsten Phasen von EUNA-
VFOR MED ergeben?

a) Welche konkreten Aufgaben übernehmen die deutschen Soldaten im
„multinationalen, operativen Hauptquartier“ in Rom und im „taktischen
Einsatzhauptquartier“ auf dem italienischen Flugzeugträger „Cavour“,
und welchen Einfluss haben sie dort auf die „multinationale Operations-
planung und Operationsführung“?

b) Welche Aufgaben werden im Rahmen der „nationalen Führung“ vom Ein-
satzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam übernommen?

10. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, für wann bzw. unter welchen
Umständen Italien und Griechenland den Einsatz ihrer zugesagten U-Boote
im Rahmen einer „Phase 2“ angekündigt haben?

11. Auf welchen italienischen Häfen erfolgt die „logistische Abstützung der see-
gehenden Einheiten“ der Bundeswehr?

12. Welche Flugzeuge, Schiffe oder Drohnen stützen sich im Rahmen von
EUNAVFOR MED nach Kenntnis der Bundesregierung über Basen auf Si-
gonella/Sizilien ab?

13. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, wann und zu welchen Gele-
genheiten die italienische Marine ihre Drohnen des Typs „Predator“ ein-
setzte?

14. Inwiefern hat EUNAVFOR MED nach Kenntnis der Bundesregierung wie
vorgesehen mit anderen Ämtern und Einrichtungen der Union, insbesondere
mit Europol, FRONTEX, Eurojust, dem Europäischen Unterstützungsbüro
für Asylfragen und mit relevanten GSVP-Missionen (GSVP – Gemeinsame
Sicherheits- und Verteidigungspolitik) Koordinierungsvereinbarungen ge-
schlossen, und was wird darin im Einzelnen geregelt?

15. Welche weiteren Koordinierungsvereinbarungen werden nach Kenntnis der
Bundesregierung derzeit verhandelt?

16. In welcher Höhe werden seitens der Bundesregierung sowie seitens der
EU Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit zu EUNAVFOR MED bereitgestellt,
und woher stammen diese (ggf. bitte nach allen einschlägigen Quellen, Ge-
bern oder Haushaltstiteln aufschlüsseln)?

a) Inwiefern ist nach Kenntnis der Bundesregierung mittlerweile über die
aus dem Athena-Finanzierungsmechanismus gemeinsam zu tragenden
Ausgaben für EUNAVFOR MED entschieden, bzw. inwiefern ist die Re-
ferenzsumme für erste grobe Schätzungen der Missionsausgaben inzwi-
schen (auch im Hinblick auf „Phase 2“) korrigiert?

b) Welche Ausgaben werden davon durch die Bundesregierung getragen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6031

17. Welche weiteren Mitgliedstaaten der EU haben nach Kenntnis der Bundes-
regierung auch zivile und bzw. oder militärische geheimdienstliche Mittel
angeboten, und inwiefern wird darauf zurückgegriffen?

a) Um welche Art geheimdienstlicher Aufklärung handelt es sich dabei?

b) Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu oder nicht zu,
dass Großbritannien die Nutzung seiner Abhörstation in Cheltenham an-
bot?

c) Welche Rolle sollen Agenten des GCHQ auf der britischen „HMS Enter-
prise“ übernehmen?

d) Welche Beteiligten an EUNAVFOR MED werden auch Signaltechnik o-
der Anlagen zur Erfassung digitaler Kommunikation oder elektromagne-
tischer Strahlung einsetzen?

e) Wo ist das deutsche „Unterstützungselement Militärisches Nachrichten-
wesen“ für EUNAVFOR MED angesiedelt?

f) Inwiefern setzt auch der Bundesnachrichtendienst im Rahmen von
EUNAVFOR MED Signaltechnik oder Anlagen zur Erfassung digitaler
Kommunikation oder elektromagnetischer Strahlung ein?

18. Auf welche Weise wird EUNAVFOR MED nach Kenntnis der Bundesregie-
rung (auch informell) mit der „gemeinsamen Einsatzgruppe für die Seeauf-
klärung“ (JOT MARE) in Den Haag oder Europol-Stützpunkten auf Sizilien
oder in Piräus zusammenarbeiten?

19. Inwiefern arbeitet die Bundesregierung inzwischen mit der „Regional Task
Force“ der EU in Catania/Italien zusammen, und welche weiteren Mitglied-
staaten der EU haben hierfür Personal oder Ausrüstung überlassen?

20. Welche „vorrangig relevante[n] Küstenabschnitte, von denen üblicherweise
verdächtige Schiffe ablegen könnten“, welcher Länder werden nach Kennt-
nis der Bundesregierung von der EU-Grenzagentur derzeit überwacht?

a) Inwiefern haben auch Bundesbehörden oder die Bundeswehr im Rahmen
von EUNAVFOR MED einen „Verdacht gegen ein bestimmtes Schiff“ kon-
kretisiert, wonach dessen weitere Route verfolgt wurde?

b) Inwiefern und in welchem Umfang machen die Beteiligten von
EUNAVFOR MED nach Kenntnis der Bundesregierung inzwischen auch
von ziviler oder militärischer Satellitenaufklärung Gebrauch?

21. Inwiefern wurden nach Kenntnis der Bundesregierung inzwischen Daten-
banken bzw. „Informationspools“ für EUNAVFOR MED eingerichtet, wer
darf dort Daten einstellen, und welche zivilen oder militärischen Behörden
und Agenturen greifen darauf zu?

22. Wie viele Befragungen von an Bord genommenen Geflüchteten hat die
„Feldnachrichtentruppe“ der Bundeswehr durchgeführt, und wie viele Per-
sonen lehnten eine solche Befragung zu Aufenthaltsorten und Transitwegen
ab?

a) Mit welcher Belehrungsformel wird den Befragten erläutert, dass die frei-
willige Befragung (Bundestagsdrucksache 18/5730) verweigert oder je-
derzeit abgebrochen werden kann und in welcher Form ihre Angaben ge-
gen sie selbst oder weitere Personen (u. a. Angehörige) verwertet werden
könnten?

b) Auf welcher Rechtsgrundlage werden die Daten von Geflüchteten erho-
ben, verarbeitet, übermittelt und gespeichert?

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c) In welchem Umfang wurden im Anschluss an die Befragungen weitere
Ermittlungen gegen die Befragten eingeleitet (etwa weil sich diese selbst
belastet haben) bzw. entsprechende Informationen an zuständige Behör-
den weitergegeben?

d) Welche Abteilungen welcher deutschen oder internationalen Behörden
(auch Geheimdienste) haben Zugriff auf die im „nationalen Führungs-
und Informationssystem für das militärische Nachrichtenwesen“ gespei-
cherten persönlichen Daten der Befragten, und wann werden diese ge-
löscht?

e) Was ist mit dem „Informationsraum EUNAVFOR MED“ gemeint, und
nach welcher Maßgabe werden diese teils persönlichen Daten dort einge-
speist?

f) Welche Abteilungen internationaler Behörden (auch Geheimdienste) ha-
ben Zugriff auf die im „Informationsraum EUNAVFOR MED“ gespei-
cherten persönlichen Daten der Befragten, und wann werden diese ge-
löscht?

g) Auf welche Weise können Betroffene ihr Auskunftsrecht zu über sie ge-
speicherten persönlichen Daten im „nationalen Führungs- und Informati-
onssystem für das militärische Nachrichtenwesen“ oder im „Informati-
onsraum EUNAVFOR MED“ geltend machen?

h) Wo müssen entsprechende Auskunftsersuchen eingereicht werden?

23. Wie viele Schiffe und Boote, die von Geflüchteten genutzt wurden bzw. ge-
nutzt werden sollten, sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen
der Operationen „Triton“ und EUNAVFOR MED bereits zerstört, versenkt
oder unbrauchbar gemacht worden (bitte nach luftgefüllten Booten und Holz-
bzw. Metallrumpf kategorisieren), und wie viele dieser Boote und Schiffe
wurden von der Bundeswehr zerstört?

24. Wann und wo soll nach Kenntnis der Bundesregierung entschieden werden,
ob die „Bedingungen für Schritte über die erste Phase hinaus erfüllt sind“?

25. Wie hat sich die Bundesregierung im Rat der EU dazu positioniert, ob die
„Bedingungen für Schritte über die erste Phase hinaus erfüllt sind“, und wo-
ran orientiert sich diese Auffassung?

a) Auf welcher rechtlichen Grundlage hat das Politische und Sicherheitspoliti-
sche Komitee der Europäischen Union (PSK) nach Kenntnis der Bundesre-
gierung seine Entscheidung zu „Phase 2“ getroffen?

b) Auf welche Weise unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen der
EU-Partner im UN-Sicherheitsrat und der Hohen Vertreterin der EU für
Außen- und Sicherheitspolitik, alle für die Mission EUNAVFOR MED
erforderlichen völkerrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen?

26. Inwiefern und auf welcher rechtlichen Grundlage hält die Bundesregierung
eine Resolution des UN-Sicherheitsrates für den „Übergang“ zu „Phase 2“
für notwendig oder entbehrlich?

27. In welchen formellen oder informellen Zusammenarbeitsformen war die
Bundesregierung am Zustandekommen eines entsprechenden Resolutions-
entwurfs beteiligt, und wie hat sie sich dazu positioniert (New York Times
vom 10. September 2015)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/6031

28. Wie bewertet die Bundesregierung den Erfolg der „Überwachung und Be-
obachtung der Schleuseraktivitäten auf Hoher See“ durch die Bundeswehr
und den Bundesnachrichtendienst?

c) Welche besonderen „Informationen über die kriminellen Netzwerke“
konnten gewonnen werden?

d) Welche 16 oder sonstigen „Gelegenheiten” sind der Bundesregierung be-
kannt, innerhalb derer, wie von der Hohen Vertreterin behauptet,
„Schmuggler und Menschenhändler” durch die an EUNAVFOR MED be-
teiligten Militärs und Geheimdienste verfolgt werden konnten?

29. Was ist der Bundesregierung aus ihrer Mitarbeit in EUNAVFOR MED bzw.
durch eigene Erkenntnisse ihrer beteiligten Militärs und Geheimdienste über
angebliche „Strategie[n] der hochprofessionellen Schlepperbanden“ be-
kannt, auf Flüchtlingsbooten technische Anlagen zur Ortung zu stören oder
zu zerstören (Deutschlandfunk vom 3. September 2015)?

a) In welchem Umfang werden nach Kenntnis der Bundesregierung auf
diese Weise die Identifikationssysteme zerstört oder Funkfrequenzen für
Satellitentelefonie und für den Mobilfunk gestört?

b) Von wo werden nach Kenntnis der Bundesregierung entsprechende
Jamming-Stationen betrieben?

c) Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu oder nicht zu,
dass Boote mit Geflüchteten „auf einen Kurs gesetzt [werden], auf dem
sie ein Handelsschiff kreuzen“, damit diese nicht von anderen Einsatz-
kräften der EU-Mitgliedstaaten geborgen werden?

d) Über welche Sendeleistung und Reichweite verfügen diese Geräte?

e) Inwiefern wurde durch diese Geräte bereits die Radarüberwachung der an
EUNAVFOR MED beteiligten Militärs gestört?

30. Auf welcher völkerrechtlichen oder sonstigen Grundlage ist es aus Sicht der
Bundesregierung möglich, „Schiffe und an Bord befindliche Gegenstände,
die von Schleusern oder Menschenhändlern benutzt oder mutmaßlich benutzt
werden […,] auszumachen, zu beschlagnahmen und zu zerstören oder un-
brauchbar zu machen“?

31. Welche Tatbestandsvoraussetzungen müssen nach Einschätzung der Bun-
desregierung gegeben sein, um in einer „Phase 2“ auf Hoher See nicht nur
Schiffe, sondern auch kleinere Boote ohne Beflaggung anzuhalten, zu durch-
suchen und gegebenenfalls zu beschlagnahmen?

a) Unter welchen Umständen hält es die Bundesregierung nach dem See-
rechtsübereinkommen oder dessen Zusatzprotokollen für rechtlich ein-
wandfrei, Schiffe, die keine oder mehrere Staatszugehörigkeiten besitzen,
zu durchsuchen und zu beschlagnahmen?

b) Unter welchen Umständen würde dies aus Sicht der Bundesregierung
auch für Schiffe anwendbar sein, die eine Flagge führen?

32. Inwieweit haben die bei EUNAVFOR MED eingesetzten Kräfte nach Kennt-
nis der Bundesregierung auch den Auftrag, „Search-and-rescue-“ oder
„Combat-search-and-rescue-“Operationen durchzuführen, und in welcher
Weise sind bzw. werden sie auf derartige Einsatzszenarien vorbereitet?

33. Inwieweit und in welcher konkreten Form ist nach Kenntnis der Bundesre-
gierung Vorsorge getroffen, dass eine rechtliche Überprüfung im Einsatz ge-
troffener Entscheidungen gewährleistet wird (bitte Zugangs- und Verfah-
rensvoraussetzungen sowie Rechtsbehelfe konkret darlegen)?

Drucksache 18/6031 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

34. Mittels welcher konkreten Maßnahmen könnte die erweiterte Mission
EUNAVFOR MED aus Sicht der Bundesregierung „die Bewegungsfreiheit
und den Nachschub der Schleuser in internationalen Gewässern“ einschrän-
ken?

a) Nach welcher Maßgabe und in welchen Fällen könnte dabei Waffenge-
walt angewandt werden?

b) Was ist der Bundesregierung zu Überlegungen für eine „Phase 4“ be-
kannt, wonach EUNAVFOR MED schließlich an libysche Militärs abge-
geben werden könnte?

35. Auf welche Weise hat die Bundesregierung „gemeinsam mit EU-Partnern
und dem Europäischen Auswärtigen Dienst bei der Vorbereitung, Planung
und beim Aufbau der Mission EUNAVFOR MED insbesondere darauf hin-
gewirkt, dass der VN-geführte politische Dialog [in Libyen] mit dem Ziel der
Bildung einer Einheitsregierung und die Umsetzung der Mission aufeinander
abgestimmt sind“(Bundestagsdrucksache 18/5730)?

a) Inwiefern haben nach Kenntnis der Bundesregierung nach dem
10. Juni 2015 in Berlin weitere Treffen mit libyschen Verhandlungsdele-
gationen stattgefunden?

b) Inwiefern wurde dabei nach Kenntnis der Bundesregierung von den Re-
gierungen Libyens in Aussicht gestellt, unter bestimmten Bedingungen
einer militärischen EU-Mission in libyschen Hoheitsgewässern zuzustim-
men oder sich an Operationen vor libyschen Küsten zu beteiligen?

36. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern auch in EUNA-
VFOR MED eine „Shared Awareness and Deconfliction Group“ eingerichtet
werden könnte oder sogar entsprechende Planungen bestehen?

a) Welche Aufgaben würde diese Gruppe dann übernehmen?

b) Wer könnte dieser Gruppe demnach angehören?

37. Welche konkreten Aufgaben übernimmt die deutsche Marine derzeit im stän-
digen NATO-Verband im Mittelmeer?

a) Inwiefern existieren nach Kenntnis der Bundesregierung Arbeitskontakte
zwischen EUNAVFOR MED und dem ständigen NATO-Verband im
Mittelmeer?

b) Welche terroristischen Aktivitäten wurden von dem ständigen
NATO-Verband im Mittelmeer nach Kenntnis der Bundesregierung in
den letzten fünf Jahren aufgespürt?

38. In welchen Einsatzräumen werden die „ca. 3 000 Soldatinnen und Soldaten“
der Bundeswehr im Rahmen der Übung „Trident Juncture“ sowie drei Flug-
zeuge eingesetzt (Bundestagsdrucksache 18/5887)?

a) Welche sechs Schiffe und Boote sollen an der Übung teilnehmen?

b) Auf welche Weise werden sich nach Kenntnis der Bundesregierung „die
Europäische und die Afrikanische Union sowie mehr als [zwölf] große
internationale Organisationen, Hilfsorganisationen und NGOs“(NGO –
Nichtregierungsorganisation) an der Übung beteiligen?

c) Inwiefern sollen für die Übung auch militärische Einrichtungen in Si-
gonella/ Sizilien genutzt werden?

Berlin, den 15. September 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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